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Ungeachtet das Folgende wesentlich nur Glaubensansichten sind, welche ihr Motiv zum Teil in andern Gesichtspunkten finden, als hier zur Sprache kommen können, wüßte ich doch absolut nicht, was diesen Ansichten von exaktester Seite entgegenstände; nur begründen lassen sie sich so wenig exakt, als widerlegen; es gibt aber noch andre und höhere Interessen, als exakt abgemacht werden können, und die mit den hier zur Sprache kommenden in wesentlichem Zusammenhange stehen.
Ich wüßte zuvörderst nicht, was gegen eine mit Bewußtsein sich vollziehende Einrichtung der gesamten materiellen Welt, darunter der irdischen und organischen, bewiese. Man findet einen Gegengrund darin, daß diese Einrichtung sich mit gesetzlicher Notwendigkeit vollziehe, und mag nicht zweierlei Gründe des Geschehens statt eines haben, bewußte Antriebe und gesetzlich wirkende Kräfte. Nun sind aber gerade die, welche sich am entschiedensten auf diesen Standpunkt stellen, zugleich am festesten überzeugt, daß alle, selbst die höchsten Bewußtseinsprozesse im Menschen, den Willen desselben nicht ausgenommen, an materielle Vorgänge geknüpft sind, welche mit gesetzlicher Notwendigkeit entstehen und vor sich gehen und die Bewußtseinsprozesse eben so gesetzlich notwendig mitführen. Wie können sie also in einer gesetzlichen Notwendigkeit, mit welcher materielle Prozesse vor sich gehen, einen Gegengrund darin finden, daß dieselben Träger von Bewußtsein, beziehentlich von bewußten Antrieben, welche eben dahin, wohin die materiellen zielen, sind. Weshalb soll die schöpferische ordnende bildende Tätigkeit der Welt überhaupt eine gesetzlose sein, um sie für eine bewußte halten zu können? Erst mag der Naturforscher die bewußten Antriebe und Tätigkeiten im Menschen für gesetzlos entstehende und wirkende erklären, was er doch bei seiner deterministischen Entschiedenheit nicht mag, ehe er um der Gesetzlichkeit willen, mit welcher die Ordnung und Ausarbeitung der Welt zu Stande gekommen ist, sie für bewußtlos zu Stande gekommen erklärt. Ich vermisse in der Tat in den scheinbar exakten negativen Ansichten, welche hierüber im Kreise der heutigen Naturforscher vorherrschen, ganz den exakten Grund und die exakte Konsequenz. Vielmehr, statt dem Glauben an das Dasein eines bewußt waltenden Gottes damit zu widersprechen, daß es keine Wunder gibt, hätten sie nur den Theologen damit zu widersprechen, wenn diese zum Glauben an Gott des Glaubens an Wunder bedürfen.
Gibt es aber Naturforscher, und nur mit Naturforschern will ich mich hier vernehmen, welche sich doch zum Glauben an die Möglichkeit von Wundern im Menschen bekennen, daß nämlich mitunter neue Anfänge eines kausalen Ablaufes des Geschehens im Menschen auftreten, welche keinen zulänglichen Grund in früherem Geschehen haben: so kann es ihnen auch nicht schwerer fallen, an die Möglichkeit solcher Wunder über den Menschen hinaus zu glauben. Denn mag man Gründe oder Schwierigkeiten für den Glauben finden, daß es überhaupt indeterministische Freiheit in der Welt gibt, und das ist es, um was es sich hierbei handelt, so sind es bezüglich des Geschehens im Menschen und über den Menschen hinaus dieselben. Überall bleibt es eine Glaubensfrage; und wie sie sich entscheide; so läßt sich danach nicht die Frage nach dem Dasein von Bewußtsein über den Menschen hinaus, sondern nur nach der Determination oder Indetermination des Bewußtseins überhaupt, entscheiden, um deren Entscheidung es hier nicht zu tun ist. Es ist nicht wohlgetan, Fragen, die sich scheiden lassen, zu vermischen.
