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»Sie wär' in Hütten Königin der Herzen,
Sie ist der Anmuth Göttin auf dem Thron!«
»Hoch auf des Lebens Gipfel gestellt
Schließt sie blühend den Kreis des Schönen,
Mit der Mutter und ihren Söhnen
Krönt sich die herrlich vollendete Welt.«
Der groteske Fackeltanz, den nach altehrwürdigem Brauch bei prinzlichen Hochzeiten die Minister um das neuvermählte Paar tanzen mußten, war vorüber; verrauscht waren die glänzenden Feste, die der an allen europäischen Höfen besprochenen Doppelhochzeit gefolgt waren. Aber noch klangen in dem Herzen der jungen Kronprinzessin die weihenden Worte nach, die vor dem Traualtare der Bischof Sack zu ihr gesprochen an dem Weihnachtsabend, welcher für sie ein harmlos verbrachtes Jugendleben abschloß: »Von Eurer Königlichen Hoheit erwartet der Prinz, für den Sie zu leben angeloben, was Würde und Macht ihm nicht geben können, das heilige Glück der Freundschaft – von Ihnen der Hof und das Vaterland ein neues leuchtendes Vorbild!« – Sie hat das Gelöbniß herrlicher erfüllt, als der Priester, der es ihr abnahm, ahnen konnte.
Und wahrlich, es that Noch an dem Hofe Friedrich Wilhelms II., solch ein leuchtendes Vorbild! Es ist zur Genüge bekannt, wie damals in den höheren Berliner Gesellschaftskreisen jeder Sinn für einfache, ehrbare Häuslichkeit abhanden gekommen war, wie namentlich vom Hofe ein Ton angeschlagen wurde, der nicht anders als demoralisirend bis in die untersten Schichten wirken konnte. Wir brauchen nur die Memoiren des englischen Gesandten am preußischen Hofe, des Lord Malmesbury, sowie besonders die offiziellen Berichte des französischen Gesandten Mirabeau an seine Regierung zu lesen, um wahrhaft zu erschrecken über die Zustände, die damals in Berlin herrschten. Letzterer schreibt z. B.: »Am königlichen Hofe dominirt die grenzenloseste Confusion, die Geschäfte sind ganz in den Händen untergeordneter Kreaturen.« – Ein zeitgenössischer Historiker spricht von einem Leben wie am Hofe eines asiatischen Fürsten, der sich auf seinen Serail beschränkend die Staatsgeschäfte seinen Vezieren überläßt.
Natürlich mischt sich in alle derartigen Schilderungen, namentlich in die der fremden Gesandtschaften, eine starke Dosis Uebertreibung; zudem brauchten diese sich am allerwenigsten zu ereifern im Hinblick auf das mindestens ebenso verderbte Treiben, welches an ihren Höfen schon seit vielen Jahrhunderten herrschte. Auch hat Friedrich Wilhelm II. eine unverkennbare Beliebtheit bei seinem Volke genossen und sich dieselbe durch viele herzgewinnende Eigenschaften in seinem Benehmen ihm gegenüber vollauf verdient. Wir können also wohl einen Schleier über diese unerquicklichen, längst vergessenen und gut gemachten Verhältnisse werfen, um so mehr als sich die kronprinzliche Familie von den ersten Tagen ihrer Ehe bestrebte, ein heilsames Gegengewicht gegen die um sich greifende Verderbniß auszuüben.
Von Luise können wir sagen, daß sie wie durch ihre Standhaftigkeit im Leiden bei der Nachwelt, so durch ihr würdevolles und bis dahin nie gesehenes Benehmen in den Tagen ihres Glanzes bei ihren Zeitgenossen die innigste Liebe und Verehrung sich erworben hat. Alle Stände wetteiferten mit einander, der schnell beliebt gewordenen Kronprinzessin ihre Zuneigung zu beweisen. Wir können uns heute kaum mehr eine Vorstellung von dem Enthusiasmus der Berliner Bürgerschaft für Luise und ihre kaum minder schöne Schwester machen; Schadow beschreibt uns denselben mit den Worten: »Im Jahre 1794 hatte sich in Berlin ein Zauber verbreitet, welcher über alle Stände ausging, durch das Erscheinen der hohen Schwestern, Gemahlinnen der Söhne des Königs. Es entstanden Parteien, welcher von beiden der Vorrang der Schönheit zukomme.«
Zunächst galt wohl diese Begeisterung dem gänzlich neuen Ton, der durch Luise und ihren Gemahl in dem Hofleben eingeführt wurde. Daß eine Kronprinzessin ihren Mann und er sie duzte, daß überhaupt das Wort »Mann« und »Frau« ihnen nicht, wie es an andern deutschen Höfen nur zu oft der Fall war, unanständig erschien, daß sie ihrem Manne eine wahre Lebensgefährtin, eine Freundin wurde, – das Alles kam dem schlichten, durch schlechte Beispiele verwöhnten Bürgersinn so unbegreiflich schön und hold vor, daß er in seiner zukünftigen Königin den auf Erden wandelnden Geist alles Guten und Nachahmungswürdigen erblickte.
Die Neuvermählten räumten gründlich auf mit dem alten hemmenden Zopf, der bei Hofe unter dem Titel »Etikette« herrschte; sie verkehrten mit einander und mit andern nicht wie Gliederpuppen, die sich nach einem vor Jahrhunderten ausgeklügelten Codex bewegten, sondern wie warm fühlende Menschen. Wie lachte das gute Volk, wenn es die unzählige Male wiederholten Anekdoten erfuhr, wie der Kronprinz und Luise im Guerillakriege mit der Etikette glänzend triumphirten über die strengste Vertreterin derselben, Ihre Excellenz die Frau Oberhofmeisterin von Voß, dieselbe, deren köstliche Memoiren erst jüngst erschienen sind. Daß sich Kronprinz und Kronprinzessin von Preußen unangemeldet besuchten und sprachen, schien der alten Dame so ungeheuerlich, daß sie davon mindestens den Einsturz alles Bestehenden erwartete. Und eine Fahrt auf offenem Leiterwagen durch Wald und Flur, wie Luise und Friedrich Wilhelm, sie als » gnädige Frau« und er als » Schulze von Paretz «, sie unternahmen; ein Besuch bei fremden Gesandtschaften in der einfachen zweispännigen Kalesche statt im achtspännigen mit Leibjägern garnirten Galawagen, – wie stand das Alles in so argem Widerspruch mit den als unverbrüchlich überkommenen Gewohnheiten der Frau von Voß, mit deren Tode der letzte normale Knix von den europäischen Höfen verschwunden sein soll.
