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Viertes Kapitel.
Trafford erhält eine Versicherung

Am nächsten Abend saß Trafford in seinem Hotelzimmer zu Bangor und durchlas eine Abschrift des Bekenntnisses, das Richter Parlin hinterlassen hatte.

»Ihre glänzenden Geistesgaben haben sie im Leben weit vorwärts gebracht,« sagte er zu sich selbst, »sie haben ihren Gatten bei dessen politischen Aktionen unterstützt, und ihr Einfluß allein hat die Beförderung Parlins zum höchsten Richteramt vereitelt. – Das sieht alles so durchscheinend aus, daß mir die Richtigkeit dieser Sache recht fraglich erscheint. Beim heiligen Georg, es sollte mich geradezu wundern, wenn Richter Parlin wirklich dieses Bekenntnis verfaßt hat. Ich hätte das Original etwas schärfer prüfen sollen. Wenn ich einer jener ahnungsvollen Detektivs wäre, wie man sie heute in allen Romanen antrifft, dann hätte ich sicher als erstes eine Fälschung konstatiert.«

Nichtsdestoweniger machte er sich an die Aufgabe, die Fäden des Geheimnisses, das diese Urkunde enthielt, zu entwirren, und das Ergebnis gab ihm viel zu denken. Bangor konnte nicht der Ausgangspunkt der Bewegung gegen die Ernennung des Richters gewesen sein. Im Gegenteil, gerade in Bangor war Richter Parlin mehr als anderwärts begünstigt worden. Aber das Dokument besagte anderseits auch nicht, daß Wings Mutter in Bangor geblieben war und daß sie gerade an diesem Ort ihren Gatten politisch unterstützt hatte. Den größten feindlichen Einfluß gegen Richter Parlin schob man allgemein einem Exgouverneur Namens Matthewson zu, der augenblicklich wohl ohne Amt war, ohne dessen Begünstigung aber nur wenige es wagten, nach Amt und Würden zu streben.

»Wenn es sich nun erweisen sollte, daß Matthewsons Gattin aus Bangor gebürtig ist, dann wäre die ganze Geschichte lächerlich einfach,« sagte Trafford sinnend. »So einfältig war der alte Richter nicht, um zu glauben, er könne durch die Form seines letzten Bekenntnisses ihre Identität verborgen halten. Entweder beabsichtigte er gerade, daß Wing oder Mrs. Parlin es errieten oder – – aber was hatte es dann für einen Zweck, solch ein Schriftstück zu verfassen?«

Plötzlich fuhr er kerzengerade in die Höhe und starrte das Dokument in heller Bestürzung an. Faltete es dann mit einem leisen Pfiff zusammen und steckte es in sein Taschenbuch.

»Ich bin sicher, daß Mrs. Matthewson aus Bangor stammt, ich wette zehn Cents gegen einen Hosenknopf!« erklärte er.

Was auch Trafford auf diesen plötzlichen Schluß gebracht hatte, er erwies sich als durchaus folgerichtig, und die Schilderung ihrer Geistesstärke und der Hilfe, die sie ihrem Gatten erwiesen, paßten genau auf den Charakter jener Frau. Natürlich folgte hieraus die Frage, ob es ratsam wäre, weiter vorzugehen, und wenn ja, um wieviel er weitergehen durfte. Mrs. Matthewson hatte zweifellos aus der Veröffentlichung des Vorfalles mit allen seinen Einzelheiten Anlaß genommen, auf ihrer Hut zu sein, und sie war sicherlich nicht die Frau dazu, um über die Schritte, die man zur Verfolgung der Sache unternahm, und über den Mann, der diese Schritte leitete, im unklaren bleiben zu wollen. Ihre Familie war mächtig und dafür bekannt, daß sie es mit den Mitteln zur Erreichung ihrer Zwecke nicht sonderlich genau nahm. Anderseits war es klar, daß, wenn ihre Vergangenheit wirklich eine derartige Episode enthielt, ihr Gatte davon keine Ahnung besitzen und ihr nur daran liegen konnte, ihn in dieser Unkenntnis zu erhalten. Es war daher mit Gefahr verbunden, dem Geheimnis auf den Grund zu dringen, aber das Ergebnis konnte ihm auch vielleicht sehr zum Vorteil gereichen.

Außerdem war es die Freude an der Jagd, die keinem Manne fehlt – am wenigsten einem geschulten Detektiv – was ihn anzog. Hier galt es, ein Problem zu lösen, und – ob Gefahr oder nicht – es war ihm ebenso unmöglich, sich die Lösung zu versagen, wie, sich den Atem zu versagen. Und ob er Nutzen dabei hatte oder nicht – er wollte die Wahrheit ergründen.

