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XIV.

Amor mea crucxaifi.

St. Ignatius.

 

Ronchi ordnete die neue Prozession; derweil liess der Prophet Wein in die Kupferkessel füllen und wandelte ihn. Ratti trat mit der Musik an die Spitze des Zuges, hinter sie stellte er den alten Ulpo und alle Greise und alten Weiber. Der Prophet folgte mit vier Männern, die Geisseln trugen, dann Girolamo Scuro und Venier, das schwere Kreuz auf den Schultern.

Und die Heilige schritt hinter dem Kreuze, umgeben von ihren Frauen.

Dann kam Ronchi selbst, er schwang seine Peitsche hoch durch die Luft. Der Schmied Alvassi und Cornaro führten den Fremden Und hinter ihnen schritten die Burschen mit ihren Kerzen. Und das Volk drängte nach in dichten Haufen. Rechts und links aber, zu beiden Seiten des Zuges liefen zehn Knaben und zehn Mädchen auf und nieder; sie trugen die Kessel und reichten dem, der sich erquicken wollte am Blute des Herrn und an Mariae Milch. So zogen sie die breite Strasse hin, die erst hinabführte zum See und dann langsam aufstieg zur Kreuzesplatte. Ronchi liess keinen Blick von der Heiligen, seine schwarzen Augen glühten in frommer Liebe und heisser Verzückung. Und plötzlich, als die Musik schwieg, begann er mit überlauter Stimme die grosse Litanei, die man die Lauretanische nennt. Er rief den Herrgott an, den Vater im Himmel, seinen Sohn, den Erlöser der Welt, den heiligen Geist und die Dreifaltigkeit. Aber seine Stimme hob sich zu fanatischer, inbrünstiger Liebe, als er dann zu den Anrufungen der Madonna gelangte.

»Heilige Maria – – bitt für uns!
Heilige Gottesgebärerin –
Heilige Jungfrau aller Jungfrauen –
Mutter Christi –
Mutter der göttlichen Gnade –
Du allerreinste Mutter –
Du allerkeuscheste Mutter –
Du ungeschwächte Mutter –
Du unbefleckte Mutter –
Du liebliche Mutter –
Du Mutter des Schöpfers –
Du Mutter des Erlösers –
Du allerweiseste Jungfrau –
Du ehrwürdige Jungfrau –
Du lobwürdige Jungfrau –
Du gütige Jungfrau –
Du getreue Jungfrau –
Du Spiegel der Gerechtigkeit –
Du Sitz der Weisheit, bitt für uns.«

Die Gemeinde fiel ein, aus allen Kehlen klang das: ›Bitt für uns!‹ nach jeder Anrufung. Leise erst, fast flüsternd, schwoll dann an und wurde immer lauter und begehrlicher, wie eine gerechte Forderung, die sicherer Erfüllung sich bewusst war.

»Du Ursache unseres Heils –
Bitt für uns!
Du ehrwürdiges Gefäss –
Bitt für uns!
Du vortreffliches Gefäss der Andacht –
Bitt für uns!
Du geistige Rose –
Bitt für uns!
Du Turm Davids –
Bitt für uns!

Aber Ronchis Blicke hoben sich nicht nach oben, wo in blauen Himmeln die Madonna thronte. Sie ruhten nur auf der Heiligen und es war, als ob ihr und ihr nur allein alle die Anrufungen gelten sollten. Sie war es, sie allein, die er pries.

Du elfenbeinerner Turm –
Du goldenes Haus –
Du Arche des Bundes –
Du Pforte des Himmels –
Du Morgenstern –«

»Du Morgenstern!« jauchzte er ihr zu. »Du Morgenstern!« Und die Gemeinde fiel ein:

»Bitt für uns! – Bitt für uns!«

»Du Heil der Kranken –
Du Zuflucht der Sünder –
Du Trösterin der Betrübten –
Du Helferin der Christen –
Du Königin der Engel –«

Er lief zu ihr, warf sich zur Erde und küsste den Saum ihres Gewandes. »Du Königin der Engel!« lallte er.

»Du Königin der Patriarchen –
Du Königin der Propheten –
Du Königin der Apostel –
Du Königin der Märtyrer –
Du Königin der Beichtiger –
Du Königin der Jungfrauen –

»Bitt für uns!« schrien die Leute. Und es war, als ob die heilige Verehrung, die Ronchi beseelte, übergriff und Besitz nahm von allen. Die hinter ihr schritten, drängten sich näher heran, die vor ihr gingen, drehten sich um, sie zu sehn. Ihre Frauen aber scharten sich um sie, glückselig ein Stück ihres Gewandes berühren zu dürfen. Sie riefen laut zu ihr hin – Und alle fielen ein:

»Du Königin des heiligen Rosenkranzes, bitt für uns! – O du Lamm Gottes, welches du hinweg nimmst die Sünden der Welt, erbarme dich unser!«

Sie sprachen das Vaterunser und das Ave Maria und es war die Heilige, zu der sie beteten. Sie, die nun einging zum Vater, sollte der Bote sein ihrer frommen Wünsche. Sie war ihre Fürbitterin am Throne Gottes. Sie war die Braut des Erlösers.