Nun mag der Naturforscher noch andre Gründe haben, ein bewußtes Schaffen und Walten in der Welt über das menschliche und tierische hinaus zu leugnen, vor Allem, daß es keine Nerven über Menschen und Tiere hinaus gibt. Ich meine aber, anderwärts"Nanna" 73; "Über die Seelenfrage" 27. handgreiflich genug gezeigt zu haben, um hier nicht darauf zurückzukommen, daß der Schluß, den man aus der Abwesenheit von Nerven auf die Abwesenheit von Empfindung und Bewußtseinsvorgängen überhaupt zieht, dem vorigen an Bündigkeit nur gleich kommt; finde auch nicht, daß er dadurch exakter wird, daß exakte Forscher immer noch fortfahren, darauf zu fußen, obwohl ich mich wundre, daß sie es tun.
Mancher auch mag einen bestimmten Zentralpunkt in der Welt vermissen, worin sich die Einheit eines Weltbewußtseins reflektiere, und wovon einheitlich durch die Welt durchgreifende bewußte Antriebe den Ausgang nehmen. Aber ist denn ein solcher Zentralpunkt für das menschliche Bewußtsein im menschlichen Gehirn zu finden? Und eben so gut könnte man für die, einheitlich durch die Welt durchgreifende, Gravitation den bestimmten Zentralpunkt vermissen, worein sie sich reflektiere und wovon ihre Wirkungen den Ausgang nehmen. Doch auch hierüber habe ich mich anderwärts"Atomenlehre". 2. Ausg. 27. Abschn. "Elemente d. Psychophysik" II, 392 ff. genug verbreitet.
Daß es positive Motive gibt, die den Glauben, dem man auf Grund solcher und andrer Fehlschlüsse und lockern Betrachtungen widersprechen zu müssen glaubt, mit Naturnotwendigkeit in der Welt hervortreiben, beweist die Verbreitung und Forterhaltung desselben durch die Völker und Zeiten; denn es ist der religiöse Glaube, den man immer von Neuem anfechten, aber niemals stürzen kann, der freilich genug Austriebe erzeugt, die mit der Zeit fallen, aber nur nach Maßgabe als ein Stamm desselben erstarkt und sich in bleibende Zweige ausbreitet, das ist der Glaube an einen einigen lebendigen Gott mit seinen Konsequenzen. Mag auch der Glaube zeitweise sich schwächen oder verwerfen, — und leben wir nicht in einer solchen Periode, wie eine solche schon mehrmals erlebt worden ist — so ist es nur ein Rücklauf mit Ansatz zu neuer Kräftigung oder Reinigung. Denn die Welt braucht den religiösen Glauben, und daß sie ihn braucht, gehört selbst zu den treibenden Motiven, rechtfertigenden Gründen, gestaltenden und reinigenden Mitteln desselben, worüber sich mehr sagen ließe, als hier der Ort wäre, zu sagenEingehender ist davon gehandelt in meiner Schrift: "Die drei Motive und Grunde des Glaubens". Leipzig, Breitkopf & Härtel.. Wenn man aber in den Lehrbüchern der Mechanik und Predigten der Materialisten weder etwas von diesen Motiven noch Gründen findet, so hat man sie auch nicht da zu suchen; dennoch bestehen sie.
Scheut man den Dualismus zweier wirkenden Prinzipien? Aber um ihm zu entgehen, stehen ja verschiedene monistische Auffassungen zu Gebote, die nicht nötigen, von einem bewußten Wirken in der Welt zu abstrahieren; und wie sollten sie, da sie ein solches im Menschen bestehen lassen müssen, warum nicht also auch darüber hinaus? Meinerseits fasse ich das BewußtseinHier im weitesten Sinne, d. i. nicht bloß als Selbstbewußtsein, sondern so verstanden, daß auch die sinnlichste Empfindung darunter tritt. überhaupt als innere Erscheinung dessen, was als materieller Prozeß äußerlich erscheint, indem ich finde, daß durch diese Fassung die fundamentalsten Tatsachen der Beziehung von Leib und Seele besser in Zusammenhang repräsentiert werden, als durch jede andre FassungVergl. den Eingang des ersten Teiles meiner "Elemente der Psychophysik". Eingehender ist diese Ansicht vom Verhältnisse zwischen Leib und Seele in "Zendavesta" II, 313 besprochen; und eine Vertiefung derselben findet sich in der Schrift "Über die Seelenfrage" Abschn. X.; und vielleicht täte man besser, dies künftig zu beachten, als wie seither zu ignorieren; mögen aber immerhin Andre unsre Fassung hier in eine ihnen geläufigere übersetzen.
