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Der allgemeine Tanz sollte erst um acht Uhr beginnen, aber schon vorher war immer Musik genug da für alle Bursche und Mädchen, die etwa auf dem schattigen Rasenplatz tanzen wollten. Die Musik des Wohlthätigkeitsklubs konnte die vorzüglichsten Tänze, schottische, irländische und welsche Melodien spielen; dann waren da eine Menge Musikanten aus Rosseter, die mit ihren wundervollen Blasinstrumenten und aufgetriebenen Backen schon ein rechtes Gaudium für die kleinen Jungen und Mädchen waren; und endlich hatte Josua Rann aus reinem Edelmut seine Fiedel mitgebracht, falls jemand einen hinlänglich reinen Geschmack haben sollte, lieber ein Violin-Solo zu hören als zu tanzen.
Inzwischen begannen die Spiele, sobald die Sonne von dem freien großen Platz vor dem Hause gewichen war. Natürlich gab es wohlgeseifte Kletterstangen für die Knaben und Bursche, Wettlaufen für die alten Frauen, Sacklaufen, Hebeproben für starke Männer und eine ganze Reihe so ehrgeiziger Unternehmungen wie die: möglichst lange auf einem Bein zu gehen; bei Spielen dieser Art versprach man im voraus dem Borsten-Ben, als dem gewandtesten und gelenkigsten Burschen in der ganzen Grafschaft, ziemlich allgemein den Sieg. Die Krone von allem sollte ein Eselrennen sein, das großartigste von allen Rennen, welches in der herrlichen Art betrieben wird, daß jeder jedes andern Esel antreibt, und daß der störrischste Esel gewinnt.
Bald nach vier Uhr führte Adam die stattliche, alte Madame Irwine in ihrem Damastkleide und Juwelen und schwarzen Spitzen auf den erhöhten Sitz unter dem gestreiften Zelte, wo sie die Preise verteilen sollte. Die übrigen Mitglieder der Familie folgten. Die nüchterne, förmliche Fräulein Lydia hatte das königliche Amt der Preisverteilung der fürstlichen alten Dame überlassen, und Arthur freute sich, daß er so den Geschmack seiner Gevatterin für vornehmes Repräsentieren befriedigen konnte. Der alte Herr Donnithorne, sauber zum äußersten, auf das feinste duftend trotz seines gebrechlichen Alters, führte das älteste Fräulein Irwine mit der abgemessensten Höflichkeit; Arthurs Freund Gawaine folgte mit Fräulein Lydia, die in ihrem eleganten seidnen Kleide von Pfirsichblütenfarbe kalt und steif aussah, und zuletzt kam Pastor Irwine mit seiner bleichen Schwester Anna. Außer Gawaine war heute kein Freund der Familie eingeladen; am folgenden Tage sollte für die vornehme Welt aus der ganzen Umgegend ein großes Diner sein, aber heute waren alle Kräfte nötig für die Unterhaltung der Bauern.
Vor dem Zelte trennte ein Graben den Rasenplatz vom Park, aber für den heutigen Tag war eine Brücke herübergeschlagen, so daß die Sieger ins Zelt treten konnten, und auf beiden Seiten des freien Platzes standen die Leute in Gruppen zusammen oder saßen auf Bänken umher.