Sie blieben stehen. Der Prophet wandte sich zu der Heiligen und sprach das Salve Regina.

»Gegrüsst seist du, o Königin, Mutter der Barmherzigkeit, des Lebens Süssigkeit und Unsere Hoffnung, sei gegrüsst! Zu dir schreien wir elenden Kinder Evas, zu dir seufzen wir Trauernden und Weinenden in diesem Tale der Zähren. Eja, unsere Fürsprecherin, wende deine barmherzigen Augen zu uns in diesem Elende, zeige uns Jesum, die gebenedeite Frucht deines Leibes, o gütige, o milde, o süsse Jungfrau Maria!«

Sie sprachen fünf Vaterunser und fünf Ave Maria; dann segnete sie der Prophet. Sie zogen weiter, hinauf zum Kalvarienberg. Rechts, in der Felswand war das Bild der ersten Station; Ronchi hob den Arm und sie machten Halt.

Der Prophet sagte: »Wir beten dich an, Herr Jesu Christe und preisen dich!« Und sie antworteten: »Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.«

Frank Braun blickte auf das Bild; es zeigte Christus vor Pilatus. Der Landpfleger sass auf seinem Stuhle, soeben hatte er das Urteil verkündet. Nun griffen die Knechte den Nazarener, setzten ihm die Dornenkrone aufs Haupt und geisselten ihn.

Die Heilige kniete und betete. Dann erhob sie sich, still und ergeben lächelnd. »Löset mein Gewand.« befahl sie ihren Frauen. »Und du, Bruder Ronchi, schaff eine Dornenkrone.« Der Schneider sann einen Augenblick, dann entfernte er sich mit raschen Schritten. Die Frauen aber gingen zaudernd ans Werk, lösten ihr langsam das Gewand von den Schultern, so dass der Nacken frei war.

Ronchi kam zurück, er brachte ein Stück Stacheldraht. Er zerschnitt eine Dornenrute und flocht ihre Stücke um den gewundenen Draht. Er stach sich und seine Finger bluteten.

»Gib her, Bruder!« sagte die Heilige. Sie nahm die goldene Krone ab; die blutigen Stigmata glänzten auf ihrer Stirne. Sie küsste die Dornenkrone und setzte sie fest aufs Haupt.

»Es ist die Krone des Herrn!« sagte sie. »Sie schmerzt, aber es sind die süssen Schmerzen des Erlösers.« Dann zeigte sie auf das Bild. »Seht ihr, Brüder, wie Christus litt unter den Händen der Juden? So muss ich nun leiden – nehmet eure Geisseln und schlaget mich!«

Sie zögerten wieder und sie musste ihren Befehl wiederholen. Aber die Schläge waren schwach und zaghaft.

»Ihr müsst mich schlagen wie man Christus schlug.« sagte sie. »Gott stärke euren Arm!«

Und sie gehorchten und schlugen zu –

Aber sie klagte nicht. Sie lächelte still und sagte: »Es sind die Schmerzen des Erlösers.« Dann wandte sie sich zu dem Propheten. »Spei mich an,« bat sie, »wie die Juden auf den Heiland spieen.«

Der Prophet antwortete: »Verlange das nicht, Schwester! – Wie darf ich dein heiliges Antlitz bespeien?«

Sie gab nicht nach. »Du musst es tun.« sprach sie. »Ihr müsst es alle tun, auf dass erfüllet werde der Wille des Herrn. – Girolamo Scuro – spei mich an.«

Der Knecht spie und sein schwarzer, entsetzlicher Speichel klebte auf ihrer süssen Wange.

Demütig dankte sie ihm – dann wandte sie sich zu Carmelina: »Spei mich an.« Aber das Mädchen schrie auf, sank schluchzend nieder und küsste ihre nackten blutigen Füsse. Die Heilige streichelte das Mädchen und hob es auf. »Liebe Schwester, du musst es tun; der Herr verlangt es.«

Das arme Mädchen warf sich in ihre Arme und gehorchte. Aber sie küsste sie mehr, als sie spie.

Alle traten heran und alle spieen ihr ins Antlitz. Und die Heilige dankte demütig für jede Beleidigung.

»Lasst uns weiter ziehen.« sagte sie.

Sie kamen zur zweiten Station, deren Bild zeigte, wie Christus das Kreuz nimmt.

»Wir beten dich an, Herr Jesu Christe und preisen dich!« sprach der Prophet. Und die Gemeinde antwortete: »Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.«

Die Heilige wandte sich zu Scuso und Venier. »Legt das Kreuz nieder.« befahl sie. Sie streckte beide Arme darnach aus und hob es.

»Du wirst es nicht tragen können, heilige Schwester.« sagte Ronchi. Sie antwortete: »Ich muss es tragen. – Hat nicht auch der Herr sein Kreuz getragen?«

Sie wies die zurück, die ihr helfen wollten. Sie nahm das schwere Holz und legte es auf die blutende Schulter. Ihr Rücken bog sich, die scharfe Kante presste sich tief in das Fleisch. »Schlagt mich,« verlangte sie, »treibt mich an, wie die Knechte den Herrn hinauf trieben nach Golgatha.« Sie gehorchten und peitschten sie; Schritt um Schritt stolperte sie weiter mit der furchtbaren Last.