Unzählig sind die Anekdoten, die wohl beglaubigt noch heute im treuen Gedächtniß des Volkes über seine Königin leben, und sie in einem dem Andenken Luisens gewidmeten Buche mit Stillschweigen übergehen, würde demselben sicher als Todsünde angerechnet werden. Wie wohlthuend mußte z. B. den Berliner Bürger das gemüthliche Umherwandeln der Kronprinzessin auf dem Weihnachtsmarkt am Arm ihres Gemahls berühren, das war ein Ereigniß für die Käufer wie für die Verkäufer. Jedenfalls war Luise die erste Kronprinzessin, die dergleichen je gethan, – und nun vollends, als die hohe Frau sogar für fremde, arme Kinder Einkäufe machte. So etwas fällt in dem Berlin unserer Tage kaum mehr auf, wo die kronprinzliche Familie keineswegs mehr zu den seltenen Käufern an den Weihnachtsbuden des Schloßplatzes und Lustgartens gehören.
Luisens Bestreben war es auch, den Unterschieden der Stände so viel wie möglich das Harte und Verletzende zu nehmen. So ließ sie einst von einem Schuhmacher und einem Grafen, die sich gleichzeitig bei ihr angemeldet hatten, den Schuhmacher zuerst vor, denn der Meister habe sicher nicht so viel überflüssige Zeit wie der Herr Graf.
Dem Adelsstolz wußte sie in kräftiger Weise entgegenzutreten, wenn er sich in ihrer Umgebung gegen den achtbaren Bürgerstand aufzublähen suchte. Bei einem großen Empfange in Magdeburg wurde ihr unter andern eine Offiziersfrau bürgerlicher Herkunft vorgestellt und auf die Frage der Königin, was sie für eine Geborene sei, antwortete das arme Wesen, durch die Blicke und das Kichern der hochadligen umstehenden Damen eingeschüchtert: »Ach, Ihro Majestät, ich bin gar keine Geborene!« Als sich darob ein großes Gelächter erheben wollte und eine der vorlauten Ehrendamen gar die hochmüthige Bemerkung machte: »Also eine Mißgeburt« – fertigte die Königin solch unziemliches Betragen mit den prächtigen Worten ab: »Frau Majorin, Sie haben mir da in einer recht naiv-satirischen Weise geantwortet. Ich muß gestehen, mit dem herkömmlichen Ausdruck »von Geburt sein«, wenn damit ein angeborner Vorzug bezeichnet werden soll, habe ich niemals einen vernünftigen Begriff verbinden können, denn in der Geburt sind sich ja alle Menschen gleich. Allerdings ist es von hohem Werthe, ermunternd und erhebend, von guter Familie zu sein. Von ausgezeichneten Vorfahren und Eltern abstammen, wer wollte das nicht ehren und bewahren? Aber dies findet man Gottlob! in allen Ständen. Ja, selbst aus den Untersten sind oft die größten Wohlthäter des menschlichen Geschlechts hervorgegangen. Aeußere glückliche Lage und Vorzüge kann man erben, aber innere persönliche Würdigkeit muß doch Jeder für sich und seine eigene Person erwerben. Ich danke Ihnen, liebe Frau Majorin, daß Sie mir Gelegenheit gaben, diese, wie ich glaube, fürs Leben nicht unwichtigen Gedanken auszusprechen, und ich wünsche Ihnen in Ihrer Ehe viel Glück, dessen Quelle doch immer im Herzen liegt.« Wer war glücklicher bei solchen Worten ihrer gnädigen Königin als die kleine Majorsfrau? Da zeigte sich einmal recht gründlich die Hoheit einer Frau von Gottes Gnaden gegenüber dem unberechtigten Hochmuth ihrer im Adelstolz befangenen Umgebung.
Nie hat auch wohl eine Kronprinzessin ihren ersten Geburtstag im neuen Lande edler gefeiert als Luise, die sich nach den reichsten Geschenken (darunter das Schloß Oranienburg aus den Händen des Königs) nicht eher zufrieden gab, als bis dieser ihr Geburtstag auch zu einem Freudentage für die Armen unter ihren künftigen Unterthanen geworden. Sie erbat sich auf die Frage des Königs, ob sie noch einen Wunsch auf dem Herzen habe, eine Handvoll Gold für die Armen Berlins, und als der König meinte, das komme doch darauf an, wie groß sie sich diese Handvoll etwa denke, sagte sie, den Charakter des Königs nicht verkennend: »So groß wie das Herz des Gütigsten der Könige.« Sie erhielt reichlich, was sie erbeten, und war innerlich glücklicher in dem Bewußtsein einer schönen That, als in dem Besitz eines unwohnlich großen Schlosses.
Der wohlthätige Zug, der ihr von früher Jugend inne wohnte, entfaltete sich namentlich seit der Thronbesteigung ihres Gemahls immer herrlicher. Seitdem sie ihre Gaben nicht mehr ängstlich zu zählen brauchte, spendete sie mit nie ermüdender Hand und überstieg dabei nicht selten den für ihre kleinen Bedürfnisse reichlich ausgeworfenen Etat. Zum Glück begegnete sie sich in dieser Tugend mit dem König Friedrich Wilhelm III., der ihr stets die leere Kasse zu Werken der Liebe und der Barmherzigkeit wieder füllte.
