Alexander Dumas d. Ä.
Der Graf von Monte Christo. Erster Band.
Alexander Dumas d. Ä.

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Die Katalonier.

Hundert Schritte von der Laube, wo die beiden Freunde den sprudelnden Lamalgue-Wein tranken, erhob sich hinter einem nackten, sonnigen Hügel die kleine Ansiedlung der Katalonier.

Eines Tages wanderte eine Anzahl Katalonier aus dem Mutterland aus und landete hier, wo sie sich noch heute befindet. Man wußte nicht, woher sie kam, und kannte nicht einmal ihre Sprache. Einer von den Führern, der Provençalisch verstand, bat die Gemeinde Marseille, ihnen dieses nackte, unfruchtbare Vorgebirge zu geben, auf das sie ihre Schiffe gezogen hatten. Die Bitte wurde gewährt, und drei Monate nachher erhob sich um ihre fünfzehn Fahrzeuge ein kleines Dorf. Seit drei bis vier Jahrhunderten sind sie ihrem Vorgebirge treu geblieben, ohne sich mit der Bevölkerung von Marseille zu vermischen, denn sie heirateten unter sich und behielten Sitten, Tracht und Sprache ihres Mutterlandes bei.

In einer der einfachen Hütten stand ein junges Mädchen mit rabenschwarzen Haaren und Augen an der Wand. Ihre bis an den Ellbogen entblößten Arme, die zwar gebräunt, aber schön geformt waren, bebten wie von fieberhafter Ungeduld, und sie stampfte mit ihrem geschmeidigen, schön gebogenen Fuße auf die Erde, so daß die reine, stolze, kühne Form ihres mit einem baumwollenen Strumpf bekleideten Beines ein wenig sichtbar wurde.

Drei Schritte von ihr saß auf einem Stuhle ein großer etwa zwanzigjähriger Bursche und betrachtete sie mit einer Miene, in der sich Unruhe und Trotz bekämpften. Seine Augen sahen fragend und verlangend aus, aber der feste, entschiedene Blick des jungen Mädchens beherrschte den Jüngling.

Wie steht's, Mercedes, sagte der junge Mann, Ostern naht; ist's da nicht Zeit, Hochzeit zu machen? Antwortet mir!

Ich habe Euch hundertmal geantwortet, Fernand, und Ihr müßt in der Tat Euer eigener Feind sein, daß Ihr mich noch einmal fragt!

Wiederholt es, ich bitte Euch, noch einmal, daß ich es endlich glauben kann! Sagt mir zum hundertstenmale, daß Ihr eine Liebe ausschlagt, die Eure Mutter billigte! Macht mir's begreiflich, daß Ihr mit meinem Glücke Euer Spiel treibt, daß mein Leben und mein Tod nichts für Euch sind. Ach, mein Gott, zehn Jahre lang habe ich geträumt. Euer Gatte zu werden, und soll nun diese Hoffnung verlieren, die der einzige Zweck meines Lebens war!

Ich bin es wenigstens nicht gewesen, die Euch in dieser Hoffnung ermutigt hat, Fernand, antwortete Mercedes. Ihr könnt mir in dieser Hinsicht nichts vorwerfen. Stets sagte ich Euch: Ich liebe Euch wie meinen Bruder, fordert aber nie mehr von mir, denn mein Herz gehört einem andern. Das habe ich Euch immer gesagt, Fernand.

Ich weiß es wohl, Mercedes, antwortete der junge Mann. Ja, Ihr habt mir gegenüber das grausame Verdienst der Offenherzigkeit. Aber vergeßt Ihr, daß bei den Kataloniern das heilige Gesetz besteht, sich nur untereinander zu heiraten?

