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Im Oktober des Jahres 1762, wenige Monate vor dem Frieden von Hubertusburg, schreibt der Preußenkönig an seine alte Freundin Madame de Camas: »Wir sind arm geworden. Außer unserem Mantel und unserem Degen haben wir nur noch Porzellan.«
Schlaglichtartig erhellen diese wenigen Worte des jetzt fünfzigjährigen Königs seine Neigung zu dem edlen keramischen Erzeugnis, das die Kunst Johann Friedrich Böttgers auf sächsischem Boden erstehen ließ. Als Sechzehnjähriger lernte er es zuerst kennen, als er in Begleitung des Vaters an den Hof Augusts des Starken kam und dort das von Meißen gelieferte, in allen Tönen der Palette schimmernde Tafelgeschirr sah, das sich so sehr von dem schlichten Steingut der preußischen Hofhaltung unterschied. Seit jenen Jugendtagen liebt Friedrich das echte Porzellan; doch während der nächsten zwölf Jahre hat er kaum Gelegenheit, seiner Neigung nachzugehen.
Das echte »indianische Porzellan« aus dem Nachlaß der kunstsinnigen Sophie Charlotte hat Friedrich Wilhelm I. gegen »lange Kerls« an Peter den Großen vertauscht. Nur wenige geringwertige Stücke sind noch in dem Schlößchen Monbijou vorhanden, und seine karge Zivilliste erlaubt es dem Kronprinzen nicht, Neues – sei es von den Holländern, sei es von Meißen – zu erwerben. Erst nach seiner Thronbesteigung ändert sich das. Da kann er nach Herzenslust kaufen.
Noch bessere Gelegenheit bieten die beiden ersten Schlesischen Kriege, in denen Teile von Kursachsen und mit ihnen auch Meißen in die Hand der Preußen fallen und damit die Kontribution an Stelle des Kaufes tritt. Ein elfjähriger Friede folgt diesen Kriegen, und ganz im Sinne des herrschenden Wirtschaftssystems, des Merkantilismus, beschäftigt sich der junge siegreiche König mit dem Gedanken, auch im eigenen Lande eine Porzellanindustrie zu schaffen, »auf daß das Geld im Lande bleibe!«
Ansätze dafür sind vorhanden. Der bereits in einem früheren Abschnitt erwähnte Konrad Hunger, jener aus Meißen entwichene Arkanist, der 1722 in Wien eine Porzellanmanufaktur begründete, hatte sich auch in Berlin angeboten, war aber von dem Soldatenkönig abgewiesen worden. Wie sehr das Geheimnis des sächsischen Porzellans die Gemüter um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts bewegt, dafür spricht u. a. eine Anzeige in den »Berlinischen Nachrichten« vom 8. Dezember 1742, in dem ein Chemiker Heinrich Pott sich rühmt, die Erfindung des »ächten Porcellaine« zu beherrschen, und Kapitalisten für seine Erfindung sucht. Im Jahre 1749 tritt auf Veranlassung Friedrichs des Großen der Generalleutnant Graf von Rothenburg mit Pariser Porzellanfabrikanten in Verbindung, versucht ohne rechten Erfolg hinter deren Geheimnisse zu kommen und unterbreitet dem König daraufhin ein Projekt, das jedoch von diesem abgewiesen wird.
Aber die Zeit ist inzwischen reif geworden, und im Jahre 1751 unternimmt es der »Wollenzeugfabrikant Wegely«, in Berlin eine Porzellanfabrik zu begründen. Behilflich sind ihm dabei ein paar aus Meißen entwichene Arkanisten. Mit deren Kunst ist es jedoch nicht weit her; denn die Erzeugnisse dieser ersten Porzellan-Manufaktur fallen reichlich minderwertig aus und werden vom preußischen König recht absprechend beurteilt. Jedenfalls vermag Wegely, dessen Name noch heut die zur staatlichen preußischen Porzellan-Manufaktur führende Straße trägt, mit dem Unternehmen keine Seide zu spinnen und gibt die Fabrik 1757 sang- und klanglos wieder auf, um sich lohnenderen Geschäften mit Armeelieferungen hinzugeben.
