Gustav Theodor Fechner
Einige Ideen zur Schöpfungs- und Entwicklungsgeschichte der Organismen
Gustav Theodor Fechner

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V. Kosmoganische Verhältnisse, Urentstehung der Organismen.

Die heutige Deszendenzlehre hält sich an die Ansicht gebunden, daß sich das organische Reich der Erde in einer Urzeit derselben aus dem unorganischen Reiche herausgebildet habe, und mutet diesem Reiche zu, zufällig noch einmal mindestens ein Moner oder eine einfache Zelle zu produzieren, oder plagt sich damit, es ihm gleich zu tun, indem man die einfachsten Organismen, wenn nicht aus rein unorganischem Stoffe — was man sich doch kaum zutraut, obwohl im Sinne und zur Stütze der Lehre zutrauen müßte — aus solchem, der durch Kochen unorganisch gemacht ist, zu produzieren sucht. Mir scheint das aber ungefähr dasselbe, als wenn man meinte, Fleisch und Nerven hätten sich in einer gewissen Zeit des Fötuslebens aus den Knochen herausgebildet, könnten es auch wohl noch unter günstigen Verhältnissen, und derselbe Versuch, als wenn man, nachdem das Hühnchen aus dem Ei gekrochen; das Hühnchen noch einmal aus der Eierschale erzeugen wollte; nur daß ich statt der Stoffe die Kräfte dazu erschöpft halte.

Schon oben habe ich darauf hingewiesen, daß ein Ursprung der Organismen, aus rein unorganischem Stoffe als ein Widerspruch mit dem Prinzip der Tendenz zur Stabilität erscheint. Ich will zwar nicht behaupten, daß dieser Widerspruch in völlig strenger Weise dargetan sei; aber die allgemeine Betrachtung, die sich in dieser Hinsicht anstellen ließ, stimmt zusammen mit dem negativen Erfolge der bisher angestellten Beobachtungen und Versuche. Man provoziert zwar auf ganz eigentümliche früher bestandene Verhältnisse des unorganischen Reiches, welche die jetzt nicht mehr möglich scheinende Entstehung von Organismen daraus möglich gemacht haben sollen; aber so lange man mit diesen Verhältnissen nicht aus den Bedingungen des unorganischen Zustandes heraustritt, wird man weder nach jenem Prinzip noch nach empirischen Gesetzen sich auf jene Entstehung Rechnung machen dürfen. Denn mag der Kohlensäuregehalt der Luft, die Brutwärme der Erde, und an was man sonst denken mag, früher viel größer gewesen sein als jetzt, mag man die Diffusionen und chemischen Prozesse zwischen den unorganischen Massen noch so abgeändert denken, so wissen wir doch genug von den Gesetzen aller solcher Abänderungen und ihren Erfolgen, um als Resultat immer wieder nur unorganische Massen erwarten zu können.

Es wird großes Gewicht darauf gelegt, daß die neuere Chemie aus rein unorganischen Stoffen Harnstoff, Ameisensäure u. s. w., welche auch von Organismen produziert werden, zu erzeugen gelernt habe; aber hat sie irgend einen dieser Stoffe in den organischen Bewegungszustand zu versetzen, die Phänomene der Ernährung, des Wachstums, der Fortpflanzung daran hervorzubringen vermocht? und darum handelt es sich doch. Nun meint man, es käme nur noch darauf an, es bis zur chemischen Zusammensetzung und dem Aggregatzustande des eiweißartigen Protoplasma eines einfachen Moners bringen, so werde sich alles das von selbst finden. Und unstreitig, wenn das künstlich erzeugte Protoplasma in allen molekularen Verhältnissen dem natürlichen gliche, so würde es auch dessen Lebenserscheinungen zeigen; nur gehört zu den molekularen Verhältnissen der Bewegungszustand selbst, auf dem die Lebenserscheinungen beruhen; die Chemie der Laboratorien aber hat bisher noch nicht die geringste Anlage verraten, solchen einer unorganischen Materie zu verleihen, oder deren Teilchen so zu ordnen, daß Kräfte dazu in ihr selbst erwachen.

