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Während der geschilderten Vorgänge waren der Wegeführer des Königs und die junge Gattin des Rosselenkers Mena gezwungen, auf die Prinzessin zu warten.
Die Sonne hatte, als Bent-Anat den Hof der Paraschitenhütte betrat, in der Mittagshöhe gestanden.
Die nackten Kalkberge an beiden Seiten des Thales und der sandige Boden zwischen ihnen glänzten in hellem, dem Auge wehthuendem Weiß. Keine Handbreit Schatten ließ sich sehen und die Wedelträger der Wartenden waren auf Befehl der Prinzessin bei den Wagen und Sänften zurückgeblieben.
Eine Zeitlang standen die Beiden schweigend nebeneinander; dann sagte die schöne Nefert, indem sie ihre mandelförmigen Augen müde aufschlug:
»Wie lange Bent-Anat bei den Unreinen bleibt. Ich vergehe hier. Was sollen wir thun?«
»Warten,« sagte Paaker, wandte der jungen Frau den Rücken, erstieg einen Felsblock an der Seite der Schlucht, hielt mit wohlgeübtem Auge eine schnelle Umschau, kehrte zu Nefert zurück und sagte: »Ich habe einen schattigen Platz gefunden. Dort!«
Die Gattin des Mena folgte mit ihren Augen seiner weisenden Hand und schüttelte ihr Köpfchen. Die goldenen Zierate an ihrem Hauptschmucke klangen dabei leise zusammen und ein kalter Schauer überflog ihren zarten Leib trotz der glühenden Hitze des Mittags.
»SechetGöttin mit dem Kopfe der Löwin oder der Katze, auf dem sich häufig der Sonnendiskus mit der Schlange befindet. Sie wird die Tochter des Ra genannt und personifizirt an der Krone ihres Vaters als Uräusschlange die mörderische Glut des Tagesgestirns. Sie stellt im Menschenleben die heiße und wilde Leidenschaft der Liebe dar und schneidet als Katze oder mit dem Kopfe der Löwin brennende Wunden in die Glieder der Schuldigen in der Unterwelt. Rausch und Lust sind ihre Geschenke. Sie wird auch Bast und nach ihrer phönizischen Schwestergottheit Astarte genannt. wüthet am Himmel,« sagte Paaker. »Benütze die schattige Stelle, wenn sie auch klein ist. In dieser Stunde ward schon Mancher mit Leiden geschlagen.«
»Ich weiß es,« sagte Nefert und bedeckte ihren Nacken mit den Händen. Dann schritt sie auf zwei mächtige, wie die Seiten eines Kartenhauses aneinandergelehnte Felsplatten zu, zwischen denen sich das bezeichnete, wenige Fuß breite, vor der Sonne geschützte Plätzchen befand.
Paaker schritt ihr voraus, wälzte einen würfelförmigen, mit Feuersteindrusen durchschossenen Kalkblock unter das steinerne Zelt, zermalmte einige Skorpione, die sich hieher zurückgezogen hatten, breitete sein eigenes Kopftuch über den harten Sitz und sagte. »Hier bist Du geschützt!«
Nefert ließ sich auf dem Steine nieder und schaute dem Mohar nach, welcher langsam und schweigend vor ihr auf und nieder ging. Dieses unaufhörliche Hin- und Herwandeln ihres Begleiters wurde endlich ihren empfindlichen und gereizten Nerven unerträglich und indem sie schnell ihr Haupt aus ihrer hohlen Hand, in der es geruht hatte, erhob, rief sie; »Bitte, bleibe stehen!«
Der Wegeführer gehorchte sofort und schaute, indem er ihr den Rücken wandte, nach der Paraschitenhütte hin.
Nach einiger Zeit rief Nefert: »Sage mir etwas.«
Da wandte ihr der Mohar sein breites Antlitz zu und sie erschrak über die wilde Glut, welche ihr aus dem Blicke, mit dem er sie ansah, entgegenlohte.