»Das ist wirklich ein allerliebster Anblick,« sagte die alte Dame mit ihrer tiefen Stimme, als sie Platz genommen hatte und den hellen Rasen mit seinem dunkelgrünen Hintergrunde überblickte, »und wahrscheinlich ist es die letzte Festlichkeit, die ich hier erlebe, wenn du dich nicht bald verheiratest, Arthur. Aber daß du mir ja eine hübsche Frau nimmst; sonst möchte ich sie lieber gar nicht sehen.«
»Sie sind so schrecklich schwer zu befriedigen, liebe Pate,« erwiderte Arthur; »ich verzweifle, daß es mir gelingt.«
»Nun, wenn sie nicht wenigstens hübsch ist, das würd' ich dir nie vergeben. Mit Liebenswürdigkeit laß ich mich nicht abspeisen; das ist immer nur 'ne Entschuldigung für häßliche Leute. Und dumm darf sie auch nicht sein, das gäbe ein Unglück; du mußt ein bißchen geleitet werden, und das bringt eine dumme Frau nicht fertig. Dauphin, wer ist der große, junge Mensch mit dem sanften Gesicht? Da, hier rechts, mit dem bloßen Kopfe; er bemüht sich so um die große, alte Frau neben ihm – seine Mutter natürlich. So was seh' ich gern.«
»Wie, Mutter, kennst du den nicht?« antwortete der Pastor. »Das ist Seth Bede, Adams Bruder, ein Methodist, aber ein sehr guter Mensch. Der arme Kerl sah in der letzten Zeit sehr niedergeschlagen aus; ich glaubte, es sei wegen des traurigen Todes seines Vaters, aber Josua Rann hat mir gesagt, er habe die hübsche, kleine Methodistin heiraten wollen, die vor 'nem Monat hier war, und sie hat ihn vermutlich ausgeschlagen.«
»Aha, ich erinnere mich, von ihr gehört zu haben; aber es sind eine ganze Menge Leute hier, die ich nicht kenne, so sind sie gewachsen und haben sich verändert, seit ich nicht mehr ausgehe.«
»Was für gute Augen Sie noch haben!« sagte der alte Donnithorne, der selbst ein doppeltes Augenglas gebrauchte; »in so weiter Ferne erkennen Sie noch den Ausdruck in dem Gesicht des jungen Mannes. Für mich ist sein Gesicht nur ein unklarer, blasser Fleck. Aber in der Nähe sehe ich, glaub' ich, besser. Ich kann kleinen Druck ohne Brille lesen.«
»Ja, lieber Herr, Sie sind immer kurzsichtig gewesen, und so kurzsichtige Augen halten am besten vor. Lesen kann ich nur durch eine sehr scharfe Brille, aber für die Ferne werden meine Augen immer besser. Wenn ich noch fünfzig Jahre leben könnte, würde ich wohl nur noch das sehen können, was für alle andern zu weit ist, grade wie man auf dem Grunde eines Brunnens nur noch die Sterne sieht.«
»Aha, sehen Sie!« rief Arthur, »die alten Weiber stellen sich an zum Wettlauf. Auf welche wetten Sie, Gawaine?«
»Auf die mit den langen Beinen, wenn sie nicht mehrmal laufen müssen: dann gewinnt vielleicht die kleine magere.«
»Da sind Poysers, Mutter, hier rechts, nicht weit ab,« sagte Fräulein Irwine. »Frau Poyser sieht dich grade an. Grüß' sie doch.«
»Gewiß, gewiß,« antwortete die alte Dame und verbeugte sich gnädig gegen Frau Poyser. »Eine Frau, die so vorzüglichen Rahmkäse schickt, darf man nicht vernachlässigen. Aber um des Himmels willen, was für ein dickes Kind hat sie da auf dem Schoße! Und wer ist das hübsche Mädchen bei ihr mit den dunkeln Augen?«
»Das ist Hetty Sorrel,« erwiderte Fräulein Lydia, »die Nichte von Pachter Poyser, eine sehr nette Person, und sieht auch gut aus. Sie lernt bei meinem Kammermädchen feine Stickerei, und einige Spitzen hat sie mir recht gut ausgebessert, wirklich recht gut.«
»Ei, sie ist ja schon sechs oder sieben Jahre bei Poysers, Mutter; du mußt sie schon gesehen haben,« meinte Fräulein Irwine.
»Nein, Kind, niemals; wenigstens nicht wie sie jetzt ist,« entgegnete Madame Irwine und sah fortwährend Hetty an. »Sie sähe gut aus, sagen Sie, Fräulein Lydia?! Nun freilich, sie ist eine vollkommene Schönheit! So etwas hübsches habe ich seit meinen jungen Jahren nicht gesehn. Wie schade, daß so viel Schönheit sich unter Bauersleute verirrt; wie könnten arme Familien von Stande das gebrauchen! Und die nimmt nun 'nen Mann, für den sie grade so hübsch wäre, wenn sie kugelrunde Augen und rotes Haar hätte.«
Arthur wagte nicht, Hetty anzusehen, während Madame Irwine so von ihr sprach; er that, als höre er's nicht und blickte ganz nach der andern Seite. Aber auch ohne hinzusehen, sah er sie deutlich genug, sah sie schöner als je, weil er ihre Schönheit rühmen hörte; denn anderer Leute Meinung war, wie wir wissen, sein Lebenselement, war die Luft, in der seine Empfindungen am besten gediehen und stark wurden. Ja! Sie konnte einem den Kopf verdrehen; an seiner Stelle hätte jeder andre ebenso empfunden und gehandelt. Und sie doch aufzugeben, wie er entschlossen war zu thun, das schien ihm eine That, auf die er immer mit Stolz zurückblicken würde.