Dann, bei der dritten Station, brach sie zusammen – wie Christus auf dem Bilde. Ohnmächtig blieb sie liegen, während die Gemeinde die Gebete sprach. Sie erhob sich mit ihrer Frauen Hilfe, nahm von neuem das Kreuz und schleppte es weiter, ächzend, stöhnend unter den Schlägen der Geisseln.

Bei der vierten Station hielt sie wieder an, legte das Kreuz zur Erde und kniete nieder. Sie blickte tränenden Auges auf das Bild, sah, wie der Erlöser, unter der Kreuzeslast gebückt, seiner betrübten Mutter begegnet.

»Herr Gott, Vater im Himmel, stärke meine Kraft!« betete sie.

Und weiter zogen sie zum fünften Bilde. Ihre Schulter schien zu klaffen, so tief hatte das scharfe Holz sich eingesenkt in das Fleisch. Und es waren nur die Geisselhiebe, die sie vorwärts trieben; sie schleppte sich mühsam, jeden Augenblick stehen bleibend, wie ein Rind, das man zur Schlachtbank führt. – Das Bild zeigte, wie die Knechte den Simon von Kyrene griffen, ihn zwangen, dem erschöpften Heiland zu helfen, mit ihm das Kreuz zu schleppen.

Scuro sprang rasch heran, griff das Holz und lud den hinteren Teil auf seine breite Schulter. So schritt er hinter der Heiligen und half ihr gut, das Kreuz tragen, das immer noch schwer genug auf der Heiligen lastete. Sie kamen zur sechsten Station, die darstellte, wie Veronika vor dem Herrn kniet und ihm ihr Tuch darreicht, sich Blut und Schweiss wegzuwischen. Der Prophet sprach das Gebet und die Gemeinde antwortete, wie bei jedem Bilde.

»Reicht mir ein Tuch.« sagte die Heilige zu ihren Frauen. Da riss Linda Vuoto ein Stück von dem Linnen, das sie umhüllte und gab es ihr. Sie drückte ihr Gesicht hinein, so wie es Jesus tat auf dem Bilde, dann reichte sie es dem Mädchen zurück.

»Nimm es, herzliebe Schwester,« sprach sie, »hebe es gut auf zu meinem Gedenken.«

Sie schritten weiter und die Leute stiessen und zerrten sie vorwärts, so wie sie befohlen hatte. Das mächtige Kreuz drückte sie schwer, trotz Scuros Hilfe; sie strauchelte und fiel nieder zum andern Male, wie der Heiland auf dem Bilde der siebenten Station.

Aber sie erhob sich rasch und schritt weiter den bittern Kreuzweg. Beim achten Bilde zeigte sie den Leuten, wie Jesus die weinenden Töchter Jerusalems tröstete. Und sie winkte ihren Frauen und küsste ihnen die tränenden Augen und sprach: »Weinet nicht um mich! Ich gehe euch einen Ort zu bereiten bei dem Bräutigam. Und in kurzem werdet ihr bei mir sein im Schosse des Herrn.«

Immer schwächer wurden die Schritte der Heiligen, immer tiefer bog sich ihr armer Leib unter des Kreuzes Last. Und wie Jesus von Nazareth zum dritten Male fiel auf dem Leidenswege, so fiel auch sie wieder – unter dem Bilde der neunten Station. Sie stand auf und schleppte sich mühsam, keuchend zum zehnten Bilde, welches zeigte, wie Jesus seiner Kleider beraubt wird und wie er den Gallenwein zurückweist, den die Schergen ihm reichen.

Die Heilige betrachtete das Bild mit leisem Stöhnen; aber um die Leiden des Heilandes flossen ihre Tränen und nicht um die eigenen. Dann wandte sie sich zu der Gemeinde. »Tut eure Pflicht.« sagte sie ergeben. »Tut, wie die Knechte taten.« Die Frauen lösten den Strick von ihren Lenden und zogen das Gewand von den Schultern, das das Blut fest an die Haut geklebt hatte. Sie stellten sich um sie und zogen sie aus, nur um die Hüften und den Leib wanden sie ein leinenes Tuch, schürzten es hoch und gürteten es mit dem Strick. So stand sie da, nackt von Knien zu Füssen und vom Leibe zum Kopf. Ihr weiches Fleisch leuchtete in der Sonne.

»Zerschneidet das Gewand,« sagte sie, »und loset darum!«

Ronchi zerschnitt es mit einem scharfen Messer. Er warf die Fetzen in einen der Kupferkessel und liess alle herantreten. Jeder zog mit geschlossenen Augen. Sie pressten ihre Stücke an die Lippen – die aber jauchzten laut, auf deren Fetzen ein Blutstropfen war.