Nefert schlug ihre Augen nieder, der Wegeführer aber sagte: »Ich schweige lieber,« und setzte seine Wanderung fort, bis die Gattin des Mena ihn von Neuem anrief und sagte:
»Ich weiß, daß Du mir zürnest; aber ich war ja noch ein Kind, als sie mich mit Dir verlobt haben. Ich bin Dir auch gut gewesen, und wenn mich Deine Mutter bei unseren Spielen Deine kleine Frau nannte, so habe ich mich wirklich gefreut und mir gedacht, wie schön das sein würde, wenn ich Dein Haus, das Du doch nur für mich so prächtig herstellen ließest, als Dein Vater gestorben war, und euren herrlichen Garten und die edlen Rosse in euren Ställen und all' eure Sklaven und Sklavinnen mein eigen nennen dürfte.«
Paaker lachte; aber dieß Lachen klang so erzwungen und höhnisch, daß es Nefert in's Herz schnitt und sie leise und wie um Schonung bittend fortfuhr:
»Es heißt, daß Du uns zürnest; und nun verstehst Du meine Rede so, als hätt' ich nur nach Deinem reichen Erbe getrachtet; aber ich sagte es ja schon; Ich bin Dir gut gewesen! Weißt Du denn nicht mehr, wie ich mit Dir geweint habe, wenn Du mir von den bösen Buben in der Schule und von der Strenge Deines Vaters erzähltest? Dann starb der Oheim –; Du zogst nach Asien –«
»Und Du,« unterbrach sie der Wegeführer hart und trocken, »brachst das Verlöbniß und wurdest des Rosselenkers Mena Gemahlin. Das weiß ich Alles; wozu das Gerede!«
»Weil es mir weh thut, daß Du mir zürnst und Deine gute Mutter unser Haus meidet. Wüßtest Du nur wie das ist, wenn Einen die Liebe erfaßt und man sich nicht mehr allein denken kann, sondern immer nur bei und mit und in den Armen eines Andern; wenn unser klopfendes Herz uns aus dem Schlafe pocht und wir selbst im Traume nichts erblicken als nur den Einen.«
»Und das wüßte ich nicht!?« rief Paaker, indem er sich mit gekreuzten Armen gerade vor sie hin stellte. »Das wüßte ich nicht? Warst Du es doch, die es mich kennen lehrte. Dacht' ich an Dich, so wogte kein Blut, sondern glühendes Feuer in meinen Adern und nun hast Du sie mit Gift erfüllt, und hier in dieser Brust, in der Dein Bild lieblicher strahlte als das der Hathor in ihrem Allerheiligsten, sieht es aus wie in jenem Meer im Syrerlande, das sie das ›todte‹ nennen, und in dem Alles stirbt und verdirbt, was in ihm zu leben versucht.«
Paaker's Augen rollten bei diesen Worten und seine Stimme klang heiser, als er fortfuhr:
»Aber Mena steht dem Könige nah, noch näher als ich, und Deine Mutter –«
»Meine Mutter,« unterbrach Nefert den Zürnenden, indem sie lebhaft erregt ihre Stimme erhob; »meine Mutter hat mir den Gatten nicht gewählt. Ich sah ihn, da er, dem Sonnengotte vergleichbar, auf dem Wagen des Königs dahinfuhr, und er bemerkte mich und schaute mich an, und dieser Blick drang mir wie eine Lanze tief in's Herz, und als er mich beim Geburtstagsfeste des Königs anredete, war es nicht anders, als wenn mich die Hathoren mit süß klingenden Fäden von goldenen Sonnenstrahlen umwöben. Und Mena ist es wie mir ergangen; er hat mir's selbst gesagt, nachdem er mein eigen geworden. Um Deinetwillen wies die Mutter seine Werbung zurück; ich aber wurde bleich und matt aus Sehnsucht nach ihm; und er verlor seinen frischen Muth und ward so traurig, daß es der König bemerkte und ihn fragte, was sein Herz bedrücke, denn Ramses liebt ihn wie seinen eigenen Sohn. Da hat Mena dem Pharao gestanden, daß Liebe seine Augen trübe und seine starken Hände schwäche, und nun warb der Höchste selbst um mich für seinen treuen Diener, und die Mutter gab nach und wir wurden Mann und Weib, und alle Wonnen, die die Gerechtfertigten in den Gefilden AaluDas Gefilde der Seligen, das sich den verklärten Geistern öffnet. Im Todtenbuche sieht man, wie die Seligen in ihm an kühlen Wassern weilen, säen und ernten. genießen, sind schal und ärmlich neben der Seligkeit, in der wir Beide nicht wie sterbliche Menschen, sondern wie himmlische Götter schwelgten.«
Bis dahin hatte Nefert ihre großen Augen wie eine Verklärte gen Himmel gerichtet. Jetzt senkte sie den Blick und sagte leise; »Da brachen die ChetaAramäer, nach Schrader's zutreffender Bestimmung. Mit ihnen hatten sich zur Zeit unserer Erzählung die Völker des westlichen Asiens vereint. den Frieden, der Pharao zog in den Krieg und Mena mit ihm. Fünfzehnmal war der Mond aufgegangen über unser Glück und dann . . .«
»Und dann erhörten die Götter mein Gebet und nahmen meine Opfer an,« sagte Paaker mit bebender Stimme, »und rissen den Räuber meines Glücks von Dir und versengten Dein Herz und seines mit den Flammen der Sehnsucht. Glaubst Du, Du könntest mir Neues erzählen? Noch einmal war Mena fünfzehn Tage der Deine und noch ist er nicht wiedergekehrt aus dem Kriege, der heiß in Asien wüthet.«
»Aber er wird wiederkehren,« rief das junge Weib.
»Vielleicht auch nicht!« lachte Paaker. »Die Cheta führen scharfe Waffen und am Libanon gibt es der Geier viele, die vielleicht schon in dieser Stunde seinen Leib zerfleischen, so wie ihr mein Herz zerrissen habt.«
Nefert erhob sich bei diesen Worten, die ihre empfindliche Seele trafen wie Steinwürfe aus roher Hand, und versuchte ihr schattiges Asyl zu verlassen, um der Prinzessin in das Haus des Paraschiten zu folgen; aber ihre Füße versagten ihr den Dienst und sie sank zitternd auf ihren steinernen Sitz zurück. Sie suchte nach Worten, aber ihre Zunge war wie gelähmt. In grenzenloser innerer Noth, geängstigt, verlassen und erzürnt, sank ihre Widerstandskraft.