Auf diesen Teil der Sache indessen war er durchaus nicht so bedacht, daß er darüber Jim Shepard vergessen hätte. Tags darauf begab er sich vielmehr nach Portland und suchte den jungen Landmann auf; er fand ihn bei der Arbeit vor, krank vor Heimweh in dieser nach seinen Begriffen großen Stadt. Und als er erfuhr, daß Trafford aus Millbank kam, zögerte er nicht, ihm sein Herz auszuschütten und redete so frei zu ihm, wie er etwa zu Oldbeg gesprochen haben würde. Trafford ließ ihn reden. Es kam eine Flut von gleichgültigen Dingen, aber der Detektiv wußte aus Erfahrung, daß man nie im voraus entscheiden kann, was von Nutzen und was wertlos sei. Alles in allem jedoch war es eine rechte Wüste von Gedanken, bis er schließlich auf die Nacht zu sprechen kam, in der er Millbank verlassen hatte.

»Ich war übrigens nicht der einzige,« sagte er, »der beinahe den Zug versäumt hätte. Gerade als er abfuhr, kam ein Bursche von Pettingills Lagerhaus her angestürmt und kletterte auf das Vorderende des Wagens herauf. Ich glaubte schon, er werde nicht mehr heraufkommen können, und wandte mich zurück, um ihn hinabgleiten zu sehen, aber er klammerte sich fest wie eine Klette, und schließlich gelang es ihm, einen Fuß auf den Tritt zu bringen. Ich sage Ihnen, er war förmlich zerschlagen, als er endlich auf den Wagen gelangte, denn er war ein feiner Herr und nicht gewohnt, seine Arme in dieser Weise zu gebrauchen.«

»Merkwürdig, daß er von Pettingills Lagerhaus herkam,« sagte der Detektiv.

»Ja, sehen Sie, wenn man den Weg zwischen Neils Schuppen und dem Postamt geht, so kommt man gerade an dieser Stelle heraus. Er muß sich genau ausgekannt haben, denn wäre er fremd gewesen, so hätte er sich unbedingt verirrt.«

»Ich denke, Sie sagten vorhin, er wäre ein Fremder gewesen und ein feiner Herr dazu?«

»Ja, fein war er schon. Städtische Kleidung. Glacéhandschuhe. Einer von den Handschuhen platzte ihm noch als er über den Schienen hing und den Wagen erkletterte. Aber dennoch muß er den Weg gekannt haben. Ich wette, daß er schon früher dort gewesen ist.«

»Sie scheinen ihn recht genau in Augenschein genommen zu haben.«

»Allerdings. Er saß zwei Bänke vor mir, und jedesmal, wenn ich aufwachte – denn auf diesen Sitzen in freier Luft schläft es sich nicht sonderlich bequem, – hatte ich ihn vor Augen. Erst als ich zum letzten Male aufwachte, bemerkte ich, daß er fort war.«

»Dann wissen Sie also nicht, wo er abgestiegen ist?« sagte Trafford, seine Enttäuschung verbergend.

»Nein, als wir Augusta passierten, war er noch da, aber dann wachte ich nicht eher auf, als bis wir Brunswick erreicht hatten, und da war er schon fort. Ich beabsichtigte zuerst, aufzupassen, wohin er fahren würde, aber hinter Augusta meinte ich, daß er wohl aus Portland sein werde, und so beachtete ich ihn nicht weiter.«

»Hm – Sie erhalten wohl zuweilen aus Millbank Briefe, nicht wahr? – Von Oldbeg zum Beispiel?«

»Ja –« sagte er und wurde dunkelrot, »Jonathan ist ja nicht gerade groß im Schreiben, aber zuweilen höre ich doch etwas von dort. Sagen Sie mir, glauben Sie, daß man jenen Schuß vor dem Parlinschen Hause bis in der Canaan Street gehört haben kann?«

»Ich weiß nicht,« erwiderte der Detektiv gleichgültig, seine Aufregung verbergend, »vielleicht in der Stille der Nacht. Aber wieso?«

»Ich habe da einen Brief von … von einer bekommen, darin schreibt sie, daß sie gleich, nachdem sie eingeschlafen, plötzlich wieder aufgewacht wäre, weil sie etwas wie einen Schuß gehört hatte. Sie stand auf, hörte jedoch nichts weiter und begab sich daher wieder zu Bett. Am nächsten Morgen aber meinte sie, daß es der Schuß gewesen sein müsse, der vor dem Parlinschen Hause fiel.«