Während aber so das unorganische Reich sich unfähig zeigt, Organisches in sich aus sich zu produzieren, sehen wir täglich in und aus Organismen unorganische Stoffe in tropfbarem oder Gaszustande sich ausscheiden oder mehr oder weniger feste Gerüste darin bilden, und so meine ich, obwohl nicht nach dieser Analogie, sondern nach direkteren Gründen, daß man auch anstatt einer Entstehung und Ausscheidung der Organismen in und aus dem unorganischen Reiche umgekehrt eine Entstehung und Ausscheidung der unorganischen Massen aus einem ursprünglich organischen Zustande der Erde im Sinne unserer Erklärung des organischen Zustandes anzunehmen habe; nur daß die molekulare Zugkraft in Erzeugung der organischen Bewegungen so lange durch die über unmerkliche Weiten hinaus wirkende Zugkraft der Gravitation vertreten war, als die Teilchen der Erde selbst über solche Weiten hinaus von einander entfernt waren. Sollte man aber den organischen Zustand bloß auf Abhängigkeit von Molekularkräften beschränken wollen, so würde man zu sagen haben, daß Organisches und Unorganisches durch Differenzierung aus einem Zustande der Urmaterie hervorgegangen zu denken sind, auf den weder der Begriff unserer heutigen organischen noch unorganischen Zustände vollkommen anwendbar ist. Insofern sich jedenfalls eine Unterscheidung des Urzustandes der Erde von den jetzt auf der Erde zu beobachtenden organischen Zuständen nötig machen kann, mag der erste als kosmorganischer, indes letzterer als molekularorganischer bezeichnet werden. Nun aber fragt sich, wie wir zu unserer Vorstellung vom kosmorganischen Zustande gelangen.

Ursprünglich war nach jetzt allgemein zugestandener Annahme die ganze Materie der Erde, ja unseres ganzen Planetensystems, in einem ungeheuer ausgedehnten Zustande und zog sich nur allmälig nach dem gemeinsamen Schwerpunkte zusammen. Hätten die Teilchen nicht von vorn herein Impulse gehabt, die von der Richtung der Schwere abwichen, so würden aus den Anziehungskräften derselben gegen einander geradlinige Bewegungen direkt nach dem Schwerpunkte resultiert sein und hätte die elliptische Bewegung der Planeten um den Schwerpunkt des Systems und die Rotation derselben um ihre Achse nicht zu Stande kommen können. Das Vorhandensein dieser, von der Richtung nach dem Schwerpunkt abweichenden, Bewegungen aber nötigt zur Annahme solcher Impulse oder Anfangsgeschwindigkeiten, welche eine andere Richtung hatten, gleichviel, worin man ihren Ursprung suchen will. Unsere Ansicht darüber, wodurch sie jedes mystischen Charakters entkleidet werden, kann man im Zusatze am Schlusse dieses Abschnittes finden; doch kommt es hier nur auf die notwendig zuzulassende Tatsache, nicht die Erklärung derselben an. Beschränken wir uns hier zunächst auf Betrachtung der Erdmasse, so ist von vorn herein kein Grund, alle Teilchen derselben als in gleichen Abständen von einander und die Impulse darauf alle als gleich gerichtet und gleich stark anzusehen, ja wenn unsere Ansicht von der Natur dieser Impulse richtig ist, so folgen aus Verschiedenheiten in erster Hinsicht von selbst Verschiedenheiten in letztern Hinsichten. Eben so wenig aber ist Grund, alle auf die verschiedenen Teilchen geäußerten Impulse sich im Ganzen in Richtung und Größe gerade kompensierend zu denken. In der Tat wären dies unter unendlich vielen denkbaren Fällen nur zwei. Jeder Fall dazwischen aber hat schließlich nach mechanischen Prinzipien zur Rotation der durch ihre Molekularanziehungen fest gewordenen Erdmasse um ihre Achse und translatorischen Bewegung im Raume nach der Richtung führen müssen, welche im Ganzen überwogIn der Tat, nach bekannten mechanischen Prinzipien, wenn auf einen schon festen, im freien Baume schwebenden Körper ein Impuls geäußert wird, dessen Richtung nicht durch den Schwerpunkt geht, so nimmt er eine Bewegung an, welche sich zusammensetzt aus einer Rotation des Körpers um eine durch den Schwerpunkt gehende Achse und eine Fortbewegung des Schwerpunkts in Richtung des Impulses. Dieser Impuls nun wird bei der Erdmasse im Moment des Festwerdens durch eine Resultante der Impulse, welche auf alle einzelne Teilchen besonders geäußert sind, vertreten — Daß die Umläufe und Rotationen aller Planeten in demselben Sinne gehen, kann freilich nicht nach diesem Prinzip erklärt werden, indem die Einrichtung darauf schon durch eine gegenseitige Abhängigkeit der Teilchen zu der Zeit geschehen sein mußte, als die ganze Masse des Planetensystems noch ungetrennt einen ungeheuren Ball bildete, in dem wegen der Entfernung der Teilchen von einander kein Festwerden durch Molekularanziehungen stattfand. Aber unstreitig wird in einem System von Teilchen, welche nur der Gravitation unterliegen, schon durch das Prinzip der Tendenz zur Stabilität eine Tendenz zur Bewegung in gleichem Sinne begründet und diese durch das spätere Erstarren der einzelnen Weltkörper mittels Molekularanziehungen nur endgültig vollendet und fixiert., indes vor Entstehung des festen Zustandes die einzelnen Teilchen eine Bewegung nach den verschiedensten Richtungen zwischen einander, durch und um einander nur mit Erhaltung der Lage des gemeinsamen Schwerpunkts und im Ganzen mit Vorwiegen einer gewissen Richtung hatten, wodurch sie nicht bloß den Ort, sondern auch die Ordnung spontan und kontinuierlich änderten, was wir als unterscheidenden Charakter des organischen Zustandes vom unorganischen erkannt haben, und wonach die ganze Erde von vorn herein unter den Gesichtspunkt eines einzigen Organismus ohne Einmischung unorganischer Zustände tritt.

