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Bei den Ameisen finden wir Freundschaft, Geselligkeit, Mut, Arbeitsliebe, Enthaltsamkeit und Klugheit.
Plutarch, Über die Sitten, XI.
Wenn man den Büchern unserer Naturwissenschaftler Glauben schenken will, so sind die Ameisen und, was das anbetrifft, alle Tiere, äußerst blöde und langweilige Geschöpfe. Die heiße Wißbegier, die uns als Kinder der prächtige Brehm für die Tierwelt einpflanzte, würde uns von der Wissenschaft längst gründlich verekelt sein, wenn nicht gelegentlich ein paar nicht fachwissenschaftlich verbildete Autodidakten uns erzählen wollten, wie sie die Natur sahen. Der alte J. Henri Fabre war so einer.
Nie will ich den Tag vergessen, da ich ihn aufsuchte in seinem Gartenheim in Sérignan in der Vaucluse. Von Orange fuhr ich hin, mit Marie Laurencin, der Malerin – glühheiß war der Augusttag. Ein gelbes Kätzchen lag in den Hecken, kaum eine Woche alt, weggeworfen, hungernd – kaum zu wimmern vermochte es. Marie nahm's in den Wagen, trug es im Taschentuche. Und ihre erste Frage bei dem Alten war um ein wenig Milch für das Kätzchen.
Im Fahrstuhl saß der Achtzigjährige. Ganz in Schwarz, nur der lange Hemdkragen fiel schneeweiß über die Schultern. Frisch rasiert war er – uns zu Ehren vermutlich – noch deckte der Puder sein Gesicht. Wie ein alter, sterbender Pierrot sah er aus.
Sehr schwarz die Augen und sehr groß. Unendlich gütige Augen, unendlich kluge Augen – Augen, die ein langes Menschenleben lang tief in alle Natur sahen. Ein wenig lustig – und ein wenig traurig zugleich.
Dieser Mann wußte: nun muß ich bald gehn. Monate noch und vielleicht ein Jahr. Ein Jahr im Rollstuhl – da kann man nicht viel mehr arbeiten. Nun muß ich bald gehen – und es gibt noch soviel zu sehen überall in Gottes Natur – so unendlich viel zu sehen gibt es noch.
Der alte Zauberer nahm unser Kätzchen auf die Knie. Milch ließ er kommen, lauwarm mußte sie sein und mit Wasser gemischt. Der kannte sich aus mit allen Tieren ringsum – und mit kleinen, verhungerten Kätzchen auch.
Ein ganz großer Weiser war er, der alte Fabre. Die exakte Wissenschaft lehnte ihn ab. Nie hat ihm die Akademie der Wissenschaften in Paris einen ihrer großen Vierzigtausendfrankenpreise verliehen; ja, als sie 1913 sechs neue Sitze zu vergeben hatte, zog sie es vor, statt dieses Mannes, der den Ruhm französischer Wissenschaft über die Erde trug, sechs Nullen zu wählen. Warum? Weil Fabres Gedanken nicht mit denen der ›Exakten‹ übereinstimmten und weil er – zu literarisch sei. Das heißt: weil er schreiben, sich verständlich machen konnte, was die Wissenschaft eben nicht kann. Daß die Weinbäuerinnen der Vaucluse den Weisen für einen armen Narren hielten, weil er tagsüber in irgendeinem Graben auf dem Bauch lag, um Ungeziefer anzustarren – das ist begreiflich. Daß die Feldhüter ihn hie und da für einen Strolch nahmen und verhafteten – ist nicht weniger verständlich. Aber daß die Pariser Akademie sich weigerte, den größten ihres Landes zum Mitgliede zu machen, weil er ein ›Künstler‹ sei und kein Gelehrter – das mag verstehn, wer will. Ein halbes Jahrhundert arbeitete er für die Wissenschaft; kein geringerer als Darwin begrüßte mit Begeisterung seine ersten Arbeiten. Heute hat man ihm schon drei Denkmäler gesetzt; heute ist die ganze Welt von seinem Ruhme voll. Doch vor zehn Jahren noch lehnte Paris ihn ab, weil er nur ein – ›Künstler‹ sei!
Und genau so lehnt die ›Exakte‹ in Deutschland den prächtigen alten Brehm ab. Brehm schrieb ein reines, mustergültiges Deutsch – schon darum haßte ihn die Wissenschaft, die nur ein widerlich verquollenes Kauderwelsch zu stammeln fähig ist. Dann aber: anthropomorph sah er die Tiere! Da rümpft die ›Exakte‹ ihre verschnupfte Nase und sagt verächtlich: ›Dilettantische Popularisatoren!‹ Sie hat nicht eher Ruhe gegeben, bis sie – in der letzten Auflage – den prächtigen Brehm ›entpopularisierte‹ und damit dem »Tierleben« all seinen Reiz nahm. Nur keine Geschichten, nur keine Märchen in der Naturgeschichte.
Nun sind freilich nicht alle Naturwissenschaftler vom Fach so durchaus nur für das Exakte. Wenn einmal einer von ihnen von einem Gedanken besessen ist, dann beweist er ihn drauflos durch Kraut und Rüben, macht Schule natürlich und findet eine Schar von Anhängern, die noch viel gründlicher drauflos beweisen. Geschichten und Märchen entstehn dann, viel toller, als die aller ›dilettantischen Popularisatoren‹, aller Künstler und Dichter.
