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Geboren in Berlin am 17. Januar, 1747, gestorben am 20. Januar 1803 ebenda. – Anfangs zum Kaufmann bestimmt, fing er später in Königsberg an, unter Kant Philosophie zu treiben. Darauf studierte er in Berlin und Halle Medizin, wo er 1774 zum Dr. med. promovierte und Reil zum Freunde gewann. In Berlin war er als praktischer Arzt tätig und gern aufgesucht. 1787 wurde Herz zum Professor der Philosophie ernannt. – Verheiratet war er mit Henriette, die durch ihren Geist und ihre Schönheit berühmt war.
An I. Kant:
Lieber, theurer, verehrungswürdiger Lehrer!
Daß Ihnen der Himmel noch so viele vergnügte und glückliche Jahre hinieden genießen lasse, als Ihr lieber Brief mir vergnügte und glückliche Stunden gemacht. Ich habe schon lange keinen von Ihnen gehabt, und mein Herz hängt noch so fest an Ihnen, lechzt noch so oft nach Unterredungen mit Ihnen, daß, ohne die Gegenwart Ihres Bildes in meiner Stube, das ich bey jedem Denken und Forschen nach Wahrheit anstaune, und das mich für jede gedachte und erforschte anzulächlen scheint, ich es schwerlich fünfzehn Jahre ausgehalten haben würde, ohne einen Lauf nach Königsberg zu machen, um noch einmal in meinem Leben wenigstens vier und zwanzig Stunden vor dem Munde meines würdigen Lehrers und Freundes zu zubringen. Ha! das waren Zeiten, da ich so ganz in der lieben ruhigen Philosophie und ihrem Kant lebte und webte, da ich mit jedem Tage mich vollkommener und gebildeter als den Tag vorher fühlte, da ohne Nahrungsgewerbe frey von Sorgen, es werde mir meines Lehrers Beyfall und Aufmunterung gewährt, mein einziger Morgen und Abendwunsch war, und der mir so oft gewährt wurde; das waren! – Aber die Zeiten sind vorüber, nun ist alles anders. Das praktische medizinische Leben ist das unruhigste und beschwerlichste für Geist und Körper. Die Kunst ist noch lange nicht dahin, daß die reine Vernunft sich daran laben könnte. Was diese noch so sorgfältig glättet und rundet erscheint in der Anwendung nur zu oft voller Ecken und Rauhigkeiten. Der empirische Arzt, dessen Herz nie an der Vernunft hängt ist in sich fast der glücklichste. Die Urtheile des Haufens gründen sich auf Ei folge, die doch nicht immer in der Macht des Künstlers stehen; sein Beyfall und Mißfallen fließt größtentheils aus den unreinsten Quellen, aus Neid und Eifersucht, aus Aberglauben und Gemüthsschwäche, aus vorgefaßter Gunst und Mißgunst, aus Vorurtheil für oder wider Gesichtszüge, Stimme, Gebehrden, Kleidung, Ansehen u.s.w. Kurz, der ganze Werth und Unwerth den er dem Künstler beylegt beruhet auf außerwesentliche zufällige Dinge, über die Studium und Vernunft nichts vermögen. Und das beständige Durcharbeiten durch diese Schwierigkeiten ist allerdings sehr beschwerlich und macht den empfindsamen Menschen mißmüthig und übellaunisch. Doch genug hiervon! ...
Leben Sie wohl, bester verehrungswürdiger Mann und behalten mich lieb. Ich. schicke Ihnen mit nächstem einen psychologisch medizinischen Aufsatz über den Schwindel Versuch über den Schwindel. Berlin 1786. In meinem Besitze befindet sich dieses Werk mit folgenden Zeilen von Marcus Herz' Hand: »Dem Herrn Doctor Reimanas Wohlgebohren der Verfasser«. den ich jetzo unter der Presse habe, wovon die Grundidee noch seit einer einstmaligen Unterredung mit Ihnen in meiner Seele lag.
Ihr ergebenster Schüler und Freund
Marcus Herz.
Berlin, d. 25. November 1785.
An Kant:
Verehrungswürdiger Lehrer!
Sie empfangen, theurster Lehrer, durch den HE. D. Joel ein Exemplar meines Versuchs über den Schwindel, dessen ich in meinem Briefe vom 25. Nov. Erwähnung gethan. Die Hauptidee des ganzen Werkes äußerte ich einst in einer jener glückseligen Unterredungen mit Ihnen, deren alle ich mich immer noch mit Entzücken erinnere. Da lag sie in meiner Seele wartend auf hinreichende physiologische Kenntnisse um mit diesen in ein Ganzes verwebt zu werden, und in ihrem Einflüsse auf die Praxis, so schwach er vielleicht auch noch scheinen möchte, sich zeigen zu können. Sie sehen, theurster Mann, ich bin kein Abtrünniger von Ihnen, bin vielmehr ein Überläufer der noch Ihre Uniform trägt, und bey anderen Mächten, nicht Ihren Feinden, Ihren Dienst einzuführen sucht; oder, um mich minder preußisch auszudrücken, ich liebe das Umherwandeln in den Gränzörtern der beyden Länder, der Philosophie und der Medizin, und habe meine Freude daran, wenn ich da Vorschläge und Einrichtungen zu Gemeinregierungen entwerfen kann. Es wäre gut, dünkt mir, wenn ähnlich Gränzörter zwischen der Philosophie und ihren benachbarten Gebieten fleißig von den Philosophen so wohl als von den praktischen Gelehrten und Künstlern aller Art fleißig besucht würden; jene würden dadurch dem häufigen gerechten Tadel der unnützen Grübeley, und diese dem der Empirie entgehen ...
Von Ihnen so geliebt zu werden, wie ich Sie verehre, gehört zu meinen heißesten Wünschen.
Berlin, d. 27. Febr. 1786.
Ihr ergebenster Schüler u. Diener
M. Herz.
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