Wo sie auf ihren Wegen des Elends ansichtig wurde, da litt ihr großes Herz es nicht anders, sie mußte helfend und rettend wirken. Die Zahl der Fälle, wo sie unbemerkt Gutes gethan, ist sicher noch größer, als die der vielen durch Zeugen beglaubigten Erzählungen von ihrer Wohlthätigkeit. Bei einer Spazierfahrt durch den Thiergarten ließ sie einmal den Wagen halten, weil ihr aufmerksames Auge einen kränklich aussehenden, anscheinend der Hülfe bedürftigen Mann auf einer Bank am Wege erblickt hatte. Sie sandte ihm eine königliche Gabe, die aber der Kranke, ein wohlhabender, nur einfach gekleideter Bürger Potsdams zurückwies. Der Königin konnte nichts schmerzlicher sein, als einem Anderen selbst in der besten Absicht Unrecht zugefügt zu haben; sie stieg aus und entschuldigte sich auf das rührendste bei dem Manne, daß sie mit ihrem wohlthätigen Herzen auch einmal das Falsche getroffen, bat ihn aber, ihr wenigstens zu gestatten, ihm täglich aus der königlichen Küche stärkende Nahrung zu senden.
Der Wahlspruch bei ihrem wohlthätigen Wirken war und blieb das schöne Wort, welches sie selbst darüber einmal auf die Vorstellungen wegen manchmal falsch angebrachter Gaben äußerte: »Ob der Arme die Hülfe verdient, das wollen und dürfen wir nicht untersuchen. Die Grenzen zwischen verschuldetem und unverschuldetem Elend sind sehr fein gezogen und laufen in einander. Und wie macht es denn der liebe Gott mit uns, denen er reichlich gibt, auch nicht immer nach Verdienst und Würdigkeit?«
Solche Gesinnung führte auch ohne inneres Widerstreben dazu, in den Zeiten der bittersten eignen Noth dem von Kriegskontributionen erdrückten Volke jede mögliche Erleichterung zu verschaffen und sich gern des königlichen Luxus zu entäußern, um damit die Landeskalamität zu lindern. In Memel verkaufte Friedrich Wilhelm III. das goldene Geschirr, ein theures Erbstück seiner Ahnen, und bezahlte damit einen Theil der unerschwinglichen Forderungen des französischen Machthabers. Man speiste dann aus gewöhnlichem Geschirr und zwar oft einfacher, als manche begüterte Familie es sich trotz der bösen Zeiten erlauben konnte.
Ein schon mehrmals berührter rühmenswerther Zug in dem Charakter der Königin Luise war ihre lautere aus dem Herzen kommende Frömmigkeit, und das nicht nur in den Tagen der Noth, die freilich »aufs Wort achten lehrt«, sondern auch in den Tagen des anscheinend nie zu trübenden Glanzes. Ein der Königin Luise während ihres Aufenthalts in Königsberg nahe stehender Freund äußert sich über ihre Gottesfurcht folgendermaßen:
»Die Frömmigkeit unserer verehrten Königin ist eine christliche, d. h. eine gesunde, einfache, naturgemäße, ihrer jedesmaligen Empfänglichkeit und Stimmung vollkommen angemessene, fern von allem Erzwungenen und Sentimentalen. Mit dem Gefühl und Ausdruck der Schüchternheit naht sie sich den heiligen Wahrheiten der Religion, aber auch mit dem Ausdruck der Sehnsucht und des Durstes und nimmt eben darum ihre Erquickungen in sich um so reiner auf. Was mich am meisten erfreut, weil es für sie das Beste ist und wirkt: sie gibt allen ihren religiösen Ansichten, Ueberzeugungen, Gefühlen und Bestrebungen die feste Grundlage des göttlichen, geoffenbarten Bibelworts; bringt damit Festigkeit, Gewißheit, Zusammenhang und Zuversicht in ihr Gemüth, und bei dem huldvollen Vertrauen, dessen sie mich würdigt, suche ich vorzüglich, sie darin zu bestärken. In ihrer vorherrschenden Stimmung sympathisirt sie jetzt ganz besonders mit den Psalmen, die heilige Begeisterung, die in denselben waltet, sagt ihrer schönen, poetischen Natur harmonisch zu und gibt ihrem frommen Gemüth Schwingen. Selbstgemachte, ernste Lebenserfahrungen schließen ihr das Heiligthum der heiligen Schrift auf und führen sie in den tiefen reichen Sinn derselben.«
Ganz in diesem Sinne des gläubigen Hingebens an die ewig über ihrem Schicksal waltende Vorsehung setzte sie sich, auf ihrer Flucht nach Memel einmal rastend, an ein vorgefundenes Klavier und sang mit bewegter Stimme das alte Kernlied »Befiehl Du Deine Wege – Und was Dein Herze kränkt.« Sie suchte sich selbst Trost einzusingen mit den Worten desselben Liedes:
»Auf, auf, gib deinen Schmerzen
Und Sorgen gute Nacht,
Laß fahren, was die Herzen
Betrübt und traurig macht.
Bist du doch nicht Regente,
Der Alles führen soll, –
Gott sitzt im Regimente
Und führet Alles wohl!«
Sie hatte den Stürmen des Lebens, wie Bischof Eylert von ihr rühmte, ein reines Herz und einen wahrhaftigen Charakter entgegengebracht, darum hielt sie auch unverzagt und geduldig bis an ihr Ende aus, das leider noch in die Zeit der Trübsal fiel. Sie war einem verderbten Hofe während ihres Kronprinzessinnenthums sittlich überlegen und inmitten der Scheinheiligkeit religiös. Unsittlichkeit auf der einen und Scheinheiligkeit auf der anderen Seite waren ja die treibenden Elemente des Lebens in den damaligen höheren Ständen; daß sie es also verstand, solchen Strömungen, die manchen vortrefflich angelegten Charakter mit sich fortrissen, zu widerstehen, gereicht ihr zum unvergänglichsten Lobe.