Wechselnde, wehe Empfindungen schlugen ungestüme, heiße Wogen in ihrem Busen, die höher und höher stiegen, ihren Athem hemmten und sich endlich Bahn brachen durch ein heftiges, krampfhaftes, ihren ganzen Organismus erschütterndes Weinen. Sie sah nichts mehr, sie hörte nichts mehr, sie vergoß nur noch Thränen und empfand, daß sie unglücklich sei.
Paaker stand ihr schweigend gegenüber.
Es gibt Bäume im Süden, an denen neben vertrockneten Früchten weiße Blüten hängen, es gibt Tage, an denen sich neben der hellen Sonne die bleiche Mondsichel zeigt, und dem Menschenherzen kann es gegeben sein, Liebe und Haß zugleich zu empfinden und dem gleichen Ziele zuzuwenden.
Nefert's Thränen fielen wie Thau, ihre Seufzer wie Manna auf die nach Rache dürstende und hungernde Seele des Wegeführers. Ihre Pein war seine Wonne und doch erfüllte ihn der Anblick ihrer Schönheit mit heißer Leidenschaft, weilten seine Blicke wie gebannt auf ihrem schönen Leibe, hätte er die Seligkeit des Himmels geopfert, um sie einmal, nur einmal in seinen Armen halten zu dürfen, um einmal, nur einmal ein Wort der Liebe von ihren Lippen zu vernehmen.
Nach langen Minuten versiegten Nefert's Zähren. Mit müdem, beinahe gleichgültigem Blicke bemerkte sie den immer noch vor ihr stehenden Mohar, und leise und bittend sagte sie: »Meine Zunge verdorrt; schaff' mir doch ein wenig Wasser.«
Paaker erwiederte; »Die Prinzessin kann jeden Augenblick zurückkehren.«
»Aber ich verschmachte,« sagte Nefert und begann von Neuem leise zu weinen.
Da zuckte Paaker die Achseln und ging tiefer in das Thal hinein, das er wie das Haus seines Vaters kannte; waren doch in demselben die Grüfte der Ahnen seiner Mutter gelegen, in denen er als Knabe bei jedem Vollmonds- und Neumondstage Gebete gesprochen und Gaben auf den Altar gelegt hatte.
Die Hütte des Paraschiten war ihm zu betreten versagt, aber er wußte, daß kaum hundert Schritte von der Stelle, an welcher Nefert ruhte, ein altes, übel berufenes Weib, in deren Felsenhöhle es an einem Trunk Wasser nicht fehlen konnte, ihr Wesen treibe.
Halb berauscht von Allem, was seine Seele in den letzten Minuten empfunden und seine Augen geschaut hatten, eilte er vorwärts. Sein Denkvermögen war wie gehemmt von der leidenschaftlichen Bewegung seines Blutes.
Er fand die Thür, welche die Höhle der Alten bei Nacht vor den Einfällen der beutelustigen Schakale schützte, weit geöffnet, und ihre Bewohnerin saß unter einem, hier an dem Felsen, dort an zwei rohen Holzstäben befestigten, braunen, zerrissenen Stück Segeltuch und ordnete einen Haufen von hellen und dunklen Würzelchen, die in ihrem Schooße lagen. Neben ihr war ein Rad zu sehen, das sich zwischen einer hohen hölzernen Gabel drehte. Ein an einem Kettchen befestigter Wendehalsvogel hielt es, indem er bald auf diese, bald auf jene Speiche sprang,Nach Theokrit's Idyll: Die Zauberin. in fortwährender Bewegung. Ein großer kohlschwarzer Kater kauerte neben ihr und beschnüffelte die Köpfe von Raben und Eulen, die erst vor Kurzem ihrer Augen beraubt worden waren.
Aus der Höhle, über deren Thür zwei Sperber hockten, drang der Rauch von verbrannten Wachholderbeeren, der die mancherlei Düfte unschädlich zu machen bestimmt war, welche von den verschiedenen und fremdartigen hier aufbewahrten Substanzen ausgingen.
Als Paaker sich der Höhle näherte, rief die Alte fragend in dieselbe hinein:
»Kocht das Wachs?«
Ein unverständliches Gemurmel ließ sich als Antwort vernehmen.
»So thu' das AffenaugeDie Sprüche und Mittel der Hexen nach den erhaltenen magischen Zauberpapyrus. Etwa aus der Zeit unserer Erzählung stammt der von Chabas behandelte Papyr. magique Harris. Auch die von Leemans edirten leydener magischen und die von Parthey herausgegebenen berliner Zauberpapyrus (letztere in griechischer Sprache) sind benützt worden. und die Ibisfeder und den Leinewandlappen mit dem schwarzen Zeichen hinein. Rühr' noch ein wenig! Nun lösch' das Feuer aus. Nimm den Krug und hole Wasser. Tummle Dich, da kommt ein Besucher!«
Ein dunkelschwarzes Negerweib, um deren magere Lenden sich ein zerrissenes farbloses Zeugstück schlang, trat bald darauf in's Freie, setzte ein großes Thongefäß auf ihre grauen, wolligen und verfilzten Haare und ging, ohne ihn anzusehen, an dem sich der Höhle nähernden Paaker vorüber.