Ihr täuscht Euch, Fernand, das ist kein Gesetz, es ist eine Gewohnheit und nichts weiter. Führt diese Gewohnheit nicht zu Euren Gunsten an! Ihr seid zur Aushebung vorgemerkt; jeden Augenblick könnt Ihr zur Fahne einberufen werden. Seid Ihr aber Soldat, was sollte dann aus mir werden, dem verlassenen, vermögenslosen Mädchen, das als einzige Habe nur eine baufällige Hütte besitzt, in der ein paar abgenutzte Netze hängen . . . die elende Erbschaft von meinem Vater und meiner Mutter? Seit sie im vorigen Jahre starb, lebe ich fast nur von der öffentlichen Wohltätigkeit. Zuweilen tut Ihr, als wäre ich Euch nützlich, um das Recht zu haben, Euren Fischfang mit mir zu teilen. Ich nehme es an, Fernand, weil Ihr mein Vetter seid, weil wir miteinander erzogen worden sind, und mehr noch, weil es Euch zu viel Kummer machen würde, wenn ich es ausschlüge; aber ich fühle wohl, daß der Fisch ein Almosen ist.

Wenn Ihr aber, die arme und verlassene Mercedes, mir besser gefallt als die Tochter des stolzesten Reeders und des reichsten Bankiers von Marseille? Was braucht ein Mann aus dem Volk wie ich? Ein ehrliches Weib, eine gute Wirtschafterin. Und wo kann ich da etwas Besseres finden, als Ihr seid?

Fernand, antwortete Mercedes, den Kopf schüttelnd, man ist eine schlechte Wirtschafterin und kann nicht dafür stehen, daß man eine ehrliche Frau bleibt, wenn man einen andern Mann liebt, als seinen Gatten. Begnügt Euch mit meiner Freundschaft, denn ich wiederhole Euch, das ist alles, was ich Euch versprechen kann, und ich verspreche nur, was ich halten kann.

Ja, ich begreife, sagte Fernand, Ihr ertragt geduldig Eure Armut, aber Ihr habt Furcht vor der meinen. Nun wohl, Mercedes, von Euch geliebt, werde ich mich aufzuschwingen suchen. Ihr bringt mir Glück, und ich werde reich. Ich kann mein Fischergewerbe ausdehnen, ich kann als Kommis in ein Kontor eintreten, ich kann sogar Kaufmann werden!

Ihr könnt das alles nicht, Fernand, Ihr seid als Soldat vorgemerkt, und wenn Ihr noch hier weilt, so ist dies nur der Fall, weil gegenwärtig kein Krieg geführt wird. Bleibt also Fischer und – begnügt Euch mit meiner Freundschaft, da ich Euch nichts anderes geben kann.

Oh, Mercedes, Ihr seid nur so grausam und hart gegen mich, weil Ihr einen andern erwartet; aber der ist vielleicht unbeständig wie das Meer.

Fernand, rief Mercedes, ich hielt Euch für gut, aber ich täuschte mich! Ihr habt ein schlechtes Herz, daß Ihr mit Eurer Eifersucht den Zorn des Himmels herabruft. Nun wohl, ich bekenne es offen: Ich erwarte und liebe den, welchen Ihr meint.

Der junge Katalonier machte eine wütende Gebärde.

Ich verstehe Euch, Fernand, Ihr werdet Euch dafür rächen, daß ich Euch nicht liebe, Ihr werdet Euer katalonisches Messer mit seinem Dolche kreuzen! Wohin wird Euch das führen? Dahin, daß Ihr meine Freundschaft verliert, wenn Ihr besiegt werdet; daß Ihr meine Freundschaft in Haß verwandelt, wenn Ihr Sieger seid. Glaubt mir, Streit mit einem Manne suchen, ist ein schlechtes Mittel, der Frau zu gefallen, die diesen Mann liebt. Nein, Fernand, Ihr werdet Euch nicht so durch Eure schlimmen Gedanken hinreißen lassen. Da Ihr mich nicht als Frau besitzen könnt, so werdet Ihr Euch begnügen, mich zur Freundin und zur Schwester zu haben. Und überdies, fügte sie mit unruhigen, tränenfeuchten Augen hinzu, Ihr habt soeben gesagt, das Meer sei treulos. Schon seit vier Monaten ist er abgereist, und seit vier Monaten habe ich viele Stürme gezählt.

Fernand blieb unempfindlich. Er suchte nicht die Tränen zu trocknen, die über Mercedes' Wangen herabrollten, und dennoch hätte er für jede ihrer Tränen einen Becher seines Blutes gegeben; aber diese Tränen flossen nicht für ihn. Er stand auf, ging in der Hütte umher, kehrte zurück, blieb mit düsterem Auge und geballten Fäusten vor Mercedes stehen und sagte: Laßt hören, Mercedes, noch einmal, antwortet: Steht Euer Entschluß fest?

