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Der Signor Capponi ist Staatsbeamter. Man weiß, daß die Staatsbeamten der erste Stand sind und daß sie ihre Würde nach außen hin kundtun müssen; sie müssen das, auch unter den schwersten Opfern. Nur durch äußerste Sparsamkeit und bei größter Umsicht in der Verwaltung ihrer Angelegenheiten können sie diesen Verpflichtungen genügen. Der Signor Capponi genügt restlos allen Verpflichtungen, welche sein Stand ihm auferlegt; soweit sie drückende Lasten sind, trägt er sie gern, denn er weiß ja, wofür er trägt.
Dem Signor Capponi ist die Verwaltung der öffentlichen Sicherheit in Rom zugewiesen und alles, was mit ihr zusammenhängt; er ist also nicht nur der Vorgesetzte des bekannten Polizeihauptmanns Tromba, sondern er hat auch die Aktenstücke über die Straßenreinigung, die Theater, die gesundheitlichen Einrichtungen, über die Presse, den Pflasterzoll und ähnliches zu behandeln. Er tut das, indem er jeden Morgen pünktlich zehn Uhr auf seiner Amtsstube ist. Dort findet er auf seinem Tisch einen Haufen Akten vor. In jedem Aktenstück ist eine Seite eingeknifft und an der eingeknifften Stelle eine Eingabe eines Gesuchstellers, ein Bericht eines Untergebenen, eine Anfrage aus der Öffentlichkeit oder eine Verfügung des Herrn Ministers eingelegt. Signor Capponi liest Eingabe, Bericht, Anfrage oder Verfügung durch und entscheidet entweder, daß ihm ein Simile vorgelegt wird, oder daß Eingabe, Bericht, Anfrage oder Verfügung zu den übrigen Akten kommt, oder daß man ihm das Stück nach vierzehn Tagen wieder vorlegt, wo sich dann in der Regel die Sache von selber erledigt hat; und so verwaltet er die öffentliche Sicherheit der Stadt Rom und gilt bei seinen Vorgesetzten als ein sehr fähiger Beamter, der selbständig denken kann, und bei seinen Untergebenen als ein liebenswürdiger Vorgesetzter.
Die guten Zustände der öffentlichen Sicherheit in Rom, die man dem Signor Capponi verdankte, hatten unter anderem die Bautätigkeit lebhaft angeregt; dadurch waren sehr viel mehr Pferde in die Stadt gekommen als sonst; und infolge der den Pferden eigentümlichen Äußerungen, welche auf den Straßen liegenblieben, da kein Aktenstück bestand über die Beseitigung derselben, hatten sich die Sperlinge außerordentlich vermehrt.
Die Sperlinge waren eine Plage geworden und hatten verschiedentlich Eingaben veranlaßt von jungen Leuten, deren Erbtanten die Sperlinge fütterten und so die Erbschaft verringerten, Berichte von Polizeibeamten, bei welchen Ärgernis erweckt wurde durch das Betragen der Sperlinge in sexueller Hinsicht, und Anfragen gereizter älterer Damen, welche sich über die Störung ihres Morgenschlafes beklagten. Der Registrator hatte bereits einen Akt »Sperlinge betr.« angelegt, in welchen alle diese Schriftstücke eingeheftet wurden; Signor Capponi hatte bis jetzt sich diesen Akt immer nur noch alle vierzehn Tage vorlegen lassen mit Bericht des Hauptmanns Tromba, ob die Sperlinge noch vorhanden seien, und hatte sich eine Verfügung aufgespart. Endlich kam vom Ministerium ein längeres Schreiben, in welchem ausgeführt war, daß ein Gelehrter ein dickes Buch verfaßt hatte über die Schädigung des Nationalwohlstandes durch die Sperlinge, und Signor Capponi zum Bericht darüber aufgefordert wurde, was er bis jetzt gegen die Sperlinge getan habe. Signor Capponi verfügte auf dem Schreiben, daß ihm ein Simile vorgelegt werde, der Registrator suchte mehrere Tage lang und fand endlich zwei Verfügungen gegen die Krähen, von denen die eine vor hundert, die andere vor etwa hundertfünfzig Jahren erlassen war. Es waren in beiden Preise ausgesetzt von einem Soldo, und zwar in der einen Verfügung für zehn Köpfe und in der anderen für zehn Paar Füße von Krähen. Signor Capponi nahm an, daß man bessere Mittel zur Bekämpfung der Plage seitdem nicht gefunden habe, faßte die beiden