Die Alte, ein schlank gewachsenes, aber von der Last der Jahre gebeugtes Weib, mit einem scharf geschnittenen und faltenreichen Gesichte, das einst schön gewesen sein konnte, traf ihre Vorbereitungen zum Empfange des Wegeführers, indem sie ein buntes Kopftuch über ihren Scheitel band, ihr blaues Baumwollenkleid unter dem Halse zusammenzog und eine faserige Matte über die Raben- und Eulenköpfe warf.
Paaker rief sie an; sie aber gab sich das Ansehen, als sei sie taub und vernehme nicht seine Stimme. Erst als er dicht vor ihr stand, erhob sie ihre klugen, blitzenden Augen und rief.
»Ein Glückstag, ein weißer Tag, der hohe Gäste bringt und hohe Ehre.«
»Steh' auf,« herrschte Paaker der Alten zu, indem er sie nicht grüßte, aber einen silbernen RingDie Aegypter besaßen vor Alexander und den Ptolemäern keine Münzen, sondern wogen die Metalle, denen sie gewöhnlich die Form von Ringen gaben, ab. mitten auf die in ihrem Schooße ruhenden Wurzeln warf, »und gib mir gegen gutes Geld etwas Wasser in einem saubern Gefäße.«
»Schönes, echtes Silber,« sagte die Alte, indem sie den Ring, den sie schnell aus den Wurzeln hervorgeholt hatte, dicht unter ihre Augen hielt. »Das ist zu viel für bloßes Wasser und zu wenig für meine guten Tränke.«
»Schwatze nicht, Vettel, sondern eile!« rief Paaker, holte aus seinem Geldsack einen andern Ring und warf auch diesen in ihren Schooß.
»Du hast eine offene Hand,« sagte die Alte in der dialektfreien Sprache der höheren Stände. »Viele Thore werden sich Dir öffnen, denn das Gold ist ein Nachschlüssel, der in alle Thüren paßt. Wasser willst Du für die guten Ringe? Soll es gegen schädliche Thiere sein? Soll es Dir helfen, einen Stern herabzuholen? Soll es Dich geheime Pfade kennen lernen? – Denn Wege zu führen ist Deines Amtes. Soll es das Warme kalt oder das Kalte heiß machen? Soll es die Fähigkeit verleihen, in die Herzen zu schauen, oder soll es schöne Träume erzeugen? Willst Du das Wasser der Erkenntniß, um zu sehen, ob Dein Freund oder Dein Feind – hä? ob Dein Feind sterben wird? Brauchst Du einen Trank, um Dein Gedächtnis zu kräftigen? Soll Dich mein Wasser unsichtbar machen? Soll es den sechsten Zeh an Deinem linken Fuße beseitigen?«
»Du kennst mich?« fragte Paaker.
»Wie sollt' ich?« fragte die Hexe, »aber meine Augen sind scharf und gute Wasser weiß ich zu bereiten für Geringe und Große!«
»Geschwätz!« rief Paaker ungeduldig und faßte an die Geißel in seinem Gürtel. »Mach' schnell, denn die Frau, für welche . . .«
»Für ein Weib brauchst Du das Wasser?« unterbrach die Alte den Mohar. »Hätt' mir's denken können; es fragen freilich die alten Herren weit öfter nach meinen Liebestränken als die jungen; aber ich kann damit dienen, kann dienen.«
Die Alte zog sich bei diesen Worten in die Höhle zurück und erschien bald darauf wieder und trug ein dünnes, cylinderförmiges Fläschchen von Alabaster in der Hand.
»Das ist der Trank,« sagte sie, die Phiole dem Wegeführer reichend. »Die Hälfte wird in's Wasser gegossen und dem Weibe gereicht. Hilft's nicht das erste, so doch sicher das zweite Mal. Ein Kind kann das Wasser trinken, es wird ihm nichts schaden, und nimmt's ein Greis, so macht es ihn munter. Da! Ich kost' es Dir vor!« Und sie benetzte ihre Lippen mit einer weißen Flüssigkeit. »Es schadet nichts; aber mehr nehm' ich nicht davon, sonst würde die alte Hekt noch von Liebessehnsucht nach Dir geplagt werden, und das würde dem reichen Herrlein schlecht gefallen, hä, hä! Hilft das Tränklein nichts, so bin ich bezahlt genug, hilft's, so bringst Du mir noch drei goldene Ringe; und Du wirst kommen, ich weiß es!«
Paaker hatte der Alten regungslos zugehört und griff so heftig, als habe er einem gewalttätigen Gegner Trotz zu bieten, nach dem Fläschchen, stieß es in seinen Geldsack, warf noch einige Ringe der Hexe vor die Füße und verlangte nochmals, aber schnell, ein sauberes Gesäß voll Nilwasser.
»Hat's der Herr so eilig?« murmelte die Alte, indem sie von Neuem die Höhle betrat. »Er fragt mich, ob ich ihn kenne? Ihn sicherlich! Aber das Schätzchen? Wo mag es hier stecken? Vielleicht die kleine Uarda vom Paraschiten drüben! Schön genug ist sie; aber sie liegt ja gerädert auf der Matte und stirbt. Wollen sehen, was das Herrlein vorhat! Hätt' mir nicht gefallen, da ich jung war; wird aber doch zum Ziele kommen, denn er ist zäh und spart nicht.«
Während sie diese und ähnliche Worte vor sich hinmurmelte, füllte sie eine hübsche Schale von glasirtem Steingut mit filtrirtem Nilwasser, welches sie einem großen porösen Thonkrug entnahm, legte ein Lorbeerblatt, in welches zwei durch sieben Striche verbundene Herzen gekritzelt waren, auf die Oberfläche der klaren Flüssigkeit und trat in's Freie.