Ihrem Gemahl war sie mit solchen Tugenden eine an Treue ihres Gleichen suchende Gattin. Die Ehe zwischen Beiden gestaltete sich zu einem ächten Aufgehen des Wesens in einander, zu einer Ehe »in stiller Würde und seliger Eintracht, die erste und die beste im Vaterlande.« Die Wirkungen derselben auf alle Kreise blieben nicht aus. Die frivolen Ansichten über die Ehe, die sich seit Friedrich dem Großen durch manche seiner Aeußerungen, ja durch sein nicht nachahmungswerthes Beispiel im Volke gebildet hatten, verschwanden mehr und mehr und machten einer gesunderen Entwicklung des Familienlebens Platz.
Der Dichter Novalis schreibt über diese einzig dastehende Ehe zwischen dem Königspaar mit besonderem Hinblick auf Luise: »Die Königin hat zwar keinen politischen, aber einen häuslichen Wirkungskreis im Großen. Ihr Beispiel wird unendlich wirken. Die glücklichen Ehen werden immer häufiger und die Häuslichkeit mehr als Mode werden. Sie wird zugleich ächtes Muster des weiblichen Anzuges sein ... Jede gebildete Frau und jede sorgfältige Mutter sollte das Bild der Königin in ihrem oder ihrer Töchter Wohnzimmer haben. Welche schöne kräftige Erinnerung an das Urbild, das jede zu erreichen sich vorgesetzt hätte. Aehnlichkeit mit der Königin würde der Charakterzug der Preußischen Frauen, ihr Nationalzug sein ... Sonst mußte man sich vor den Höfen wie vor einem ansteckenden Orte mit Weib und Kindern flüchten! An diesen einen Hof wird man sich jetzt vor der allgemeinen Sittenverderbniß wie auf eine glückliche Insel zurückziehen können ... In unsern Zeiten haben sich wahre Wunder der Transsubstantiation ereignet. Verwandelt sich nicht ein Hof in eine Familie, ein Thron in ein Heiligthum, eine königliche Vermählung in einen ewigen Herzensbund? Wer den ewigen Frieden jetzt sehen und liebgewinnen will, der reise nach Berlin und sehe die Königin!«
Luise begleitete ihren Gemahl nicht nur zu den rauschenden Huldigungsfesten, die die Provinzen mit einander wetteifernd dem jungen Königspaare veranstalteten, sie theilte nicht nur die Annehmlichkeiten seiner erhabenen Stellung, sondern blieb ihm die treue, tröstende Lebensgefährtin auch in den Tagen, wo die Verzweiflung an dem Schicksal der Dynastie und des Landes der Brust des Königs nahte. Es war in Riga, auf einer Besuchsreise nach Petersburg zu dem ihm verbündeten Kaiser Alexander I., wo der König in dem berühmten Hause der »Schwarzen Häupter«, dem Versammlungsort eines Vereins hagestolzer Sonderlinge, tiefwehmüthig ausrief: »Ich hätte zu dieser Gilde gehören sollen, Du hättest dann nicht so traurige Erfahrungen gemacht!« – und die Königin seinen Kummer beschwichtigte: »Und hätten wir noch zehnmal traurigere gemacht und hättest Du mir alles Unglück vorhergesagt, dieser Gilde hättest Du mir doch nicht angehören dürfen!«
Das war aber auch nur dem Herzen einer Frau möglich, die »hoch auf des Lebens Gipfel gestellt« die Kraft und die Muße fand, sich in ächt deutscher Sitte auf das eigene unzerstörbare häusliche Glück zurückziehen zu können, so oft sie wollte, und die von sich sagen konnte: »Um glücklich und zufrieden zu sein in seinem Innern, bedarf man nicht viel des Aeußeren; gesunde Luft, Stille, Aussichten ins Freie, einige Schatten gebende Bäume, ein paar Blumenbeete, eine Laube – reichen hin. Mein Mann und ich sind uns mit den Kindern genug, und dann habe ich gute Bücher, ein gutes Gewissen, ein gutes Pianoforte, – und so kann man unter den Stürmen der Welt ruhiger leben als Diejenigen, welche die Stürme erregen!«
Wer hat besser das Lob der heiligen Schrift verdient als Luise, von der ihr glücklicher Gemahl rühmen konnte: »Wem ein tugendhaft Weib bescheeret ist, die ist viel edler denn die köstlichsten Perlen«, – »Sie breitet ihre Hände aus zu den Armen und reichet ihre Hand dem Dürftigen«, – »Ihre Reinheit ist ihr Schmuck«, – »Ein Weib, das ein beständiges Gemüth hat, ist wie die goldenen Säulen auf den silbernen Stühlen.«
Vor ihren blauen Augen ohne Falsch mußte das Auge eines Jeden sich beschämt zu Boden senken, der sich nicht des geraden Weges bewußt war. Sie wachte darüber, daß vom Hofe jener byzantinische Ton verschwand, der es mit sich brachte, daß Alles eher auf krummen Schleichpfaden erreicht wurde, als auf dem ehrlichen zum Ziele gerichteten Wege. Da konnten keine Intriguen und Kabalen gesponnen werden, – sie prallten von ihrem hoheitsvollen, unbefangenen Wesen ab wie der Pfeil von der blanken Stahlrüstung. Keine Kamarilla konnte im Finstern schleichend ihre Netze spannen, – das einfache Wort der Königin durchhieb diese Netze wie Spinnweb. Soweit ihr Einfluß reichte, gab es keine Günstlingswirthschaft, keinen feilen Nepotismus mehr; und wir können höchstens beklagen, daß ihre weibliche Macht nicht weiter ging, daß sie aufhörte vor dem Staatskabinet des Königs.
Und hier mag auch die Frage ihre Erörterung finden, die ihr während ihres Lebens so großen Kummer durch die Vorwürfe bereitete, welche verächtliche Verleumdung auf die Schuldlose zu häufen bemüht war. Es versteht sich von selbst, daß die Bethätigung des inneren Einflusses der Königin auf ihren Gemahl bezüglich wichtiger Staatsgeschäfte sich der genauen Kenntniß verschließt. Wir haben aber doch so viele übereinstimmende, wahrheitsmäßige Beweise für das Walten Luisens auf ihrer steilen, verantwortlichen Höhe, daß wir berechtigt sind, über jene für ihr Leben wichtigste Frage ihrer Einmischung in Staatsangelegenheiten ein Urtheil zu fällen.