»Nein, Mutter,« erwiderte der Pastor auf die letzte Bemerkung der alten Dame, »nein, Mutter, darin kann ich dir doch nicht recht geben. Die gewöhnlichen Leute sind durchaus nicht so dumm, wie du meinst. Der gemeinste Mann, der nur einen Funken Verstand und Gefühl hat, fühlt gar wohl den Unterschied zwischen einer hübschen, feinen Frau und einer häßlichen. Selbst ein Hund bemerkt den Unterschied, wenn sie beide zusammen sind. Zwar kann der gemeine Mann die Wirkung, welche die Schönheit auf ihn ausübt, sich vielleicht eben so wenig deutlich machen wie der Hund, aber er fühlt sie jedenfalls.«
»Aber, Dauphin, was versteht ein alter Junggesell wie du davon?«
»O, das gehört zu den Dingen, auf die sich ein alter Junggesell besser versteht als verheiratete Leute, weil er Zeit zu umfassendern Betrachtungen hat. Wer Frauen recht aus dem Grunde beurteilen will, darf sein Urteil nie durch die Wahl einer einzigen Frau beschränken. Um dir indessen meine Worte mit einem Beispiel zu erläutern: die junge Methodistin, von der ich eben sprach, sagte mir, sie habe vor den rohesten Grubenarbeitern gepredigt und sei von ihnen immer mit der äußersten Hochachtung und Freundlichkeit behandelt. Der Grund ist, – was sie freilich nicht weiß – daß sie so was zartes, feines und reines an sich hat. Solch ein Mädchen wie die bringt »Himmelslüfte«, gegen welche auch der gröbste Mensch nicht unempfänglich ist.«
»Da kommt so ein zartes Ding von einer Frau oder einem Mädchen, wohl um sich ihren Preis zu holen,« sagte Gawaine; »wahrscheinlich vom Sacklaufen, das schon angefangen hatte, ehe wir hier waren.«
Das Ding von einem Mädchen war unsre alte Bekannte, Schmieds Lieschen, deren große runde Backen und dicke Figur von dem heißen Rennen hochrot geworden waren. Lieschen hatte, wie ich leider bekennen muß, nach Dinas Abreise ihre Ohrringe wieder angelegt und trug auch sonst so viel Putzsachen wie sie nur auftreiben konnte. Wer dem armen Lieschen hätte ins Herz sehen können, der würde eine überraschende Ähnlichkeit zwischen ihren kleinen Wünschen und Hoffnungen und denen Hettys gefunden haben, und was wirkliches Gefühl angeht, hätte Lieschen vielleicht den Vorzug gehabt. Aber sie waren ja äußerlich so sehr verschieden! Lieschens Ohr hätte man klatschen mögen, Hettys gern geküßt.
Lieschen hatte das beschwerliche Sacklaufen teils aus reiner ausgelassener Lustigkeit, teils des Preises wegen mitgemacht; sie hatte gehört, unter den Preisen seien Mäntel und hübsche Kleider, und als sie nun an das Zelt herantrat, leuchtete ihr der Triumph aus den runden Augen, während sie sich vor Hitze mit dem Taschentuche fächelte.
»Hier ist der Preis für das erste Sacklaufen,« sagte Fräulein Lydia und reichte Madame Irwine, ehe noch Lieschen da war, ein großes Paket: »ein sehr guter Rock von Kamelgarn und ein Stück Flanell.«
»Du hast wohl nicht gedacht, Tante, der Preis würde einem so jungen Mädchen zufallen,« bemerkte Arthur. »Könntest du nicht etwas andres für sie hergeben und den schweren Rock für eine alte Frau zurücklegen?«
»Ich habe nur gekauft, was nützlich und dauerhaft ist,« antwortete die Tante und zog sich das Spitzentuch zurecht; »ich mag junge Mädchen von diesem Stande durchaus nicht in ihrer Putzsucht bestärken. Ich habe noch einen roten Mantel, aber der ist für 'ne alte Frau bestimmt.«
Madame Irwine sah bei dieser Antwort etwas spöttisch zu Arthur hinauf; inzwischen kam Lieschen heran und knixte einmal über das andere.
»Mutter, da ist Lieschen,« sagte der Pastor freundlich, »Schmieds Lieschen; du kennst doch noch den Schmied?«
»Gewiß kenn' ich ihn,« antwortete die alte Dame. »Hier, Lieschen, ist Ihr Preis, schöne warme Sachen für den Winter. Es ist Ihr in der Hitze gewiß recht sauer geworden.«
Als Lieschen den häßlichen, schweren Rock sah, ließ sie den Mund hängen; das Zeug fühlte sich an dem Julitage so heiß und unangenehm an und war so schwer zu tragen. Ohne aufzublicken machte sie wieder ihren Knix und wandte sich um, indem ihre Mundwinkel immer stärker zuckten.