Man kann sich diese Verhältnisse bis zu gewissen Grenzen dadurch erläutern und zugleich der Triftigkeit der vorigen Betrachtungen dadurch versichern, daß man von der Erde als bloß einem Teile des Planetensystems auf das ganze Planetensystem zurückblickt, indem das Spiel, was wir den Teilchen der Erdmasse unter dem Einflusse der Gravitation und ursprünglicher Impulse vor dem Festwerden durch Molekularanziehungen zuschrieben, sich noch heute zwischen den nicht durch solche Anziehungen an einander gefesselten Massen des Planetensystems vollzieht, sofern noch jetzt alle Planeten sich bezüglich einander um den Schwerpunkt des ganzen Systems wahrhaft kosmorganisch in freien Bahnen von verschiedener Weite, Form (Exzentrizität) und Umlaufszeit bewegen, wovon wir ja schon früher Anlaß zur Erläuterung des organischen Zustandes überhaupt nahmen, mit der hier zu wiederholenden Bemerkung, daß, während das Massenübergewicht der Sonne alle Planetenbewegungen auf wenig gestörte Ellipsen reduziert, eine solche Beschränkung für die Teilchen der Erde eben so wenig als noch heute für die Teilchen eines organischen Moleküls stattfindet, so daß man den Teilchen der Erde von vorn herein viel verwickeltere Bewegungen bezüglich des Schwerpunkts und bezüglich einander beilegen kann, als sich zwischen den Massen des Planetensystems finden.

Hierzu fügt sich noch die Erinnerung, daß außer der Verschiedenheit der übrigen Bewegungsverhältnisse auch eine verschiedene Neigung der Bahnebenen gegen die Ekliptik und eine verschiedene Neigung der Rotationsachsen für die verschiedenen Planeten besteht, was direkt beweist, daß auch die ursprünglichen Impulse für die verschiedenen Massen des Planetensystems nicht gleichgerichtet waren. Waren sie aber für die verschiedenen Massen des Systems nicht gleichgerichtet, warum sollten sie für die verschiedenen Teilchen der Massen, darunter der Erde, gleichgerichtet gewesen sein. Dächte man sich anderseits zwischen den gesamten Massen des Planetensystems eben so feste Verbindungen hergestellt, als schließlich zwischen den Teilchen der Erde zu Stande gekommen ist, dächte man alle durch ein System fester Balken verbunden, so würden sich auch alle verschiedenartigen Fortschrittsbewegungen und Rotationen der Massen eben so in eine überereinstimmende Rotationsbewegung des ganzen Systems um eine Achse verwandeln, als es mit den Teilchen der Erde der Fall gewesen ist.