Ich liebe Edmond Dantes, antwortete kalt das junge Mädchen, und kein anderer als Edmond soll mein Gatte werden.

Und Ihr werdet ihn immer lieben?

Solange ich lebe.

Fernand ließ ganz entmutigt das Haupt sinken und stieß einen Seufzer aus. Dann, plötzlich die Stirn wieder erhebend, rief er: Aber wenn er tot ist?

Wenn er tot ist, sterbe ich.

Aber wenn er Euch vergißt?

Mercedes! rief eine freudige Stimme vor dem Hause, Mercedes!

Ah, rief das junge Mädchen, vor Entzücken errötend und aufspringend, Ihr seht, daß er mich nicht vergessen hat, denn er ist da!

Eilig lief sie zur Tür, öffnete sie und rief mit jubelndem Tone: Herein, Edmond, hier bin ich!

Fernand wich bleich und bebend zurück, wie ein Reisender in den Tropen, der sich plötzlich einer giftigen Schlange mit gähnendem Rachen gegenüber sieht, stieß an seinen Stuhl und sank zitternd darauf nieder.

Edmond und Mercedes lagen einander in den Armen. Die glühende Sonne von Marseille drang durch die Öffnung der Tür herein und übergoß sie mit einer Woge von Licht. Anfangs sahen sie nichts von dem, was sie umgab. Ein unermeßliches Glück erhob sie über die Welt, und sie sprachen nur in abgebrochenen Worten, wie sie sowohl der lebhaftesten Freude wie nicht minder dem quälenden Schmerze zum Ausdruck dienen können.

Plötzlich erblickte Edmond Fernands düsteres Antlitz, das bleich und drohend aus dem Schatten hervortrat. Durch eine Bewegung, von der er sich vielleicht selbst nicht Rechenschaft gab, fuhr der junge Katalonier mit der Hand an das Messer, das in seinem Gürtel stak.

Ah! um Vergebung, sagte Dantes, ebenfalls die Stirn faltend, ich hatte nicht bemerkt, daß wir zu dritt sind! Sich sodann an Mercedes wendend, fragte er: Wer ist dieser Herr?

Dieser Herr wird dein bester Freund sein, Dantes, denn es ist auch mein Freund; es ist mein Vetter, es ist mein Bruder, es ist Fernand, der Mann, den ich nach dir, Edmond, am meisten in der Welt liebe. Erkennst du Fernand nicht wieder?

Ah, gewiß! sagte Edmond, und ohne Mercedes zu verlassen, deren Hand er in der seinigen hielt, reichte er mit einer herzlichen Bewegung seine andere Hand dem Katalonier.

Aber Fernand, weit entfernt, diese freundschaftliche Gebärde zu erwidern, blieb stumm und unbeweglich wie eine Statue. Da ließ Edmond seinen forschenden Blick über die bewegte, zitternde Mercedes und dann über den düsteren, drohenden Fernand gleiten, und dieser eine Blick sagte ihm alles. – Der Zorn stieg ihm zu Kopfe.

Als ich mit so großer Eile zu Euch lief, Mercedes, wußte ich nicht, daß ich einen Feind hier finden würde, sagte er.

Einen Feind! rief Mercedes, mit einem zornigen Blicke auf ihren Vetter; einen Feind bei mir, sagst du, Edmond? Wenn ich das glaubte, so nähme ich dich beim Arme, ginge nach Marseille und würde dieses Haus verlassen, um nie mehr dahin zurückzukehren.

Fernands Auge schleuderte einen Blitz.

Und wenn dir ein Unglück widerführe, Edmond, fügte sie mit eisiger Stimme hinzu, die Fernand bewies, daß sie in der Tiefe seiner finsteren Gedanken gelesen hatte, wenn dir ein Unglück widerführe, so stiege ich auf das Kap Morgion und stürzte mich über die Felsen hinab.

Fernand wurde furchtbar bleich.