»Das arme Ding,« sagte Arthur; »die ist bös getäuscht; ich wollte, sie hätte etwas bekommen, was ihr besser gefiele.«
»Sie sieht recht unverschämt aus, diese junge Person,« bemerkte Fräulein Lydia; »die muß man gar nicht in ihrem Sinne bestärken.«
Arthur beschloß bei sich, noch im Laufe des Tages Lieschen ein Geldgeschenk zu machen, wofür sie sich etwas nach ihrem Geschmack kaufen könne; aber das Mädchen, welches von dieser neuen Aussicht keine Ahnung hatte, verließ inzwischen den Rasenplatz, wo man sie von dem Zelte aus sehen konnte, warf das verhaßte Zeug unter einen Baum und fing an zu weinen, sehr zum Ergötzen der kleinen Jungen, die sie laut auslachten. In dieser Lage fand sie ihre alte geizige Cousine.
»Was fehlt dir?« fragte die alte Lise, indem sie das Zeug aufnahm und mit den Händen befühlte. »Du bist wohl halb erstickt von dem verrückten Laufen. Und da hast du nun so hübsches Zeug zum Rock und Flanell bekommen; das käme doch eher denen zu, die verständig genug gewesen sind, die Narrheit nicht mitzumachen. Du könnt'st mir von dem Zeug wohl ein bißchen abgeben zu Kleidern für meinen Jungen; bist ja immer gutherzig, Lieschen; das hab' ich immer gesagt.«
»Ihr könnt meinetwegen alles nehmen,« antwortete das kleine Lieschen trotzig und fing an sich die Thränen abzuwischen und sich etwas zu erholen.
»Nun, ich könnt's schon gebrauchen, wenn du es los sein willst,« sagte die uneigennützige Cousine und machte sich mit dem Bündel rasch davon, ehe Lieschen sich anders besänne.
Aber das rotbackige Mädchen hatte einen so leichten und frischen Sinn, daß sie ihren Kummer bald abschüttelte, und als die Krone des Festes, das Eselrennen herankam, verflog ihre Enttäuschung gänzlich in der lustigen Aufregung des Versuchs, den letzten Esel durch Zischen und Lärmen vorwärts zu treiben, während die Jungen die Überzeugungskraft ihrer Stöcke versuchten. Aber eines Esels Sinn hat seine Stärke darin, daß er allen Gründen gerade entgegen handelt, wozu genau genommen eine eben so große Geisteskraft gehört als zum einfachen Nachgeben, und der Esel hier bekundete die ganze Höhe seines Geistes dadurch, daß er gerade, als die Schläge am dichtesten regneten, unbeweglich stehen blieb. Die Menge jauchzte und schrie und herrlich grinste der Steinsäger Wilhelm, der glückliche Reiter dieses vorzüglichen Tieres, welches mitten in seinem Triumph ruhig und steifbeinig dastand.
Die Preise für die Männer hatte Arthur selbst besorgt, und er machte nun den Wilhelm mit einem prächtigen Taschenmesser glücklich, mit so viel Klingen und Stiften und Bohrern, daß man sich auf einer wüsten Insel damit hätte einrichten können. Kaum hatte der Sieger, seinen Preis in der Hand, das Zelt verlassen, als sich das Gerücht verbreitete, Borsten-Ben wolle, ehe die vornehmen Herrschaften zu Tische gingen, die Gesellschaft mit einer Extra-Vorstellung aus dem Stegreif unterhalten, einem Hornpipe nämlich, den er der Hauptsache nach unzweifelhaft entlehnte, aber durch eigene Zuthaten so eigentümlich und mannigfaltig machen wollte, daß ihm niemand das Lob der Originalität versagen könne. Auf sein Tanzen, womit er jedes Jahr auf der Kirchweih große Wirkung machte, war Borsten-Ben so stolz, daß es nur einer kleinen Beihilfe durch ein paar Gläser gutes Bier bedurfte, um ihn zu überzeugen, den vornehmen Herrschaften würde seine Hornpipe außerordentlich gefallen, und Josua Rann hatte ihn darin durch die Bemerkung bestärkt, es sei nicht mehr als billig, daß man dem jungen Herrn zum Dank für seine vielen Bemühungen auch ein Vergnügen mache. Diese Ansicht wird bei dem würdigen Manne etwas weniger überraschen, wenn man erfährt, daß Ben den Meister Josua aufgefordert hatte, ihn auf der Fiedel zu begleiten. Und Josua war überzeugt, wenn auch am Tanzen nicht viel sein würde, sein Spielen würde das schon wieder gut machen. Als noch dazu Adam Bede, welcher der Beratung in einem der großen Zelte beiwohnte, zu Ben sagte, er solle sich doch nicht zum Narren machen, da stand der Entschluß des tanzlustigen Ben unerschütterlich fest; er durfte doch nichts aufgeben, weil Adam Bede die Nase dazu rümpfte.