Nun liegt meines Erachtens die Aufgabe der Naturwissenschaft als solcher darin, die Welt und das Geschehen darin im Zusammenhange von äußerem Standpunkte nach Seite der äußeren Erscheinlichkeit ins Auge zu fassen und zu verfolgen; und man hat unstreitig Recht, nicht mit geistigen Mächten, die bloß Sache der Betrachtung von innerem Standpunkt und mithin Sache der inneren Erscheinlichkeit sind, dahinein zu stören. Jede beider Betrachtungsweisen hat ihre eigene Konsequenz. Also ist einer naturwissenschaftlichen Schöpfungsgeschichte als solcher nicht zuzumuten, sich mit geistigen Schöpfungskräften zu befassen; aber mit der Behauptung, daß es kein schöpferisches Bewußtsein als innere Erscheinung des materiellen Weltprozesses gebe, sollte sie sich eben so wenig befassen; denn es liegt gar nicht auf ihrem Wege, ein Urteil darüber zu haben. Daß etwas nicht in eine Lehre gehört, beweist noch nicht, daß es nicht existiert. So hat auch die Physiologie statt mit Denken und Wollen nur mit den Gehirnprozessen zu tun, welche als äußere Erscheinlichkeit dazu gehören. Könnte man in ein lebendiges Gehirn äußerlich hineinsehen, so könnte man doch nichts von dem bewußten Geiste darin sehen, der bloß Sache der innern Erscheinlichkeit ist, und so, wer in die Welt äußerlich hineinsieht, nichts von dem bewußten Gotte darin; daher es freilich natürlich ist, daß Laplace beim Durchmustern des ganzen Himmels Gott nicht finden zu können erklär-te; er stand eben nicht auf dem innern göttlichen Standpunkt. Kann man nun durch die Physiologie die Psychologie nicht eliminieren, so sollte man auch durch die Naturwissenschaft die Religion, durch die materiellen die geistigen Schöpferkräfte nicht eliminieren wollen. In der Religion aber ist bloß die historische und praktische Seite der Erkenntnisse vom Dasein und Walten eines bewußten Geistes in der Welt vertreten, die theoretische wird man schließlich in einer Psychophysik höhern Stils zu suchen haben, als bis jetzt vorliegt, und als wovon die Ahnung im Materialismus und der seitherigen Philosophie überhaupt besteht.
Nach diesen allgemeinen Vorbemerkungen gehe ich mit einigen Worten näher auf die hier zu besprechenden Glaubensansichten ein.
Ohne irgend eine bestimmte Ordnung in der Urausteilung der Weltmaterie vorauszusetzen, suche ich das Walten des bewußten weltschöpferischen und ordnenden Prinzips in der Hervorrufung der Ordnung selbst durch die demselben dienstbaren Kräfte. Wäre die Welt von Anfange an geordnet gewesen, so gab es auch für Gott nichts mehr darin zu tun; die durch die Welt durchgehende Tendenz zur Ordnung macht sich nun nach materieller Seite als Tendenz zur Stabilität geltend; und diese hat dieselbe Richtung als die daran geknüpfte oder innerlich darin erscheinende bewußte Tendenz, nicht anders, als die materielle Tendenz, meinen Arm zu bewegen, dieselbe Richtung hat, als der daran geknüpfte Wille.
Dies, durch die ganze Welt durchgehende bewußte schöpferische und ordnende Prinzip betätigt sich nun auch in Ordnung und Ausgestaltung des irdischen Reiches und hiermit in Schöpfung und Entwicklung des organischen Bestandes dieses Reiches; und das Bewußtsein der Geschöpfe selbst ist als ein Sproß aus dem in das irdische Reich eingesenkten und darin individualisierten Urbewußtsein anzusehen. Die Bibel sagt, daß Gott dem Menschen die Seele einblies. Wohl; nur geschah es nicht aus dem Leeren, sondern das kosmorganische Reich der Erde war das von Gottes Odem erfüllte Gebläse, aus dem der Wind in alle Pfeifen drang.