Sie schritten weiter hinauf den Kalvarienberg. Scuro trug nun das Kreuz zusammen mit Venier und die Heilige ging an ihrer Seite. Sie kamen zum elften Bilde. »Schaut hin,« sprach sie, »wie sie Jesus ans Kreuz nageln. Und merkt es euch wohl.« Sie knieten, beteten und zogen weiter zur zwölften Station, dem Bilde des Kreuzestodes. Die Heilige betrachtete es lange, als wollte sie tief sich einprägen, was sie tun müsste in der schweren Stunde.

Der Prophet sprach wieder: »Wir beten dich an, Herr Jesu Christe und preisen dich!«

Und die Gemeinde antwortete: »Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöset.« Die Heilige sagte: »Er ist gehorsam geworden bis zum Tode.«

Und sie sprachen: »Ja, bis zum Tode am Kreuze.«

Beim dreizehnten Bilde, das die Kreuzabnahme darstellte, sagte der Prophet: »Heilige Schwester, wir geloben zu tun, wie Christi Freunde taten, wie Johannes Nikodemus, wie Josef von Arimathia und die heilige Magdalena.«

Carmelina drängte sich dicht an sie: »Und in meinem Schosse soll dein Haupt ruhen.«

Die Heilige sagte: »Ich danke euch, liebe Schwestern und Brüder. Tut alles, wie es der Herr befiehlt.«

Sie kamen zur letzten Station, deren Bild die Grablegung anzeigte. Und sie sagte: »So wird es geschehn!«

Der Prophet sprach das Gebet zu den heiligen fünf Wunden Jesu, und sie gingen weiter, das letzte kleine Stück des Weges – hinauf nach Golgatha.

Vor dem Bilde des Menschensohnes kniete die Heilige. Dann stand sie auf und bezeichnete eine Stelle vor dem Kreuze des Heilandes. »Hier stellt es auf!« befahl sie.

Ratti und fünf Burschen griffen zu den Schaufeln und Hacken. Sie arbeiteten rasch und das Loch wurde tiefer und tiefer. Sie warfen die Erde zur Seite und hoben mit den Händen die schweren Steine heraus.

»Legt das Kreuz hin!« sagte die Heilige. Scuro und Venier gehorchten.

Dann küsste sie ihre Frauen. Sie legte sich bin auf das Kreuz, schob die Füsse aufeinander und streckte beide Arme weit aus auf den Querbalken.

Der Knecht blickte sie an, dann hob er die Augen prüfend zum Christusbilde. »Man kann die Füsse nicht annageln.« sagte er.

Cornaro sagte: »Man soll sie binden. Das ist besser.«

Aber die Heilige sah ihn an: »Wollt ihr mich richten wie die Schächer? Macht ein Stützholz für die Füsse!«

Scuro schlug mit dem Beile ein Stück des Querbrettes ab, das an beiden Seiten überragte. Er schnitt es zurecht, sah immer hinauf zu dem Christusbilde, wie um dort Mass zu nehmen. Dann nagelte er die Knagge fest auf dem Stamm des Kreuzes zu ihren Füssen.

»Ist es so recht, heilige Schwester?« fragte er.

Sie stemmte die Füsse leicht auf und nickte. »Ja.« sagte sie. »Ich liege gut in des Bräutigams Armen.« Sie schloss die Augen und faltete die Hände zum Gebet.

Und die Bauern gruben das Loch. Ein Bursche sprang hinein, er schlug mit der Hacke die Steine los und reichte sie hinauf. Als die nötige Tiefe erreicht war, mauerten sie einen engen Schacht, um dem Kreuze Halt geben zu können.

Frank Braun stand dicht bei ihnen; immer noch hielten ihn Cornaro und der hässliche Alvassi. Es war keine Möglichkeit, zu entweichen, dicht gedrängt stand das Volk auf der breiten Platte und weit hinab auf dem Kreuzweg –

Sie sprachen die Litanei vom bitteren Leiden Jesu; der rote Prophet rief den Sohn Gottes an und die Gemeinde fiel ein: »Erbarme dich unser! – Erbarme dich unser!«

Sein Ohr hörte die heiseren Anrufungen, fing sie auf und schrie sie in sein Hirn. – Jesu, mit Blutschweiss überronnen – Jesu, ins Angesicht gespieen – Jesu, mit Geisselstreichen zerschlagen – Jesu, mit einer Dornenkrone gekrönet – Jesu, wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt – Jesu, der Kleider grausam beraubt – –

Ah, es war die Heilige, es war Teresa!! Sie war der Sohn, wie sie die Mutter war!

Und seine Lippen formten die Worte, die von aller Mund kamen: »Erbarme dich unser!« Er hatte ein Gefühl, als schrumpfte er zusammen, als würde er immer kleiner und niedriger. Aber die Heilige wuchs ins Unermessliche. Er wandte den Blick ab von diesem stillen Gesicht, das dem Tode entgegenlächelte wie einem schönsten Kusse. Er hätte sich verkriechen mögen in die Grube dort, die die Burschen aufwarfen.