Aber du hast dich getäuscht, Edmond, fuhr sie fort, du hast keinen Feind hier, denn hier sehe ich nur Fernand, meinen Bruder, der dir die Hand wie ein ergebener Freund drücken wird.

Und bei diesen Worten heftete Mercedes ihren gebieterischen Blick auf den Katalonier, der, von diesem Blicke wie bezaubert, sich langsam Edmond näherte und ihm die Hand reichte. Aber kaum hatte er die Hand berührt, als er fühlte, daß er etwas getan, das über seine Kräfte ging, und aus dem Hause stürzte.

Oh! rief er, wie ein Wahnsinniger fortrennend und mit den Händen in seinen Haaren wühlend, wer wird mich von diesem Menschen befreien! Wehe mir! wehe mir!

He, Katalonier! he, Fernand! wohin läufst du? rief eine Stimme.

Der junge Mann blieb stehen, schaute umher und sah Caderousse, der mit Danglars unter einer Laube an einem Tische saß.

He! sagte Caderousse, warum kommst du nicht zu uns? Hast du so große Eile, daß du nicht einmal deinen Freunden einen guten Morgen wünschen kannst?

Fernand schaute die Männer mit einfältiger Miene an und antwortete nicht.

Er scheint ganz verblüfft, sagte Danglars leise und stieß dabei Caderousse mit dem Knie. Sollten wir uns getäuscht haben und keinen Bundesgenossen in ihm finden?

Verdammt! Wollen doch sehen! erwiderte Caderousse und fügte, zu dem jungen Mann gewendet, hinzu: Nun, Katalonier, willst du nicht kommen?

Fernand trocknete den Schweiß von seiner Stirn und trat langsam unter die schattige Laube, deren Frische seinem erhitzten Körper wohlzutun schien.

Guten Morgen, sagte er, Ihr habt mich gerufen, nicht wahr? Und dabei ließ er sich erschöpft auf einen Stuhl fallen.

Ich rief dich, weil du wie ein Narr liefst, und weil ich befürchtete, du könntest dich ins Meer stürzen, erwiderte lachend Caderousse. Was zum Teufel, wenn man Freunde hat, so muß man ihnen nicht nur ein Glas Wein anbieten, sondern sie auch verhindern, drei oder vier Pinten Wasser zu schlucken.

Fernand stieß einen Seufzer aus, der einem Schluchzen ähnlich klang, und ließ seinen Kopf auf seine Fäuste sinken, die er kreuzweise auf den Tisch gelegt hatte.

Wie geht's, Fernand? Soll ich dir was sagen, versetzte Caderousse mit plumper Offenheit, du siehst aus wie ein aus dem Felde geschlagener Liebhaber.

Und er begleitete diesen Spaß mit schwerfälligem Lachen.

Bah! sagte Danglars, ein junger Mann von diesem Schnitte kann unmöglich in der Liebe unglücklich sein. Du scherzest, Caderousse.

Oh nein, erwiderte dieser, höre nur, wie er seufzt. Ruhig, Fernand, fügte Caderousse hinzu, die Nase hochgehalten und geantwortet! Es ist nicht liebenswürdig. Freunden nicht zu antworten, die sich nach unsrer Gesundheit erkundigen.

Meine Gesundheit ist gut, antwortete Fernand, seine Fäuste krampfhaft zusammenziehend, aber ohne den Kopf zu heben.

Oh, siehst du, Danglars, sagte Caderousse und machte dabei seinem Freunde aus einem Augenwinkel ein Zeichen, das ist die Sache: Fernand, den du hier siehst, ein guter, braver Katalonier, einer der besten Fischer von Marseille, ist in ein schönes Mädchen, namens Mercedes, verliebt. Doch leider scheint das junge Mädchen seinerseits in den Sekond des Pharao verliebt zu sein. Und da der Pharao heute in den Hafen eingelaufen ist, so verstehst du . . .

Nein, ich verstehe nicht, erwiderte Danglars.

Der arme Fernand wird seinen Abschied bekommen haben, fuhr Caderousse fort.

Wohl und was ist dabei? sagte Fernand, das Haupt erhebend, und schaute Caderousse wie ein Mensch an, der einen sucht, auf den er seinen Zorn fallen lassen kann. Mercedes hängt von niemand ab, nicht wahr? Es steht ihr frei, zu lieben, wen sie will!

