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»
Das sei Dein Stolz,
des Adels rühme Dich:
Die angebornen Bande knüpfe fest,
Ans Vaterland, ans theure, schließ' Dich an,
Das halte fest mit Deinem ganzen Herzen!
Hier sind die starken Wurzeln Deiner Kraft.«
Was uns Deutschen die Königin Luise so unvergleichlich groß und verehrungswürdig erscheinen läßt, das ist unstreitig vor Allem ihr ganz deutsches Wesen, ihre deutsche Gesinnung, die inmitten der verrottetsten »Franzosenzeit« den heimatlichen Namen zu Ehren brachten. Sie bezeichnet in ihrer Person einen Wendepunkt für die Stellung der gesammten deutschen Kunst, namentlich der deutschen Literatur.
Mit Ausnahme des doch nur auf einen winzig kleinen Wirkungskreis beschränkten Herzogs von Weimar, der in Göthe, Schiller und Wieland Zierden seines Hofes schätzte, und vorübergehend am Hofe des Fürsten von Hildburghausen, hatte die vaterländische Dichtung noch an keinem der deutschen Höfe Courfähigkeit erlangt. Zur Genüge ist bekannt, wie Friedrich der Große durch eine unglückliche in seiner Jugenderziehung begründete Richtung für das Franzosenthum sogar wenig zur Entwickelung der idealeren Elemente seines Volkes beigetragen. Wehmüthig, aber doch auch stolz fragt Schiller von der »Deutschen Muse«:
»Keines Medicäers Güte
Lächelte der deutschen Kunst;
Sie ward nicht gepflegt vom Ruhme,
Sie entfaltete die Blume
Nicht am Strahl der Fürstengunst.
Von dem größten deutschen Sohne,
Von des großen Friedrichs Throne
Ging sie schutzlos, ungeehrt.« –
Mochte auch das Inter arma silent musae für den ersten Theil von Friedrichs bewegter Regierungszeit gelten, – er hatte doch nach Beendigung des siebenjährigen Krieges Gelegenheit genug, seine Augen auch im eigenen Lande für die Regungen des Kunstlebens ein wenig offener zu halten. Freilich war die spezifisch preußische Dichtkunst eines Ramler, eines Gleim, ja selbst eines Gellert nicht dazu angethan, ihm, dem Schüler französischer Sprachvollendung, Formenschönheit und Glätte, Bewunderung abzuzwingen. Sogar die berühmte Unterredung Friedrichs mit Gellert hat doch immer etwas Demüthigendes, wenn wir die Stellung der französischen Klassiker am Hofe ihres Ludwig dagegen halten. Daß er aber einem Schiller, einem Göthe, die schon bei seinen Lebzeiten ihre ersten unvergänglichen Dramen geschaffen, – daß er vor allem Lessing, der in Berlin so zu sagen unter seinen Augen eine »Minna von Barnhelm« geschrieben, so wenig Beachtung geschenkt hat, gehört zu den oft beklagten, traurigsten Seiten seiner glänzenden Regierungszeit. Ihm wäre es vergönnt gewesen, unter seinem Schutze einen glücklichen Dichtungsfrühling über Deutschland heraufzuführen; aber er überließ diesen dauernden Ruhm dem Fürsten des kleinen Weimar, Karl August, und zog es vor, seine ästhetische Befriedigung in Voltaire, Montesquieu und Rousseau zu suchen.
Die Königin Luise hat das Unrecht Friedrichs des Großen glänzend gut gemacht, sie vergalt der deutschen Kunst reichlich, was sie selbst ihr verdankte, – den bleibendsten Kern ihrer Geistesbildung. Mit ihr vollzog sich die Umwandlung aus dem jedes ursprüngliche Volksthum verleugnenden Franzosenthum in das des eigenen Werthes und der Vergangenheit der eigenen Nation vollbewußte deutsche Gefühl. Sie bezeichnet am deutlichsten in jener Epoche den Widerstand des Christlich-Germanischen gegen die dem heidnischen Cäsarismus so nahe kommende gallische Ueberbildung, gegen das »Frankenthum«, wie sie es nannte.
Luise eilte im Geiste einer Einkehr voraus, die sich erst lange nach ihrem Tode auch auf politischem Gebiete vollziehen sollte, – der Einkehr in das patriotische Gefühl, ohne welches jede ächte Kunst geradezu undenkbar ist. Sie wußte, daß die vaterländische Sprache und Gesittung der einzige und beste Boden ist, auf dem die wahre Dichtung gedeihen kann, daß außerhalb dieses durch Jahrtausende geheiligten Gebietes jeder Versuch nur zu Treibhauspflanzen und unfruchtbarem Luxusgewächs führt. Was nach dieser Richtung heute in Deutschland endlich zur allgemeinsten Anschauung geworden, Luise hat es achtzig Jahre früher gefühlt und für ihr Theil zur Geltung gebracht.