Nicht einmal schreien konnte er. Er hatte ein Gefühl, als müsse ein Schrei ihn befreien – aber seine Lippen klebten fest aufeinander. Er schloss die Augen; mit einer wilden, ungeheuren Anstrengung zwang er sich, sich wegzudenken von dieser Kreuzesplatte, diese grässlichen Flammen des Affektes zu löschen in kühlem Abwägen und Ueberlegen. Es war ein verzweifelter Kampf des Herrenbewusstseins, ein furchtbares Ringen um die letzte Möglichkeit sich emporzuheben über alles, was um ihn geschah, hinauszuwachsen zum kühlen Zuschauer über die wilde Tragödie dieser Wahnsinnigen.

Er krampfte die Faust eng zusammen, fasste die Zunge mit den Zähnen. Die Adern an den Schläfen schwollen zum Zerspringen an. So kämpfte er.

Mochte es nicht gelingen?

Was denn? Konnte er nicht mehr zusehen, wie man einen Menschen zum Tode brachte? – War es doch nicht das erstemal! Er erinnerte gut, dass es eine Zeit gab, wo er keine Gelegenheit versäumte zu solchem Schauspiele, wo er zur Hinrichtung hinlief wie zum Stierkampfe.

Und er dachte nach, rief jedes einzelne Mal ins Gedächtnis. Viermal hatte er die Guillotine arbeiten sehen. Und er war dabei gewesen, wie der Henker der Josefa Kreuter den Kopf abtrennte mit dem Beile. Er hatte mehr wie einen am Galgen hängen sehen und wusste wohl, wie die Garotte arbeitete und der grosse Stuhl von Sing-Sing. Bah – er hatte schlechte Witzs dabei gemacht! – Und was war der grosse Eindruck am letzten Ende? Doch nicht viel mehr, als ein bisschen schlechten Geschmacks auf der Zunge – so ein bittersüsser Blutgeschmack.

Er hatte gesehen, wie sie Joe Whiting zum Scheiterhaufen führten, den schwarzen Schuft, der des Aldermans Frau lustmordete. Die Lyncher hatten ihn herausgeholt aus dem Gefängnis und in der fackelhellen Nacht unter die Esche auf das Feld geführt, mit Geschrei und Geheul. O, ein echtes Bild aus Südkarolina – dreitausend schwarzer Lumpen und eine Handvoll Weisser auf ihren Pferden. Sie bauten den Holzhaufen, tränkten ihn mit Petroleum und stellten den Nigger darauf. Sie legten ihm die Schlinge um den Hals und knüpften sie an einen Ast. Der Richter sprach ein paar Worte, der Reverend hielt ihm das Kreuz vor und der Alderman stiess die Fackel in das Holz. Das flammte hoch auf im Augenblick, zugleich aber krachten dreissig Büchsen und dreissig gute Winchesterkugeln trafen den schwarzen Leib. Ach, es war eine Farce, die nur grausam aussah, eine phantastische Komödie, die nur Eindruck machte auf die tierischen Nigger, die laut Beifall brüllten. Nun mochten sie Ruhe halten für ein paar Jahre und die Frauen und Töchter der Weissen durften freier atmen für diese Zeit.

Das alles war nicht so schlimm. Das erstemal – gewiss, das erstemal war es ein wenig aufregend. So wie des Knaben Herz klopft, wenn er zum ersten Male ins Wasser geht, oder das des Studenten, der vor dem Gegner steht, den schweren Säbel in der Hand. Aber dann war das Wesentliche weggewischt und nur die Einzelheiten interessierten: die Technik. Und wie es beim Stierkampfe zur Hauptsache wurde, dass der Espada beim ersten Stich seinen Degen tief senkte in die Schultern des Tieres, so dass er wie ein Kreuz sich erhob zwischen den Hörnern, wie man beim Hahnenkampfe nur mehr darauf achtete, ob das Tier scharf stiess und gut zielte nach des Gegners Augen, so nahm bei der Hinrichtung die Arbeit des Henkers am Ende allein das Interesse. Gut war sie, wenn er schnell war und recht geschickt. Das war ein Positives und die Gefühle versanken.

Hier aber traten sie heiss hervor in schwüler Angst und wehen Beklemmungen, die ihm die Kehle zuschnürten.

Warum denn?

War denn nichts da, das ihn ablenken konnte? Er suchte – –

Giovanni Scuro? – Er schlug das Stützholz auf und nahm Augenmass bei dem Christusbilde, wie ein Tischler in seiner Werkstätte. Oder Ratti und seine Leute, die das Loch gruben?

Nein, sie waren nicht Henker – keiner von ihnen. Keiner hatte seinen eigenen Willen, sie waren Werkzeuge, nichts andres. Beile, Stricke, Guillotinen – aber keine Henker. Sie gehorchten den Befehlen der Heiligen.

Der Henker gehorchte nicht. Er war ein freier Mann, der sein Geschäft versah. Er nahm das Geld und verpflichtete sich dafür den Mörder zu töten. Sein starker Wille war es, ihn zu töten.

Von diesen Leuten aber wollte keiner die Heilige töten. So wenig, dass ein jeder gerne sein Leben gegeben hätte, um das ihre zu retten. Nur ihr Wille verlangte die Hinrichtung: so war sie der Henker, sie allein.

Und ihre Arbeit war ungeschickt und war langsam – sie war ein schlechter Henker.