Wir haben hier streng zu scheiden zwischen dem Zeitraum von der Thronbesteigung Friedrich Wilhelm III. bis zum Jahre 1806, und von da ab bis zum Tode der Königin. In den Tagen des Glückes hat Luise niemals ihre Hand im Spiele gehabt, wo es sich um die Entscheidung von Landesangelegenheiten handelte. Sie hielt sich aufs taktvollste von dergleichen gänzlich fern, betrachtete das als die Arbeit der Männer und fand ihre ausgiebige, lohnendere Beschäftigung in der guten Erziehung ihrer zahlreichen Kinder, in der Repräsentation des Hofes, die ihr der König am liebsten ganz überlassen hätte, und in der Ausbildung ihrer reichen geistigen Anlagen.
Besser freilich wäre es gewesen, wenn sie mit ihrem scharfen, immer auf den Kern der Dinge gerichteten Blick öfter Gelegenheit gehabt hätte, sich um das innere Getriebe des Preußischen Staatslebens zu bekümmern; wenn sie sich nicht wie selbst ihr Gemahl und mit ihm der ganze Hof (Prinz Louis Ferdinand vielleicht ausgenommen) durch den äußeren Schein einer wohlgeordneten, sicher arbeitenden Maschine hätte täuschen lassen und sich nicht mit den Lorbern Friedrichs des Großen begnügt hätte. Aber die Königin Luise verdient deswegen alles andere, nur nicht einen Vorwurf. Sie hatte in allen Leiden, die im Jahre 1806 über das Preußische Königshaus kamen, wenigstens den Trost, daß sie in keiner Weise den furchtbaren Zusammenbruch aller für felsenfest gehaltenen Verhältnisse mitverschuldet hatte. Um so herrlicher tritt ihr Charakter in den Leidensjahren hervor, als sie, um den König zu trösten und ihn vor Anklagen zu schützen, sich gern mit den strafwürdigen Versehen seiner Räthe identifizirte und klagte: » Wir sind auf den Lorbern Friedrichs des Großen eingeschlafen!«
Das schönste und vollgültigste Zeugniß für ihre Fernhaltung von Staatsgeschäften giebt uns Gentz in seinen Memoiren, wo er auf die Unterredung mit Königin Luise kurz vor dem Ausbruch des verhängnißvollen Krieges gegen Napoleon zu sprechen kommt. In jener Stunde konnte sie mit ruhigem Gewissen zu ihm sagen: » Gott weiß es, daß ich nie über öffentliche Angelegenheiten zu Rathe gezogen worden bin und auch nicht danach gestrebt habe! Wäre ich je darum befragt worden, so hätte ich, ich bekenne es offen, für den Krieg gestimmt, da ich glaube, daß er nöthig war!«
Zu seinem vertrautesten Freunde, dem Adjutanten von Witzleben, äußerte sich König Friedrich Wilhelm III. mehr als fünf Jahre nach Luisens unverschmerztem Tode, als die Nebel des Unglücks durch Preußens erwachte Energie verscheucht waren: »Gewiß ist, daß die Königin sich nie in Angelegenheiten der Regierung gemischt hat; höchstens hat sie zu Fürbitten für Unglückliche, die der Hilfe bedurften, sich verstanden und solche auf eine Art eingelegt, daß man sie nicht abschlagen konnte. Nie ist sie aus ihrer weiblichen Sphäre herausgetreten, nie hat sie in die meine eingegriffen!« Und dann setzte er traurig hinzu: »Ach, ich vermisse sie wie überall so besonders jetzt und Gott mag mir den Wunsch verzeihen: ich wollte, sie lebte jetzt noch!«
Luise hat das Wort Friedrichs des Großen, welches er allerdings zu hart ins Praktische übersetzte, in der edelsten Weise zur Richtschnur ihrer Stellung als Königin gemacht: »Wenn sich die Frau in die Regierung menget, so bringt das für den Staat kein Glück!« Daß sie aber an den erschütternden Ereignissen, die zum Kriege mit Frankreich führten, – der Ermordung des Duc d'Enghien, Palms, der Verletzung neutralen Preußischen Gebiets – einen überaus regen Antheil nahm, daß in ihrem großen Herzen jeder Pulsschlag, der ihr Volk durchzitterte, einen beredten Wiederhall fand, wer möchte das in Abrede stellen? Wie aber auch ihre Gesinnung bei den rohen Gewaltthaten Napoleons noch vor dem Ausbruch des Krieges gewesen sein mag, – sicher ist, daß sie keinen Schritt gethan hat, um ihren Gemahl zu einer vielleicht verderblichen Maßnahme zu drängen.
Andrerseits indessen erwachte bei der bedrohlichen Lage des Staates ihre ganze Entschlossenheit. Als Alles den Kopf verloren zu haben schien, als selbst der König, in der Leistungsfähigkeit des Heeres wie in der Treue der Beamten aufs Empfindlichste getäuscht, an dem Staate zu verzweifeln begann, stand sie heldenhaft und unentwegt da und flößte ihm neues Vertrauen ein auf eine bessere Zukunft, auf den Sieg des Guten über das Schlechte.