Gelehrte solchen Schlages sind die Zoologen, die uns in dicken Büchern von den Wundern der ›Mimikry‹ vorgefabelt haben, sind die Botaniker, die an den wechselseitigen Beziehungen von Pflanzen und Ameisen sich begeisterten. Es ist das recht fesselnd zu lesen, und ich möchte schon, daß es alles wirklich so wäre. Leider braucht man nur ein wenig in der Welt herumzufahren und seine zwei Augen aufzumachen, um zu sehen, daß es reine Einbildung ist.
Daß Ameisen einigen Pflanzen von Nutzen sein können, ist richtig. Daß Ameisen sich ihrerseits sehr viele Pflanzen zunutze machen, ist auch richtig. Daß sie aber zum Danke dafür auch den Pflanzen Dienste leisten, ja, daß die Pflanzen die Emsen anlocken, daß sie gewisse den Ameisen besonders angenehme Dinge eigens an sich entwickeln, daß also eine enge Wechselbeziehung zu gegenseitigem Nutz und Frommen zwischen Ameisen und solchen Pflanzen bestände – das alles ist ein barer Schwindel.
Im allgemeinen mag man sagen, daß die Ameisen den Pflanzen mehr nützlich als schädlich sind wie umgekehrt die Ameisen aus der Pflanzenwelt großen Nutzen ziehen. Zunächst finden sie reichlich ihre Nahrung: Samenkörner aller Art, Honig und Früchte. Sie finden ferner vielfach gute Gelegenheit zum Nestbau in Baumstämmen, unter der Rinde, in allen möglichen Hohlräumen, in Zweigen und Ästen, Dornen und Gallen. Auch in Grasstengeln, in Wurzelstöcken, Zwiebeln, Knollen, Fruchthülsen. Die Blätter dienen ihnen nicht nur zum Nestbau, sie errichten auf ihnen auch ihre Viehweiden; sie benutzen sie endlich in ganz großem Stile als Düngemittel für ihre Pilzgärten.
In allen diesen Fällen zieht das Volk der Ameisen Vorteil aus der Pflanzenwelt, wie gelegentlich die Pflanzenwelt nicht unerheblichen Nutzen durch die Emse findet. Überall aber ist dieser Vorteil nur einseitig: von gegenseitigen Beziehungen, von einer ›Do ut des-Politik‹ kann nirgends die Rede sein. Hier aber setzen die phantasiebegabten Botaniker ein, die die tausendundeine Geschichte von den ›ameisenliebenden‹ Pflanzen geschrieben haben.
Es gibt Pflanzen, so lehren sie, welche die Ameisen durch ganz besondere Reizmittel an sich locken. Sie, die Pflanzen, bezwecken dadurch, daß sich Ameisen möglichst dauernd auf ihnen aufhalten und sie dann vor allen ihren Feinden schützen. Einige Pflanzen, sagen die Botaniker, gehn sogar so weit, solche die Ameisen besonders anreizenden und ihnen zugleich Vorteile gewährenden Eigenschaften, die sie früher nicht hatten, eigens an sich zu entwickeln.
Es würde nun für Pflanzen, die Wert darauf legen, von sie schützenden Ameisen bewohnt zu werden, dreifache Möglichkeit der Anpassung bestehn: entweder den Ameisen eine gute Wohngelegenheit oder aber ihnen gute Nahrung zu schaffen oder endlich sie auf solche Vorteile durch besonders entwickelte Lockmittel noch besonders hinzuweisen.
Was zunächst die letzte Möglichkeit betrifft, so wird uns erzählt, daß manche Pflanzen die Stellen, an denen sie süße Säfte ausschwitzen, recht auffallend gefärbt hätten, schneeweiß oder purpurrot. Dabei weiß aber jeder Forscher, daß die Emsen sich weniger vom Gesicht, als vielmehr vom Geruch und Gefühl leiten lassen. Persönlich habe ich in vielen Versuchen festgestellt, daß alle Farbenunterschiede den Emsen völlig gleichgültig sind; ob ihr Honigtropfen auf gelber, roter, grüner oder schwarzer Unterlage liegt, schiert sie nicht einen Pfifferling. Mit den ›Lockmitteln‹ ist es also nichts.