Zwar kann man darauf hinweisen, daß der menschliche Embryo eine lange Reihe von Entwicklungsstufen im Unbewußtsein durchläuft, bis er in ein bewußtes Leben hineingeboren wird; und meinen, entsprechend sei es mit der ganzen Welt und mit der Erde insbesondre gewesen; erst spät, erst mit Entstehen der organischen Geschöpfe, sei überhaupt Bewußtsein in ihr erwacht. Aber man kann auch darauf hinweisen, daß die Entwicklungsstufen, die der Embryo eines Geschöpfes jetzt unbewußt durchschreitet, nur die Folge von Entwicklungsstufen sind, welche von den Vorstufen des Geschöpfes bewußt durchlaufen wurden, und sich jetzt im Embryo nur durch Vererbung wiederholen, durch die sich überhaupt bewußt Entstandenes unbewußt zu wiederholen vermag, Beweis: die Einrichtung des Schäferhundes und Hühnerhundes zu ihren Leistungen; — weiter, daß der Embryo auch heute noch nur von bewußten Eltern gezeugt und geboren werden und die angeerbten Anlagen nur mit Bewußtsein weiter ausarbeiten kann. So weit wir es also rückwärts und um uns verfolgen können, entsteht bewußtes Leben und entstehen Einrichtungen zu bewußtem Leben nur aus bewußtem LebenNatürlich widerspreche ich hiermit der Hartmann’schen Lehre, der zu widersprechen aber auch von andrer Seite Anlaß genug vorliegt., und steht hiernach der Glaube frei, daß auch die erste Entstehung des Bewußtseins der Geschöpfe aus einem bewußten Quelle heraus geschahe. Und warum sollte ein kosmorganisches System nicht so gut Träger von Bewußtsein sein können, als die molekular – organischen, die es erzeugt? Ich wiederhole es, exakt beweisen läßt sich’s nicht; aber es handelt sich ja auch hier nur darum, scheinbar exakte Gegenbeweise gegen einen Glauben, der sich auf andre Gesichtspunkte als exakte Beweise zu stützen hat, zu entkräften und selbst Wahrscheinlichkeitsgründe dafür zu eröffnen.
Erfahrungsmäßig hinterläßt überhaupt alle bewußte Tätigkeit beim Erlöschen (Herabsinken unter die psycho-physische Schwelle) Rückstände, Einrichtungen in der Organisation, welche nicht nur die Wiederholung derselben bewußten Tätigkeit in demselben Individuum erleichtern, sondern auch bis zu gewissen Grenzen der Vererbung fähig sind. Und so ist in der Tat kein Hindernis zu denken, daß die ganze heutige zweckmäßige Bildung des Embryo nur die vererbte Hinterlassenschaft der durch eine lange Reihe von bewußten Generationen geschehenen Ausarbeitung der ersten, ihrerseits bewußt zu Stande gebrachten Anlage des Menschen sei, die der geborene Mensch eben deshalb nur noch in feinere Bestimmungen ausarbeiten kann, weil er die ganze Hauptanlage als Erbe früheren bewußten Erwerbes bei der Geburt fertig mitbekommen. Was aber von der zweckmäßigen Einrichtung des menschlichen Embryo gilt, wird von der zweckmäßigen Einrichtung der ganzen Welt gelten. So viel davon jetzt unbewußt im Dienste bewußten Lebens oder als Ansatzpunkt neuen bewußten Lebens fortbesteht und fortwirkt, wird nur der Rest oder das Erbe früheren bewußten Schaffens und Wirkens sein.
Man streitet wohl, ob das Ei oder die Henne das Erste war. Aber dieser Streit ist nicht damit zu verwechseln, ob Unbewußtsein oder Bewußtsein das Erste war; denn auch das unbewußte Ei würde keine bewußte Henne geben können, wenn es nicht die Anlage dazu als Erbe von früherem Bewußtsein her hätte, das man nur nicht in einer ersten Henne; sondern in dem kosmorganischen Reiche zu suchen hat.