Als Paaker das Gefäß aus ihrer Hand nahm und das Lorbeerblatt betrachtete, sagte die Alte: »Schon dieß verbindet die Herzen. Drei ist der Mann, Vier ist das Weib, Sieben das Untheilbare. Chaach, chachach charcharachacha.«
Die Alte sang diese Beschwörungsformel nicht ohne Kunst; aber der Mohar schien nicht auf ihren Galimatias zu hören, sondern stieg behutsam in das Thal zurück und wandte sich dem Ruheplatze der Gattin des Mena zu.
Vor den Felsen, welche ihn vor Nefert's Blicken verbargen, blieb er stehen, setzte die Schale auf eine glatte Steinfläche und holte das Fläschchen mit dem Liebestrank aus dem Gürtel.
Seine Finger zitterten, sein Hirn war umnebelt wie von berauschenden Dünsten; in seiner Brust aber tobten und jauchzten tausend Stimmen, die ihm zuzurufen schienen: »Greife zu, handle, brauche den Trank, jetzt oder nie!«
Ihm war zu Muthe wie einem einsamen Wanderer, der auf seinem Wege das Testament eines verstorbenen Angehörigen findet, auf dessen Vermögen er hofft, und in dem er enterbt wird. Soll er's den Richtern überantworten, soll er's zerstören?
Paaker war nicht nur ein werkthätiger Frommer, sondern hatte bisher auch überall nach den Vorschriften der Religion seiner Väter zu handeln vermeint. Der Ehebruch war eine schwere Sünde, aber hatte er denn nicht ältere Rechte auf Nefert, als der Rosselenker des Königs?
Wer die schwarze Magie betrieb, sollte nach dem Gesetze mit dem Tode bestraft werden,Nach den Papyrus Lee und Rollin. S. a. S. Birch, Sur un papyrus magique. Revue archéologique. 1863. Chabas im Papyr. magique Harris. Deveria. Papyr. judiciaire de Turin. und die Alte war wegen ihrer bösen Kunst übel berufen; aber hatte er sie denn um des Liebestrankes willen aufgesucht? Konnte es denn nicht möglich sein, daß die Manen seiner Verstorbenen, daß die Götter selbst, von seinen Gebeten und Opfern gerührt, ihn durch einen Zufall, der einem Wunder glich, in den Besitz des Zaubermittels, an dessen Wirkung er keinen Augenblick zweifelte, gesetzt hatten?
Die Gefährten Paaker's hielten ihn für einen Mann von raschen Entschlüssen, und in schwierigen Fällen handelte er in der That mit ungewöhnlicher Schnelligkeit; aber, was ihn bei diesen leitete, war keine geflügelte Leistung eines frischbereiten und wohlgeschulten Gehirns, sondern häufig nur die Folge des Ergebnisses eines Frage- und Antwortspiels.
Amulete der verschiedensten Art hingen an seinem Halse und seinem Gürtel, alle von Priesterhand geweiht, von besonderer Heiligkeit und hohem Werthe.
Blieb das Auge von Lapis lazuli, welches, von einem goldenen Kettchen gehalten, an seinem Gürtel hing, wenn er es zu Boden warf, derartig auf der Erde liegen, daß seine gravirte Seite gen Himmel schaute und die glatte den Boden berührte, so sagte er »ja«, im umgekehrten Falle hingegen »nein«. In seiner Geldtasche lag stets eine Statuette des schakalköpfigen Gottes Apheru,Besondere Form des Anubis. Anmerkung 2. Wie dieser schakalköpfig und Lokalgott von Lykopolis, das heutige Siut. der die Wege eröffnet. Diese warf er an Kreuzwegen auf den Pfad und er folgte der Richtung, nach welcher die spitze Schnauze des Bildwerkes hinwies. Am häufigsten zog er den Siegelring seines verstorbenen Vaters, ein altes Familienstück, welches der Oberpriester von Abydos auf das heiligste unter den vierzehnTyphon hatte den Leichnam des Osiris in vierzehn Stücke zerschnitten und diese in Aegypten umhergestreut. Wo Isis eines derselben fand, errichtete sie ihrem Gatten ein Grabmal. Keines war bis in die späteste Zeit heiliger als das von Abydos, wohin auch vornehme Aegypter ihre Mumien bringen ließen, um in der Nähe des Osiris zu ruhen. Osirisgräbern gelegt und mit Wunderkraft ausgestattet hatte, zu Rathe. Er bestand aus einem goldenen Reifen mit einer breiten Siegelplatte, in welcher man den Namen des längst vergötterten Thutmes III., von dem er dem Ahnherrn Paaker's verliehen worden war, lesen konnte. Galt es den Ring zu befragen, so berührte der Mohar mit der Spitze seines bronzenen Dolches die gravirten Zeichen des Namens, unter denen drei sich auf die Gottheit bezogen, drei hingegen profane Gegenstände darstellten. Traf sie auf eines der ersteren, so meinte er, sein Osiris gewordener Vater sei einverstanden mit seinem Vorhaben, im entgegengesetzten Falle pflegte er von ihm abzugehen. Oftmals drückte er den Reifen an die Stelle seines Herzens und wartete auf das erste ihm begegnende lebende Wesen, welches er, wenn es von seiner rechten Seite herkam, für einen ermunternden, nahte es ihm von seiner linken Seite, für einen warnenden Boten seines Vaters ansah.