Wohl hat König Friedrich Wilhelm III. den Werth seiner Gemahlin nicht nur für sein Haus, sondern auch für das Land, für die Neugestaltung der wichtigsten Bedingungen seines Gedeihens richtig erkannt. Es lag mehr als ein bloßer Zufall darin, daß er an ihrem Geburtstage, am 10. März 1813, die denkwürdige Stiftung der Eisernen Kreuzes vollzog. Erneuert durch König Wilhelm am Todestage der Mutter, 19. Juli 1870. Er selbst hat es als 17jähriger Jüngling nach der Schlacht bei Bar-sur-Aube aus der Hand des Vaters empfangen am 10. März 1814.. Wie er in seiner Luise seines Lebens Schutzgeist, in ihren Augen die treuen Sterne gefunden, die ihm auf seiner Dornenbahn geleuchtet, so wußte er, – das hatte ihm der ganze deutsche Sängerwald vorgesungen – daß ihr Geist auf dem Heere ruhte und daß dessen Erfolge zum nicht geringen Theil als rächende Thaten für das leidenvolle Ende seiner Königin betrachtet wurden. » In diesem Zeichen wirst Du obsiegen!« – scholl es dem Könige aus seligen Fernen an jenem Geburtstage seiner heimgegangenen Gemahlin zu.
Und als diese erhabene Verheißung sich herrlich erfüllt hatte, als die Ruhmestage von Leipzig gekommen, als das siegreiche Heer sich der Hauptstadt desselben übermüthigen Franzosenkaisers näherte, vor dem Königin Luise aus Berlin bis an die Grenze des Reiches hatte fliehen müssen, – da ward wiederum am Geburtstage Luisens (10. März 1814) von dem Könige der Luisenorden als die schönste Anerkennung für die aufopfernde Hingebung des weiblichen Geschlechts an die große Sache des Vaterlandes gegründet.
Beide ihre Besitzer aufs höchste ehrenden Orden hat König Wilhelm in Rückerinnerung an Vater und Mutter erneuert in den ersten Tagen jenes großen Kampfes gegen die von Frankreich drohende Vergewaltigung deutscher Erde, den wir alle mitkämpfend oder bewundernd erlebt haben. So zeugen noch in spätesten Tagen die Zeichen der Männerehre und der Frauentugend von einer großen, durch die edelste Königin geweihten Zeit!
Während Napoleon die Königin Luise fälschlich als die Hauptanstifterin des Krieges bezeichnete, den er schon Jahrelang im Voraus geplant und zu dem er im Herbst des Jahres 1806 nur die ihm günstigste Gelegenheit erspähte; während er gleißnerisch und lügenhaft die ganze Schuld an dem über Preußen hereinbrechenden Jammer ihr beimaß, – ist sie es gerade gewesen, die, schuldlos an alledem, doch die treibende Kraft wurde, welche Napoleon von der Höhe seiner Macht gestürzt hat. Es liegt eine schneidige Ironie des Geschickes in dem ungleichen Zweikampf der Königin Luise mit jenem Geiste, der stets das Böse wollte und doch das Gute schaffen helfen mußte, – ein Zweikampf, dessen wahres Wesen Schillers Worte trefflich charakterisiren: »Es ist einmal so die Mode in der Welt, daß die Guten durch die Bösen schattirt werden und die Tugend im Kontrast mit dem Laster das lebendigste Kolorit erhält.«
Das äußere Leben Luisens nach ihrer Vermählung ist eine würdige, durch erhöhte Pflichten geheiligte Fortsetzung ihres Jugendlebens. Wie kein Glück auf Erden von ungestörter Dauer sei, mußte sie sehr bald erfahren, als den Kronprinzen die Pflicht in die vom Aufruhr heimgesuchten Polnischen Besitzungen rief, wo er an der Seite seines königlichen Vaters zeigte, daß der Gehorsam gegen die Anforderungen des Vaterlandes einem Preußischen Prinzen höher stände als selbst das Glück einer zufriedenen Ehe an der Seite der schönsten Frau.
Für Luise war der Krieg ihres Gemahls gegen die Polnische Insurrektion (unter Kosziusko) ein Vorspiel zu den allerdings noch in ferner Zukunft liegenden, aber doch schon ihre breiten Schatten ins Leben der Völker werfenden Europäischen Kriegen. Wie uns namentlich alle die Züge von der höchsten Bedeutsamkeit erscheinen, die bezeichnend sind für die tiefe, innere Umwandlung in dem Gemüthe des jungen Weibes aus der zarten Schüchternheit der sorglosen Jugend in die ernste Lebensauffassung der Monarchin, so darf auch das Wort nicht vergessen bleiben, welches sie bei den Nachrichten vom Polnischen Kriegsschauplatz zu ihrer Umgebung sprach: »Ich zittere vor jeder Gefahr, der mein Mann sich aussetzt, aber ich sehe ein, der Kronprinz, der Erste nach dem König auf dem Thron, muß auch der Erste nach ihm im Felde sein.«
Ihr erstes Kind, einen Sohn, gebar Luise am 15. Oktober 1795, – den nachmaligen König Friedrich Wilhelm IV. – Wir setzen hier der Uebersicht wegen die Geburtstage aller ihrer sie überlebenden Kinder her: 22. März 1797 – Wilhelm; 13. Juli 1798 – Charlotte Später Kaiserin von Rußland, Mutter des Kaisers Alexander II.; 29. Juni 1801 – Karl; 23. Februar 1803 – Alexandrine Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin.; 1. Februar 1808 – Luise Gemahlin des Prinzen Friedrich der Niederlande.; 4. Oktober 1809 – Albrecht.
Am 16. November 1797 starb König Friedrich Wilhelm II., in demselben Jahre, in welchem der jetzige Kaiser von Deutschland geboren ward, an dessen Taufbecken noch sein Großvater gestanden.
Die Königin Luise hat ihren Kindern selbst ein so schönes Denkmal gesetzt in dem bekannten Briefe an ihren Vater, (im Jahre 1794 Herzog von Mecklenburg-Strelitz geworden) – daß es vermessen wäre, wollten wir uns zur Schilderung des Mutterglückes der Königlichen Frau anderer als ihrer eigenen Worte bedienen: » Unsere Kinder sind unsere Schätze, und unsere Augen ruhen voll Zufriedenheit und Hoffnung auf ihnen. Der Kronprinz ist voller Leben und Geist. Er hat vorzügliche Talente, die glücklich entwickelt und gebildet werden. Er ist wahr in allen seinen Empfindungen und Worten, und seine Lebhaftigkeit macht Verstellung unmöglich. Er lernt mit vorzüglichem Erfolge Geschichte und das Große und Gute zieht seinen idealischen Sinn an sich. Für das Witzige hat er viel Empfänglichkeit und seine komischen, überraschenden Einfälle unterhalten uns sehr angenehm. Er hängt vorzüglich an der Mutter und er kann nicht reiner sein, als er ist. Ich habe ihn sehr lieb und spreche oft mit ihm davon, wie es sein wird, wenn er einmal König ist.