Nun zu den andern Möglichkeiten. Es gibt in der Tat eine ganze Anzahl von Bäumen, fast ausnahmslos in den Tropen, die einmal in den Hohlräumen ihrer Stämme, ihrer Zweige und Dornen hervorragend gute Nesträume bieten, dann auch an vielen Stellen Drüsen haben, welche süße, honigähnliche Stoffe ausschwitzen. Neben solchen Nektarien, die bei den Ameisen – und bei andern Insekten – genau so beliebt sind, wie die Blumen bei den Bienen, haben einige Bäume an den Blattspitzen oder den Blattstengeln noch eigentümliche Leckerbissen, die sogenannten ›Müllerschen‹ und ›Beltschen Körperchen‹ und die ›Perldrüsen‹, die von den Baumameisen eingesammelt, von den Bäumen aber stets wieder in großen Massen neu hervorgebracht werden. Kein Wunder, daß solche Bäume, die Wohnung und Nahrung zugleich bieten, von Baumameisen gern bewohnt werden; in der Tat sind sie denn auch bei den Aztekenarten in hervorragendem Maße beliebt. Die Aztekenameisen nun sind sehr kampflustig, sehr mutig und gut bewehrt; sie greifen jeden Feind sofort an, der sich an dem gütlich tun will, was sie als ihr Eigentum betrachten. Da hätten wir also die berühmte Anpassung der ameisenliebenden Pflanze: »der Imbaubabaum liefert den Azteken vorzüglich Wohnung und zugleich herrliche Speise, und er hat beides eigens entwickelt, um so den Schutz der Ameise zu genießen!«
Überall in den Wäldern Brasiliens ist die Imbauba, der Trompetenbaum, zu finden. Überall auch die Blattschneiderameise, die ganze Bäume entlaubt, die Imbauba jedoch, die von den kriegerischen Azteken bewohnt ist, verschont. Der Trompetenbaum ist hohl im Stamm wie in den Zweigen, doch es ist nicht ein großer Hohlraum, es sind vielmehr manche, durch dünne Zwischenwände an den Knoten voneinander getrennte Hohlräume. Von jedem Knoten geht ein Blatt aus; wo der Blattstengel sitzt, befindet sich eine Art haarigen Kissens, auf welchem die gelblichen Müllerschen Körperchen wachsen. Der Stamm, sowie die Äste zeigen unterhalb eines solchen Knotens eine etwas eingedrückte Stelle, die ziemlich dünn ist und fast einem kleinen Loche gleicht – sie wird auch zum Loche, das hier die vom Hochzeitsflug kommende junge Königin sich bohrt. Während andere junge Königinnen sich tief in die Erde einen Gang und an dessen Ende eine kleine Höhle graben müssen, um, nachdem sie dies einfache Nest fest verschlossen haben, nun hungernd durch viele Monate Eier zu legen und ihre erste Brut aufzuziehen, braucht die glückliche Aztekakönigin nichts zu tun, als diese Stelle an einem Zweige des Trompetenbaumes durchzubeißen und hineinzuschlüpfen. In dem Zwischenraum zwischen zwei Knoten findet sie ein hübsches Nest fertig vor. Sie braucht nicht einmal die Öffnung zu verschließen, auch das tut die Imbauba für sie, die an dieser Stelle wieder zuwächst; ja, die junge Königin findet sogar in dem wachsenden Stoff eine ihr zusagende Nahrung. Der brave Baum bewahrt sie also vor allen Fährnissen ihrer jungen Mutterschaft.
Wenn die junge Brut heranwächst, so macht sie Türen in die Zwischenwände von einem Hohlraum zum andern, öffnet zugleich auch nach außen hin wieder die zugewachsenen Stellen. Allmählich sind alle Zwischenwände geöffnet, alle Hohlräume verbunden: eine große Verbindung ist hergestellt bis hinunter zur Erde. Das großgewordene Volk baut nun unten im Stamme ein Papiernest und öffnet es nach außen hin durch den Stamm; von hier aus und durch die kleinen Türchen in den Zweigen können die Emsen jetzt überall leicht aus und einschlüpfen. Sie sammeln nun die Müllerschen Körperchen und legen sich davon große Vorratskammern in ihrer Pappstadt an. So sehr haben sie sich an diese leckere Nahrung gewöhnt, daß sie kaum mehr von einer andern Speise etwas wissen wollen.
Noch mehr Vorteile jeder Art vermag eine Pflanze den Ameisen schlechterdings nicht zu geben; es wäre daher begreiflich, daß ein Aztekenvolk die von ihm bewohnte Imbauba, die es als sein Eigentum betrachtet, gegen alle Angriffe verteidigt. In der Tat finden häufig heftige Kämpfe auf dem Baume statt. Nicht eine nämlich, sondern ein halbes Dutzend junger Aztekaköniginnen mögen sich denselben Baum als Heim für ihr zukünftiges Volk erkoren haben – jede einzelne hat sich an einem oder einem anderen Zweige durch die dünne Stelle hindurchgearbeitet und zwischen zwei Knoten ihr Nest begründet, so zwar, daß wir später nicht ein, sondern eine ganze Reihe von jungen Völkern auf dem Trompetenbaum finden. Jedes aber verlangt den Baum für sich; sofort setzt ein Kampf auf Tod und Leben aller Völker gegen alle ein: dieser Kampf endet mit der völligen Ausrottung aller andern Völker und Königinnen, sodaß schließlich nur ein einziges Volk, eine einzige Königin als unbeschränkte Beherrscher des Baumreiches übrig bleiben, die nun herrlich und in Freuden in reichstem Überfluß leben. Solange freilich nur, wie ihr Trompetenbaum steht; wird er gefällt, vom Sturm entwurzelt, vom Blitze getroffen, so stirbt mit ihm das Volk, das völlig auf ihn angewiesen ist.