Nach und nach hatte er in dieses Fragen ein förmliches System gebracht. Alles, was ihm in der Natur begegnete, bezog er auf sich und den Lauf seines Lebens. Rührend und kläglich zugleich war es, wie eng er mit den Manen seiner Verstorbenen zusammenlebte. Seine nicht hochfliegende, aber kräftige Phantasie verstand es, ihm, sobald er sie in Thätigkeit setzte, das Bild seines Vaters und eines früh dahingegangenen ältern Bruders immer in der gleichen Stellung, dabei aber greifbar deutlich, vor sein inneres Auge zu stellen.
Aber er beschwor das Andenken an die geliebten Todten niemals, um ihrer in stiller Wehmuth, dieser holden Blume des Dornenstrauches der Schmerzen, zu gedenken, sondern immer nur zu eigensüchtigen Zwecken. Die Anrufung der väterlichen Manen hatte er als besonders wirksam bei diesen, die der brüderlichen, bei jenen Fragen und Wünschen erprobt, und so wandte er sich an die einen oder anderen mit der Sicherheit des geübten Zimmermanns, welcher selten zweifelt, wo er dem Beile, wo der Säge den Vorzug zu geben hat.
Dieses Thun hielt er für ein den Göttern wohlgefälliges, und da er überzeugt war, daß die Geister seiner Verstorbenen nach ihrer Rechtfertigung aufgegangen seien in Osiris, d. h. als Bestandtheile der Weltseele nunmehr Theil hätten an der Leitung des Alls, so opferte er ihnen nicht nur in seiner Familiengruft, sondern auch in den dem Ahnenkultus geweihten Tempeln der Nekropole und mit besonderer Vorliebe im Setihause.
Von Ameni und den anderen Priestern des von ihm geleiteten Heiligtums nahm er Rath, ja auch Tadel an, und so lebte er voller Tugendstolz des von seinen Meistern keineswegs in Frage gestellten Glaubens, zu den eifrigsten und den Göttern wohlgefälligsten Frommen seines Landes zu gehören. Auf Schritt und Tritt von übersinnlichen Mächten begleitet und geleitet, brauchte er keinen Freund und keinen Vertrauten. Im Felde wie in Theben blieb er auf sich selbst gestellt und galt unter seinen Genossen für einen verschlossenen, rauhen und stolzen, aber willensstarken Mann.
Es war ihm gegeben, sich das Bild seiner verlorenen Geliebten mit gleicher Lebendigkeit wie die Gestalten seiner Verstorbenen vor die Seele zu zaubern. Das that er auch nicht nur in hundert stillen Nächten, sondern ebenso oft bei langen Ritten und Fahrten durch die schweigende Wüste.
Solchen Gesichten pflegte ein heftiges Aufwallen seines Hasses gegen den Rosselenker und eine Reihe von brünstigen, dem Verderben des Letztern geltenden Gebeten zu folgen.
Als Paaker die Schale mit dem Wasser für Nefert auf die Felsenplatte setzte und nach dem Fläschchen mit dem Liebestranke griff, war seine Seele so voll von Verlangen, daß der Haß keinen Raum in ihr fand; indessen vermochte sich der Mohar keineswegs der Besorgniß, daß er sich durch den Gebrauch des Zaubertrankes schwer versündigen werde, zu verschließen. Darum befragte er, eh' er die verhängnißvollen Tropfen in das Wasser goß, sein Ringorakel. Der Dolch berührte keines der heiligen Zeichen in der Siegelinschrift, und unter anderen Umständen würde er darum sein Vorhaben ohne Weiteres aufgegeben haben.
Dießmal stieß er ihn unwillig in die Scheide, drückte den goldenen Reifen an sein Herz, murmelte den Namen seines osirischen Bruders und harrte des ersten auf ihn zukommenden lebenden Wesens.
Ein solches ließ nicht lange auf sich warten, denn von der Berglehne ihm gegenüber erhoben sich mit langsamen Flügelschlägen zwei hellfarbige Geier.
Mit ängstlicher Spannung folgte er ihrem sich höher und höher erhebenden Fluge. Eine Minute lang ließen sie sich regungslos von den Lüften tragen, umkreisten einander, wandten sich dann nach links und verschwanden hinter den Bergen, die Gewährung seines Wunsches versagend.
Hastig griff er nach dem Fläschchen, um es von sich zu schleudern; aber die in seinen Adern tobende Leidenschaft hatte ihn der Herrschaft über seinen Willen beraubt, süß winkend stellte sich Nefert's Bild vor seine Seele, geheimnißvolle Mächte preßten seine bebenden Finger fest und fester um die Phiole und mit jenem Trotze, der ihm seinen Gefährten gegenüber eigen war, goß er die Hälfte des Liebestranks in das Wasser, ergriff er die Schale und näherte sich seinem Opfer.