Hiernach dürfte man für den Bestand der ursprünglichen kosmorganischen Bewegungen in der Erdmasse alle erwünschten theoretischen und faktischen Unterlagen haben.

Gehen wir nun von dem Zustande der Erde aus, wo diese Bewegungen noch frei und durch keine andere Kraft als die Gravitation samt der Beharrung bestimmt waren, so änderte sich dieser Zustand nach Maßgabe, als sich die Masse der Erde mehr zusammenzog, hiermit die molekularen Kräfte wirksam zu werden anfingen, und setzten sich nach bekannten Folgerungen des Gesetzes der Erhaltung der Kraft die großen kosmorganischen Bewegungen in kleinere molekulare um, was als der gemeinsame Quell der Wärmeschwingungen in den unorganischen Molekülen und der molekular – organischen in den organischen anzusehen. Nun sind letztere Bewegungen nicht minder als erstere bei den Wärmeerscheinungen in Anschlag zu bringen; molekular-organische Zustände aber können nach Erfahrung bei zu hoher Temperatur weder entstehen noch bestehen, und hierin scheint für den ersten Anblick eine wichtige Schwierigkeit zu liegen. In der Tat, wenn man sich, wie allgemein geschieht, vorstellt, daß die ganze Erdmasse zu irgend einer Zeit in glühend flüssigem Zustande war, so konnten sich dabei nicht nur keine molekular – organischen Zustände bilden, sondern mußten, wenn sie vorher zu Stande gekommen sein sollten, wieder zerstört werden, ohne nach unsern eigenen Prinzipien aus einer total unorganischen Erde wieder herausgeboren werden zu können. Aber meines Erachtens macht man sich diese Schwierigkeit nicht nur unnötiger-, sondern auch ungerechtfertigterweiseDa es eine, für Thermometer und Gefühl spürbare Hitze ist, welche vom molekular-organischen Zustande nicht ohne Zerstörung vertragen wird, so handelt es sich im Folgenden auch wesentlich um solche Hitze. Man kann sich aber einen großen Baum denken, in welchem nur wenige Teilchen mit äußerster Raschheit schwingen; dann würde man diesen Teilchen eine sehr starke Hitze beizulegen haben, indes der betreffende Baum selbst doch im Ganzen als kalt anzusehen und jene Hitze von einem in den Raum gebrachten Thermometer oder Organismus wenig gespürt wurde. Also gilt es in der Tat hier einen Unterschied zu machen..

Zuvörderst scheint mir ein eigener Widerspruch darin zu liegen, daß man gewohnt ist, die Erde in ihren ausgedehnten Urzustand durch Hitze versetzt und von der andern Seite die Hitze erst durch Verdichtung der Masse entstanden zu denken. Zu Letzterem hat man Grund, für Ersteren weiß ich keinen aufzufinden, abstrahiere also zunächst davon. Nun war es unstreitig der Schwerpunkt der Masse, um welchen herum die Verdichtung zuerst den zur Verwandlung der kosmorganischen Bewegungen in kleinere molekulare hinreichenden Grad erlangte, und der ganze Wandlungsprozeß schritt von da nach dem Umfange fort, womit im Zusammenhange die Temperatur von Anfang herein um den Schwerpunkt am größten sein und von da nach dem Umfange zu abnehmen mußte. War nun auch schon der Kern der Erde durch seine Verdichtung in glühendem Flusse, so konnten kosmorganische Zustände darüber so lange fortbestehen, bis die Temperatur des Kernes sich durch Ausstrahlung so weit erniedrigt hatte, daß die Bildung molekular – organischer Zustände oberhalb desselben ohne Zerstörung durch dessen Hitze eintreten konnte, indes die geringere Verdichtung und stärkere Ausstrahlung nach dem Umfange zu von anderer Seite die Bildung solcher Zustände gestattete. Oder anders ausgedrückt: die Bildung molekular-organischer Zustände erscheint von dem Zeit- und Raumpunkte an möglich, wo der Überschuß der Erwärmung, die durch die Verdichtung kosmorganischer Massen zu molekular-organischen entstehen mußte, über die Ausstrahlung nicht größer war, als sich mit dem Bestande solcher Massen vertrug.