Sie stand in mancher Beziehung sogar höher als die zu einem gewissen falschen Weltbürgerthum hinneigenden, gräcisirenden Heroen der deutschen Dichterblüthezeit, unter denen ein Göthe nur selten zur Anerkennung der Volkskraft sich verstand und die verderblich genug gewordenen Worte schrieb: »Das Vaterländische wird durch das allgemein Menschliche verdrängt. – – vielleicht überzeugt man sich bald, daß es keine patriotische Kunst gebe.« Hat ja selbst Schiller, der Deutschen Deutschester, erst wenige Jahre vor seinem Tode eine entschiedene Umkehr in seinem Innern durch seine » Jungfrau von Orleans« und namentlich durch den » Wilhelm Tell« erfahren, diese Vorahnungen großer heraufziehender Ereignisse, – wogegen die Wieland und Herder die Samenkörner zu ihren Schöpfungen aus der Erde Griechenlands und des Orients entlehnen mußten.
Luise hatte das Durchgangsstadium des unfruchtbaren Kosmopolitismus seit den Jean-Paulisirenden Tagen von Hildburghausen glücklich hinter sich und stand jetzt auf dem sicherern Boden des Nationalbewußtseins, welches sich bei ihr keineswegs in engherziger Weise als beschränktes Preußenthum offenbarte, sondern immer des Großen und Ganzen eingedenk blieb. Welche wunderbare Wandlung muß in dem Herzen der Mecklenburgischen Prinzessin vorgegangen sein, die es ihr ermöglichte, nach ihrer Vermählung mit dem Sohne des Königs von Preußen voll und ganz sich dem Studium der Brandenburgischen Geschichte zu widmen, in der großen Vergangenheit ihre Muster für ihre Stellung zu suchen, sich als patriotischste Bürgerin des neuen Heimatlandes zu zeigen, – und doch niemals den umfassenden Blick von Deutschland abzuwenden!
Wer nach Beweisen sucht für das innerlich vorgezeichnete Aufgehen Deutschlands in Preußen findet manchen vortrefflichen Gesichtspunkt in den eigenen Worten der Königin Luise, gesprochen zu einer Zeit, wo dergleichen Ideen dem blöden Verstande der Kabinetsweisheit pure Schwärmerei dünkten. So wird uns die große Frau zu einem jener wahrhaft bahnbrechenden Geister, die ihrem Volke und ihrer Zeit vorausschreitend klar die Ziele bezeichneten, an deren Erreichung erst eine späte Zukunft sich erfreut.
Welch ein Unterschied zwischen ihrer felsenfesten Zuversicht auf das Gelingen der guten Sache in ihren Worten: »Durch Beharrlichkeit werden wir siegen!« – »Das Reich eines Napoleon kann nicht bestehen,« – und den verzagten, ja geradezu unwürdigen Worten des durch eine huldvolle Audienz von dem Eroberer gewonnenen Göthe: »Schüttelt nur eure Ketten, ihr werdet sie nicht zerbrechen, sondern nur tiefer euch ins Fleisch hineinziehen. Der Mann ist euch zu groß!« – Worte, die der Königin unbegreiflich erscheinen mußten.
Wenn man bei Luise Aeußerungen hört wie: »Ich liebe Ideale und lebe gern in Idealen. Man schafft sich da eine Welt, wie man sie gern hätte, aber es sind Träumereien und wenn man erwacht, ist Alles ganz anders. Und doch will und begehrt unser sittliches Gefühl und Gewissen das Vollkommene und ganz Reine« u. s. w. – merkt man da nicht deutlich den Einfluß der ihr namentlich durch Schiller vermittelten Grundsätze des damaligen Idealismus, welcher die Seele ihres Lieblingsdichters so ganz erfüllte? An dem ewig unerschöpflichen Jungbrunnen deutscher Poesie hatte die Königin ihre geistige Nahrung gesucht in den Zeiten des Glückes, an ihm sollte sie auch ihre Stärkung und ihren Trost finden, als sich die Sonne über dem Preußenlande zu verfinstern drohte.
Ja, in der Schule ihrer deutschen Dichter, der Sänger »ihres vielgeliebten Germaniens«, war sie an Grundsätze gewöhnt worden, wie sie sie durch ein leidenvolles, erhabenes Leben bewährt hat. In allen ihren Briefen hört man den Ton leise, aber vernehmlich durchbeben, der in der »Jungfrau von Orleans«, im »Tell«, im »Egmont« und im »Götz von Berlichingen« anklingt; es ist ein starker Brustton der unerschütterlichen Ueberzeugung, daß das Edle wohl zu Zeiten dem Widersacher unterliegen kann, aber nur um sich mit neuer Kraft wieder emporzurichten.
Darum können und müssen wir ohne Vorwurf, – der ja auch nur die Leiter ihrer Jugenderziehung treffen würde – über das wesentlich Französische ihres ersten Unterrichts hinweggehen, zumal die Königin das gutgemacht, was man an der Prinzessin versäumt hatte. Es gehörte ja damals nicht allein an Fürstenhöfen, sondern auch in den besseren Ständen Deutschlands zum unvermeidlich guten Ton, die Töchter nicht in der Sprache des Landes, sondern in der wie alles Fremdländische für etwas Besseres gehaltenen französischen Sprache zu erziehen, mit der sich die Gedankenleere bekanntlich am glänzendsten übertünchen läßt. Aeußerte sich doch die Begeisterung der guten Berlinerinnen für ihr geliebtes Königspaar in gestickten Bändern, auf denen die französischen Worte prangten: » Vive le roi! Vive la reine!« Ein Tadel wegen des französischen Charakters von Luisens Jugenderziehung darf übrigens um so weniger laut werden, als ja noch heute ganz über Bedürfniß hinaus deutsche Mädchen dazu angehalten werden, mindestens ebenso korrekt französisch zu schreiben wie deutsch.