Nefert hatte inzwischen ihren schattigen Sitz verlassen und trat ihm entgegen.
Schweigend ließ sie sich das Wasser reichen und trank es aus mit Lust und bis auf die Neige.
»Danke,« sagte sie, nachdem sie ihren durch das gierige Schlürfen gehemmten Athem zurückgewonnen hatte. »Das hat mir wohlgethan! Wie frisch und säuerlich schmeckte das Wasser! Aber Deine Hände zittern und Du glühst von Deinem schnellen Laufe für mich, Du Armer.«
Bei diesen Worten schaute sie ihn mit dem ihren großen Augen eigenen, innigen Glanze an und reichte ihm ihre Rechte, die er ungestüm an seine Lippen drückte.
»Laß das,« sagte sie lächelnd, »da tritt die Prinzessin mit einem Priester aus der Hütte der Unreinen. Mit wie furchtbaren Worten Du mich vorhin erschreckt hast! Nun ja, ich gab Dir ja Grund, mir zu zürnen; aber jetzt bist Du wieder gut, hörst Du, und führst auch wieder Deine Mutter zu der meinen! Kein Wort! Ich will doch sehen, ob der Vetter Paaker mir den Gehorsam versagt!«
Schelmisch drohte sie ihm mit dem Finger und ernster werdend sagte sie mit einem Blicke, der Paaker's Herz schmerzlich und doch wonnig durchdrang: »Laß nun das Grollen. Es ist ja so schön, wenn man einander gut ist.«
Nach diesen Worten schritt sie der Paraschitenhütte entgegen, während Paaker beide Hände auf seine Brust preßte und vor sich hin murmelte. »Der Trank ist wirksam und sie soll mein eigen werden! Habt Dank, ihr Himmlischen!«
Doch dieses Gebet, welches er sonst, wenn Heil ihm widerfahren war, niemals zu sprechen unterließ, erstarb heut auf seinen Lippen. Er sah sich dicht vor dem Ziele seiner Wünsche! Da lag der jahrelang ersehnte Zauberborn vor seinen Blicken. Noch wenige Schritte und er konnte sich aus seinem vollen Strome sättigen, mit beidem zugleich, mit Liebe und Rache!
Während er der Gattin des Mena folgte und das Fläschchen in seinem Gürtel mit ängstlicher Sorgfalt verschloß, damit kein Tropfen des kostbaren Trankes, den er nach der Vorschrift der Alten noch einmal zu gebrauchen hatte, verloren gehe, erhoben sich warnende Stimmen, auf die er wie auf eine väterliche Mahnung zu hören gewohnt war, in seinem Busen; aber in dieser Stunde spottete er ihrer und gab der ihn beherrschenden Stimmung auch äußerlich Ausdruck, indem er seine rechte Hand hoch aufschwenkte wie ein Trunkener, der auf dem Wege zum Weinfaß einen Sittenprediger abweist. Noch hielt ihn die Leidenschaft so fest umstrickt, daß der Gedanke, die kurze Minute, in der aus einem braven Mann ein Verbrecher wird, sei von ihm durchlebt worden, kaum nebelhaft in seiner Seele aufdämmerte. Er ahnte nicht, daß er bei einem Wendepunkt seines Lebens angelangt sei. Seinem Verlangen nach Liebe und Rache hatte er bisher nur in Gedanken Befriedigung zu geben gewagt und der Gottheit für sich zu handeln überlassen; jetzt hatte er seine Sache den Himmlischen aus der Hand genommen und war zur That übergegangen, ohne sie und trotz ihrer.
Die Zauberin Hekt ging an ihm vorüber, um das Weib zu sehen, für welches sie ihm den Liebestrank gegeben hatte. Er bemerkte sie und erschrak; aber bald war die Alte hinter einem Felsen verschwunden und murmelte: »Sieh' Einer den Sechszeh! Er läßt es sich wohl sein im Erbe des Assa!«
Inmitten des Thales trafen Nefert und der Wegeführer mit der Prinzessin Bent-Anat und dem sie begleitenden Pentaur zusammen.
Als die beiden Letzteren aus der Paraschitenhütte traten, blieben sie einander schweigend gegenüber stehen.
Die königliche Jungfrau preßte ihre Rechte auf ihr Herz und sog mit tiefen Athemzügen wie eine Durstende die reine Luft des Gebirgsthales ein. Sie fühlte sich wie erlöst von einem schweren Alp, wie befreit aus einer furchtbaren Gefahr.
Endlich wandte sie sich an ihren ernst zu Boden schauenden Gefährten und sagte: »Welche Stunde!«
Pentaur's hohe Gestalt regte sich nicht, aber er neigte bejahend und wie von einem Traum befangen sein Haupt.
Bent-Anat sah ihn jetzt zum ersten Mal im vollen Tageslicht, ließ ihr großes Auge bewundernd auf ihm ruhen und fragte sodann:
»Bist Du der Priester, der mir gestern nach meinem ersten Besuche dieses Hauses die Reinheit so willig zurückgab?«
»Ich bin es,« erwiderte Pentaur.