Verfügungen in eine zusammen und erließ eine Bekanntmachung, zur Vertilgung der beschwerlichen Sperlinge solle jedem, der zehn Köpfe oder zehn Paar Füße von Sperlingen bringe, ein Soldo gezahlt werden. Dann beantwortete er das ministerielle Schreiben, daß ein Preis ausgesetzt sei auf die Vertilgung der Sperlinge und daß er sich nach den Erfahrungen früherer Zeiten von dieser Maßnahme Erfolg verspreche. Dem Minister wurde die Antwort vorgelegt, er las sie und verfügte, daß sie ihm nach vierzehn Tagen wieder vorzulegen sei mit Bericht über den Erfolg der Maßnahmen. Selbstverständlich hatte sich Signor Capponi bei der Verfügung gar nichts gedacht, er hatte niemanden mit ihr schädigen wollen. Die linksstehende Presse griff aber die Sache auf, bezichtigte ihn der Verschleuderung öffentlicher Gelder und verlangte stürmisch seine Entlassung vom Amt. Der Minister beschied den Signor Capponi zu sich und empfing ihn recht ungnädig. Er sagte ihm, er begreife auch nicht, was die Presse an der Verordnung zu tadeln finde, aber die erste Pflicht eines Beamten sei, daß sein Name nicht in den Zeitungen genannt werde; er zeigte ihm mit bewegten Worten die Untergrabung der Staatsautorität, die er durch seine Handlungsweise verursacht habe, und entließ ihn mit der Mitteilung, daß er als Landrat nach Ariccia versetzt sei, wo keine Zeitungen erscheinen. Also Signor Capponi mußte nach Ariccia umziehen.
Ein Umzug ist bei der Unzuverlässigkeit der Umzugsleute immer ein schwieriges und kostspieliges Unternehmen, besonders für einen Staatsbeamten. Signor Capponi hatte selber schon viele Erfahrungen über Umzüge gesammelt und von seinen Amtsgenossen, denn die Gespräche mit diesen betrafen ja hauptsächlich derartige Gegenstände, vieles gehört, das andern geschehen war.
Er beschloß, mit der äußersten Vorsicht zu Werke zu gehen. Zunächst zog er sich die Wohnungen aller Umzugsunternehmer in Rom aus. Dann setzte er einen Brief auf, in welchem er den Ort woher und den Ort wohin, die Zahl der Treppen, Zahl und Größe der Möbelstücke, und die Zahl der notwendigen Kisten einerseits für zerbrechliche, andrerseits für unzerbrechliche Gegenstände genau angab und verbindlichen ausführlichen Voranschlag verlangte mit Sicherung für gute Ankunft der Möbelstücke, inbegriffen die Füße der Schränke und Truhen, sowie für pünktliches Einladen, Fahren, Ausladen und Aufstellen. Diesen Brief ließ er so oft abschreiben, wie es Umzugsunternehmer gab und erwartete nun die Angebote.
Die Angebote kamen mit begleitenden Briefen, in welchen sich die Betreffenden geehrt fühlten durch das Vertrauen, das Signor Capponi ihnen schenkte; die Angebote schwankten zwischen einigen hundert und einigen tausend Skudi. Signor Capponi traf seine erste Auswahl, indem er alle Angebote mit vierstelligen Zahlen ohne weiteres zurücklegte. Unter den übrigbleibenden Angeboten traf er die engere Auswahl, indem er nach näherer Untersuchung der Höhe des Angebotes Brief und Angebot genauer durchlas, um ein Urteil über die Zuverlässigkeit des Mannes zu gewinnen. Er beschloß, mit vier Umzugunternehmern besondere Unterhandlungen zu beginnen, welche die billigsten Angebote gemacht hatten und einen vertrauenswürdigen Eindruck machten.
An diese vier schrieb er nun zunächst gleichlautende Briefe, daß er noch ein anderes Angebot bekommen habe, welches um die Hälfte niedriger sei, daß er aber, wenn der Unternehmer von seiner Forderung entsprechend nachlassen wolle, ihn vorziehen werde, weil er ihm von maßgebender Seite warm empfohlen sei. Die Unternehmer antworteten, und es entspann sich ein angeregter Briefwechsel.
Von diesem Briefwechsel hörte Lange Rübe. Der Signor Capponi war durch die Geschichte mit den Sperlingen aus der Zeitung bekannt, und er dachte sich, daß er mit ihm ein Ding drehen könne. Er zog seinen besten Anzug an und machte dem Signor seine Aufwartung.