Die Königin Luise hat sich oft genug über das Verkehrte dieser Methode ausgesprochen und den, wie sie es nannte, »Mangel ihrer deutschen Bildung« beklagt. Darum hat sie sich wenigstens bestrebt, den Fehler, der an ihr begangen worden, nicht wieder an ihren eigenen Kindern zu wiederholen. Sie hat sie in guter deutscher Sitte auferzogen, und wenn die Mutter zu ihnen sprach, so geschah das in der trauten Muttersprache. Höchst bemerkenswerth ist der leider von der Königin nicht mehr zur Ausführung gebrachte Gedanke, weil ihn der Tod verhinderte, – ihre Söhne nach ächt bürgerlicher Weise mit Altersgenossen zusammen in einer Art von Privatgymnasium unterrichten zu lassen. Daß die heutige kronprinzliche Familie noch einen Schritt weiter geht als die Großmutter und die Söhne einer öffentlichen Landesschule zur Erziehung anvertraut, ist ja bekannt.
Was jenen »Mangel deutscher Bildung« betrifft, so müssen wir der bescheidenen Frau widersprechen, die wie in Allem so auch hier an sich die höchsten Ansprüche stellte. Ihre Bildung, wie sie sich in allen schriftlichen Denkmälern zeigt, die wir von ihr noch besitzen, war keineswegs eine französische; ihre Sprache steht durchaus auf der Höhe der Zeit, ja ist eine mustergültig reine. Der Stil der Briefe Luisens kann getrost als klassisches Vorbild hingestellt werden. Er besitzt eine Grazie des Ausdrucks, einen trotz der prosaischen Form so wohlthuenden Rhythmus, wie er nur gut durchgebildeten Geistern und warmfühlenden Herzen eigen ist. Ihr Stil ist anmuthig, belebt, witzig, launig, – und dann auch wieder zur tragischsten Empfindung sich aufschwingend.
Die Briefe der Königin Luise an ihren Vater gehören zu dem Besten, was die Literatur jener Tage hervorgebracht hat; diese Wehelaute einer großen Tochter an ihren sie beklagenden väterlichen Freund und Berather sind neben ihrer inhaltlichen Bedeutung auch von ganz unschätzbarem künstlerischem Werthe. Welche Schärfe des Ausdrucks, wenn sie von der Stimmung im Volke, von der durch die strengste Ehre gebotenen Handlungsweise ihres königlichen Gemahls spricht; wie schneidig die Sprache, so oft sie auf das dem Vaterlande von seinen Unterdrückern angethane Leid zu reden kommt! Treffliche Wortbilder am rechten Platze wirken oft geradezu überraschend, so z. B. wenn sie von der Aufnahme eines preußischen prinzlichen Gesandten, der Napoleon um Schonung für Preußen anflehen wollte, lebendig schildernd sagt: »Napoleon hat ihn ausgenommen wie ein Krümchen Brot.«
Sogar manches geflügelte Wort stammt von der Königin; wir erinnern nur an ihre schmerzlich bewegte Entschlossenheit, die ihr vor der verhängnißvollen Unterredung mit dem französischen Machthaber in Tilsit das Wort auf die Lippen legte: »Ich will zu dieser Unterredung gehen, wenn ich damit auch nur ein Dorf der Monarchie erhalten kann,« – Fürst Bismarck hat gelegentlich sich eines ganz ähnlichen Ausdrucks im deutschen Reichstage bedient. Luise hat auch zuerst das tiefempfundene Wort vom »politischen Glaubensbekenntniß« ausgesprochen: für sie war die Politik eben eine Glaubenssache, nicht blos ein von Berufsmenschen erlerntes Handwerk.
Wenn man sich recht schlagend von der sittlichen Höhe und der vollendeten Form, in der ihre Briefe gehalten sind, überzeugen will, so braucht man nur einmal die in dem übermüthigsten Tone des siegenden Korporals geschriebenen Bülletins Napoleons dagegen zu halten. Da springt sofort der ungeheure Unterschied zwischen diesen beiden Naturen in die Augen, zwischen der auch im größten Leide noch dem Ueberwinder, der erbarmungslos seinen Fuß auf das bezwungene Land setzt, sittlich überlegenen Königin – und der »Geißel Gottes, die, wenn verbraucht, ins Feuer geworfen wird.«
Ein wohlthätiges Gegengewicht gegen ihre französische Erziehung bildete für Luise zum nicht geringen Theile die fleißige Lektüre der Bibel in Luthers Verdeutschung, die ihr von Jugend an eine treue Freundin und Trostspenderin blieb. Jeder Stimmung weiß die Königin ein in die Seele zündend schlagendes Wort der Heiligen Schrift anzupassen. Auf den Tod krank, stöhnt sie bei der Flucht vor dem sich Königsberg nahenden Napoleon die Worte des Königlichen Sängers: »Ich will lieber in Gottes Hände fallen, als in die Hand dieses Menschen!« So ist es eine zarte Aufmerksamkeit ihres pietätvollen, überlebenden Gemahls gewesen, noch Luisens Leichenstein die frommen Worte sprechen zu lassen: »Wie der Herr es gewollt, also ist es ist geschehen.«
Königin Luise fand besser und beruhigender das richtige Gleichgewicht zwischen griechischer Schönheit, deutscher Innigkeit und dem Christenthum der Bibel, als viele glänzendere Geister ihres Zeitalters; ihr hohes Ziel war ein würdigeres, als sich von den widerstreitenden Ideen der skeptischen Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts irre machen zu lassen.