Aber gut oder schlecht – wie mochte dieser Henker die Blicke wegziehen – zu sich – von seinem Opfer? Dieser Henker – der selbst das Opfer war!

Er griff mit beiden Händen seinen Kopf; sein Hirn schwoll an und drückte nach allen Seiten, als wollte es den Schädel zersprengen. Nein, nein, es war nicht möglich, sich zu befreien – er war ein Teil, irgendein Teil dieser tierischen Menge.

– Die Heilige hob die Augen. »Seid ihr fertig?« fragte sie leise. Ratti nickte: »Ja, heilige Schwester.«

Sie lächelte sanft. »So beginnt.« Sie winkte dem Knechte.

»Womit soll ich anfangen?« fragte Scuro.

Sie sagte: »Hefte die Füsse ans Holz.«

Der Knecht kniete nieder. Er suchte unter den Nägeln, wählte einen sehr langen mit grossem Kopfe und prüfte die Spitze mit den Zähnen. »Soll ich in die Wunden schlagen?« fragte er.

»Ja.« sagte die Heilige, »das ist die Stelle, die der Herr selbst dir zeigt!«

Er setzte den Nagel ein und hob den Hammer. Aber er liess ihn wieder sinken, sein Arm zitterte.

»Worauf wartest du?« fragte die Heilige. Er stammelte: »Heilige Herrin –«

Sie sprach: »Gebt ihm zu trinken vom Blute des Herrn!« – Man reichte ihm einen Kessel und er leerte ihn in gierigem Zuge.

»Fühlst du dich nun stark genug, Bruder Girolamo?«

Er rutschte auf den Knien zu ihrem Haupte. »Herrin, heilige Herrin, wollt Ihr mir vergeben?«

Sie nickte: »Bruder, was du tun sollst, ist Gottes Wille. Es ist das Opfer, das er von dir verlangt – so erlangst du deiner Sünden Vergebung!«

Noch einmal trank er, dann küsste er die heiligen Wunden ihrer Füsse. Er seufzte schwer und setzte den Nagel auf. Er hob den Hammer und schlug –

Frank Braun hörte den Hammer fallen. Des Knechtes Rücken verbarg ihm die Füsse der Heiligen, aber er sah ihr Gesicht. Sie lächelte demütig, ihre Lippen bewegten sich leise. Aber sie fühlte den Schmerz wohl: ihre Hände umkrampften das Holz und die Nägel ihrer Finger gruben sich hinein –

Alle knieten, alle beteten still, wagten nicht, aufzusehen. Und nur die hellen Schläge des Hammers schrien durch die Luft.

Girolamo Scuro erhob sich, wischte mit dem weissen Tuche den schmutzigen Schweiss von der Stirne. »Es ist geschehen.« krächzte er.

Sie dankte ihm. »Jetzt die linke Hand.« befahl sie.

Er gehorchte. Frank Braun sah, wie er den Nagel in das Stigma drückte, ihn durchtrieb mit einem starken Schlag und anheftete ans Holz.

»Die rechte Hand.« sagte sie.

Der Knecht zögerte. »Heilige Schwester – – es ist nicht fest genug – es möchte abreissen –«

Frank Braun wandte sich, ein dickes Knäuel schob sich ihm hoch im Halse, O, dieser Gedanke war scheusslicher als alles andere: sie riss ab mit den Händen, fiel vorne über, hing an den blutigen Füssen –

Aber die Heilige lächelte: »Sorge dich nicht, Bruder, tu, wie ich dir geheissen!«

Er schritt zu der andern Seite, kniete, fasste ihre Hand. Setzte den Nagel in die Wunde und schwang den Hammer.

Sie sagte: »Bruder, ich danke dir. – Nun gib den Hammer dem Propheten.«

Der Knecht gehorchte. Der Prophet nahm den Hammer. »Was soll ich tun?« fragte er.

»Gib einen guten Schlag auf den Nagel der linken Hand!« Er kniete nieder und tat, was sie verlangte.

»Nun du, Bruder Ronchi.« Auch Ronchi schlug, und sie rief den alten Ulpo.

Frank Braun dachte: »Es ist gut so. Nun kann sie nicht mehr abreissen.«

Sie rief ihre Frauen. »Linda Vuoto, nimm den Hammer.«

Das Mädchen hob ihn, aber er entfiel ihrer Hand: »Heilige Schwester, ich kann es nicht tun!«

»Du musst es tun, alle müsst ihr es tun. Gott will es. – Schlage und gib den Hammer an Carmelina.«

Alle nahmen den Hammer. Carmelina schlug leise zu, kaum berührte der Hammer des Nagels Kopf. Aber Matilda Venier fühlte wohl, dass es ein gutes Werk sei, das ihr des Himmels Pforte öffne. Und sie schrie: »Erlöse uns, o Lamm Gottes, das du der Welt Sünde trägst!« Und hob den Arm hoch und schlug kräftig zu, dass sich der Nagel bog.