Ah! wenn du es so nimmst, entgegnete Caderousse, so ist es etwas anderes. Ich hielt dich für einen Katalonier, und man hat mir gesagt, die Katalonier wären nicht die Männer, die sich von andern ausstechen lassen; man sagte mir weiter, Fernand sei besonders furchtbar in seiner Rache.

Fernand lächelte mitleidig und erwiderte: Ein Verliebter ist nie furchtbar.

Armer Junge! versetzte Danglars, der sich den Anschein gab, als beklagte er den jungen Mann aus der Tiefe seines Herzens. Was willst du? Er war nicht darauf gefaßt, Dantes so plötzlich zurückkommen zu sehen. Er hielt ihn vielleicht für tot, für ungetreu, wer weiß? Man ist in solchen Fällen um so empfindlicher, je unerwarteter sie eintreten.

In jedem Fall, sagte Caderousse, auf den der Wein seine Wirkung auszuüben anfing, ist Fernand nicht der einzige, den Dantes' glückliche Ankunft ärgert! Nicht wahr, Danglars?

Du sprichst die Wahrheit, und ich glaube fast, behaupten zu können, daß ihm dies Unglück bringen wird.

Doch gleichviel, versetzte Caderousse, goß Fernand ein Glas Wein ein und füllte zum zehntenmale sein eigenes Glas, während Danglars nur an dem seinigen genippt hatte, gleichviel, inzwischen heiratet er Mercedes, die schöne Mercedes; er kommt wenigstens deshalb zurück.

Während dieser Worte betrachtete Danglars mit durchdringendem Blick den jungen Mann, auf dessen Herz Caderousses Worte wie geschmolzenes Blei fielen.

Und wann soll die Hochzeit sein? fragte er.

Oh! so weit ist's noch nicht, murmelte Fernand.

Nein, aber es wird bald so weit sein, entgegnete Caderousse; so gewiß, als Dantes Kapitän sein wird, nicht wahr, Danglars?

Danglars bebte bei diesem unerwarteten Streiche und wandte sich zu Caderousse, um auf dessen Gesicht zu lesen, ob ihm der Stich mit Vorbedacht versetzt worden sei. Aber er sah nichts, als den Neid aus dem infolge der Trunkenheit bereits albern aussehenden Gesichte.

Nun gut, sagte er, die Gläser wieder füllend, trinken wir also auf die Gesundheit des Kapitäns Edmond Dantes, des Gatten der schönen Katalonierin!

Caderousse setzte mit einer schweren Hand sein Glas an den Mund und leerte es auf einen Zug. Fernand nahm das seinige und schleuderte es auf die Erde.

He, he, he! rief Caderousse, was erblicke ich da oben auf dem Hügel in der Richtung der Katalonier! Sieh doch, Fernand, du hast ein besseres Gesicht, als ich. Ich glaube, ich fange an, doppelt zu sehen, und du weißt, der Wein ist ein Verräter. Man sollte glauben, es seien zwei Liebende, die Hand in Hand nebeneinander gehen. Gott vergebe mir! Sie vermuten nicht, daß wir sie sehen, und umarmen sich sogar.

Danglars folgte lauernd allen schmerzlichen Bewegungen in Fernands sich sichtlich entstellendem Gesichte.

Oho, Dantes! oho, schönes Mädchen! rief jetzt Caderousse, kommt doch mal her und sagt uns, wann die Hochzeit sein wird.

Willst du wohl schweigen, sagte Danglars, der sich den Anschein gab, als wollte er Caderousse zurückhalten, der sich mit der Halsstarrigkeit eines Trunkenen aus der Laube hervorneigte. Mach, daß du nicht von der Bank fällst, und laß die Verliebten sich ruhig lieben! Sieh Herrn Fernand an, und nimm dir ein Beispiel an ihm! Er ist vernünftig.