Es ist also schon wahr: Wohl und Wehe von Azteka und Imbauba hängen aufs innigste zusammen, bis zu diesem Punkte stimmen die Beobachtungen der Forscher durchaus. Nur liegt bisher aller Vorteil auf Seiten der Ameisen. Zu dem schönen Gedanken des ›ameisenliebenden‹ Baumes sind jedoch noch zwei Dinge notwendig. Einmal, daß der Trompetenbaum alle oder wenigstens einige der schönen Sachen, die den Ameisen so nützlich sind – also die Müllerschen Körperchen, die Hohlräume, die dünnen Stellen, durch welche die Königin hineindringen kann – eigens entwickelt habe, um die Ameisen zu seinem Schutze bei sich zu beherbergen und zweitens, daß die Azteken ihm diesen Schutz auch wirklich gewähren.
Was die erste Frage angeht, so ist die Anpassung des Baumes durch nichts zu beweisen und wird sich niemals beweisen lassen. Was die Forscher in dieser Beziehung vorbringen, sind nichts als hübsche Gedanken, phantastische, lockende, aber völlig in der Luft schwebende Vermutungen und Behauptungen. Sehr leicht dagegen ließe sich der zweite Punkt beweisen, daß die Emsen ihre Bäume gegen schädliche Eingriffe schützen – wenn er eben zutreffend wäre!
Nur: er trifft garnicht zu. Die Ameisen denken garnicht daran, dem Trompetenbaum irgendwelchen Schutz zukommen zu lassen. Allerdings vertreiben sie in wütendem Kampf jedes andere Aztekenvolk von ihrem Baum, aber das nützt doch nur ihnen selbst und garnicht der Imbauba, die ihre Hohlräume und ihre Leckerbissen für die einen sowohl wie für die andern wachsen läßt.
Die Behauptung der Gelehrten aber, daß die Azteka den Baum gegen die verheerenden Angriffe der Blattschneiderameisen schütze, die ihrerseits wieder die Blätter der Imbauba besonders schätzen, ist glatter Schwindel. Jeder ausgewachsene Trompetenbaum, heißt es, ist von einem Aztekavolke bewohnt; darum gehn die Blattschneiderinnen in großem Bogen um solche Bäume herum, da sie einen Mordsrespekt vor den Waffen der kriegerischen Basen haben. Falsch! Ich sah viele Imbaubas, auf denen kein Volk von Aztekas wohnte – dennoch besuchten die Blattschneiderinnen diese Bäume nicht, um die Blätter abzuschneiden. Diese Ameisen mögen augenscheinlich die Trompetenblätter garnicht, sodaß ein ›Schutz vor ihnen‹ auch nicht den allergeringsten Zweck hätte. Dazu kommt, daß, wenn auch die Azteka nicht nur Stammesgenossen, sondern auch eine Reihe fremder Insekten, die gelegentlich auf den Baum kommen, im Augenblicke auf das heftigste angreift, sie doch daneben andern Insekten, an die sie sich augenscheinlich gewöhnt hat, ruhig erlaubt, auf ihrem Baume zu leben. Dazu noch Insekten, die dem Baume bestimmt schaden, da sie sich von seinen Blättern ernähren, so dem Faulkäfer, der Blattkäferlarve und einigen Raupen. Besonders in Paraguay sah ich viele von Azteken bewohnte Trompetenbäume, deren Blätter von allen möglichen Insekten schlimm zerfressen waren – einerseits schien das den sehr gesunden Bäumen nicht allzu viel zu schaden und andererseits dachten die wilden Azteken garnicht daran, die Schädlinge wegzujagen. Sie verteidigten ihre Nester, verteidigten die haarigen Kissen auf den Blattstengeln, auf denen ihre Speise wächst, aber es fiel ihnen garnicht ein, die zerstörenden Insekten von den Blättern zu vertreiben, da sie selbst an diesen Blättern kein Interesse hatten. Wenn also die Imbauba überhaupt keine eigentlichen Feinde hat und wenn sie dazu von ihren Ameisen nicht geschützt wird – was nutzt ihr dann das auf ihr herumkrabbelnde Ameisenvolk?
Das einzige, was noch fehlen würde, um die Lehre der Wissenschaft von dem ameisenliebenden Trompetenbaum vollends lächerlich zu machen, wäre der Nachweis, daß die Azteka ihrem Hausbaum nicht nur nützt, sondern ihm noch obendrein schadet. Nun – und gerade das tut sie! Spechte, die sich von diesen Ameisen ernähren, schlagen so tiefe und zahlreiche Löcher in den Baum, daß seine Widerstandskraft gegenüber den sehr heftigen tropischen Stürmen sehr herabgesetzt ist.
Damit aber zerplatzt die schöne, schillernde Seifenblase von der ›Ameisenliebe‹ des Trompetenbaumes.