Inzwischen ist der Siebenjährige Krieg ausgebrochen. Sachsen ist wieder von den Preußen besetzt, und eine der ersten Handlungen des Königs ist die Beschlagnahme der sächsischen Manufaktur, die nun während der ganzen Dauer des Krieges für preußische Rechnung betrieben wird. Ueber die Pachtsummen und die Porzellanlieferungen, die Preußen aus der Manufaktur gezogen hat, wurde bereits im vorangehenden Kapitel berichtet.
Für den preußischen König ist die Meißner Manufaktur aber nicht nur ein Finanzobjekt, sondern darüber hinaus ein Platz, an dem er wieder und immer wieder Entspannung von den Sorgen des Krieges sucht und findet. So oft ihn der Weg nach Meißen führt, und zu verschiedenen Malen in jedem der sieben Jahre geschieht dies, verweilt er stundenlang in den Räumen der Manufaktur. Nicht nur die Lagerbestände und neuen Erzeugnisse besichtigt er, auch alle Einzelheiten der Stampfwerke und Oefen fesseln seine Aufmerksamkeit. Während er einerseits selbst die Zeichnungen für Geschirr entwirft, welches die Manufaktur für seine Tafel liefern soll, skizziert er sich andererseits die Oefen und Stampfwerke und bringt technische Einzelheiten zu Papier, die man bisher vor jedem Fremden geheimhielt, vor dem Sieger aber natürlich nicht zu verbergen vermag. Auch mit verschiedenen Arkanisten kommt Friedrich II. bei solchen Gelegenheiten in Berührung, die fast ausnahmslos gern erbötig sind, gegen ein entsprechendes Gehalt nach Berlin zu kommen. Es muß an dieser Stelle der in verschiedenen Geschichtswerken geäußerten Meinung entgegengetreten werden, daß der König solche Leute mit Gewalt nach Berlin geschafft habe. Man kann eher das Gegenteil behaupten, daß das Angebot größer als die Nachfrage war, der König überdies aber gerade in den letzten fünfziger Jahren derart mit Kriegssorgen belastet war, daß alles andere dahinter zurückstehen mußte.
Als daher im Jahre 1760 der Kaufmann Johann Ernst Gotzkowsky im Auftrage des Berliner Magistrats im Lager zu Meißen weilte, um wegen einer der preußischen Hauptstadt von den Russen auferlegten Kontribution zu verhandeln, wies Friedrich die Meißner Arkanisten an diesen.
Gotzkowsky greift die Anregung des Königs sofort auf und legt ihm 1761 den ersten Plan für eine Berliner Porzellan-Manufaktur vor, die schon 1762 in Betrieb kommt. Ein Teil ihrer Belegschaft sind frühere Angestellte der eingegangenen Manufaktur von Wegely. Zu diesen gehört u. a. der Bildhauer Ernst Heinrich Reichardt, der das »Arkanum« an Gotzkowsky für 4000 Taler verkauft. Außerdem treten zahlreiche aus Meißen herübergekommene Arkanisten hinzu, und verhältnismäßig schnell gewinnt diese erste preußische Manufaktur einen größeren Umfang. Doch die Zeiten werden immer schwerer und der wachsende Betrieb erfordert Geldmittel, die über die Leistungsfähigkeit des auch andrerseits stark engagierten Gotzkowsky gehen. Er muß die Manufaktur abstoßen und bietet sie dem einzigen Käufer, der zurzeit dafür in Frage kommen kann, dem Könige selbst, an.
Es ist die höchste Zeit dazu; denn schon wenige Tage später, im August 1763, stellt Gotzkowsky seine Zahlungen ein; am 24. August wird die Porzellan-Manufaktur im Namen Seiner Majestät des Königs von dem Kriegs- und Domänienrat Voß übernommen. Am 8. September wird der Kaufkontrakt abgeschlossen, wonach der König die Manufaktur für die Summe von 225 000 »Thaler alt-brandenburgisch Kurant« erwirbt. Der 8. September 1763 darf daher als der Geburtstag der Königlich Preußischen Porzellan-Manufaktur gelten.