Die geistige Bewegung, welche von der Mitte des vorigen Jahrhunderts ihren Ausgang nahm und durch die Deutschland sich in gewaltigem Ringen von den romanischen Einflüssen auf deutsche Kunst und Sprache frei zu machen suchte, fand in Luisens Herzen einen mächtigen Wiederhall. Mag sie auch so viel französisch gesprochen haben, wie ihr dies die Verhältnisse aufzwangen; mag sie nach den Gewohnheiten ihrer Jugenderziehung sich manchmal im schriftlichen Ausdruck überflüssig der fremden Sprache bedient haben, – ihr aus dem tiefsten Innern kommender Widerwille gegen das »Frankenthum« sichert ihr für immer den Beinamen der Deutschen Königin. Es war nicht der blinde Nationalhaß gegen unsere linksrheinischen Nachbarn, der aus jenem Widerwillen sprach, – ein solcher Nationalhaß ist sogar etwas sehr Undeutsches – aber es war ein entschiedenes Abwenden der reinen Seele von den geistigen wie materiellen Gewaltthaten und Sünden einer mit Unrecht verhätschelten, kindisch eiteln Nation.
Von der frühsten Jugend an hatte die deutsche Bildung bei ihr, trotz französischer Erzieherinnen, Eingang gefunden. Kurz nach ihrer Rückkehr von dem Ausfluge nach Straßburg und an die Niederländische Meeresküste las Luise mit einem durch die Anschauung der Oertlichkeit gereiften Verständniß Schillers »Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande.« Das warme Herz des Dichters, welches aus diesem Buche spricht, seine Theilnahme an der Erhebung eines unterjochten Volkes mußten ihr denselben im schönsten Lichte erscheinen lassen. Durch die Bekanntschaft mit Schillers »dreißigjährigem Kriege«, den sie in Königsberg wiederholt las, mit einer deutschen Uebersetzung von Gibbon's römischer Imperatorengeschichte und namentlich durch die Kenntniß der Vergangenheit des Hauses Hohenzollern ging ihr das geschichtliche Verständniß für die Bewegungen ihrer Zeit heller auf als den Meisten ihrer Umgebung, die vor allem Geschichtsstudium einen dünkelhaften Horreur hatten.
Auch die römischen und griechischen Klassiker (natürlich in Wielands und Voß' Uebersetzungen), selbst Shakespeares Größe fanden in der Königin eine willige Bewunderin, wenngleich sie stets ihre Seele in das reine Bad vaterländischer Dichtung zurücktauchte.
Hatte ihr doch ein deutscher Dichter, Jean Paul, den ersten Gruß am Morgen ihres Lebens zugesungen. In der bekannten Widmung seines »Titan« »An die vier schönen und edeln Schwestern auf dem Thron« stehen die Worte: »Afrodite, Aglaja, Euphrosyne und Thalia sahen einst in das irdische Helldunkel hernieder, und müde des ewig heitern aber kalten Olympus sehnten sie sich herein unter die Wolken unserer Erde, wo die Seele mehr liebt, weil sie mehr leidet, und wo sie trüber aber wärmer ist. Sie hörten die heiligen Töne heraufsteigen, mit welchen Polyhymnia unsichtbar die bange Erde durchwandelt, um uns zu erquicken und zu erheben. Und sie trauerten, daß ihr Thron so weit abstehe von den Seufzern der Hilflosen. Da beschlossen sie, den Erdenschleier zu nehmen und sich einzukleiden in unsere Gestalt. Aber als sie die ersten Blumen der Erde berührten und nur Strahlen und keine Schatten warfen, so hob die ernste Königin der Götter und Menschen, das Schicksal, den ewigen Szepter auf und sagte: »Das Unsterbliche wird sterblich auf der Erde und jeder Geist wird ein Mensch.« Da wurden sie Menschen und Schwestern und nannten sich Luise, Charlotte, Therese, Friedrike.«
Und derselbe Dichter sang ihr auch als Todtenopfer ein Abschiedslied ins Jenseits nach in seinen »schmerzlichen Trosterinnerungen an den 19. Julius 1810« (Todestag der Königin): »Ehe sie geboren wurde, trat ihr Genius vor das Schicksal und sprach: Ich habe vielerlei Kränze für das Kind, den Blumenkranz der Schönheit, den Myrthenkranz der Ehe, die Krone eines Königs, den Lorber- und Eichenkranz deutscher Vaterlandsliebe, auch eine Dornenkrone, – welchen von allen darf ich ihm geben? – »Gieb sie ihm alle Deine Kränze und Kronen«, sagte das Schicksal, »aber es bleibt noch ein Kranz zurück, der alle übrigen belohnt.« – Am Tage, wo der Todtenkranz auf dem erhabenen Haupte lag, erschien der Genius wieder und nur seine Thränen fragten. Da antwortete eine Stimme: »Blick' auf!« – und der Gott der Christen erschien.«