»Was wird das, was wird das?« fragte der alte Herr Donnithorne. »Hast du das angeordnet, Arthur? Da kommt ja der Küster mit seiner Fidel und ein schmucker Bursch mit einem Blumenstrauß im Knopfloch.«
»Nein,« erwiderte Arthur, »ich weiß nichts davon. Wahrhaftig, er will uns was vortanzen. Er ist einer von den Zimmerleuten – ich weiß im Augenblick nicht mal, wie er heißt.«
»Es ist Schmieds Benjamin, Borsten-Ben, wie sie ihn nennen,« sagte der Pastor; »ein etwas loser Vogel, wenn ich nicht irre. Liebe Anna, das Kratzen auf der Violine greift dich an, wie ich sehe; du wirst müde. Komm, ich will dich hineinführen, damit du vor Tisch noch etwas ruhen kannst« – und der gute Bruder führte die kranke Schwester ins Haus.
Mittlerweile fiel Josua nach einigen einleitenden Griffen in die Melodie von der »weißen Cocarde«, aus der er dann mittelst verschiedener Übergänge, die er bei seinem guten Gehör wirklich nicht ungeschickt ausführte, in viele andere Melodien überzugehen gedachte. Daß Ben mit seinem Tanzen alle Aufmerksamkeit verschlang und niemand auf die Musik achtete, davon hatte er natürlich keine Ahnung; der Schmerz wurde seiner Künstlerseele erspart.
Habt ihr je einen wirklichen englischen Bauern Solo tanzen sehen? Wahrscheinlich nur im Ballett, und da lächelte er dann wie ein lustiger Bauer von Porzellan und drechselte zierlich mit den Hüften und machte einschmeichelnde Bewegungen mit dem Kopf. Aber das verhält sich zur Wirklichkeit wie der »Vogelwalzer« zum Gesang der Vögel. Borsten-Ben lächelte nie; er sah so ernst aus wie ein Tanzaffe, so ernst als sei er ein Naturforscher, der etwa an seiner eigenen Person Versuche anstellt, wie viel Schütteln und Schwenken und Biegen der menschliche Körper ertragen kann.
Aus dem gestreiften Zelte erscholl ein so übermäßiges Lachen, daß Arthur zur Entschädigung dafür fortwährend Beifall klatschte und Bravo rief. Aber Ben hatte einen andern Verehrer, der seinen Bewegungen mit einem so glühenden Ernste folgte, wie der Tänzer selbst sie machte. Das war Pachter Poyser, der, Thoms zwischen den Knien, auf einer Bank saß.
»Was meinst du dazu?« sagte er zu seiner Frau, »er geht so genau nach der Musik, als wenn er ein Uhrwerk wäre. Als ich noch nicht so schwer wog, ging's mit meinem Tanzen doch auch nicht schlecht, aber es so grade aufs Haar zu treffen wie der, das hätt' ich nicht gekonnt.«
»Wie es mit seinen Gliedmaßen steht, darauf kommt wenig an, will mich dünken,« entgegnete Frau Poyser; »jedenfalls ist sein Oberstübchen ziemlich leer, sonst käme er wohl nicht her und hopste und spränge vor den Herrschaften herum wie ein tollgewordener Grashüpfer. Man kann ja sehen, wie die Herrschaften vor Lachen beinahe umkommen.«
»Nun, um so besser, dann haben sie doch ihr Pläsir dran,« erwiderte der Mann, der die Dinge nicht leicht schlimm nahm. »Aber jetzt brechen sie auf, wahrscheinlich zu Tisch. Wir wollen ein bißchen herumspazieren, nicht? und nachsehen, was Adam Bede macht. Er muß nach dem Trinken und solchen Geschichten sehen; dabei hat er gewiß nicht viel Vergnügen.«