Der Preis, den Friedrich II. dafür gezahlt hat, ist nicht gering gewesen. Man muß einen Taler alter Währung, keinen »Ephraimiten«, keinen Taler der durch den Münzjuden Ephraim verschlechterten Kriegswährung, sondern einen Taler vollwertiger altbrandenburgischer Prägung zu der damaligen Zeit mit einer Kaufkraft von 10 bis 15 Mark in Rechnung stellen. Der Erwerb der Gotzkowskyschen Fabrik hat den preußischen Staat demnach rund drei Millionen Mark gekostet. Dafür ist er aber auch in den Besitz eines gut entwickelten und gut organisierten Betriebes gekommen. Beliefen sich doch die festen Besoldungen der bei der Uebernahme vorhandenen Verwaltungs- und technischen Aufsichtsbeamten außer den Naturalemolumenten schon auf jährlich 10 200 Taler. Außer sieben Verwaltungs- und Rechnungsbeamten wurden ein Arkanist, ein Modellmeister, zwei Malereivorgesetzte, ein Brennmeister, fünf Ofenarbeiter, drei Glasierer, fünf Kapseldreher, drei Tontreter, sechs Mühlenarbeiter, zwei Porzellanschleifer, vier Bildhauer, sechs Bossierer, zwei Formengießer, elf Former, vier Geschirrdreher, drei Modelltischler, zweiundzwanzig Porzellanmaler und drei Farbenlaboranten sowie eine ganze Anzahl von Hilfskräften übernommen. Alles in allem ist es ein Personal von 146 Köpfen gewesen. Diese Aufstellung läßt erkennen, wie gut der Betrieb schon bis in alle Einzelheiten organisiert war. Das Vorhandensein von dreizehn Former- und einundzwanzig Malereilehrlingen beweist ferner, daß auch Gotzkowsky bereits für den Nachwuchs gesorgt hat.
An Halbfabrikaten weist die Uebernahmeakte nicht weniger als 29 516 Stück rohe und verglühte Geschirre auf. Ferner werden darin über 10 000 weiße und 4886 Stück bemalte Porzellane angeführt. Schließlich gehört zu dem beim Kauf übergebenen Inventar noch eine lange Liste von Gipsformen und Gipsmodellen, die sich nicht nur auf Geschirr und Figuren, sondern auch auf Galanterieartikel der mannigfachsten Gattung bezieht.
In den vorhergehenden Kapiteln wurde dargelegt, wie in Dresden und später in Meißen in jahrzehntelanger unablässiger Arbeit aus dem Laboratorium eines Alchimisten allmählich eine Porzellanmanufaktur erwuchs. Wie sie ein Menschenalter hindurch fast ständig Zuschuß aus der Schatulle des sächsischen Kurfürsten bedurfte und wie die Erfindung Böttgers erst viele Jahre nach seinem Tode goldene Früchte zu tragen begann. In Preußen ist es anders gegangen. Der König, der Staat oder der preußische Fiskus . . . ein rechtlicher Unterschied ist nicht klar auszumachen . . . ist hier in der glücklichen Lage, ein bereits gut ausgebautes Werk zu übernehmen, und schon vom ersten Tage an bringt es ihm Einnahmen, die von Jahr zu Jahr immer weiter steigen. Obwohl auch der Königlichen Porzellan-Manufaktur in Berlin Kinderkrankheiten nicht erspart geblieben sind, und obwohl auch über Preußen während der Napoleonischen Periode schwerste Kriegszeiten kamen, hat diese Porzellanmanufaktur niemals mit einer Unterbilanz gearbeitet.