Daß die Ausarbeitung der gesamten Welt, und darin des irdischen und organischen Reiches insbesondere, durch bewußte Tätigkeit geschehen sei, schließt freilich noch nicht ein, daß sie auch durchgehens mit bewußter Voraussicht und Zwecksetzung geschehen sei. Aber es ist natürlich zu glauben, daß diese von jeher so weit gegangen seien; als es zur Erreichung der Weltzwecke, so weit sie nun eben bisher erreicht sind, nötig war, und daß sie zu aller Zeit über die bewußte Voraussicht und Zwecksetzung der Geschöpfe derselben Zeit hinausgegangen seien, sofern diese bloß untergeordnete Glieder des Ganzen, dem das allgemeine Bewußtsein zugehört, sind; ein umfassenderer Geist kann aber auch umfassendere Voraussicht haben. Ohne Bewußtsein fern liegender Zwecke kann Vieles zweckmäßig mit und aus dem Bewußtsein gegenwärtiger Bedürfnisse oder Übel heraus geschehen, sofern deren Empfindung (genauer materieller Prozeß, woran die Empfindung hängt) unmittelbar den Prozeß zur Erfüllung des Bedürfnisses oder Abwendung des Übels auslöst, nach psychophysisch zu verwertenden Gesetzen, welche sich dem Prinzip der Tendenz zur Stabilität unterordnen. Aber jede Entwicklung bewußten Lebens wird auch zur bewußten Voraussicht und Setzung ferner Zwecke führen, indem selbst viele gegenwärtige Bedürfnisse und Übel nur durch eine Kette von Tätigkeiten erfüllt oder gehoben werden können, wozu eine mit Bewußtsein und in Zusammenhang mit Bezug auf das Endziel erfolgende neue Einrichtung der organischen Maschine des Menschen im Besondern oder Welt im Ganzen nötig ist, kurz, wozu bewußte Voraussicht und Zwecksetzung als innere Erscheinung der zum Zweck führenden Tätigkeiten gehören. So weit nun das in das göttliche mit eingehende menschliche Bewußtsein fern liegender Zwecke reicht, dieselben zu erfüllen, wird Gott sich nicht darüber hinaus bemühen, sondern sich eben in dem Menschen und durch den Menschen darum kümmern; aber indem es in keinem endlichen Geschöpfe weit reicht, wird auch für Gott Anlaß sein, sich mit einer weitern Voraussicht und Zwecksetzung darum zu kümmern; und das wissenschaftliche Vertrauen in das Prinzip der Tendenz zur Stabilität wird sich dem religiösen Vertrauen, daß Gott Alles zum Besten lenken und wenden werde, unterbauen können, sofern die göttliche Fügung und Führung unwandelbar im Sinne dieses Prinzips geht, was nichts Andres als das Prinzip erfolgreichen Strebens zu einem befriedigenden Endziel ist.
Nun kann man sagen: dann verlasse ich mich vielmehr auf das Prinzip, als auf Gott. Aber eins scheidet sich nicht vom Andern, wenn das Prinzip eben das Prinzip göttlichen Schaffens und Waltens ist. Das lebendige Vertrauen eines bewußten Wesens kann doch nur auf die bewußte Seite des Prinzips gehen. Auch wer sich auf Eltern und Freunde verläßt, richtet sein Vertrauen vielmehr auf das, was er vom Bewußtsein derselben weiß oder voraussetzt, als auf ein Prinzip, was die materiellen Prozesse beherrscht, die ihrem Bewußtsein unterliegen, obschon es solche gibt, die ihm unterliegen. Nicht anders kann es mit dem Vertrauen auf Gott sein.
Nach der Grundvorstellung, die wir uns vom kosmorganischen Systeme machten, ist kein Grund, das Bewußtsein darin von Anfange an als gespalten anzusehen. Aber es kann sich fragen, wie es sich jetzt damit verhält, nachdem sich dies System in ein molekular – organisches und unorganisches, und jenes in die verschiedenen Geschöpfe auseinandergesetzt hat. In dieser Hinsicht aber können Schluß wie Glaube verschiedene Wege gehen.
Gar wohl kann man sich denken, daß bei der Differenzierung der kosmorganischen Urmaterie in Molekular – Organisches und Unorganisches das Unorganische unter der Schwelle des Bewußtseins blieb, und nur das Organische als überhaupt bewußtseinsfähig über die Schwelle emportrat; und daß bei der Differenzierung der organischen Materie in Pflanzliches und Tierisches abermals das Pflanzliche unter der Schwelle zurückblieb, und nur das Tierische sie überstieg, das Bewußtsein des Tierreichs aber in getrennte Einheiten zerfiel. Hiermit kommt man auf die jetzt herrschenden Vorstellungen zurück.
Hiergegen ist mein Glaube, daß das kosmorganische Reich sich in seiner Entwicklung geistigerseits eben so wie materiellerseits nur gegliedert, nicht gespalten hat, wie ich dasselbe von der ganzen Welt glaube, nach materieller Seite aber gar nicht bloß zu glauben brauche.