In einfachster Weise könnte man sich den ganzen Vorgang so denken, daß die Umwandlung der kosmorganischen Bewegungen in molekulare überall durch den molekular-organischen Zustand durchging. Selbst um den Schwerpunkt herum konnte nämlich die Verdichtung und mithin Erhitzung von Anfang herein klein genug sein, um die Bildung und den Bestand molekular – organischer Zustände zu gestatten, indes darüber der kosmorganische Zustand noch fortbestand. Bei zunehmender Verdichtung aber verbrannte so zu sagen die um den Schwerpunkt zuerst gebildete molekular – organische Masse und schritt deren Bildung aus kosmorganischer Masse weiter nach dem Umfange fort. Indem aber die Verdichtung und hiermit Erhitzung in derselben Richtung fortschritt und die neu gebildete molekular – organische Masse immer von Neuem zerstörte, ist zuletzt die ganze sukzessiv aus dem kosmorganischen Zustande hervorgegangene molekular – organische Masse bis auf den kleinen Rest verbrannt, der sich in seiner Nachkommenschaft noch auf der Oberfläche der Erde erhält, und dessen schließlicher Fortbestand in schon besprochener Weise dadurch ermöglicht wurde, daß die Erhitzung mit der Ausstrahlung sich hinreichend dazu ausglich.

Inzwischen würde letztere Vorstellungsweise voraussetzen, daß überhaupt alle Materie der Erde nicht nur fähig war, molekular – organische Zustände einzugehen , sondern auch genötigt, durch dieselben zum unorganischen Zustande hindurchzugehen, was man Beides bezweifeln kannDaß jetzt viele Stoffe, als Gold, Platin, Iridium u. s. w., nicht mehr in Organismen gefunden werden, würde doch nicht notwendig ausschließen, daß sie aus dem kosmorganischen System ihren Durchgang durch molekular-organische Zustände in den unorganischen Zustand genommen, da die Rückkehr aus diesem in jene mittels Assimilation durch vorhandene Organismen schwieriger sein kann als jener Durchgang.. Sehr möglich, daß unorganische Molekularzustände sich, wenn nicht früher doch zugleich mit organischen aus kosmorganischen herausgebildet haben. Es zu entscheiden aber haben wir keine hinreichenden Kenntnisse und es muß genug sein, gezeigt zu haben, daß es überhaupt Vorstellungswege gibt, welche die Bildung und den definitiven Bestand molekular – organischer Zustände auf der Erdoberfläche möglich und mit allgemeinen Prinzipien vereinbar erscheinen lassen. Auch lassen sich in dieser Beziehung wohl noch Modifikationen der vorigen Vorstellungsweisen denken.

Im Vorigen ist nämlich vorausgesetzt; daß ein Glutzustand der Materie erst nach Übergang der kosmorganischen Bewegungen in molekular – unorganische eintreten könne; und so lange sich die Teilchen bloß unter dem Einflusse der Gravitation kosmorganisch bewegen, ohne daß molekulare Kräfte zwischen ihnen merkbar werden, der Zustand des Systems kalt und finster sei. Ich finde aber keine bindende Notwendigkeit zu dieser Voraussetzung. Sollte nun das System der Erde schon in seinem kosmorganischen Zustande insofern als glühend zu fassen sein, als es Licht und Hitze durch den Äther fortpflanzteDie hier als möglich statuierte Annahme, daß die Erde von vorn herein in ihrem ausgedehnten kosmorganischen Zustande Licht und Hitze ausstrahlte, ist nicht mit der oben abgelehnten Annahme zu verwechseln, daß sie durch Hitze in diesen Zustand versetzt war., so wurde man mit einiger Abänderung des vorigen Ganges der Betrachtung doch wesentlich zu demselben Resultate kommen. Die Hitze mußte mit fortschreitender Zusammenziehung und Verdichtung der Masse zunehmen, dabei mehr und mehr kosmorganische Masse sich in molekular – unorganische glühend flüssige und gasförmige verwandeln, der Rest der kosmorganischen Masse aber von dem Zeitpunkt und Raumpunkt an beginnen mit molekular – unorganischer Masse auch molekular – organische herzugeben, wo der Konflikt der Abkühlung durch Ausstrahlung am Umfange des Systems mit der Erhitzung durch fortschreitende Verdichtung dies gestattet.