Ich habe mich länger bei der Imbauba und der auf ihr hausenden Azteka aufgehalten, weil dieser beiden Geschichte seit langer Zeit als das klassische Beispiel der innigsten Wechselbeziehung zwischen Ameise und Pflanze gilt. Die vielen andern Beispiele der Forscher, die sich für die Ameisenliebe der Pflanzen begeistert haben, stehn auf noch viel schwächerem Grunde. So die Geschichte von den Flötenakazien und den ihre hohlen Dornen bewohnenden Hängebauchameisen. Einmal schwellen die Dornen keineswegs so mächtig auf infolge der Neigung der Akazien, Ameisen in ihnen zu beherbergen und zu füttern, sondern wahrscheinlich infolge einer Krankheit, die von Bakterien veranlaßt wurde. Denn stets sind nur einige Dornen so angeschwollen, während die meisten ihre normale Größe zeigen. Dann aber schützen die ›Hängebäuche‹ ihre Akazien ebensowenig, wie die Azteken die Trompetenbäume: – die
Dornen selbst sind gegen weidendes Vieh ein viel besserer Schutz. Freilich wehren sich die Hängebäuche, wenn sie angegriffen werden; wenigstens tun das die dreifarbigen Hängebäuche, die in Gallen der ostafrikanischen Flötenakazien sich Papiernester bauen; sie haben zu ihrer Verteidigung sogar eine ganz eigentümliche Taktik ausgebildet. Dicht gedrängt besetzen sie das Tor ihrer kleinen Stadt, aber – mit den Hinterteilen ins Freie! Und aus jedem Hängebauchhinterteilchen tritt ein so übelriechendes weißes Tröpfchen aus, daß die Feinde es vorziehen, diese unappetitliche Gesellschaft in Ruhe zu lassen. So schlagen sie selbst die wilden Angriffe der Wanderameisen ab. Nur: diese Feinde tun den Akazien nicht das geringste Leid: diese haben also gar keinen Vorteil von den Künsten ihrer Hängebäuche.
Doch birgt das Kapitel der Beziehungen der Ameisenheit zur Pflanzenwelt eine andere Geschichte, die viel wunderbarer ist, als die von der Azteka und ihrem Trompetenbaum, vom Hängebauch und seinen Flötenakazien, das ist die Geschichte von den
Diese Ameisen, aus der Familie der Knotenameisen, führen den Stammesnamen: Atta. Atta – das heißt ›Alterchen‹; es war die freundliche Anrede des jungen Griechen für den alten Mann. Nun haben diese Emsen wirklich etwas Langsames, Würdiges, Gesetztes in ihren Bewegungen – freilich garnichts Männliches, vielmehr etwas recht Matronenhaftes, Geruhiges. Besonders, wenn sie in langen Zügen, mit ihren Sonnenschirmen bewaffnet, dahermarschieren.
Die Ameisen vom Stamme Atta sind Tropenbewohnerinnen Amerikas, die zum Teil auch in subtropische Lande sich ausgedehnt haben. Wohl gibt es auch bei uns eine Ameise, die kleine rußhaarige Gartenameise, die sich auf die Pilzzucht versteht. Sie baut ein Pappnest und tapeziert dessen Wände mit Pilzen aus: der Pilz dient als Mörtel, verleiht außerdem der Wand Festigkeit. Eigentümlich ist – eine merkwürdige Parallele zu den Pilzen der amerikanischen Pilzzüchterinnen großen Stils, mit denen unsere Gartenameise ja garnicht verwandt ist – daß dieser Pilz außerhalb des Nestes nicht vorkommt, also als ein reines Züchtungsprodukt dieser Ameisen betrachtet werden muß. Noch eine andere Ähnlichkeit hat unsere deutsche Pilzzüchterin mit den indianischen Ameisen – sie ist wie diese dicht behaart. Ob diese Behaarung in irgendeiner Beziehung zum Pilzzüchten steht – wer weiß!
Die Attapilzzüchterinnen sind harmlose Geschöpfe; ihr Stachel ist wenig ausgebildet, wenn sie auch mit ihren scharfen Oberkieferscheren sich ganz gut wehren können. Manche Arten verzichten überhaupt auf jeden Kampf, sind recht furchtsam und stellen sich tot bei Gefahr. Die Arbeiterinnen haben die verschiedenste Größe, von ganz kleinen Schluckern bis hinauf zu mächtigen Soldaten; bei einzelnen Arten vermag man bis zu sechzehn Formen deutlich zu unterscheiden.
Groß ist auch die Anzahl der verschiedenen Arten, die in manchen Einzelheiten der Lebensführung voneinander abweichen, namentlich in der Art der Pilzzucht. Einige sammeln den Kot von Raupen, um auf solchem Dung ihre Pilze zu züchten, andere benutzen als Mistbeet kleine Pflanzenteile, Blumenblätter oder faulendes Holz, während die höchstentwickelten Blattschneiderinnen frische Blätter dazu verwenden. Einige leben in ganz kleinen Völkern von kaum einem Dutzend Seelen, andere wieder haben ungeheuer zahlreiche Völker. Dementsprechend finden wir kleinste Zwergnester bei den einen, riesengroße bei andern Arten. Manche bauen hängende Pilzgärten, andere errichten solche auf dem Boden ihrer Warmhäuser. Dabei sind auch die Pilze selbst bei den verschiedenen Stämmen stets andere, wenn auch die Ameisen die Pilzspeise fremder Arten durchaus nicht verschmähen.