»Sagte sie, um welche Zeit es war?«

»Nein, sie meint nur, eine halbe Stunde geschlafen zu haben, und ist in jener Nacht erst um zwölf Uhr zu Bett gegangen. Wahrscheinlich mochte sie nicht eher schlafen gehen, als bis sie den Zug hatte abfahren hören.«

»Hm – sehr merkwürdig – aber was nun diesen feinen Herrn betrifft, mit dem Sie zusammen reisten, würden Sie ihn wiedererkennen, wenn Sie ihn sähen?«

»Ich glaube wohl. Wenigstens, wenn ich seine Schädeldecke zu sehen bekäme. Er nahm einmal seinen Hut ab, und da bemerkte ich einen drolligen kleinen kahlen Fleck genau von der Form eines Herzens. Zu komisch – und obwohl er nicht mehr als dreißig Jahre alt sein konnte! Wenn der mal fünfzig ist, hat er sicher nicht mehr Haare auf dem Kopf als ich auf der flachen Hand.« –

Am Nachmittage des nächsten Tages wurde im inneren Bureau Charles Matthewsons Esq. zu Augusta eine Karte abgegeben, auf der in kleinen, eckigen Buchstaben gedruckt stand:

Isaak Trafford.

»Was zum Teufel will Trafford von mir haben?« fragte sich dieser. »Er ist wohl nicht recht klug.«

Er saß und starrte die Karte an, bis sich der wartende Boy schließlich durch Husten bemerkbar machte. Matthewson blickte mit verlegener Miene auf. Augenscheinlich war ihm an dem Besuch des Mannes, dessen Name auf der Karte stand, nichts gelegen, aber ebenso augenscheinlich wagte er es nicht, ihn abweisen zu lassen. So sagte er denn schließlich: »Führe ihn in fünf Minuten herein.«

Als Trafford eintrat, warf er, indem er sich kurz verbeugte, einen schnellen Blick auf Mr. Matthewsons Kopf – derselbe zeigte einen kleinen kahlen Fleck von der Form, die Jim Shepard mit den Worten beschrieben hatte: »Genau wie ein Herz«.

»Was steht zu Diensten, Mr. Trafford?« fragte Mr. Matthewson mit der Miene eines vielbeschäftigten Mannes.

»Ich bitte um eine Unterredung von zehn Minuten,« erwiderte der Detektiv und zog einen Stuhl dicht an das Pult.

»In Amtsgeschäften?«

»Ja – wenigstens in Geschäften meines Amtes.«

Matthewson stutzte. Es ärgerte ihn, daß er es tat, aber er konnte es nicht unterdrücken. Mit Trafford in Amtssachen – in Sachen seines Amts zu reden, das – wußte er – war nicht gerade angenehm.

»Nun gut, machen Sie dann schnell. Ich bin sehr beschäftigt und bitte Sie, sich so kurz wie möglich zu fassen.«

»Sie haben sich am Abend des zehnten dieses Monats in Millbank befunden.«

»Well, das nenn' ich kurz und bündig. Nun aber angenommen, ja, ich war dort, was weiter?«

»Warum waren Sie dort?«

»Das geht Sie nichts an.«

Trafford kicherte und machte Miene, sich zu erheben. Das war gerade die Antwort, die er erwartet hatte.

»Ja,« erklärte er, »ich halte mich genau zur Sache, wie Sie es wünschten. Wenn ich nun einen großen Umweg machen muß, bevor ich darauf zurückkommen kann, so dürfen Sie mich nicht tadeln.«

»Hören Sie, Trafford, Sie können nicht mit jedermann in derselben Weise umspringen. Wenn Sie von mir etwas zu erfahren wünschen, dann müssen Sie nicht so zu Werke gehen, als ob Sie einen x-beliebigen Landlümmel vor sich hätten, den Ihr Name allein schon in Schrecken versetzt.«

»Bitte sehr, nein,« erwiderte Trafford. »Wenn Sie tatsächlich ein solcher Landlümmel wären, wie Sie sich auszudrücken beliebten, dann hätte ich die Sache ganz vorsichtig aufgewickelt und alles von Ihnen erfahren, noch ehe Sie begriffen hätten, was ich eigentlich von Ihnen wollte. Da Sie nun kein x-beliebiger Landlümmel sind, rücke ich frank und frei mit meinem Anliegen heraus und erspare Ihnen und mir kostbare Zeit. – Was haben Sie am Abend des 10. Mai in Millbank gemacht? Sie waren in keinem der dortigen Hotels. Sie wurden von keinem der Männer gesehen, die sich gefreut hätten, Sie zu sehen.«

»So haben Sie also in ganz Millbank bekannt gegeben, daß ich in jener Nacht dort gewesen bin?« fragte Mr. Matthewson in ärgerlichem Ton.