Wir wollen das Gespräch nicht im einzelnen berichten. Lange Rübe muß mit Bedauern zugeben, daß sich in das Umzugsgeschäft unlautere Elemente eingeschlichen haben, er findet, daß die Hauptsache eine saubere, genaue Arbeit ist, eine Arbeit, wie sie bei ihm geliefert wird, und eine preiswerte Arbeit, denn ihm liegt daran, seine Kunden zu behalten, und wer einmal mit ihm umgezogen ist, der zieht immer mit ihm um, und er kann mit bestem Wissen sein Geschäft empfehlen, er macht jeden Umzug zehn Prozent billiger als die Konkurrenz, und wenn er einmal bei einem Umzug nichts verdient, dann rechnet er sich die Ehre, die ist auch etwas wert, und er findet die Forderungen der vier Männer, mit denen Signor Capponi in Briefwechsel steht, übertrieben, bei ihm ist der Grundsatz, großer Umsatz und kleiner Gewinn, und kurz und gut, er macht auf den Signor Capponi einen zwar etwas beschränkten, aber treuherzigen und zuverlässigen Eindruck, denn er verlangt nach langem Handeln endlich einen Preis, der seine eigenen Unkosten nicht decken kann; aber das ist seine Sache, man muß von einem Geschäftsmann verlangen, daß er rechnen kann, und der Kunde hat keine Veranlassung, den Vorteil des Geschäftsmannes im Auge zu haben. Signor Capponi schließt also mit Lange Rübe ab.
Am andern Morgen erscheint der Umzugswagen, Lange Rübe erscheint mit Pietrino und einigen andern Freunden, und die Verladung beginnt. Die Familie Capponi ist entzückt, die Umzugsleute gehen auf alle ihre Wünsche ein und sind von ausgesuchter Höflichkeit; sie nehmen eins, zwei, drei die schweren Schränke in ihre Gurten und bringen sie die Treppe hinunter in den Wagen, sie laden sich die schweren Kisten auf den Rücken und tragen die Waschgeschirre sorgfältig im Arm; sie verladen mit Sachkunde und stopfen überallhin Tücher, daß die guten Möbel sich nicht reiben, sie sind begeistert über die schöne Einrichtung und finden, daß sie bei einer so feinen Herrschaft noch nie umgezogen haben. Wie alles eingeladen ist, schließt Signor Capponi den Wagen und steckt den Schlüssel in die Tasche, dann reicht er Lange Rübe ein Trinkgeld zum Verteilen an die Leute, und er selber, seine Gattin und die drei Kinder erhalten jedes besonders die Danksagungen und Segenswünsche der Beschenkten; dann trennt man sich, denn die Familie wird nach Ariccia vorausfahren, der schwere Wagen wird in zwei Tagen nachkommen.
Der Signor Capponi ist überzeugt, daß nichts geschehen kann, weil er den Schlüssel in der Tasche trügt, und ein zweiter Schlüssel nicht vorhanden ist, wie ihm Lange Rübe auf Befragen erklärt hat, denn sonst hätte er den zweiten Schlüssel selbstverständlich auch verlangt.
Wie er nun mit seinen Angehörigen in Ariccia angekommen ist, da wartet er die zwei Tage; am Abend des zweiten Tages geht er auf die Landstraße, legt die Hand über die Augen und blickt angestrengt ins Weite; der Wagen kommt nicht. Er geht nach Hause zurück, sieht nach einer Stunde noch einmal nach, der Wagen ist noch immer nicht zu sehen. Die Dunkelheit kommt, der Wagen ist noch immer nicht da. Er denkt, daß die Leute die letzte Strecke nicht haben im Dunkeln fahren wollen, denn wenn dem Wagen etwas geschieht, dann ist das Geschirr zum mindesten hin, und er hat ihnen das Geschirr noch besonders auf die Seele gebunden; er steht also am andern Morgen früh auf, denn er nimmt an, daß die Leute noch eine weitere Nacht unterwegs geschlafen haben und nun im Morgengrauen kommen, was ja auch den Vorteil hat, daß man gleich ans Auspacken gehen kann. Aber die Leute kommen wieder nicht.
Kurz und gut, der Wagen ist verschwunden. Erst nach langer Zeit stellt sich heraus, daß ihn Lange Rübe in die große Versteigerungshalle gebracht hat, wo er dem Vorsteher sagt, daß es sich um einen ganzen Nachlaß handelt, den die Erben schnell unter den Hammer bringen wollen; der Vorsteher hat sofort auspacken lassen und am nächsten Tag gleich die Versteigerung angesetzt. Signor Capponi hat nie wieder etwas von seinen Sachen zu sehen bekommen. Er macht eine Eingabe an das Ministerium, daß ihm sein Verlust ersetzt wird, da er ja dienstlich verursacht ist, denn wenn er nicht Landrat in Ariccia geworden wäre, so hätte er seine Sachen noch. Und da er ein fähiger Beamter ist, der selbständige Entscheidungen treffen kann, ein Mann, wie man ihn selten findet, so wird sein Antrag genehmigt, und er erhält den Schaden in bar vergütet.