Vielleicht wäre Fernand, außer sich und von Danglars ausgestachelt wie der Stier durch die Bandilleros, hinausgestürzt, denn er hatte sich bereits erhoben und schien sich auf seinen Nebenbuhler stürzen zu wollen; aber lachend und mutig erhob Mercedes ihr schönes Haupt und ließ ihren klaren Blick strahlen. Da erinnerte sich Fernand ihrer Drohung, sich den Tod zu geben, wenn Edmond umkäme, und er fiel völlig entmutigt auf seinen Stuhl zurück.

Danglars schaute achselzuckend die beiden andern an und murmelte: Was soll man mit solchen Einfaltspinseln machen? Was nützt mir der blöde Neid, der sich im Weine statt in Galle berauscht, und die kindische Verliebtheit, die sich, statt zu handeln, in Klagen und Winseln verzehrt? – Der Anmaßende wird triumphieren, wenn ich nicht die Karten mische, fügte er mit düsterm Lächeln hinzu.

Holla, schrie Cadcrousse, sich halb aufrichtend und mit den Fäusten auf den Tisch stützend, holla, Edmond! Siehst du die Freunde nicht, oder bist du bereits zu stolz, um mit ihnen zu sprechen?

Nein, mein lieber Caderousse, antwortete Dantes, ich bin nicht zu stolz, ich bin glücklich, und das Glück blendet, glaube ich, noch mehr als der Stolz.

Das lasse ich mir gefallen; das ist eine Erklärung, sagte Caderousse. Ei, guten Morgen, Frau Dantes.

Mercedes grüßte ernst und erwiderte: Das ist noch nicht mein Name, und in meinem Lande sagt man, es bringe Unglück, wenn man ein Mädchen mit dem Namen ihres Bräutigams anredet, ehe dieser ihr Gatte geworden ist; ich bitte Sie also, nennen Sie mich Mercedes.

Die Hochzeit soll also ungesäumt stattfinden, Herr Dantes? fragte Danglars und begrüßte das junge Paar.

Sobald als möglich, Herr Danglars. Heute die Verträge bei meinem Vater, und spätestens übermorgen das Hochzeitsmahl hier in der Reserve. Die Freunde werden sich hoffentlich einfinden; das heißt, Sie sind eingeladen, Herr Danglars, und du ebenfalls, Caderousse.

Und Fernand? versetzte Caderousse mit einem ekelhaften Gelächter; Fernand auch?

Der Bruder meiner Frau ist mein Bruder, und wir könnten es nur mit tiefem Bedauern sehen, Mercedes und ich, wenn er sich in einem solchen Augenblicke von uns fernhielte.

Fernand öffnete den Mund, um zu antworten; aber seine Stimme versagte, und er vermochte nicht ein Wort hervorzubringen.

Heute Vertrag, übermorgen Hochzeit! Teufel, Sie sind sehr eilig, Kapitän! Was! wir haben Zeit; der Pharao geht nicht vor drei Monaten in See.

Man soll das Glück nie versäumen, Herr Danglars, und wenn man lange gelitten hat, scheut man sich, an das Glück zu glauben. Es ist jedoch diesmal nicht die Selbstsucht, die mich treibt; ich muß nach Paris reisen.

Ah, wirklich, nach Paris, und Sie kommen zum erstenmal dahin, Dantes? – Ja.

Sie haben Geschäfte dort?

Nicht für meine Rechnung; es ist ein letzter Auftrag von unserm armen Kapitän Leclère, den ich zu erfüllen habe. Seien Sie übrigens unbesorgt, ich werde mir nur so viel Zeit nehmen, als ich zur Hin- und Herreise brauche.

Ja, ja, ich verstehe, sagte Danglars laut; dann fügte er leise hinzu: Nach Paris, ohne Zweifel, um den Brief, den ihm der Großmarschall gegeben hat, an seine Adresse abzuliefern. Bei Gott, dieser Brief bringt mich auf einen vortrefflichen Gedanken. Ha, Dantes, mein Freund! Du stehst in der Liste des Pharao noch nicht unter Nr. 1.

Dann rief er dem sich bereits entfernenden Edmond zu: Glückliche Reise!

Ich danke, antwortete Edmond, drehte den Kopf um und begleitete diese Bewegung mit einer freundschaftlichen Gebärde. Hierauf setzten die Liebenden ihren Weg fort, ruhig und freudig, wie zwei über die Maßen Glückliche.


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