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Schon waren es sieben Monate und sechs Tage, seitdem der alte Nelis Cramp, der Besitzer des Weißhofes, seinen letzten langen Schlaf in dem trefflichen eichenen Sarge schlief, für den Annemie, seine junge Witwe, dem Dorfschreiner Pier Guda zwanzig Gulden bezahlt hatte.
An einem schwülen Augustabend stand Annemie im Hofe, als man das Getreide hereinbrachte. Den ganzen Tag über hatte die Sonne gleichsam schmollend hinter großen weißen und grauen Wolken geschienen.
Schon vor Tagesanbruch war die Herrin auf den Beinen gewesen und hatte Kees, den Meisterknecht, mit einigen Schnittern, die nur auf einige Zeit im Dienste waren, hinausgeschickt, um das Getreide von dem Feld zu holen, das eine Stunde vom Hofe im Polder von Ylwaal, nahe bei der Schelde, lag.
Mit der Arbeit war es schnell gegangen. Drei Fuhren hatten genügt, um die Schober aufzuladen, und jetzt kam der letzte Wagen, den Kees selbst führte, nach Hause.
Der Bursche, der flink wie ein Füllen war, sprang auf den Wagen und warf die aufgehäuften Garben herunter, indem er deren jedesmal zehn zählte. Unten standen die Schnitter in der Reihe und fingen sie mit ihren Gabeln auf und warfen sie weiter bis zu dem, der am nächsten bei der Scheune stand.
Der starke Körper von Kees warf einen schwarzen Schatten auf die Mauer der Scheune, die von dem roten Schein der Abendsonne glänzte. Die Bäuerin Annemie freute es, dem Arbeiter in seinen verschiedenen Stellungen mit den Augen zu folgen. Er bückte sich, richtete sich wieder auf und bewegte dabei die Arme, und diese Übung machte auf die sanguinische Meisterin fast denselben bezaubernden Eindruck, den man beim Anblick gewisser Tänze empfindet. Müde und entnervt versenkte sie sich in die Betrachtung der körperlichen Tätigkeit dieses ergebenen und wohlgestalteten jungen Burschen, und der Gedanke, daß dieser stolze Kerl für sie und den Weißhof arbeite, verdoppelte das Vergnügen, mit dem sie ihm zusah.
Aus dem Stall, der an das Haus stieß, kamen warme Ausdünstungen, die wegen der gewitterschwangeren Luft lange im Innern blieben und sich nur langsam nach außen hin mit dem lebhafteren Geruch des Pferdestalles und dem wohlriechenden Heu- und Getreideduft, der aus der Scheune kam, vermischten. Aus der erwärmten Erde erhob sich ein schwefel- und ozonartiger Dunst wie ein brandiger Geruch von elektrischen Zusammenstößen.
Die umzäunten Gärten, die mit Sträuchern und üppig blühenden Blumen bepflanzt waren, wie die Bauern es lieben, mit Teerosen, niedrigen Nelken, Levkojen und Kamillen, hauchten ihre herben Dünste aus, und in dem Obstgarten gaben die noch grünen, beschädigten Früchte säuerliche Gerüche von sich.
Im Stall glucksten die Hühner auf ihren Stangen. Die Kühe, die mit vollem Magen dalagen, brüllten dumpf vor sich hin. Das einzige Geräusch, das man aus der Ferne noch hörte, war das schrille Zirpen der Grillen oder das Quaken der Frösche am Rande der vertrockneten Gräben.
Janneke, der Kuhhirt, der Neffe der Meisterin, ein verschmitzter Bube, hatte, so gut er eben konnte, die beiden starken holländischen Pferde ausgespannt, deren runde Rücken und deren Flanken glänzten wie die Kupfertöpfe des Weißhofes. Janneke führte sie zu den anderen drei Paaren, die schon den Hafer zermalmten.
Das angenehme Geräusch dieser Kinnladen machte die zuletzt gekommenen Pferde ungeduldig, und der Junge hatte Mühe, sie zurückzuhalten. Während er ihnen ganz gemütlich die Halfter abnahm, fluchte er wie ein Erwachsener und schrie: »Haarüh! Hahütt!«
Die müden Schnitter schwiegen. Nur Kees, der geweckter war, trällerte ein paar Verse von Jak Corepain, dem Musikanten, vor sich hin:
Kommt ihr Freunde noch einmal
Mit der Maid
Über die Heid ...
Nur hier und da hörte er auf, um seine Kameraden anzufeuern: »Hallo, du, Schielhans, mach voran! – Hopsa, aufgefangen, Dirk Pap! – Jan, gib acht, daß ich dich nicht noch einmal erwische, wenn du auf die Pferde loshaust. Verfluchter Kerl! – Nur drauf, nur drauf, Bast, rechts ist noch Platz, hinter der Tür. – He, Meisterin, was sagen Sie dazu?«
Annemie, direkt angeredet, erwachte aus ihren Träumereien.
»Ja, ihr seid wirklich tüchtige Kerle«, sagte sie, »und ihr schafft, was ihr könnt. Paulke wird euch aber auch ein gutes Gläschen bringen.«
Paulke, die dicke rothaarige Magd, hatte eben einen großen kupfernen Kessel an dem Haken über dem Herd aufgehängt, und sie begab sich darauf in das Vordergemach und brachte einen kleinen Krug und ein Glas heraus.
Sobald die letzte Garbe in der Tenne lag, rollte Janneke den Wagen unter den Schuppen. Kees legte die Geräte zusammen in eine Ecke und schloß die Scheunentür.
Paulke wartete auf die Arbeiter. Kees ließ sie herbeikommen, und mit dem Glas in der Hand wandte er sich an die Meisterin.
»Gesundheit, Meisterin!« sagte er und leerte das Glas in einem Zuge. Dann gab er es der Magd zurück, und die Arbeiter tranken in der Runde. Sie waren in Hemdsärmeln, und unter dem ungebleichten Linnen oder dem roten Flanell sah man von ihrer fleischigen Brust die Schweißtropfen herablaufen. Es waren lauter starke Kerle mit stämmigen Hälsen und breiten Rücken. Ihre vollen Gesichter mit einem dicken, zufriedenen Mund und porzellanblauen Augen waren ganz von der Sonne gebräunt. Sie sprachen unter sich nur mit einzelnen hingeworfenen Silben, und wenn sie lachten, sah man zwei Reihen Zähne, so weiß und so solid wie das Gebiß eines jungen Löwen.
Die Herrin stand noch immer da und betrachtete sie mit überlegener Miene. Ohne sich um ihr herablassendes Wesen zu kümmern, zankten die Arbeiter mit der dicken Paulke und zwickten sie heimlich, während das häßliche Geschöpf ihnen noch ein Glas Genever einschenkte.
Die Augen der jungen Witwe kehrten, unwiderstehlich angezogen, wieder zu Kees Doorik, dem Meisterknecht, zurück. Sein Benehmen war doch ein anderes als das jener plumpen Kerle, die nur mit Speck, Kartoffeln und Buttermilch gefüttert wurden. Es war mehr Intelligenz in diesem wenig pausbäckigen Gesicht, in diesen schwarzen Augen, in dieser leicht gekrümmten Nase mit ihren beweglichen Flügeln und in den Falten dieses ernsten Mundes. Aber was in diesem Lande, wo die blonden und braunen Haare vorherrschen, am meisten an Kees Doorik hervorstach, das waren seine tiefschwarzen Haare, die in widerspenstigen Locken über die Stirne herabhingen.