Der Dichter, der gleichermaßen ihren Eingang und Ausgang besungen, hat ihr auch im Leben sehr nahe gestanden. Jean Paul war ja der erklärte Lieblingsschriftsteller edler Frauen; er besaß selbst ein mehr weibliches Gemüth und zu ihm fühlte sich Königin Luise, namentlich in glücklichen Zeiten, wohl noch mehr hingezogen als zu den kräftigeren Erscheinungen eines Göthe und eines Schiller. Sie liebte solche Seelen, »in deren Augen noch eine schöne Thräne glänzen konnte.« In warmer Rückerinnerung an die glücklichen Tage von Hildburghausen, wo Jean Paul ein täglicher Gast in der herzoglichen Familie gewesen, nahm Luise den lebhaftesten Antheil auch an seinem persönlichen Geschick, beschenkte ihn aufs reichlichste zu seiner Hochzeit, und Jean Paul schrieb um jene Zeit an einen Freund, daß die Königin es gewesen, die ihm sogar sein Silberzeug und den ersten Hausrath in die neue Wirthschaft mitgegeben.
Auch an Herders »Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit« hat sie sich gewagt, seine Werke lagen oft genug in ihrem Reisewagen neben ihr. Sie scheint ihre Prosa an Herders durchsichtigem Stil gebildet zu haben, übertrifft ihn aber vielfach an Kraft und Prägnanz des Ausdrucks.
Wie werth ihr Schillers Dramen, der ein Jahr vor dem Anfang des Unglücks für Deutschland gestorben, gerade in den schwersten Zeiten geworden, wie sie sich an seinen letzten Meisterwerken, in denen das Feuer der Begeisterung für eine große Volkessache am reinsten lodert, in den Tagen von Königsberg und Memel innerlich erhoben hat, davon zeugen die Worte, welche sie in einem Briefe bei der Nachricht von Volkserhebungen in der Pyrenäenhalbinsel und in Tyrol schrieb:
»Der König hat befohlen, daß in den Kirchen Gedächtnißtafeln der um das Vaterland verdienten Krieger aufgestellt werden, zur Ehre der Todten, zur Auszeichnung der Ueberlebenden und zur Nacheiferung der Andern. Das ist ein Funken mehr, aus dem vielleicht doch noch die Flamme Gottes schlagen kann, welche die Geißel der Völker verzehrt! Hat es denn nicht wie in Spanien auch in Tyrol schon gezündet? – »Auf den Bergen ist die Freiheit!« Schiller, Braut von Messina. Klingt diese Stelle, die ich jetzt erst verstehe, nicht wie eine Prophezeiung, wenn wir auf das Hochgebirge blicken, das sich auf den Ruf seines Hofer erhoben hat? Welch ein Mann, dieser Andreas Hofer! Ein Bauer wird ein Feldherr und was für Einer! Seine Waffe – Gebet, sein Bundesgenosse – Gott! Er kämpft mit gefalteten Händen, kämpft mit gebeugten Knien und schlägt wie mit dem Flammenschwerte des Cherubs! Und dieses treue Schweizervolk, das meine Seele schon aus Pestalozzi angeheimelt hat. Ein Kind an Gemüth kämpft es wie Titanen mit Felsstücken, die es von seinen Bergen niederrollt. Ganz wie in Spanien. Gott, wenn die Zeit der Jungfrau wiederkäme und wenn der Feind, der böse Feind, doch endlich überwunden würde, überwunden durch die nämliche Gewalt, durch die einst die Franken, das Mädchen von Orleans an der Spitze, ihren Erbfeind aus dem Lande schlugen!«
Besonders der Aufstand der Tyroler für ihren rechtmäßigen Herrscher und ihre Freiheit, so alt wie ihre Berge, war ein freundlicher Lichtblick in der finstern Nacht des Verraths, der von allen Seiten die Königin umlauerte. Darin erkannte sie das Walten der unerlöschlichen Macht des Volksgeistes, wie er sich nach langem Niederhalten und harter Knechtschaft am reinsten aus dem deutschen Gemüth heraus entwickelte. Was war es gewesen, was Preußen seinem Untergange so nahe gebracht? Was anders als das systematische Unterdrücken jeder freieren Regung des Volkes, das hergebrachte Quälen eines Söldnerheeres mit militärischer Dressur nach Sklavenweise. Luise hat es leider nicht erlebt, wie das Preußische Volk, ein vieltausendfacher Hofer, sich erhob, um seine alten Rechte vom hohen Himmel einem Napoleon zum Trotz herunterzuholen; aber schon bei der Tyroler Bewegung, die so Großes ahnen ließ, schlug ihr Herz hoch auf, als Körner von Hofer sang:
