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Graumäntelein ging, so grau von Gestalt,
Wohl durch den finstern böhmischen Wald,
Graumäntelein ging wohl über ein Jahr,
Der Mantel zerrissen und unscheinbar;
Der Regen beregnet ihn jeglichen Tag;
Er ging von Böhmisch-Brod bis gen Prag.
Und wie er gen Prag in die Hauptstadt kam,
Wo die Moldau mitten die Stadt durchschwamm,
Wo Heiligenbilder und d’runter erhöht
St. Nepomuk hoch auf der Brücke steht;-
Hell glänzen drei Sternlein über dem Haupt –
Daß selig das Volk wird, das an ihn glaubt;
Besucht’ er im Regen sein altes Quartier,
Tief unter’m Hradschin angebaut liegt’s hier.
Und der Nebel durchzog so finster die Stadt,
Und der Wanderer sucht im Nebel den Pfad;
Hier wohnt der Hussit, und der Christ und der Jud’,
und lebet geschützt vor Verfolgungswuth.
Und sieh’! vor der Thür auf dem Schemel da saß,
Verkaufend Semmel und Stritzel, Herr Clas;
Herr Clas, den Reichen und Armen bekannt,
Und der reichste der Bäcker in Prag nur genannt;
Wohl hielt er der Schweine sich hundert zur Mast,
Er selbst war dicker als alle sie fast.
Und wie er Graumäntelein wurde gewahr,
Im Mantel zerrissen und unscheinbar,
Verhöhnt er ihn also mit bitterem Spott:
"Wie steht’s, Graumäntelein? Grüß’ dich Gott!
Mich dünkt’s, du trägst gar Proben zu Land:
Wie theuer dein Tuch und die Elle Gewand?"
Graumäntelein zog neun Gulden blank,
Die warf er dem Bäcker hin auf die Bank:
"Herr Bäcker, ich bin den Semmeln nicht hold;
Gebt neun Strohwische mir für mein Gold!"
Der Bäcker erschrak. "Zu dienen dem Herrn,
Traun! neun Strohwische, die geb’ ich ihm gern!"
Und der Bäcker die Strohwisch’ brachte zur Stund’;
Graumäntelein dankt ihm mit höhnischem Mund,
Der Bäcker nahm die neun Gulden blank,
und setzte sich wieder auf seine Bank;
O Bäcker, oh Bäcker, nun nimm mit Bedacht
Dich vor Graumänteleins Zürnen in Acht!
Darauf sich begab’s am folgenden Tag;
Wohl hielt man den großen Jahrmarkt zu Prag.
Da trieb manch Bauer aus Böhmen sein Schwein
Aus Osten und Westen, zum Thore herein.
Graumäntelein war unter der Zahl,
Und hielt neun Schweine versammelt am Pfahl.
Die Schweine, sie waren so schwarz und so feist,
Daß sie zu besitzen der Bäcker sich reißt.
Er feilscht, er dingt, er schließt den Verkauf,
Er zahlt Goldgülden an hundert darauf.
O Bäcker, o Bäcker, nun nimm mit Bedacht
Dich vor Graumänteleins Zürnen in Acht!
Die erste, die zweite, die dritte Sau,
Sie kamen zu nah’ auf dem Markt einer Frau,
Die am Dreifuß saß und Kastanien briet.
O Bäcker, nur Herzeleid klingt dir das Lied;
Denn kaum an den Dreifuß rührt der Lauf,
Hui flackern sie strohwischähnlich auch auf.
Das vierte, das fünfte, das sechste Schwein,
Sie torkeln wie wüst’ in die Vorstadt hinein,
Allwo der Hammer der Walkmühl’ pocht.
Da wurd’ ein Grapen mit Theer gekocht;
Doch kaum berührt ihr Fuß ihn im Lauf,
Hui flackern auch sie als Strohwisch’ auf.
O Bäcker, o Bäcker, nun wächst dir die Noth!
Sechs Schweine verloren! das bringt dir den Tod.
Das sieb’nte, das achte, das neunte Schwein,
Sie fielen zuletzt in die Moldau hinein,
Und wie sie berührten des Flusses Lauf,
Hui schwammen der Strohwisch’ drei darauf.
Jenseits der Moldau, so reißend, so tief,
Graumäntelein stand, und donnernd rief:
"O Bäcker, o Bäcker, vernimm mit Bedacht,
Nie werde der Arme, Geringe verlacht!
Um wen es oft arm und gering ist bestellt,
der beherrscht wohl mächtig dereinst die Welt!" |