Jeder Mensch, der einmal im amerikanischen Urwald gewesen ist, hat die Blattschneiderinnen gesehen – Sauba nennen sie die Indianer Brasiliens. In langen Zügen wandeln sie über den Boden, jede einzelne mit einem Schirm versehen, den sie aus einem Blatte herausgeschnitten hat, meist doppelt so groß als sie selber. Es sieht aus, als ob sie segelten oder als ob sie sich mit den großen grünen Schirmen vor den Strahlen der Sonne schützen wollten. Die Bäume und Sträucher hinauf ziehen sie, schneiden Stück um Stück jedes Blatt herunter, um es nach Hause zu schleppen. Man kann bequem zusehen, während sie einen Busch entlauben, so scharf schneiden ihre Scheren, obwohl sie sich bei ihrer Arbeit nie zu beeilen scheinen.
Wenn eine junge Ameisenkönigin in die Welt hinausfliegt, um hochzeitliche Wonnen zu genießen und dann ein Volk zu gründen, so ist sie stark und gesund und recht wohlgenährt – aber sie nimmt kein Gepäck mit und keine Reisevorräte. Gerade das aber tut die Attakönigin. Der Pilz ist diesen Ameisen das ›Heilige‹; er ist das Ding, um das sich ihr ganzes Leben dreht. Wie sie ihn fanden, wissen wir nicht – irgendeine Heldin des Volkes mag ihn vor undenklichen Zeiten gebracht haben, so wie den Menschen Prometheus das Feuer vom Himmel holte.
Die junge Königin nimmt also, in einer Tasche ihres Mundes, ein wenig Pilzmasse mit auf die Hochzeitsreise. Sie findet ihre Geliebten, vermählt sich. Sowie sie sich Mutter fühlt, gräbt sie sich sofort in die Erde, schaufelt eine kleine Höhle und verschließt diese sicher vor der Außenwelt. Ihre Arbeit ist erheblicher, als die aller anderen Ameisenköniginnen und sehr viel größer, als die der ihr so benachbart hausenden Königin vom Aztekenstamme. Diese bekommt Wohnung und Nahrung vom Trompetenbaum geliefert, sie braucht sich also nur um Eierlegen und die Aufzucht der jungen Brut zu bekümmern. Die Königin der Blattschlepperinnen aber muß mühsam ihre eigene Wohnung bauen, wie sie für ihre eigene Nahrung sorgen muß –, denn ihre angestrengte Tätigkeit erfordert eine gewisse Ernährung. Sie muß dazu ihre Jungen aufziehen und schließlich für ihr künftiges Volk den Pilzgarten anlegen, der dieses ernähren soll, von dem sie selbst jedoch nicht ein bißchen anrührt. Sie ist also nicht nur Mutter und Königin, sondern auch die Nährmutter ihres Volkes.
Kaum hat sie sich in ihr dunkles Heim, in die Erde zurückgezogen, so spuckt sie das Erbe ihrer Mütter aus – eben das winzige Pilzfetzchen. Nun folgen ein paar Tage der Ruhe, während der das Pilzflöckchen ziemlich schnell wächst. Am dritten Tage beginnt das Eierlegen, zugleich die dauernde Pflege des stets wachsenden Pilzgärtchens. Dieses muß gedüngt werden, und zwar so sorgfältig, daß die kleinste Dungmasse die möglichst größte Nährkraft abgibt.
Nun, den Dung hat die junge Königin auch mitgebracht – es ist ihr eigener Kot.
Die Chinesen der Riesenstädte sind große Blumenliebhaber, sie hegen und pflegen diese wie kein anderes Volk der Welt. Dung aber ist in den gewaltigen Städten eine seltene Ware; so ist ihr eigener Kot – und der der guten Freunde und Nachbarn – außerordentlich geschätzt. Sie tragen ihn sorgfältig heim, verteilen ihn, düngen damit ihre Blumenerde.
Aber selbst ein Chinese kann nicht die Geduld und Mühe bei seiner Pflanzenzucht aufbringen, wie die Königin der Schleppameisen. Sorgfältig zupft sie einen kleinen Fetzen aus ihrem Pilzgarten mit den Oberkiefern, beugt den Kopf hinunter, dreht den Hinterleib vor, drückt das Flöckchen an ihr Popochen und benetzt es mit einem klaren, gelben Tröpfchen – eine echt königliche Bewegung: auch die stolzeste Kaiserin und Königin der Menschenvölker muß solche Arbeit ohne Hilfe verrichten.
Dann fügt sie das Pilzflöckchen wieder in den kleinen Garten ein und preßt es mit den Vorderbeinen fest. Wenigstens zweimal stündlich düngt sie so ihr Beet, das sie zwischendurch zurechtstreicht und durch Belecken reinigt.
Nun aber muß, um guten Gartendung spenden zu können, ein jedes Geschöpf Nahrung zu sich nehmen. Von ihrem Gärtchen darf die Königin nichts nehmen – das muß wachsen und stark werden, um einmal das große Volk ihrer Kinder ernähren zu können. Sonst aber gibt es nichts zu essen in der engen Höhle.