»Treu hingst Du Deinem alten Fürsten an,
Treu wolltest Du Dein altes Gut verfechten,
Der Freiheit ihren ew'gen Bund zu flechten,
Betratst Du kühn die große Heldenbahn!«
In Luisens Seele fanden die zur Vaterlandsliebe begeisternden Worte, wie sie aus den letzten Dramen Schillers ihr entgegentönten, ein hell wiederklingendes Echo. Mehrfache Stellen ihrer in jener Zeit geschriebenen Briefe sind nichts als eine Variation der Verse des Telldichters: »Mach Deine Rechnung mit dem Himmel, Vogt, – Fort mußt Du, Deine Uhr ist abgelaufen!« In Blüchers Umschreibung: »Der Kerl muß herunter von seinem Thron, herunter muß der Bonaparte, sage ich!« und »Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, In keiner Noth uns trennen und Gefahr!«
In der oben angeführten Stelle des Schreibens der Königin Luise heißt es bezeichnend weiter: »Ach, auch in meinem Schiller hab' ich wieder und wieder gelesen! Warum ließ er sich nicht nach Berlin bewegen? Warum mußte er sterben? Ob der Dichter des »Tell« auch verblendet worden wie der Geschichtschreiber der Eidgenossen? Nein! nein! Lesen Sie nur die Stelle: »Nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles freudig setzt an ihre Ehre!« – Kann diese Stelle trügen? Und ich kann noch fragen, warum er sterben mußte? Wen Gott lieb hat in dieser Zeit, den nimmt er zu sich!«
Schiller hatte sich im Jahre 1804 nach einem sechszehntägigen Aufenthalt in der Hauptstadt Preußens aus hier nicht näher zu erörternden Gründen nicht bewegen lassen, dem ehrenvollen und vortheilhaften Rufe der Königin nach Berlin dauernd Folge zu leisten. Luise wurde aber durch diese auf den edelsten Motiven beruhende Weigerung keineswegs irre an ihrem geliebten Dichter, der ja mit jenen Worten aus der »Jungfrau von Orleans« eine verwandte Saite in dem Herzen der über die Ehre des Vaterlandes eifersüchtig wachenden hohen Frau lange nachklingend angeschlagen hatte.
Der »Geschichtschreiber der Eidgenossen« aber, von dem Luise in schwer verhaltener Bitterkeit in dem obigen Briefe spricht und den sie in den deutlichsten Gegensatz zu dem deutschgebliebenen Dichter des Tell stellt, ist jener Johannes von Müller, der bei Beginn des Krieges zu den wüthendsten Teutomanen gehörte, sich alle erdenkliche Mühe gab, die Königin für den Krieg mit Napoleon zu stimmen, – und der dann beim ersten rauhen Wehen der kriegerischen Ereignisse die Würde des deutschen Mannes, das Vertrauen seiner Königin und die Ehre des Historikers so schmählich mit Füßen trat. Der, nicht ungleich den feigen Festungskommandanten, vor dem erlogenen Lächeln und der ihn berückenden Liebenswürdigkeitsmaske Napoleons kapitulirte und zu einem entschiedenen Bonapartisten, ja zu der Kreatur eines Jérôme wurde.
Nachdem dieser »Deutsche Tacitus« mit ächt akademischem Wortschwall Napoleons gespottet, »des kleinen Menschen«, der nur durch Raub an Anderen groß geworden sei, bei der Königin Luise nicht dringend genug für den Krieg gegen den »Tyrannen« hatte plädiren können, – schrieb er im November des Jahres 1806 nach den Schlachten von Jena und Auerstädt, wie es doch »für die Welt das höchste Glück sei, daß der Sieg Napoleon und einer Nation gegeben ward, welche milde Sitten (siehe Duc d'Enghien, Palm!) und für Wissenschaften, mehr als andere, Empfänglichkeit und Schätzung hat.« Dieser Historiker, gleich groß an Talent wie an Charakterschwäche, der die Freiheitskriege seines Volkes so schön zu schildern wußte, der dann vom Könige Friedrich Wilhelm III. zum Historiographen Preußens ernannt war, schrieb die unendlich schimpflichen Worte: »Ich bin über die Preußische Monarchie zu meiner Tagesordnung übergegangen. Man muß sich jetzt umdenken.« – Das deutsche Volk hat es ihm nicht vergessen, daß er trotz der bittenden Worte der Königin Luise, Preußen doch nicht in seiner größten Noth im Stich zu lassen, einer der Wenigen gewesen, in denen sie sich nach lange gehegtem, durch persönlichen Umgang gewonnenem Vertrauen getäuscht sah. Das erdrückende Gefühl der eigenen Schande hat ihm sein frühes Grab gegraben.