Kurz, die molekular – organischen Zustände werden sich, nach Ausscheidung der unorganischen Hauptmasse bei einer zum Bestande molekular – organischer Zustände zu hohen Temperatur, aus dem schließlich dazu hinreichend erkalteten letzten Rest der kosmorganischen Masse herausbildenWenn man sich fragt, in welchem Zustande die fernen Lichtnebel am Himmel, welche man für in Bildung begriffene Weltsysteme hält, sich befinden mögen, so kann man sich bei der Annahme, daß kosmorganisch bewegte Teilchen durch den Äther des Himmelsraums Licht und Wärme fortzupflanzen vermögen, denken, daß die Lichtnebel bloß aus solchen Teilchen bestehen; im Fall man aber bloß molekular-unorganischen Teilchen dies Vermögen zuschreibt, auch ein Gemisch von kosmorganischen Teilchen mit in glühendem Zustande ausgeschiedenen und dadurch die Nebel leuchtend machenden Teilchen darin sehen.. Dabei hat man zu berücksichtigen, daß die Unfähigkeit molekular – organischer Masse, in glühendem Zustande zu bestehen, in der Tat keineswegs zugleich als Unmöglichkeit zu fassen ist, sich aus glühender kosmorganischer Masse durch deren Erkalten zu bilden.

Der wesentliche Unterschied beider Vorstellungsweisen, der vorigen und jetzigen, ist dieser: nach der vorigen ist der kosmorganische Zustand von vorn herein dunkel und kalt, und die Entstehung und der Fortbestand der molekular – organischen Zustände am Umfange der Erde wird dadurch möglich, daß hier die Verdichtung und Hitze bei der Umwandlung des kosmorganischen Zustandes in molekulare Zustände nicht bis zur Zerstörung des molekular – organischen Zustandes gedeiht. Nach der jetzigen ist der kosmorganische Zustand von vorn herein licht und heiß; die kosmorganische Materie erkaltet aber am Umfange der Erde vor Umsetzung in molekularen Zustand erst so weit, daß ein molekular – organischer Bestand möglich wird.

Ob so oder so oder in noch anders modifizierter Weise, wer weiß es; es ist aber auch nicht zu wissen nötig, so lange es sich bloß um mögliche Wege, die angegebene Schwierigkeit zu beseitigen, handelt. Übrigens ließ sich wohl schon früher daran denken, daß am Umfange des irdischen Systems in Berührung und Nachbarschaft seiner Materie mit dem kalten Planetenraum nicht die gleichen Bedingungen der Erhitzung bestehen konnten, als für den Kern der Erde; nur für den Umfang der Erde aber bedarf es der Annahme einer hinreichend niedrigen Temperatur, um die Entstehung und den Bestand des organischen Reiches auf der Erde möglich zu finden, wobei es nichts verschlägt, daß wir uns den primitiven Zustand desselben ganz anders vorzustellen haben, als den, der im Fortschritt der Zeiten daraus hervorgegangen ist. Eine gewaltige Veränderlichkeit des organischen Reiches im Gange der Zeiten ist ja ohnehin allgemein zugestanden, ja ihre Annahme gehört zu den Grundbestimmungen der Deszendenztheorie.

Natürlicherweise erstreckt sich die Unsicherheit in Betreff der Weise, wie die erste Entstehung molekular – organischer Zustände vorzustellen, auch auf die Weise, wie die ersten Fortschritte in Entwickelung derselben vorzustellen, eine Unsicherheit, die um so mehr wächst, je mehr man ins Spezielle zu gehen versucht. Indes hängen doch mit dem kosmorganischen Ursprunge der molekular – organischen Zustände manche Folgerungen zu wesentlich zusammen, um nicht mit einem entsprechenden Grade der Sicherheit oder doch Wahrscheinlichkeit ausgesprochen werden zu dürfen, führen aber damit zu Vorstellungsweisen, welche von den jetzt über dieselben Verhältnisse herrschenden sehr abweichen, natürlich, weil ihr Ausgangspunkt ein ganz verschiedener ist. Da inzwischen die Ansicht vom kosmorganischen Ursprunge der irdischen Organismen doch auch vorerst nur als Hypothese gelten kann, und die folgens daraus zu ziehenden Folgerungen nicht alle mit strenger Notwendigkeit daraus folgen, so biete ich das, was die folgenden Abschnitte in dieser Hinsicht enthalten, zunächst auch nur als mögliche und wahrscheinliche Modifikationen der herrschenden Ansichten einer weiteren Prüfung Sachverständiger dar.