Trafford sah ihn halb amüsiert, halb unmutig an; schließlich versetzte er: »In der Art pflege ich nicht zu Werke zu gehen. Wenn ich erfahren will, was andre wissen, brauche ich nicht preiszugeben, was ich selber weiß. In Millbank ist dadurch, daß ich Erkundigungen einzog, niemand klüger geworden.«

»Schön, wenn Sie so viel wissen und so verschlagen sind, dann ist Ihnen ja wohl bekannt, daß ich um acht Uhr dort angekommen und um Mitternacht wieder abgefahren bin.«

»Ja, und zwar sind Sie an der Haltestelle vor der Brücke aufgesprungen und haben sich, als der Zug bereits in Bewegung war, auf das Vorderende des zweiten Wagens geschwungen. Sie tauchten – nebenbei bemerkt – aus dem Schatten von Pettingills Kartoffelschuppen auf und taten so, als ob Sie nicht gesehen und erkannt zu werden wünschten.«

Trafford hatte ihn augenscheinlich bis ins Mark hinein getroffen, denn Mr. Matthewson drehte sich auf seinem Schreibstuhl herum und sah Trafford starr ins Gesicht, ehe er erwiderte: »Zum Henker! Warum werde ich mit solch scharfer Überwachung belästigt?«

»O –« sagte Trafford mit jener gleichgültigen Miene, die er mitunter aufzusetzen verstand, »vielleicht ist Ihnen unbekannt, daß sich in jener Nacht in Millbank eine Sache von einiger Wichtigkeit ereignet und unser Augenmerk auf alle Fremden gerichtet hat, die zu jener Zeit in der Stadt weilten, und besonders auf solche, die nicht erkannt und gesehen zu werden wünschten.«

»Sie meinen natürlich die Ermordung Wings?«

»Ich meine natürlich die Ermordung Wings.«

»Tja! Mr. Wings tragischen Tod bedaure ich sehr,« sagte der Anwalt kühl, »und beklage besonders die Begehung eines solchen Verbrechens. Deswegen halte ich nun aber das Ereignis durchaus nicht für so wichtig, wie die Bevölkerung von Millbank es natürlich tut, und ich vermute, daß der Staat trotz des großen Verlustes, den er erlitten hat, wird weiter existieren können.«

Es waren weniger diese übel angebrachten und taktlosen Worte, als die Art und Weise, in der sie geäußert wurden, was ihren Sinn verriet. Der grausame, harte Ton, in dem sie gesprochen, ließ den lauernden Haß des Sprechers erkennen, wiewohl ihm daran liegen konnte, seine Gesinnung zu verbergen. Sollte es möglich sein, so fragte sich Trafford, daß dieser Mann die Bedeutung der Geschichte Parlins erkannt hatte und daher wußte, daß Wing sein Halbbruder war? Er ließ die Frage gleich nach ihrem Auftauchen wieder fallen und begnügte sich mit der Feststellung, daß diesem gehässigen Ausbruch etwas zugrunde lag, das ihm noch unbekannt war.

»Sie vermuten doch wohl nicht etwa, daß ich derjenige gewesen sei, der Millbanks ersten Bürger über den Haufen geschossen hat?« fragte der Anwalt nach einer kurzen Gesprächspause, seinen Fehler scheinbar einsehend und nun bemüht, das Verlorne wieder einzuholen.

»Im Gegenteil, ich habe allen Grund, anzunehmen, daß er noch am Leben war, als Sie die Stadt verließen, und ich glaube auch, daß Ihr Besuch in der Stadt nichts – weder direkt noch indirekt – mit der Sache zu tun hat.«

Bei diesen Worten Traffords glitt ein eigenartiges Aufleuchten über das Gesicht des andern.