Daß Königin Luise auch in Göthes Werken getreues Geleit fürs Leben fand, ist begreiflich; hatte sie doch als Kind schon einen Einblick gethan in das Haus, wo seine Wiege gestanden, hatte sie doch seiner Mutter in die Augen gesehen und an ihr sich für den großen Sohn begeistert. Auf der Flucht aus Berlin nach Königsberg schrieb sie in dem kleinen preußischen Städtchen Ortelsburg in ihr Tagebuch die vielzitirten Worte, die Göthe im Wilhelm Meister aus der schmerzbeladensten Brust dieser Dichtung hervorquellen läßt:
»Wer nie sein Brot mit Thränen aß,
Wer nie die kummervollen Nächte
Auf seinem Bette weinend saß,
Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte!«
Dieser Worte hat sich die sagenbildende Kraft des Volksgeistes bemächtigt: die getreuen Unterthanen erzählten sich, daß die Königin jene Verse mit einem Diamant in die Fensterscheiben eines ärmlichen Bauernhauses geschrieben habe. Wir begreifen nicht, wie sich die Biographen Luisens gegen dergleichen tiefpoetische Wandlungen im Munde des Volkes ereifern können, so sehr sie auch im Widerspruch mit der kaum minder schönen Wahrheit stehen mögen. Es waren diamantharte Zeiten, in denen jene Worte sich den Lippen und den bebenden Fingern einer Königin entrangen, wohl werth, mit Diamantenschrift auf das trübste Blatt von Luisens Geschichte geschrieben zu werden.
So sehen wir, wie die deutsche Königin als theuerste Heiligthümer neben der Bibel auch die größten Geister des Volkes, Schiller und Goethe, zu ihren Tröstern erkor und wie sie so in einem herrlichen Gegensatze steht zu den deutschen Fürstinnen, die, wie die Witwe Friedrichs des Großen, in der Uebersetzung deutscher Werke ins Französische ihre geistige Erbauung fanden. Nur eine ihrer Vorgängerinnen auf dem Hohenzollernthrone kann in der Vorliebe für deutsche Dichtung mit ihr verglichen werden, die fromme Luise von Oranien, der ein Gott sogar der Lieder süßen Mund verliehen, die Dichterin von »Jesus, meine Zuversicht.«
Luise konnte »ihrem Schiller« leider nicht mehr seine Wohlthaten, wie sie es nannte, vergelten; aber Goethe und damit die ganze deutsche Literatur, deren anerkannter Fürst er war, ehrte sie mit dem königlichen Geschenk eines Halsschmuckes für die Frau Rath. Mit solchem Geschenk aus der Hand der edelsten Königin durfte Goethes Mutter majestätisch einer Staël entgegentreten, wie sie es gethan mit den olympischen Worten: »Je suis la mère de Goethe.«
Wo nur immer Königin Luise den Herzschlag deutschen Lebens, den Geist deutscher Kunst ahnte, da war ihre Hand allzeit zum Geben geöffnet. So hat sie den jungen Rauch reichlich in seinen Studien unterstützt, – und der deutsche Phidias hat es seiner hohen Gönnerin beredt gedankt in dem lebenden Marmorbilde von der todten Königin. Auch den Schauspielerstand, unter dem ein großes Herz treu an ihr gehangen und den feindlichen Bajonneten trotzend vor versammeltem Volke am Geburtstage der Königin laut von ihr gezeugt hatte, wußte sie in dem mannhaften Iffland zu ehren, unbekümmert darum, daß er der erste »Komödiant« war, dem sie des Königs Orden verschaffte.
Und wie Luise an keiner der dichterischen Größen ihres Lebens achtlos vorüberging, wie sie selbst den bescheidenen Volksdichter Hiller im Beisein ihres Gemahls in huldvoller Audienz empfing und sich für seine kleinen Geschicke interessirte, – so hat ihr auch die deutsche Literatur reichlich vergolten, was die königliche Beschützerin an ihr gewirkt. Keiner der zu ihren Zeiten blühenden Dichter hat es vergessen, ihr ein immergrünes Lorbeerblatt zu pflücken, und keiner der sie überlebenden ist an ihrem frühen Grabe ohne eine tiefbewegte, poetische Huldigung vorübergegangen.
Namentlich waren es die heranwachsenden Jünger der Kunst, die vielleicht erst durch das hehre Walten Luisens den zündenden Funken der Begeisterung, die Weihe zum Sänger fürs Vaterland im innersten Herzen empfingen. Sie hatte die Glut genährt, bei deren Schein ein Körner sang: »Frisch auf, mein Volk, die Flammenzeichen rauchen!« – »Ihr Sänger vor und schützt das deutsche Wort!«
Wer nennt sie alle, die jungen Tyrtäen der deutschen Befreiungsschlachten, die, wenn das Vaterland rief, auch des eigenen Lebens nicht schonten und die schon am Sarge Luisens den Schwur gethan, die Hohe würdig zu rächen. Die Dichter wie Kleist, Körner, Schenkendorf, Rückert, Fouqué waren es, die dem Volke sangen, wie Luise als Schutzgeist Preußens am Throne des Richters über die Weltgeschicke für ihr Vaterland flehte. Und diese begeisterten und begeisternden Lieder von der Königin haben in wenigen Jahren ihre herrliche Frucht gezeitigt; von ihren Klängen berauscht, hat so manches alte und junge Männerherz sich angelobt, nicht eher zu ruhen und zu rasten, als bis das Wort ausgetilgt sei:
»Deutsches Volk, du herrlichstes von allen,
Deine
Eichen stehn,
du bist gefallen!«
Wie ein Schwanengesang des unglücklichen Heinrich von Kleist, der es nicht ertrug die Schmach des Vaterlandes zu überleben, klingt' sein herrliches Lied:
An die Königin von Preußen.