Die Königin weiß Rat: die Nahrung, die sie braucht, stellt sie selber her. Vom dritten Tage ihrer Einsiedelei an legt sie täglich etwa zehn Eier – davon ißt sie selbst die meisten: so erhält sie sich am Leben und vermag zugleich die Kraft herzugeben, die ihre Pilzzucht wachsen macht. Viel Schlaf hat die Königin nicht, außer der Pflege des Gartens muß sie ihre Höhle glattstreichen, sich selbst reinhalten, endlich der Aufzucht der jungen Brut sich widmen, die sie mitten in den Pilzgarten bettet. Sowie die Larven aus den Eiern geschlüpft sind, füttert die Mutter sie wie sich selbst mit zerquetschten Eiern – es dienen von je zehn Eiern neun zu Nahrungszwecken.
Wenn die ersten jungen Emsen aus ihren Puppen schlüpfen – stets Arbeiterinnen der allerkleinsten Sorte, wahre Zwerginnen – hat der Pilzgarten, der als die Königinmutter ihn pflanzte, kaum einen halben Millimeter Durchmesser hatte, bereits einen solchen von zweieinhalb Zentimeter. Sogleich beginnen die Töchterlein, ihre Mutter in ihrer Arbeit zu unterstützen. Sie übernehmen die Reinhaltung und Ernährung der jungen Brut, die nach wie vor mit den Eiern der Mutter gefüttert wird, während die kleinen Emsen sich selbst aus dem Pilzgarten ernähren. Auch helfen sie der Mutter, den Garten zu düngen; freilich benehmen sie sich dabei nicht so vornehm und königlich wie die Mama. Sie besorgen einfach ihr Geschäftchen in den Garten, pflanzen dann ein an anderer Stelle ausgerissenes Flöckchen in den frisch gedüngten Platz. Die Königin-Mutter beaufsichtigt befriedigt diese Arbeit und hilft gelegentlich dabei.
Eine Woche etwa, nachdem die kleinen Emsen aus der Puppe krochen, beginnen sie zu graben – nach wenigen Tagen haben sie dann eine Öffnung zur Oberfläche geschaffen. Und nun fängt das eigentliche Leben des jungen Volkes an. Während die Königin allmählich alle Arbeit den Töchtern überläßt und sich nur noch mit Eierlegen beschäftigt, ziehen die jungen Emsen – mehr und mehr mit jedem Tage – auf Arbeit hinaus in die Welt. Sie erklettern Sträucher und Bäume, schneiden Stücke von Blättern ab, segeln mit ihnen zurück ins Nest. Die Blattstücke werden zerkleinert und zu Klümpchen geknetet; sie dienen von nun an als Düngemittel für den mächtig wachsenden Pilzgarten, während die Düngung mit Kot völlig aufhört. Zu gleicher Zeit hört auch der Kannibalismus auf: von nun an nähren sich nicht nur die erwachsenen Emsen aus dem Garten, auch die Larven erhalten jetzt nur Pilznahrung. Augenscheinlich ist solche Speise weit kräftigender als die Eier, aus denen Schwestern hätten werden können, denn nun entstehn Arbeiterinnen, die größer sind als die zwerghaften Erstlinge, ja solche, die das sechsfache Maß erreichen – dazu Männchen und Weibchen, die noch viel größer sind.
Zu dem einen Pilzgarten treten neue hinzu, immer mehr unterirdische Treibhäuser werden angelegt. Mit der Zahl des Volkes wächst die Größe der Stadt, die ganz erstaunliche Maße erreichen kann. Ein einziges Treibhaus – also eine von Pilzen bewachsene Erdkammer – kann eine Länge bis zu anderthalb Meter erreichen, dabei eine Höhe und Breite von je einem Drittel Meter, ja, einzelne Forscher erzählen von Pilzgärten von einem Meter Höhe und sechs Meter im Durchmesser! Die Gänge führen bis zu fünf Meter in die Erde; die Toröffnungen des Nestes sind, um genügende Durchlüftung zu schaffen, wie bei den Städten der Honigameisen, sehr breit. Die vielen über der Stadt errichteten Krater haben Durchmesser bis zu einem Meter – das ganze Nest kann eine Fläche von über hundert Quadratmeter einnehmen. Jede einzelne der zahllosen Kammern aber trägt in der Form eines Badeschwammes einen Pilzgarten: Eier und Larven ruhen weich darin.
Die Arbeitsteilung ist nun streng durchgeführt. Zum Blattschneiden und Einschleppen sind die mittleren Arbeiterinnen bestimmt, während die ganz großen als Soldaten und Wachtposten die Tore der Stadt bewachen. Kleinere wieder kneten die Blattstücke zu Klümpchen und bauen die neuen Pilzgärten, sie fügen in die alten Gärten das frische Blattmus ein, zerren die schon verbrauchte Masse heraus und bringen sie auf die Schutthaufen. Noch kleinere Arbeiterinnen haben die Pflege der Brut und der Königin übernommen.