Die ersten sechs Jahre von 1763 bis 1769 bringen eine jährliche durchschnittliche Bruttoeinnahme von 746 730 Talern, aber noch keinen Reingewinn, weil begreiflicherweise große Neuinvestitionen erforderlich sind; doch die darauffolgenden sechs Jahre bis 1775 ergeben bei einer jährlichen Bruttoeinnahme von 94 644 Talern schon einen jährlichen Ueberschuß von 16 700 Talern, und nun geht es in steter Progression weiter, und in wiederum sechs Jahren steigt der Ueberschuß auf 24 641 Taler, um in den sechs Jahren von 1781 bis 1787 den Betrag von 36 000 Talern zu erreichen. Unter der Regierung Friedrich Wilhelms II. hält sich der Jahresüberschuß ziemlich stetig auf 45 000 Talern. Die schlimmen Jahre von 1808 bis 1812, während deren Berlin von den Franzosen besetzt ist, weisen immer noch einen Ueberschuß von fast 22 000 Taler auf, der für die Jahre 1813 bis 1821 wieder auf 40 000 Taler emporschnellt. Erst in der langen Zeit von 1822 bis 1849 werden die wirtschaftlichen Nachwirkungen der Napoleonischen Kriege allgemein fühlbar, und der Einfluß dieser »Elendsjahre« ist auch aus den Büchern der Berliner Porzellan-Manufaktur ersichtlich. Der Jahresüberschuß schrumpft in diesem Vierteljahrhundert von 40 000 Talern auf 4300 Taler zusammen, und noch einmal ein Vierteljahrhundert wird es danach dauern, bis die Gewinnhöhe früherer Zeiten erreicht und überschritten wird. In den vorstehenden Zeilen wurde etwas ausführlicher auf die materiellen Erträgnisse der Berliner Manufaktur eingegangen, weil sie am besten die gesunde wirtschaftliche Struktur des Unternehmens beleuchten. Die Voraussetzung dafür ist eine richtige technische, künstlerische und kaufmännische Führung, und um diese ist man in Berlin von Anfang an eifrig bemüht gewesen.
Nach den Akten der Manufaktur hat der Geheime Kommissionsrat Grieninger von 1763 bis 1786 die Direktion der Königlichen Porzellan-Manufaktur zu Berlin geführt, doch de facto ist für diese Zeit Friedrich der Große ihr Direktor gewesen. Ebenso wie während des Siebenjährigen Krieges die Manufaktur in Meißen, wird für die folgenden dreiundzwanzig Jahre diejenige in Berlin wieder und immer wieder von ihm besucht, und manche seiner freien Stunden hat er ihr gewidmet. Viele jener Service und Figuren, die in diesen Jahrzehnten aus den Brennöfen der Manufaktur hervorgehen, sind nach Zeichnungen des Königs modelliert und bemalt worden. Ausnahmslos sind es Entwürfe in jenem späteren Rokokostil, den der Philosoph von Sanssouci so liebte. Noch heute werden in den Archiven der Manufaktur seine eigenhändigen Skizzen aufbewahrt, die dokumentarisch seine Mitarbeit beweisen.
Sein Interesse für die technischen Einzelheiten erhellt gut aus einem Bericht über einen Besuch, den er bereits am 11. September 1763 der eben erst übernommenen Manufaktur abstattet. Es heißt darin:
»Niemals hat sich wohl ein Monarch gnädiger herabgelassen. Sein huldreicher Blick erstreckte sich über alles. In der Mühle und dem Schlämmereigebäude blieb er lange, um die Zubereitung der Materialien mit anzusehen. Bei den Brenngewölben sprach er lang mit mir von den Porzellanöfen und zeichnete den Umriß von einem sächsischen Gaarofen, wie er meinte, in meine Schreibtafel. Es war aber nicht der Gaar- oder Gutofen, sondern der Umriß vom Verglühofen, der dem Könige zu Meißen statt jenes mag gezeiget worden sein. In den Arbeiterstuben, in den Vorrathskammern und auf dem Waarenlager, nirgends entging seiner ihm ganz besonders eigenen Aufmerksamkeit etwas. An manchen Orten, wo er etwas wahr zu nehmen glaubte, das änderst wäre als zu Meißen, fragte er um die Ursache der Verschiedenheit . . . da er über zwei Stunden verweilet und sich über alles die genaueste Auskunft hatte geben lassen, versicherte er alle auf das huldreichste seiner königlichen Gnade unter der gewissen Anhofnung, daß ein jeder ferner wie bishero allen Fleiß anwenden würde, das neue Werk je länger je mehr zu seiner Vollkommenheit bringen zu helfen.«
Schon am 28. September erscheint der König wieder in der Manufaktur, nimmt den Rapport des Direktors entgegen und eröffnet ihm, daß er seinem Oberbaudirektor Boumann den Befehl gegeben habe, die Anschläge zu zwei Gebäuden zu machen, das eine von etwa drei Etagen und 350 Fuß Länge, das andere in der Quere errichtet von zwei Etagen und 180 Fuß Länge. Diese Gebäude sollen noch ebenso wie die bereits vorhandenen in der Leipziger Straße errichtet werden und eine neue Mühle nebst Stampfwerk und Schlämmgewölbe und mehrere Gar- und Verglühöfen aufnehmen.