Die Heilige fragte: »Haben alle ihren Schlag getan?« Und Ronchi sagte: »Ja, heilige Schwester.«

»So richtet das Kreuz auf!«

Scuro und Cornaro hoben es hinten, fünf andere griffen mit an. Sie trugen es vorsichtig zu dem Schacht, drehten um, so dass das untere Ende die Oeffnung berührte. Dann zauderten sie, als erwarteten sie einen neuen Befehl der Heiligen.

»Richtet es auf!« wiederholte sie.

Ratti und Alvassi drückten das Ende in die Grube, die andern hoben das Kreuz. Da fiel ihr die Dornenkrone vom Haupte.

»Haltet ein!« rief der Prophet. Er hob sie auf und setzte sie ihr wieder auf die Stirne.

»Drücke sie fester – fester!« sagte die Heilige. »Ich darf des Erlösers Krone nicht verlieren, mit ihr soll ich auferstehen in dreien Tagen und einziehen in das Reich des Herrn.«

Der Prophet tat, was sie befahl, drückte die Dornen fest ein, hob ihr Haupt ein wenig und schob die Krone darunter, dass sie sich festklemmte zwischen dem Kopfe und dem Holz.

Von neuem hoben sie das Kreuz, bis es lotrecht dastand. Sie hielten es über der Grube und senkten den Stamm hinab, langsam, Zoll um Zoll, dass er nicht fallen möchte. Sie trieben Holzkeile zwischen Stamm und Schacht, ihn zu stützen, rollten schwere Steine heran und füllten die Lücken mit Erde aus.

Und das Kreuz stand fest und überragte hoch das des Menschensohnes und die beiden andern der Schächer.

Sie blickten hinauf, sie schoben sich, drängten sich, und eine tiefe Unruhe trieb sie. Der Prophet trat an das Kreuz: »Heilige Schwester, was sollen wir tun?«

Ihre Lippen flüsterten: »Betet!«

Sie knieten alle; der Prophet sprach das Karfreitagsgebet.

– Frank Braun hob den Blick. Sie war schön – o nie war sie so schön gewesen. Ihr Kopf neigte sich auf die linke Schulter, die langen, schwarzen Locken flossen herab zu beiden Seiten. Der Dornenreif krönte die Stirne und warf korallene Tropfen auf den Grund. Die weissen Brüste, hochgereckt durch die aufgezogenen Arme, lachten in die Sonne, boten sich dar wie reife Früchte auf goldener Schüssel. Das Tuch um ihren Leib bauschte sich hoch, wie bei einem Frauenbildnis von Cranachs Hand, liess die Schenkel frei und zeigte die herrlichen Beine.

Die Wunden an Händen und Füssen waren eingerissen und ergossen dünne Streifen ihres roten Blutes. Er dachte: »Wie lange wird sie so hängen müssen, bis der Tod sie erlöst?

Jesus von Nazareth hing sechs Stunden. Aber die Schächer zu seinen Seiten lebten noch und man musste ihnen die Beine zerbrechen, als die Sonne sich senkte und der Sabbath nahte.

Werden Sie auch Teresa die Beine brechen müssen?«

– Aber das stille Lächeln erstarb auf ihren Lippen; starr und hart wurden ihre Züge. Ein kleiner Blutstropfen drang aus ihrem Munde und fiel hinab. »Wenn sie tot wäre.« flüsterte er.

Sie regte sich nicht, lautlos, unbeweglich hing sie am Kreuze. Dann drang ein Zittern durch die Muskeln ihrer Arme und jagte im Krampf durch den Körper, ihr Leib hob sich hoch und fiel wieder gegen das Holz. Ihr Mund öffnete sich; das Kinn hing tief auf die Brust.

Die Minuten vergingen – oder mochten es Stunden sein? Ah – für ihn waren es Ewigkeiten. Sein Auge hing an ihrem Gesicht, atemlos spähte er nach jeder kleinsten Regung.

»Sie spricht!« flüsterte er.

Der Prophet richtete sich auf. »Heilige Schwester, was sagst du uns?«

Leise, unhörbar fast, kamen von ihren Lippen des Heilandes Worte:

»Mich dürstet.«

»Gebt ihr zu trinken!« rief er. »Schnell, schnell!«

Tullio Tramonte ergriff einen Kessel; Scuro trat dicht an das Kreuz und umschlang es mit beiden Armen. »Steig auf meinen Rücken!«

Tullio kletterte hinauf, stellte sich auf die Schultern des Riesen. Sie gaben ihm den Kessel und er reckte ihn hoch. Aber sein Arm war nicht lang genug, kaum zur Hälfte reichte er hinauf.

Ronchi riss ein Stück von seinem Leintuche, wand es zusammen und tauchte es in den Wein. Dann steckte er es auf Rattis Säbel, langsam und vorsichtig, dass es die Tropfen halten möchte. Er gab den Säbel dem Burschen: »Führ ihr das Tuch zum Munde, Bruder!« Tullio hob den Säbel hoch und drückte das Tuch in ihre offenen Lippen. Sie griff es mit den Zähnen und sog begierig die Tropfen.

»Sie trinkt, die Heilige trinkt.« flüsterte der Prophet.

