Hans Dominik
Wunder des Schmelztiegels
Hans Dominik

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Die Manufaktur Meißen im Siebenjährigen Kriege

Am 29. August 1756 überschreitet das preußische Heer die sächsische Grenze, und in knapp drei Monaten ist das ganze Kurfürstentum in der Hand Friedrichs des Großen. Das Zeitalter ist das merkantilistische, und nach merkantilistischen Grundsätzen wird auch der Krieg finanziert. So wird gleich nach dem Einzug der Preußen in Dresden in der dortigen Manufakturniederlage nicht nur die Kasse, sondern auch sämtliches Porzellan beschlagnahmt, und das gleiche geschieht kurz danach in Leipzig und in Meißen. Die Kassen sind ohne weiteres gute Beute; das Porzellan muß erst zu Geld gemacht werden. Der Verkaufswert der drei beschlagnahmten Warenlager wird auf 300 000 Taler geschätzt; doch im Kriege kann nicht friedensmäßig gerechnet werden. Für 120 000 Taler bar wird dies Porzellan dem sächsischen Akzisrat und preußischen Geheimrat Schimmelmann überlassen. Schimmelmann, der gleichzeitig einen sächsischen und einen preußischen Titel trägt, hat mit dem Kauf ein vorzügliches Geschäft gemacht und spielt im übrigen eine zweifelhafte Rolle. Er hat später zu seiner Rechtfertigung gesagt, nur durch seinen schnellen Zugriff sei es verhindert worden, daß dieses sächsische Porzellan in die Hände Wegelys, des damaligen Inhabers der Berliner Porzellan-Manufaktur, gelangt sei, und ferner behauptet, daß Wegely als Käufer auch die Erlaubnis erhalten haben würde, alle in der Meißner Manufaktur befindlichen Arbeiter und Maschinen ohne Entgelt nach Berlin zu schaffen.

Es ist wohl möglich, daß diese Aussagen stimmen, denn wenige Tage nach Abschluß des Kaufes erschien Wegely in Meißen und wies einen Befehl des preußischen Königs vor, nach dem ihm alles, was er wünsche, in der Fabrik gezeigt werden solle. Dort hatte man sich aber beizeiten vorgesehen. Sämtliche Brennöfen waren abgebrochen, die Maschinen zum Teil demontiert, und die Arkanisten hatten sich unsichtbar gemacht. Nur »vier Malerburschen, deren Verlust aber dem Werk nichts schadete«, konnte Wegely mit nach Berlin nehmen; im übrigen mußte er unverrichteterdinge abziehen.

Die Preußen hatten nun die 120 000 Taler Schimmelmanns; Schimmelmann hatte das gesamte Meißner Porzellan, aber in diesen Kriegszeiten keine angemessen zahlenden Käufer dafür. In dieser Lage wandte er sich an den sächsischen Kabinettsminister von Rex und ließ ihn wissen, daß Wegely ihm jetzt bereits 150 000 Taler geboten habe. Das war, milde gesagt, ein starker diplomatischer Druck, und er verfehlte seine Wirkung nicht. Auf Veranlassung des Ministers schließen der sächsische Geheimrat Graf von Boltza und der Oberrechnungsrat Thielemann am 11. Dezember 1756 mit Schimmelmann einen Kaufkontrakt ab, nach dem alle Porzellanvorräte für 170 000 Taler an sie übergehen.

An diese erste Transaktion, durch die Schimmelmann wieder zu seinem Gelde kommt und noch einen erklecklichen Profit macht, schließt sich sogleich eine zweite. Die Manufaktur in Meißen selbst ist ja von den Preußen geschlossen und versiegelt worden. Schimmelmann pachtet sie vom 1. März 1757 an für monatlich 2000 Taler, im voraus zu zahlen, vom preußischen Fiskus, und von dieser Zeit an kann der regelmäßige Betrieb in Meißen wieder aufgenommen werden.

Wohl wirken sich auch hier die Kriegsläufte aus. An Stelle von Arkanisten, die man zur Wahrung des Fabrikgeheimnisses außer Landes geschickt hat, müssen andere Leute eingeweiht und mit dem Mischen der Masse und der Glasuren beauftragt werden; da aber die Unterhaltungskosten durch Kürzung der Löhne gedeckt werden können und auch der Verkauf verhältnismäßig gut vonstatten geht, scheint die Zukunft der Manufaktur vorläufig gesichert zu sein.

Von weiteren Ereignissen während des Krieges ist besonders ein Besuch des preußischen Königs am 8. November 1760 bemerkenswert. Friedrich der Große hat an jenem Tage über eine Stunde im Warenlager verweilt, die von ihm bestellten Porzellane und die Malerzimmer besichtigt und seine volle Zufriedenheit ausgesprochen. Nur über einen Zeitungsartikel, der ihn der Grausamkeit gegen die Manufaktur bezichtigt und den er von Meißen inspiriert glaubt, äußert er sich unwillig, und als ihn der Justitiar der Fabrik um »Protektion des Werkes« bittet, erwidert Friedrich: »Ich tue Euch ja nichts, Ihr kennt mich ja schon, aber laßt Eure Zeitungsschreiberei sein.« Im übrigen hindert es diese königliche Zufriedenheit nicht, daß das monatliche Pachtgeld auf 5000 Taler erhöht wird und daß vom König bestellte Porzellane im Werte von 30 000 Talern unentgeltlich verabfolgt werden müssen. Als geringe Gegenleistung wird nur auf das für November und Dezember 1761 fällige Pachtgeld verzichtet. Dafür verlangen die Preußen aber im Jahre 1762 schon 7000 Taler Pachtgeld und außerdem für 17 400 Taler Porzellan; für 1763 werden diese beiden Summen auf 10 000 bzw. 35 000 Taler erhöht. Erst der Friede von Hubertusburg setzt dieser Belastung ein Ende.

Erstaunlich hoch sind die Summen, welche der Betrieb der Meißner Manufaktur während dieser Kriegsjahre ergeben hat: 260 000 Taler Pachtgeld und Porzellan im Werte von hunderttausend Talern hat Preußen daraus gezogen. Erinnert man sich, daß noch vierzig Jahre zuvor ständige Zuschüsse aus der Privatschatulle Augusts des Starken notwendig waren, um die Manufaktur am Leben zu erhalten, so wird der wirtschaftliche Aufschwung erst voll erkennbar. Es ist in der Tat ein Goldquell, den Johann Friedrich Böttger durch seine Erfindung erschlossen hat und der dem Lande auch weiterhin reich und immer reicher fließen wird.

 


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