»Ich habe Deine Stimme wiedererkannt und bin Dir dankbar, denn Du warst es, der mir den Muth stärkte, trotz des Verbotes meines Seelsorgers dem Drange meines Herzens zu folgen und hieher zu kommen. Du sollst mich vertheidigen, wenn die Anderen mich tadeln werden.«
»Ich kam hieher, um Dir die Reinheit abzusprechen.«
»So hast Du Deinen Sinn geändert?« fragte Bent-Anat stolz und ein verächtliches Zucken umspielte ihre Lippen.
»Ich folge einem höhern Gebote, das die alte Satzung heilig zu halten befiehlt. Wenn die Berührung eines Paraschiten, so sagt man, die Tochter des Ramses nicht verunreinigt, wen dann? Denn wessen Gewand ist fleckenloser als das ihre?«
»Aber dieser Mann ist brav bei all' seiner Niedrigkeit,« unterbrach ihn Bent-Anat, »und trotz der Schmach, die sein Lebensbrod ist wie die Ehre das unsere! Die neun großen Götter mögen mir verzeihen, aber der da drinnen ist liebreich, fromm und muthig und mir gefällt er –, und Du, der Du gestern seine ansteckende Berührung mit einem Wort abwaschen zu können meintest, was veranlaßt Dich, ihn heute zu den Aussätzigen zu werfen?«
»Die Mahnung eines erleuchteten Mannes, von den alten Satzungen kein Glied preiszugeben, weil dadurch die schon angefeilte Kette zerreißen und klirrend zu Boden fallen könnte.«
»So verhängst Du die Unreinheit über mich um eines alten Wahnes und um der Menge, aber nicht um meiner Handlung willen? Du schweigst? Antworte mir jetzt, wenn Du Der bist, für den ich Dich halte, frei und wahrhaftig, denn es gilt die Ruhe meiner Seele.«
Pentaur athmete schwer, dann aber entrangen sich seiner von Zweifeln gequälten Brust erst leise, dann immer lauter die tief empfundenen Worte. »Du zwingst mich auszusprechen. was ich besser nicht einmal denken sollte; aber lieber will ich mich gegen den Gehorsam, als gegen die Wahrheit, die reine Tochter der Sonne, deren Angesicht Du, Bent-Anat, trägst, versündigen! Ob der Paraschit unrein ist durch seine Geburt oder nicht, wer bin ich, daß ich solches entscheiden möchte? Aber mir ist dieser Mann erschienen wie Dir, als Einer, den dieselben heiligen und lauteren Regungen bewegen, die mich und die Meinen und Dich und wohl Jeden, den eine Mutter geboren, erschüttern und beseligen, und ich glaube, daß die Eindrücke dieser Stunde nicht befleckend, sondern läuternd so Deine wie meine Seele berührt haben. Wenn ich irre, so mag mir die vielnamige Gottheit verzeihen, deren Hauch in dem Paraschiten lebt und webt, wie in Dir und mir, an die ich glaube und an die ich immer lauter und freudiger meine armen Lieder richten will, wenn sie mich lehren wird, daß Alles, was athmet und lebt, was weint und jubelt, ein Abbild sei ihres reinen Wesens und zu gleicher Lust und zu gleichem Schmerz geboren sei.«
Pentaur hatte seinen Blick zum Himmel erhoben; jetzt begegnete er dem stolz und freudig leuchtenden Auge der Prinzessin, die ihm freimüthig ihre Rechte entgegen streckte. Er küßte demüthig ihr Gewand; sie aber sagte: »Nicht so! Lege segnend Deine Hand auf die meine! Du bist ein Mann und ein echter Priester. Jetzt laß ich gern die Unreinheit über mich verhängen, denn auch mein Vater wünscht, daß gerade von uns um des Volkes willen die Satzungen der Vorzeit, so lange sie Bestand haben, heilig gehalten werden. Beten wir gemeinsam zu den Göttern, daß sie diese Armen von dem alten Bann erlösen. Wie schön könnte die Welt sein, wenn der Mensch den Menschen bleiben ließe, wozu die Himmlischen ihn gemacht haben! Aber da warten noch immer Paaker und die arme Nefert mitten im Brande der Sonne. Folge mir!«
Sie ging dem Priester voran; aber schon nach wenigen Schritten wandte sie sich um und fragte:
»Wie nennst Du Dich?«
»Ich heiße Pentaur.«
»So bist Du der Dichter des Setihauses?«
»Sie heißen mich also.«
Bent-Anat blieb noch einmal stehen und schaute ihn groß an, wie einen Blutsfreund, den wir zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht sehen, und sagte:
»Dich haben die Götter hoch begabt, denn Dein Blick reicht weiter und dringt tiefer als der der anderen Menschen, und Du verstehst mit Worten zu sagen, was wir nur empfinden. Dir folge ich gern!«
Pentaur erröthete wie ein Knabe und sagte, während Paaker und Nefert ihm und seiner Gefährtin immer näher kamen: »Bis heut lag das Leben vor mir wie im Dämmerlicht, aber diese Stunde zeigt es mir anders. Ich habe seine tiefen Schatten gesehen und,« fügte er leise hinzu, »wie hell es zu leuchten vermag.«