Alle schauten hinauf. Auch Scuro machte den linken Arm frei vom Kreuze, trat etwas zur Seite, um hinaufsehen zu können; dabei stiess er an einen losen Stein und strauchelte ein wenig. Er fiel nicht, hielt sich gleich wieder fest am Kreuz. Aber Tullio Tramonte, freistehend auf seinen Schultern, verlor das Gleichgewicht und stürzte herab. Unwillkürlich griff er nach einem Halte, fasste das Tuch, das der Heiligen Leib umschlang. Doch der Strick gab nach und löste sich und Tullio fiel. Alvassi fing ihn auf in den Armen.

Frank Braun schrie leicht auf. Einen Augenblick hatte er gefürchtet, der Bursche möchte im Falle die Gekreuzigte selbst herabreissen. Aber er berührte sie kaum – nur das weisse Tuch riss er von ihrem Leibe.

Nur das Tuch –

Noch hing sie oben am Kreuze –

Und er sah, dass ihr Leib hoch sich wölbte. Er starrte sie an–

Sie war schwanger. Sie trug ein Kind Unter ihrem Herzen.

Ein Kind – –

Sein Kind!! Sein Kind!!

Er schrie. Er stiess die zurück, die vor ihm standen, und drang zum Kreuze.

»Teresa!« rief er. »Teresa!«

Aber sie gab keine Antwort. Ihre Augen waren geschlossen, ohnmächtig hing ihr Kopf auf die Brust herab.

Er starrte entsetzt auf den runden Leib. Er sah das heilige Mal ihrer linken Seite; die Wunde stand offen und ergoss einen hellen, dünnen Blutstreifen. »Es ist des Kindes Blut.« dachte er.

Er fasste das Kreuz mit beiden Händen Und rüttelte daran. Sie rissen ihn los, aber er schlug um sich nach allen Seiten, blindwütend, mit unbändiger Kraft. Er schleuderte sie fort Und fasste den Stamm des Kreuzes, als wollte er es hochheben, ausreissen und zu Boden werfen.

»Teresa!« schrie er. »Teresa!«

Er sah, wie ihr Körper zitterte, da liess er los. Sie erwachte aus ihrer Ohnmacht und ihre Augen öffneten sich langsam.

»Wer rief mich?« fragte sie. »Bruder Pietro, wer rief mich zurück zur Erde?«

Der Prophet hob den Arm und zeigte auf Frank Braun. »Er war es, heilige Schwester.«

Sie sah ihn an. Und sie sagte: »Was will der Fremde?«

»Teresa –« flehte er. »Teresa – –«

Aber sie hörte ihn nicht. Ihr Kopf hob sich mit gewaltiger Anstrengung, ihre Augen richteten sich nach oben. Die Lippen bewegten sich stumm. Sie betete und sprach mit ihrem Gott.

Dann senkte sie die Augen, blickte wieder auf ihn. Sie sprach: »Der Herr sandte dich her, auf dass sein Wille erfüllet werde. Nimm die Lanze und tu was er befiehlt.«

Er verstand sie nicht. »Was?« stammelte er. »Was?«

Aber sie rief herunter: »Brüder, hört ihr mich nicht? Der Herr sandte ihn! – Wie der fremde Kriegsknecht tat, der des Erlösers Seite traf mit dem Stich seiner Lanze, so soll er tun. Das ist des Herrn Wille. Eilet, Brüder, eilet.«

Sie griffen ihn. Er schlug, er trat um sich und biss. Aber sie fassten ihn und warfen ihn zu Boden. Sie umschlangen seine Beine und seinen Leib, sie hielten die Hände fest und die Arme; so stellten sie ihn aufrecht hin. Und Girolamo Scuro nahm Alvassis mächtige Heugabel und presste sie ihm in die Hand.

»Tu, was sie befiehlt!« schrie er heiser.

»Nein!« rief er. »Nein!« Er heulte und schrie, aber sie liessen ihn nicht, stiessen ihm einen Tuchfetzen zwischen die Zähne und machten ihn so verstummen. Scuros Hand legte sich schwer um die seine, die den Schaft hielt, presste sie wie ein Schraubstock, dass er nicht loslassen konnte.

Und sie hoben ihn hoch, lehnten die scharfen, krummen Zinken der Heugabel auf der Heiligen Leib.

»Die Heilige will es!« rief der Prophet »Stoss zu!«

Mit allen Kräften suchte er sich zu befreien, die Hand zu lösen, den Schaft nach unten zu reissen. Aber sie hielten ihn, acht starke Männer, mit wilder, fanatischer Kraft. Und der Wille der, die am Kreuze hing, machte ihre Muskeln zu Eisen.

Ihre Puppe war er.

Dann, mit einem gewaltigen Ruck, stiess Girolamo Scuro von unten gegen seinen Ellenbogen, riss ihm den Arm hoch hinauf. Und die Zinke drang in der Heiligen Leib und bohrte sich hinein bis zum Ende –

Tief hinein – durch Mutter und Kind – Dort, wo das Stigma leuchtete – Die Heilige schrie. Einen einzigen, wilden, entsetzlichen Schrei.

* * *

Sie liessen ihn los, dumpf fiel er zu Boden.


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