Zusatz.

Gemeinhin betrachtet man die ursprünglichen Impulse, um die es sich hier gehandelt hat, als rätselhafte, sozu sagen außerweltliche Ursachen uranfänglicher Bewegung, welche mit den der Materie eigentümlichen Kräften nichts zu schffen haben, sondern denselben ursprünglich zugefügt sind, um durch Ablenkung aus der Richtung derselben das Zusammengehen aller Materie in gerader Richtung nach dem gemeinsamen Schwerpunkt und dadurch die Erstarrung der Welt zu hindern. Ja man hat selbst in der Notwendigkeit der Annahme solcher ursprünglichen Impulse einen Beweis gesucht, daß zu den physischen Kräften, welche die Welt bewegen, ein hyperphysisches Prinzip zu statuieren sei. Meines Erachtens aber läßt sich die Sache sehr anders fassen, und es sollte mich sehr wundern, wenn sie nicht irgendwo schon so gefaßt wäre. Daß ohne ursprüngliche, der Natur der materiellen Kräfte fremdartige, Impulse alle Materie eines der Gravitation unterliegenden Systems sich in gerader Linie nach dem Schwerpunkte des Systems bewegen müsse, kann doch, so weit ich es übersehe, bloß für ganz partikuläre Voraussetzungen als gültig angesehen werden, die man gewöhnlich stillschweigend vor Augen zu haben scheint, als namentlich 1) daß das System bloß aus zwei Punkten oder in ihrem Schwerpunkt vereinigt gedachten Massen besteht, oder allgemeiner, alle Punkte innerhalb einer und derselben geraden Linie liegen ; 2) daß die ganze Materie des Systems von vorn herein mit gleichförmiger Dichtigkeit in einem kugelförmigen Raume enthalten ist. Auch mag es Fälle symmetrischer Anordnung der Teilchen geben, welche die Bedingung einer geradlinigen Bewegung derselben nach dem gemeinsamen Schwerpunkt enthalten. In allen andern Fällen aber darf man annehmen, daß die Richtung der Teilchen nach dem gemeinsamen Schwerpunkt durch ihre gegenseitige Anziehung Seitenablenkungen erfährt, durch welche sich die sog. ursprünglichen Impulse vertreten lassen. Nur daß das Gesetz der Erhaltung des Schwerpunktes und der Flächen dabei immer gewahrt bleiben muß. Um wenigstens ein paar Beispiele zu geben, in welchen die Abweichung von der Richtung der Teilchen nach dem Schwerpunkt unter dem bloßen Einflusse der Gravitation evident wird, so denke man sich zwei sehr schwere Teilchen oder zwei Massen, die sich in ihrem Schwerpunkte konzentriert denken lassen, so wird der gemeinsame Schwerpunkt beider auf der Verbindungslinie derselben liegen, und beide Massen für sich betrachtet werden diesem Schwerpunkt in gerader Richtung zustreben. Sei nun aber ein drittes Teilchen ganz in der Nähe einer der beiden Hauptmassen gegeben, indes diese sehr weit von einander entfernt sind, und die Masse des Teilchens verschwindend klein gegen die der Hauptmassen. Dann wird der gemeinsame Schwerpunkt des ganzen Systems immer noch merklich genau auf der Verbindungslinie beider Hauptmassen liegen, das kleine Teilchen in der Nähe einer der beiden Hauptmassen aber, seitlich von derselben vorgestellt, wird sich bei so großer Entfernung der andern Hauptmasse, daß deren anziehende Wirkung gegen die der nähern verschwindet, offenbar nicht nach dem gemeinsamen Schwerpunkt beider, welcher zugleich der des Systems ist, sondern nach der nähern Hauptmasse hinbewegen, als wenn sie einen ablenkenden Impuls von der Richtung nach dem gemeinsamen Schwerpunkt erfahren hätte. Ja fände sich das Teilchen auf der Verbindungslinie beider Massen zwischen denselben, so würde es sogar in der gerade entgegengesetzten Richtung als nach dem gemeinsamen Schwerpunkt hin sich nach der ihm nahen Masse hinbewegen.