In der Tat meine ich, daß die Schöpfung der einzelnen organischen Geschöpfe keinen anderen Sinn hatte, als die Bewußtsein tragenden und demselben dienenden körperlichen Einrichtungen nach den Örtlichkeiten und Umständen in zweckentsprechendster Weise zu spezialisieren und zu kombinieren, und dadurch das ganze bewußte Leben der Erde auf eine höhere Stufe zu heben, als welche sich ohne Sonderung — des Bewußtseins der Geschöpfe und der unterliegenden materiellen Einrichtungen dazu erreichen ließ, weil höhere Beziehungen und Verknüpfungen selbst eine Unterschiedenheit und in gewissem Sinne Geschiedenheit des zu Verknüpfenden voraussetzen. Wie sollen z. B. gesellige Beziehungen zwischen den Menschen entstehen, wenn nicht das Bewußtsein der Menschen aus gewissem Gesichtspunkte geschieden ist. Eben so wenig aber könnten sie bestehen, wenn es nicht aus anderm Gesichtspunkte verknüpft wäre. Diese Verknüpfung aber geschieht materiellerseits durch das unorganische Reich, und dieses könnte keine Verknüpfung zwischen Geistern bewirken, ohne selbst Träger geistiger Zwischenwirkung zu sein. Der Blick geht durch den Lichtäther, mit dem wir alle umgeben sind; das Wort geht durch die Luft; der Gang, die Fahrt folgt den Straßen auf der Erde; die Schrift, die Werke der Kunst sind fest gewordene Reste früherer bewußter Tätigkeit, geeignet, neues Bewußtsein zu entzünden. Jeder von uns empfindet nur einseitig das Eingreifen davon in sein Bewußtsein und dadurch eine Beziehung zu anderm Bewußtsein, ohne die Gesamtheit dieser Beziehungen zu empfinden. Ich meine aber, daß all das von einem gemeinsamen Bewußtsein übergriffen wird, welches außer der Summe des Bewußtseins der einzelnen organischen Geschöpfe auch das Bewußtsein der gesamten Beziehungen dazwischen einschließt in ähnlichem Sinne, als die auch in gewissem Sinne geschiedenen Bewußtseinsgebiete unserer einzelnen Sinne von einem gemeinsamen Bewußtsein übergriffen werden, welches außer der Summe derselben auch das Bewußtsein ihrer Beziehungen einschließt. Über der einheitlichen Bewußtseinsverknüpfung im irdischen Reiche aber wird es endlich noch eine solche für die ganze Welt geben.
Denken wir uns die Saiten, die zu einer Musik zusammenwirken, lebendig, jede ihren eigenen Ton und die Veränderung ihres Tones durch die Fortpflanzung der Schwingungen in sie hinein von andern Saiten her empfindend, so konnte sie diese Veränderung doch nur als schwache Nuancierung ihres eigenen Tons empfinden, und jede andre Saite würde die ihr zukommende als eine andre Nuancierung für sich empfinden. Aber wenn die Luft zugleich und in Zusammenhang mit den Saiten empfände, so könnte das System von beiden mit den Tönen der einzelnen Saiten auch die volle Melodie und Harmonie des ganzen Spiels empfinden, indem sich die Schwingungen aller Saiten durch die Luft fortpflanzten und in ihr kreuzten, doch aber das Spiel nur durch Vermittelung der Saiten erzeugt und unterhalten werden, und weder in den Saiten für sich noch der Luft für sich die Bedingung der Vernehmbarkeit des ganzen Spiels gesucht werden. Für die Saiten setze die organischen Geschöpfe, für die Luft das unorganische Reich dazwischen. Im Grunde ist es dasselbe Prinzip, als nach welchem die so einfachen nur unter einander höchst verwickelten Gehirnfasern Brücken zwischen allen unsern Sinnes- und Bewegungsorganen schlagen. Das sind festgelegte Brücken; aber es bedarf zu diesen festgelegten Brücken in den Organismen der frei veränderlichen, soll nicht das ganze Leben der Erde in feste Bande geschlagen sein.