»Erwäg' ich, wie in jenen Schreckenstagen
Still Deine Brust verschlossen, was sie litt,
Wie Du das Unglück, mit der Grazie Tritt,
Auf jungen Schultern edel hast getragen,
Wie von des Kriegs zerrissnem Schlachtenwagen
Selbst oft die Schaar der Männer zu Dir schritt,
Wie trotz der Wunde, die Dein Herz durchschnitt,
Du stets der Hoffnung Fahn' uns vorgetragen:
O Herrscherin, die Zeit dann möcht' ich segnen!
Wir sahn Dich Anmuth endlos niederregnen,
Wie groß Du warst, das ahneten wir nicht!
Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert;
Du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert,
Wenn er durch finstre Wetterwolken bricht!«
Wessen Herz hätte damals nicht höher geschlagen bei dem innigen Gebet Theodor Körners an Luise, die Schutzheilige des deutschen Volkes, – einer der schönsten Zierden seiner Liedersammlung »Leyer und Schwert«, wo er an sie, die über den Wolken auf ihr treues Volk herabschaut, die Worte richtet:
»Du Heilige! hör' Deiner Kinder Flehen,
Es dringe mächtig auf zu Deinem Licht.
Kannst wieder freundlich auf uns niedersehen,
Verklärter Engel! Länger weine nicht!
Denn Preußens Adler soll zum Kampfe wehen.
Es drängt Dein Volk sich jubelnd zu der Pflicht,
Und Jeder wählt, und Keinen siehst Du beben,
Den freien Tod für ein bezwungnes Leben.
Wir lagen noch in feige Schmach gebettet,
Da rief nach Dir Dein besseres Geschick.
An die unwürd'ge Zeit warst Du gekettet,
Zur Rache mahnte Dein gebrochner Blick.
So hast Du uns den Deutschen Muth gerettet. –
Jetzt sieh auf uns, sieh auf Dein Volk zurück,
Wie alle Herzen treu und muthig brennen!
Nun woll' uns auch die Deinen wieder nennen.
Und wie einst, alle Kräfte zu beleben,
Ein Heil'genbild, für den gerechten Krieg
Dem Heeresbanner schützend zugegeben,
Als Oriflamme in die Lüfte stieg:
So soll Dein Bild auf unsern Fahnen schweben
Und soll uns leuchten durch die Nacht zum Sieg.
Luise sei der Schutzgeist Deutscher Sache,
Luise sei das Losungswort zur Rache!«
Da ist das rechte Wort getroffen, – »der Schutzgeist deutscher Sache!« Was jeder im Volke fühlte, dem gab der Dichter den schlagenden Ausdruck. So zeigte er auch in dem poetischen »Aufruf an das Volk«, einem würdigen Seitenstück zu dem Rufe des Königs aus den Breslauer Märztagen des glorreichen Jahres 1813, dem Heere seine überirdischen Schützer:
»Die Märtyrer der heiligen Deutschen Sache,
O ruft sie an als Genien der Rache,
Als gute Engel des gerechten Kriegs!
Luise, schwebe segnend um den Gatten,
Geist unsers Ferdinand, voran dem Zug!
Und all' ihr deutschen freien Heldenschatten,
Mit uns, mit uns und unsrer Fahnen Flug!
Was sie im Leben nicht vermocht, sie, die hülflose Frau, ihr Volk zur einmüthigen Gegenwehr zu sammeln, das wirkte sie um so herrlicher im Tode. Das waren die größten Feinde Napoleons, diese von dem Gedanken an das Leiden einer deutschen Fürstin entflammten Dichterherzen, – größere Feinde vielleicht noch als der » nommé Stein«, den er durch seine Proscription für alle Zeiten so hoch geehrt hat.
Darin liegt das unschätzbare Verdienst der Königin, daß sie erst in sich und dadurch in Anderen bis in die weitesten Kreise hinaus das deutsche Gefühl wach gerufen, daß sie in einer Zeit, wo Napoleon im Hinblick auf die Rheinbundvasallen nicht ganz mit Unrecht sagen konnte: »Es gibt kein Deutschland mehr«, – ein heiligeres, stilles Deutschland wie eine »unsichtbare Kirche« aufgerichtet hat. Alle sie adelnden Tugenden, die sie als Königin und Mutter, als Gemahlin und Freundin herrlich bewiesen, würden nicht so nachhaltig in der Erinnerung des Volksherzens fortleben, würden Luisen nicht mit der unvergänglichen Strahlenkrone des Ruhms noch heute nach hundert Jahren schmücken, wenn Deutschland in ihr nicht auch zugleich die Verkörperung seiner heiligsten Hoffnungen und Wünsche, ja der in unsern Tagen so großartig eingetroffenen Erfüllung erblickte. Ein König hat von ihr gesagt, sie sei die Fürstin der Fürstinnen gewesen; das deutsche Volk mit seinen Dichtern rühmt von ihr im sicherern Gefühl: » Sie war die Deutscheste der Deutschen Frauen!«