Oder denken wir uns ein sehr verlängertes Dreieck von sehr kleiner Basis und an jeder Ecke des Dreiecks eine anziehende Masse befindlich. Selbst wenn alle drei Massen einander gleich sind und das Dreieck gleichschenklig, also zweiseitig symmetrisch ist, werden die beiden einander sehr nahen Massen an den Endpunkten der kleinen Dreiecksbasis sich vielmehr in der Richtung gegen einander als nach dem gemeinsamen Schwerpunkt des Systems, der in einer durch die Mitte der Basis gezogenen Senkrechten zu suchen ist, bewegen müssen.

Oder, um noch eines Beispiels zu gedenken, sei eine mit Materie gleichförmig erfüllte Kugelschale von konstanter Dicke gegeben. Der Schwerpunkt der Masse wird in der Mitte des Hohlraums liegen. Sei ferner ein Teilchen irgendwo innerhalb dieses Hohlraums gegeben, dessen Masse gegen die Gesamtmasse verschwindend klein ist, so daß der Schwerpunkt des ganzen Systems dadurch nicht merklich aus dem Kugelmittelpunkte verrückt wird. Nach einem hinlänglich bekannten Satze kompensieren sich für das Teichen, wo es sich auch innerhalb des Hohlraums befinde, die Anziehungen nach allen Seiten in der Art, daß es so gut ist, als wenn es gar keiner Anziehung unterläge und ohne anderweiten Impuls ruhig bleibt. Nun aber stelle man sich die Masse der Kugelschale an irgend einer Stelle verdichtet oder in einen Fortsatz auslaufend vor, so wird das Teilchen sich geradehin nach der verdichteten Stelle oder nach dem Fortsatze hin bewegen, sofern die Wirkung der übrigen Masse darauf nicht spürbar ist, nicht aber nach dem durch die lokale Verdichtung oder den Fortsatz nur etwas verrückten Schwerpunkt des Systems, ausgenommen in dem besonderen Falle, daß der verrückte Schwerpunkt in der Bahnlinie dieser Bewegung selbst enthalten wäre.

Wenn unsere Erde, statt sich in gerader Linie nach dem Schwerpunkt des Planetensystems hin zu bewegen, denselben in elliptischer Bahn umkreist, so kann der dazu erforderliche seitlich ablenkende Impuls teils durch die Anziehung der andern Planeten, teils selbst andrer Sonnensysteme, mit denen unser System in seinem ausgedehnten Urzustande in näherer Beziehung stand als jetzt, repräsentiert gedacht werden.

Hiernach meine ich, daß die Bewegung jedes Teilchens des kosmorganischen Systems unter dem Einflusse der Gravitation sich überhaupt in zwei Teile zerlegen läßt, den einen, der nach dem Schwerpunkte des Systems gerichtet ist, und einen andern, welcher irgend seitlich dagegen gerichtet ist und den ursprünglichen ablenkenden Impuls, den man zu supponieren pflegt, vertritt, der aber hiernach nicht als ein nur ein- für allemal erteilter und hiernach in Ewigkeit fortwirkender, sondern mit der durch die Bewegung der Teilchen sich ändernden Anordnung sich ändernder zu betrachten. Auch leuchtet ein, daß wir, wenn wir die Teilchen des kosmorganischen Systems anfangs in regelloser Anordnung vorstellen, wie in der Tat von uns geschieht, nicht noch einer besonderen Voraussetzung bedürfen, um die Regellosigkeit der von der Schwere ablenkenden Impulse der Teilchen zu erklären oder zu begründen, da sie eine notwendige Folge jener regellosen Anordnung ist.

Obwohl ich diese Auffassung der sog. ursprünglichen Impulse für triftiger halte, als die hergebrachte, habe ich es doch nicht nötig gehalten, damit in den Haupttext einzugehen, da sie für die hier in Betracht kommenden Verhältnisse zu keinen anderen Folgerungen führt, als die hergebrachte, auf die Bezug zu nehmen den Vorteil hatte, eine Komplikation der Betrachtung zu ersparen.


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