Unser Sohn Wilhelm (erlauben Sie, ehrwürdiger Großvater, daß ich Ihre Enkel nach der Reihe Ihnen vorstelle) wird, wenn mich nicht Alles trügt, wie sein Vater einfach, bieder und verständig. Auch in seinem Aeußeren hat er die meiste Aehnlichkeit mit ihm; nur wird er, glaube ich, nicht so schön. Sie sehen, lieber Vater, ich bin noch in meinen Mann verliebt.
Unsere Tochter Charlotte macht mir immer mehr Freude; sie ist zwar verschlossen und in sich gekehrt, verbirgt aber, wie ihr Vater, hinter einer scheinbar kalten Hülle ein warmes, theilnehmendes Herz. Scheinbar gleichgültig geht sie einher, hat aber viel Liebe und Theilnahme. Daher kommt es, daß sie etwas Vornehmes in ihrem Wesen hat. Erhält sie Gott am Leben, so ahne ich für sie eine glänzende Zukunft.
Karl ist gutmüthig, fröhlich, bieder und talentvoll; körperlich entwickelt er sich ebenso gut als geistig. Er hat oft naive Einfälle, die uns zum Lachen reizen. Er ist heiter und witzig. Sein unaufhörliches Fragen setzt mich oft in Verlegenheit, weil ich es nicht beantworten kann und darf; doch zeugt es von Wißbegierde – zuweilen, wenn er schlau lächelt, auch von Neugierde. Er wird, ohne die Theilnahme an dem Wohl und Wehe Anderer zu verlieren, leicht und fröhlich durchs Leben gehen.
Unsere Tochter Alexandrine ist, wie Mädchen ihres Alters und Naturells sind, anschmiegend und kindlich. Sie zeigt eine richtige Auffassungsgabe, viel Verstand, eine lebhafte Einbildungskraft und kann oft herzlich lachen. Für das Komische hat sie viel Sinn und Empfänglichkeit. Sie hat Anlage zum Satirischen und siehet dabei ernsthaft aus, doch schadet das ihrer Gemüthlichkeit nicht.
Von der kleinen Luise läßt sich noch nichts sagen. Sie hat das Profil ihres redlichen Vaters und die Augen des Königs, nur etwas heller. Sie heißt Luise; möge sie ihrer Ahnfrau, der liebenswürdigen und frommen Luise von Oranien, der würdigen Gemahlin des Großen Kurfürsten, ähnlich werden.
Da habe ich Ihnen, geliebter Vater, meine ganze Gallerie Das jüngste Kind, Prinz Albrecht, war zur Zeit der Abfassung dieses Briefes noch nicht geboren. vorgeführt. Sie werden sagen: Das ist mal eine in ihre Kinder verliebte Mutter, die an ihnen nur Gutes siehet und für ihre Mängel und Fehler keine Augen hat. Und in Wahrheit, böse Anlagen, die für die Zukunft besorgt machen, finde ich an allen nicht. Sie haben, wie andere Menschenkinder, auch ihre Unarten; aber diese verlieren sich mit der Zeit, sowie sie verständiger werden.«
Ueber die Erziehung ihrer Kinder äußert sich in demselben Briefe Königin Luise in verständnißvollster Weise also: »Umstände und Verhältnisse erziehen den Menschen, und für unsere Kinder mag es gut sein, daß sie die ernste Seite des Lebens schon in ihrer Jugend kennen lernen. Wären sie im Schoße des Ueberflusses und der Bequemlichkeit groß geworden, so würden sie meinen, das müsse so sein. Daß es aber anders kommen kann, sehen sie an dem ernsten Angesicht ihres Vaters und an der Wehmuth und an den öfteren Thränen der Mutter. Besonders wohlthätig ist es dem Kronprinzen, daß er das Unglück schon als Jüngling kennen lernt; er wird das Glück, wenn, wie ich hoffe, künftig für ihn eine bessere Zeit kommen wird, um so höher schätzen und um so sorgfältiger bewahren. – –
Erhält Gott uns die Kinder, so erhält er meine besten Schätze, die Niemand mir entreißen kann. Es mag kommen, was da will, mit und in der Vereinigung mit unseren Kindern werden wir glücklich sein!« – –
Nach so beredtem Zeugniß von dem mütterlichen Walten der Königin können wir uns wohl versagen, noch im einzelnen die vielen kleinen Züge zu erwähnen, durch die sie so rührend ihre Hingebung an das Wohl ihrer Kinder bewies. Fast in jedem der Briefe, die sie von Königsberg und Memel an ihren Vater richtete, begegnet uns die Liebe, die sie zu den Ihrigen hegte, ihren einzigen Sternen am umwölkten Himmel.