Die nächste Sorge ist die Beschaffung guter Porzellanerde innerhalb des eigenen Landes. Gotzkowsky hat bisher Erde aus Passau in Bayern bezogen, die an Güte der in Meißen verwandten beträchtlich nachstand. Friedrich der Große befaßt sich sofort mit dieser Frage, verweist den Direktor der Manufaktur auf den Weg von Thannhausen nach Charlottenbrunn in Schlesien, wo er selbst eine schöne weiße Erde wahrgenommen hat, und erläßt umgehend den Befehl, überall in preußischen Landen nach geeigneter Erde suchen zu lassen. Im Jahre 1771 gelingt es dann auch nach mancherlei Fehlschlägen, bei dem Dorf Brachwitz in der Nähe von Halle an der Saale einen vorzüglichen Kaolin zu entdecken. Bohrungen in den folgenden Jahren ergeben nicht nur an dieser Stelle, sondern auch auf den benachbarten Feldmarken ein mächtiges Lager bester Porzellanerde, das weit über einen hundertjährigen Verbrauch hinaus hinreichend ist, und bis zum heutigen Tage bezieht die Staatliche Porzellan-Manufaktur zu Berlin ihren Kaolin von dieser Stelle. Die Frage der Rohstoffe ist damit befriedigend geklärt; die zweite, kaum minder wichtige, die Energiefrage, bleibt noch offen.
Das Zerkleinern, Mischen und Mahlen der Erden, die Heranschaffung des Wassers für das Schlämmen, der Betrieb der Tonschneider und der Schleifereianlagen, dies alles kostet Energie. Durch menschliche Muskelkraft wie es noch 60 Jahre früher in Meißen geschah, können alle diese Maschinen und Apparate nicht betrieben werden. 1763 ist die geeignete Energiequelle das Roßwerk. Erst zwei und vier, bald acht und schließlich zehn kräftige Pferde laufen stundenlang im Kreise und drehen ein Göpelwerk, von dem aus ihre Muskelarbeit durch Zahnräder und Wellen auf Mühlen und Wasserpumpen übertragen wird.
Zwar hat James Watt in England schon seine Dampfmaschine konstruiert, und in immer stärkerem Maße verdrängt sie dort die zur Entwässerung der Kohlengruben dienenden Roßwerke; doch nur langsam findet die Dampfkraft auf dem Kontinent Eingang. Es ist bekannt, daß der preußische König sich dieser neuen Technik gegenüber ablehnend verhielt und Vorschläge, die Dampfmaschine zum Betrieb der Fontänen in Sanssouci zu benutzen, mit Spott und Hohn abwies. Doch schon zwei Jahre nach seinem Tode beginnt man sich in der Berliner Manufaktur mit solchem Projekt zu beschäftigen, und 1799 kommt dort eine zehnpferdige Dampfmaschine als Ersatz für das alte Roßwerk zur Aufstellung. Die Königliche Porzellan-Manufaktur zu Berlin darf damit den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, daß die erste in Preußen für eine industrielle Anstalt arbeitende Dampfmaschine in ihrem Betrieb gelaufen ist. Hinzuzufügen wäre noch, daß diese Maschine zwar nach Plänen von Watt und Boulton in Birmingham entworfen, aber nicht in England, sondern in den Königlichen Eisenhütten zu Malapane und Gleiwitz hergestellt worden ist. Der Immediat-Bericht des Ministers Freiherrn von Heinitz betont diese Tatsache ausdrücklich. U. a. heißt es in diesem Bericht: »Es wurden dadurch an zehn Pferde gespart. Die Maschine bewegt zwölf Stampf-, elf liegende und einen stehenden Mühlenstein und eine große kupferne Scheibe für die Porzellanschleiferei. Außerdem hebt sie alles Wasser, dessen sie teils selbst zum Verdampfen und Niederschlagen der Dämpfe, teils die ganze Wasch- und Schlämmerei-Anstalt bedarf, aus einem vierzig Fuß tiefen Brunnen. Sie ist die erste ihrer Art von kleinem Umfang und großer Wirkung, durchaus ein inländisches Produkt.«