Den kleinsten Knirpsen aber liegt eine sehr wichtige Arbeit ob. Sie sind die eigentlichen Gemüsebäuerinnen, sie jäten alles Unkraut und besonders alle andern Pilze aus, die in den Treibhäusern wachsen. Auf der bald bräunlich werdenden Dungmasse der Blätter darf nur ihr eigener schneeweißer Pilz wachsen. Aber auch dieser Pilz darf nicht so wachsen, wie er möchte, sondern nur so, wie die Ameisen wollen. Der Pilz würde, allein gelassen, lange Fruchtträger treiben, richtige Schwammerln, bis zu fünfzehn Zentimeter hoch. Die aber wünschen die Ameisen garnicht. Die kleinen Emsen nun beißen täglich und stündlich diese keimenden Luftsprossen ab; sie bewirken dadurch, daß an ihre Stelle kleine runde oder ovale Anschwellungen treten: ›Kohlrabi‹ hat der deutsche Forscher, der sie zuerst fand, sie benannt.
Es sind diese Kohlrabi, die wie klare Wassertröpfchen über den weißen Pilzgärten hängen, die dem gesamten Volke der Ameisen zur Nahrung dienen.
Der Pilz – oder vielmehr die Pilze, denn die verschiedenen Attaarten züchten ganz verschiedene Pilze – sind reine Züchtungsprodukte der Ameisen. Was wir in den Pilzgärten finden, gibt es außerhalb der Ameisenstädte überhaupt nicht – so wie die Menschen eine Reihe von Gemüse und Blumen gezüchtet haben, die in der freien Natur nicht vorkommen.
Groß und mächtig werden die Völker der Pilzzüchterinnen; sie sind recht eigentlich die Herrscherinnen des amerikanischen Tropenwaldes. So zahlreich die Gefahren für die einzelne Emse sein mögen, so gering sind sie für das Gesamtvolk. Selbst der Mensch – dem sie empfindlich schaden, denn sie scheinen eine besondere Vorliebe für die Blätter seiner Zuchtbäume zu haben – vermag ihnen wenig anzuhaben. Ich habe öfters Nester ausräuchern sehen. Man gräbt ein Loch sieben Fuß tief in den Boden, wirft trockenes Reisig hinein und darauf Schwefel. Man schließt das Loch dann mit einer Eisenplatte und hält durch einen mächtigen Blasebalg das Feuer unten am Brennen. Viele Meter von dieser Stelle entfernt mag man die Schlepperinnen aus dem Neste herauskommen sehen, um sich und ihre Brut in Sicherheit zu bringen. Diese Art der Vertilgung ist mühsam, teuer und dabei keineswegs sicher: wenn die Königin, tief unten versteckt, den Schwefeldämpfen entgeht, so ist alle Arbeit umsonst. Darum ziehen es viele Farmer vor, im Neste zu graben, bis die Königin gefunden ist. Eine außerordentlich mühselige Arbeit – aber auch sie verbürgt in keiner Weise sichern Erfolg. Denn die Völker der Schleppameisen nehmen willig, wenn die alte Königin starb oder ihre Zeugungskraft verlor, junge befruchtete Königinnen auf: so lebt das Volk weiter.
Wie der Mensch, so sind auch Naturgewalten ziemlich machtlos gegen die Riesenvölker der Pilzzüchterinnen. Mag der Blitz die größten Bäume zerschlagen, die morschen Strünke anzünden, mag ein noch so gewaltiger Brand durch den Urwald toben – die Attaemsen tief unten in ihrem Nest sind ziemlich sicher davor. Und sie haben Vorrat genug in ihren Gärten, um die magere Zeit zu überstehn, bis die Blätter auf den Bäumen von neuem grünen; auch können sie inzwischen das nötige Dungmus aus anderen Pflanzenteilchen schaffen. Selbst große Überschwemmungen vernichten ihre Völker nicht. Mögen noch so viele Emsen dabei zugrundegehn, die Hauptmasse formt einen mächtigen Ball, Königin und junge Brut in der Mitte – die heilige Pilzspeise nicht zu vergessen. So schwimmt das Volk durch das Wasser: baut auf neuer Erde eine neue Stadt.
Die Kinder spielen Ameisenstadt; zu dem Zweck haben sie den verlassenen Tennisplatz ausgesucht, der tief in die Felsen eingehauen ist, hinter dem Alten Kastell.
Ameisenkönigin ist Jack Horner – das ist der dickste von allen. Der liegt da und alles putzt an ihm herum und bringt ihm zu fressen. Das kann er ausgezeichnet – nur Eierlegen kann er nicht.
Die andern sind Emsen. Die schwärmen aus und schleppen ins Nest, was nicht niet- und nagelfest ist. Alles stehlen sie, nichts ist ihnen heilig. Sie behaupten, daß man fast alles essen und noch mehr brauchen könne in einem Ameisenbau.
Auch feindliche Ameisen sind da; die wollen die Puppen stehlen. Die Puppen – nun das sind halt richtige Puppen.
Da setzt es schwere Kämpfe. Und Miß Gordon, die das Ganze beaufsichtigt, hat alle Hände voll zu tun.
Gestern aber gab's einen großen Krach. Als wieder das feindliche Volk anrückte auf Puppenraub, fiel plötzlich die kleine Lollo um; lag da, steif und starr, konnte kein Glied mehr rühren.
Abgebrochen wurde das Spiel; entsetzt schickte die Miß zum Kurarzt.
Na, nötig war es nicht gerade. Als der Doktor kam, sprang die Lollo auf, lachte ihm mitten ins Gesicht.
Sie hatte sich totgestellt – weil das manchmal die Ameisen auch tun.