»Danke,« sagte er. »Aber wenn dem so ist, warum in aller Welt sind Sie dann eigentlich hier?«

»O, ich sprach nur von dem, was ich glaubte. Mein Glaube oder Nichtglaube aber hat mit der strengen Ergründung der Tatsachen nicht das mindeste zu tun. Hier bei Ihnen ging – fast im Augenblick des Mordes – etwas höchst Ungewöhnliches vor. Und ob ich nun glaube, daß es mit dem Morde etwas zu tun habe, oder nicht, das bleibt sich gleich. Es ist meine Pflicht, es in Erfahrung zu bringen, und darum bin ich hier.«

»Und wenn ich Ihnen nun sage, daß ich Ihnen nichts mitzuteilen habe?«

»Dann bedenken Sie vorher gefälligst, daß das Verhör des Coroners öffentlich sein wird, daß meins dagegen privatim abgehalten werden kann.«

»Gut. Was wünschen Sie also zu wissen?«

»Ich wünsche Ihre Versicherung zu erhalten, daß Ihr Besuch in Millbank weder direkt noch indirekt etwas mit Theodor Wing zu tun hatte.«

»Ich sehe nicht ein, was für einen Wert eine solche Versicherung für Sie haben kann. Denn wenn ich tatsächlich jemand gedungen hätte, ihn zu erschießen, dann würde ich doch natürlich nicht zögern, Ihnen diese Versicherung zu geben, und Sie würden wahrscheinlich in einer Woche hinter die Wahrheit der Sache gekommen sein.«

»Das ist meine Sache,« erwiderte Trafford. »Wenn ich mit Ihrer Versicherung zufrieden bin, dann sehe ich nicht ein, warum Sie mir Widerstand leisten.«

»Weil ich sehr gut weiß, daß Sie damit nicht zufrieden bleiben werden. Sie bekämen es fertig, sich morgen wiederum einzufinden mit neu gefundenen Beweisen, die unser ganzes Abkommen über den Haufen werfen könnten.«

»O, von einem Abkommen ist gar nicht die Rede,« sagte Trafford. »Wie die Sache liegt, wird das Verhör in ein oder zwei Tagen fortgesetzt werden. Ich weiß nun, daß Sie in jener Nacht in Millbank gewesen sind, und wenn ich keine Versicherung darüber erhalte, daß Ihr Besuch nichts mit dem Morde zu tun hatte, dann muß ich eben einfach den Coroner ersuchen, Sie vorzuladen. Kommen Sie dagegen meinem Wunsche nach, so liegt kein Grund für mich vor, irgend einem von Ihrem Besuch in Millbank zu erzählen, und ebensowenig den Coroner zur Vorladung zu veranlassen. Einem bestimmten Abkommen für die ganze Zukunft allerdings stimme ich nicht bei; darüber müssen die Tatsachen entscheiden, und Sie müssen ja besser wissen als ich, ob Sie deren eine zu fürchten haben.«

»Hm,« grunzte Matthewson, »die Sache ist also die: wenn ich Ihnen die gewünschte Versicherung gebe, dann werde ich nicht eher vorgeladen, als bis Sie es für notwendig erachten, und wenn ich die Versicherung nicht gebe, dann werde ich eben gleich vorgeladen.«

»Ungefähr so,« stimmte Trafford bei.

Matthewson saß ein paar Augenblicke lang nachdenklich da, währenddessen Trafford ihn beobachtete. Er war groß und schmächtig gebaut, hatte ein recht einnehmendes Gesicht, war elegant gekleidet – in der Tat ein feiner Herr, wie Jim Shepard ihn bezeichnet hatte. Sein Gesicht war nichts weniger als dumm, augenscheinlich hatte er manches von der Eigenart seiner Mutter geerbt. Aber dennoch hätte selbst einer, der äußeren Eindrücken gegenüber weniger auf seiner Hut gewesen wäre als der Detektiv, etwas Unsympathisches an dem Gesicht dieses Mannes gefunden – den listig lauernden Blick in den halbgeschlossenen Augen und den Mangel an Gefühl in den Linien des Mundes. Er war ein Mann, der um seinen Endzweck zu erreichen, recht weit gehen mochte, wenn auch ohne absichtlich grausam zu handeln.

Matthewson wandte sich plötzlich um und sagte mit einem schiefen Blick auf den wartenden Detektiv: »Nun gut, ich gebe Ihnen die Versicherung, daß mein Besuch in Millbank nichts Direktes oder Indirektes mit Mr. Wings Tod zu schaffen hatte.«

»Das ist in der Tat alles, was ich wünsche,« sagte der Detektiv und verabschiedete sich.

»Ich hatte ihn für scharfsinniger gehalten,« dachte Matthewson, als sich die Türe hinter dem Besuch geschlossen hatte.

Und Trafford überlegte: »Nun ist es erst recht meine Aufgabe, herauszufinden, was dieser Besuch mit Mr. Wing zu schaffen hat. Matthewsons Erklärung werde ich erst prüfen, bevor ich sie gelten lasse.«

*


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