Eines der schönsten Dokumente zur Lebens- und Leidensgeschichte der Königin Luise bilden die einfachen Aufzeichnungen ihrer Oberhofmeisterin der Frau von Voß. Sie beweisen schlagend, daß für eine Herrin wie Luise das frivole Wort, für die intimen Diener gebe es keine Helden, der näheren Erklärung dahin bedarf, daß dies dann meist an den Dienern liegt. Mochten auch die Grundsätze der »Dame d'Etiquette« über Hofmanieren sehr verschieden sein von denen der Königin, – sie konnte doch nicht anders, als in ihren verschwiegensten Stunden ihrem Tagebuch anvertrauen, wie sie im innersten Herzen von ihrer »Engelskönigin« dachte. Da finden wir in den »Denkwürdigkeiten der Frau von Voß«, kaum eine Woche nach dem Einzuge Luisens in Berlin, die Bemerkung: »Die Prinzessin ist wirklich anbetungswürdig, so gut und reizend zugleich.« – Etwas später heißt es: »Je genauer man die Prinzessin kennen lernte, desto mehr wurde man von dem innern Adel und der Reinheit ihrer Natur und von der engelgleichen Güte ihres Herzens ergriffen. Vor Allem erfüllte die tiefste, innigste Religiosität ihr ganzes Wesen und schmückte sie mit allen lieblichsten Tugenden der Frau, die Gott gefallen.« – Unter dem 24. Januar 1798 lesen wir: »Der König hat die Masern. Sie ist auch unwohl, aber denkt nicht an sich und ist wie immer in Allem und Allem ein Engel!« – 13. Dezember 1806: »Die Königin ist noch sehr leidend, immerfort Fieber und heftige Kopfschmerzen. Die Unruhe der Kinder, die dicht neben ihr wohnen und den ganzen Tag lärmen, kann ihr nicht gut sein, aber sie will sich nicht von ihnen trennen.« – »In dieser schweren Krankheitszeit habe ich den Muth und die Gelassenheit meiner theuern Königin und ihre völlige Ergebung in den Willen Gottes wieder recht erkannt. Ihr Leben ist ihr selbst nur von Werth um ihres Mannes und ihrer Kinder willen und die vollständige Hingabe ihres Willens in den Rathschluß des Allerhöchsten giebt ihr diese große Geduld und diesen inneren Frieden.« –
Die Ereignisse in dem Leben des Königspaares in der Zeit vor dem Ausbruch des Krieges von 1806 sind mit wenigen Worten erzählt. In gleichförmigem, nur durch die Huldigungsreisen unterbrochenem Laufe entschwanden ihnen die letzten Jahre des 18. und die ersten des 19. Jahrhunderts. Von dem friedlichen Paretz, dieser Oase in der sandigen Wüste der Hofetikette für den Kronprinzen und seine Gemahlin, rief sie der Tod Königs Friedrich Wilhelm II. in die an erhabenen Pflichten so reiche neue Stellung, durch die sie länger an die Hauptstadt gefesselt wurden. Das Palais Friedrich Wilhelms III. und seiner Luise war das heute sogenannte »Kronprinzenpalais«, damals nur ein einstöckiges, schmuckloses Gebäude.
Die Huldigungsreisen führten das königliche Paar über Stargard in Pommern nach Danzig und dann nach Königsberg, der alten Krönungsstadt der Hohenzollern. Nie enden wollender Jubel, in dem sich die ganze Liebe eines Volkes zu seinem Herrscherhause zu erkennen gab, bezeichnete diesen Weg, der für Luise besonders zu einem wahren Siegeseinzug in die Herzen ihrer Unterthanen wurde.
Unter den vielen Glücklichen, welche ein freundliches Wort oder ein Lächeln der holdseligen Königin dazu gemacht, hat sich gewiß auch das kleine Mädchen in Stargard befunden, die von dem gestrengen Herrn Schulmeister für zu häßlich befunden worden war, um einer Königin unter die Augen zu treten, und die deshalb zu Hause geblieben die bittersten Thränen über diese Zurücksetzung vergoß. Aber wie dem »häßlichen Entchen« in dem freundlichen Märchen sollte ihr die Sonne unverhofften Glücks durch ein Wort der Königin aufgehen, die sich, auch an dem Kleinsten Interesse nehmend, erkundigte, warum gerade neunzehn Mädchen zu ihrem Empfange erschienen wären. Als sie den gutgemeinten, aber bei ihr übel angebrachten Grund erfuhr, ließ sie das arme Ding rufen und machte an ihm gut, was die Lieblosigkeit verschuldet hatte. – Wir erzählen diese kleine Begebenheit, die für die Betheiligte sicher die größte ihres Lebens war, nur darum, weil sich darin wie bei jedem Schritt der Königin die herzliche Theilnahme an Leid und Freud auch des Geringsten ihrer »Landeskinder« so hold offenbart.
Von Königsberg ging's über Warschau nach Breslau. Hier in der zweiten Stadt der Monarchie wurde der Königin ein großartiger Empfang zu Theil, der sie zu dem Versprechen hinriß: »Ich werde die guten Schlesier nicht vergessen.« Erst Friedrich Wilhelm III. konnte nach Luisens Tode das Versprechen einlösen: Breslau ward die Geburtsstätte des befreiten Vaterlandes.
Im Juli 1798 folgte die Huldigung in der Hauptstadt des Landes mit großem Pompe, wobei der junge König nicht vergaß, auch den Aermsten seiner Unterthanen den ungehinderten Anblick der Festlichkeiten zu ermöglichen.
Zu Anfang des nächsten Jahres galt eine Reise des Königs, auf der ihn wie immer seine Gemahlin begleitete, dem westlichen Theil der Monarchie, namentlich der Provinz Westphalen, – und das Jahr 1800, »des Jahrhunderts ernste Neige«, sah sie auf dem höchsten Berge ihres Vaterlandes, der Schneekoppe in Oberschlesien.
Im Jahre 1802 kam Luise zum ersten Male in Begleitung ihres Gemahls zur Truppenrevüe nach Memel, wohin kaum ein Lustrum später die Trümmer des Preußischen Staates sich retteten und wo Luise die bittersten Stunden ihres Lebens zugebracht hat. Hier war es, wo die beiden benachbarten Monarchen Friedrich Wilhelm III. und Kaiser Alexander I. von Rußland den Bund der Freundschaft fürs Leben schlossen, der sich bald genug der ernsten Probe unterziehen mußte.
Mit einer fröhlichen Harzreise schloß die glücklichste Zeit für die Königin Luise ab, der nur zu früh die herben letzten fünf Jahre ihres Lebens folgten. Schon nahten sich wie ein ertödtender »Reif in der Frühlingsnacht« die Tage der Vernichtung Preußens und damit der Schande Deutschlands.