So verwickelt unsere Gehirne sind, und so sehr man geneigt sein mag, an diese Verwickelung eine Höhe geistiger Eigenschaften zu knüpfen, so ist die Welt unsäglich verwickelter, indem sie eine Verwicklung aller in sie eingehenden Verwickelungen, darunter unserer Gehirne selbst, ist; warum nicht also auch noch höhere geistige Eigenschaften, als uns zukommen, an diese höhere Verwickelung knüpfen. Der Bau und Ausbau des Himmels erscheint in der Tat nur einfach, wenn man bloß auf die großen Massen, nicht auch auf deren Ausarbeitung und Verkettung, achtet. Die Weltkörper sind doch keine rohen gleichförmigen Klumpen, und die Beziehungen von Licht und Schwere greifen zwischen ihnen in mannichfachster und verwickeltster Weise durch. Daß aber das Viele in der Welt sich auch einheitlich gruppiert, zusammenfaßt, gliedert, widerspricht nicht dem Gedanken, sondern stimmt nur dazu, daß es sich geistig entsprechend zusammenfaßt.
Man muß freilich bei all’ dem jenes Dogma, was falsche Erfahrungsschlüsse vielmehr begründet, als aus einem richtigen folgt, fallen lassen, daß Bewußtsein bloß an feste Nervenstränge gebunden ist. Auch hindert beim Fehlen aller widersprechenden Gesichtspunkte nichts, einen Lichtstrahl nur für einen seiner Eiweißhülle entkleideten Nerven zu halten und mit dieser Annahme andere Gesichtspunkte zu ergänzen, wenn sie dessen bedürfen. Solche Nerven aber durchkreuzen das All und verweben sich im All.
Auch hinsichtlich der Empfindungslosigkeit der Pflanzen teile ich die herrschenden Ansichten nicht. Aber es ist nicht meine Absicht, hierüber in Näheres einzugehen, oder das Vorige weiter auszuführen, nachdem ich mich in früheren Schriften»Nanna«, »Zendavesta«, "Über die Seelenfrage« und »Die drei Motive und Gründe des Glaubens«. genug darüber verbreitet habe. Ich bin mir bewußt, darin die tatsächlichen Verhältnisse sorgfältig in Zusammenhang erwogen zu haben, die überhaupt bisher zur Begründung einer klaren, mit unsern naturwissenschaftlichen und religiösen Interessen gleich verträglichen, Ansicht in diesen Dingen, gegenüber einer Konstruktion aus leeren Begriffen oder starren Dogmen, zu Gebote stehen, in Erwartung, daß die Psychophysik einst noch größere Sicherheit bieten wird; und finde nicht, daß diese durch das Chaos der herrschenden Ansichten geschlossen durchgehenden Betrachtungen dadurch zu Phantastereien werden, daß man sie dafür aus Gesichtspunkten und nach Schlüssen erklärt, wie die, deren ich Eingangs gedachte, die nicht einmal den Wert von Phantastereien haben. Wundert man sich aber; daß der "Zendavesta" und "Die Elemente der Psychophysik" aus demselben Menschen gekommen, so ist es dasselbe Wundern, als daß Gezweig und Wurzel aus demselben Keime gekommen und sich zur selben Pflanze zusammengefunden haben. Freilich kann die Wurzel nicht unmittelbar in das Gezweig hineinreichen.
Natürlich sind alle Gleichnisse, die wir brauchen können und anderwärts gebraucht haben, die Verhältnisse des Ganzen an Verhältnissen von Teilen des Ganzen zu erläutern, eben nur Gleichnisse, die nicht bis ins Letzte treffen können, sondern bloß so weit, als der Unterschied des Teils vom Ganzen, des Besondern vom Allgemeinen, worin das Besondere inbegriffen ist, nicht in Betracht kommt. Die Welt im Ganzen hat kein Gehirn wie der Mensch, sonst wäre sie nicht mehr, nicht Größeres und Höheres als der Mensch; aber das hindert nicht, daß gemeinsame Prinzip der Einrichtung und Leistung von der Welt in den Menschen herab und von diesem in die Welt hinaufreichen; diese hat man ins Auge zu fassen und zu verfolgen und dabei den Gesichtspunkt zu erhöhen und zu erweitern, um das Höhere und Weitere zu erblicken, nicht zu den größeren und höheren Leistungen in der Welt die gleichen Einrichtungen als im Menschen zu suchen oder zu fodern, und weil man sie nicht findet, ihr die Fähigkeit auch nur zu gleichen Leistungen abzusprechen. Doch ist dies die hergebrachte Weise, diese Dinge zu behandeln; und so darf es mich freilich nicht befremden, wenn man sich nicht darein finden kann und es mir allseits verdacht hat, daß ich mehr auf Gleichnisse in erstem Sinne, das ist mit Rücksicht auf die Ungleichheit der Verhältnisse, als das Gleiche in letztem Sinne gebe.