Weitere Verbesserungen gelten den Oefen und dem Feuerungsmaterial. Die ersten Oefen, noch unter Gotzkowsky, waren nach Meißner Vorbildern errichtet, teils nach Erfahrungen der von dort übernommenen Arkanisten, teils nach Handskizzen Friedrichs II. Sehr zuverlässig können diese Unterlagen nicht gewesen sein; denn die in ihnen erzielten Brände ließen sehr zu wünschen übrig, und gleich nach der Uebernahme der Berliner Manufaktur durch den Staat suchte man Abhilfe zu schaffen. Nach immer wieder abgeänderten Plänen wurde ein Ofen nach dem anderen erbaut und nach kürzerem oder längerem Versuchsbetriebe wieder abgebrochen. Weil die liegenden halbzylindrischen Oefen nach Meißner Vorbild nicht befriedigten, ging man zu stehenden runden Oefen über und gelangte im Laufe eines Menschenalters schließlich zu stehenden Etagenöfen, die, nach zahlreichen Abänderungen der Details, schließlich zufriedenstellende Brände lieferten. Etwa um das Jahr 1797 herum ist mit der Errichtung derartiger Oefen ein gewisser technischer Abschluß erreicht. Die in dem genannten Jahre errichteten Oefen haben über ein halbes Jahrhundert hindurch gute Dienste geleistet und sind erst abgebrochen worden, nachdem in jedem nahezu 3000 Brände ausgeführt worden waren.
Neben der dauernden Verbesserung der Oefen läuft die Wahl des besten Brennstoffes einher. Bei der Uebernahme der Manufaktur durch den Staat hat der König dieser ein Privileg auf 1600 Klafter freies Holz aus der Köpenicker und später aus der Rüdersdorfer Forst bewilligt, und für Jahrzehnte ist Holz der Brennstoff der preußischen Porzellan-Manufaktur geblieben. Als jedoch der Nachfolger Friedrichs diese Vergünstigung aufhob, sah man sich nach einem wohlfeilen Feuerungsmaterial um und verfiel zunächst auf den billigen, in der Nähe Berlins anstehenden Torf. Dessen Unbrauchbarkeit zur Erzeugung der für das Porzellanbrennen erforderlichen hohen Temperaturen wurde aber schon nach wenigen Probebränden erkannt, und danach setzten die Versuche mit Steinkohle ein, die schließlich zu einer Mischfeuerung aus Kohlen und Holz führten. Bei dieser Feuerung ist die Manufaktur bis über die Hälfte des 19. Jahrhunderts geblieben, wo dann erst Koks- und später Gasfeuerung zur Anwendung kommt. Alle diese technischen Verbesserungen und die Erweiterungen der Manufaktur haben nicht unerhebliche Geldmittel erfordert, die der Betrieb aus eigener Kraft zunächst nicht zu schaffen vermochte. So wurde es notwendig, Anleihen aufzunehmen. Schon in den ersten Jahren nach der Uebernahme durch den Staat wurden 140 000 Taler gegen 5 Prozent Zinsen von der Churmärkischen Landschaft angeliehen und aus der Königlichen Generalpostkasse gezahlt und merkwürdigerweise in lauter Zweigroschenstücken. Weitere Anleihen sind noch dazugekommen, doch in den folgenden Jahren aus dem Gewinn der Manufaktur getilgt worden. Die wirtschaftliche Entwicklung der Königlich Preußischen Porzellan-Manufaktur wurde bereits in dem Vorstehenden zahlenmäßig gegeben. Schon wenige Jahre nach der Uebernahme ist sie eine nicht zu verachtende Einnahmequelle für Preußen geworden und dauernd geblieben. Nicht nur in Meißen, sondern auch in Berlin hat der alte Gedanke Böttgers, aus Steinen Gold zu machen, in übertragenem Sinne seine Verwirklichung gefunden.