Hans Dominik
Klaus im Glück
Hans Dominik

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Diamanten im Wüstensand

Wieder waren zwei Jahre verflossen. Vier Jahre war Klaus jetzt im Lande. Längst gehörte er zu den »alten Afrikanern«.

Während andere mit einer ähnlich langen Dienstzeit häufig für einen längeren Europaurlaub reif waren, fühlte er sich so frisch wie ein Fisch im Wasser. Das Klima von Süd-West bekam ihm vorzüglich. So zog er es vor, jedes Jahr einen Urlaub von einigen Wochen zu nehmen und zu Reisen im Lande selbst zu verwenden. Soweit es ging, benutzte er dabei die Bahn. Wo der Schienenstrang endigte, machte er sich beritten und durchstreifte mit dem Kompaß und einem Geologenhammer ausgerüstet das Land.

Die Beschäftigung mit den geologischen Verhältnissen der Kolonie war in den letzten Jahren seine Leidenschaft geworden. Das hatte ihn damals gepackt, als er gleich nach der Fertigstellung der Nord-Süd-Bahn eine Fahrt in das Minengebiet von Otavi unternahm. Welche wunderbaren Bodenschätze hatte er da zu sehen bekommen. Eisenerze, Zinkerze und reiche Kupferstufen. Tiefblau, malachitgrün und brennendrot schimmerten die schweren Erzdrusen, die er dort erblickte. Schon das war ein Schauspiel, das jeden Menschen mit gesunden Sinnen fesseln mußte.

Und dann hatte er vernommen, wie diese Schätze entdeckt worden waren. Wie deutsche Geologen das Land durchstreiften, die Schluchten und Klüfte untersucht hatten. Wie sie aus dem Vorkommen bestimmter Gesteinsarten auf das Vorhandensein von verhüttbaren Erzen schlossen, wie man dann schürfte und fündig wurde. Wie hier im Otavigebiet in kurzer Zeit eine reiche Minenindustrie emporblühte.

Etwas Ähnliches erreichen, auch irgendwo irgendwelche Bodenschätze entdecken, das war der Gedanke, der ihm seit jener Zeit traumhaft vorschwebte. Doch wie es erreichen? Wohl waren seine Satteltaschen jedesmal schwer von Gesteinsproben, wenn er von einem seiner Ausflüge in die Otaviberge zurückkehrte. Schon konnte er eine stattliche Mineraliensammlung sein eigen nennen. Aber dort waren ja schon längst andere vor ihm fündig geworden, hatten alle wertvollen Erzvorkommen für sich belegt.

Und hier im Westen in der endlosen Sandwüste der Wanderdünen, hier waren derartige Schätze kaum zu erwarten. Nur scharfer, feiner Sand, so weit das Auge reichte. In nimmermüdem Spiel jagten die Seewinde die Sandmassen landeinwärts, legten hier einmal ein abgeschliffenes Steinchen, dort irgendwo Muschelschalen bloß. Die ganze Gegend mochte wohl uralter Seeboden sein, den die Stürme im Laufe der Jahrtausende ins Land getragen hatten.

Die Stürme! Schon wieder hatten sie gewaltige Sandmassen bis dicht an den Bahnkörper geschleppt. Im Laufe der letzten beiden Jahre war die nächste große Düne, deren Kämme damals noch weit im Westen lagen, bis dicht an den Gleisstrang herangewandert. Es wurde Zeit, das erprobte Mittel gegen sie anzuwenden.

Wieder stand Klaus auf dem Kamm und beobachtete, wie die Böen den Hang hinauffegten und die Sandwolken über die Strecke hin nach Osten jagten.

Da, im flimmernden Spiel der Sonnenstrahlen traf ein Glitzern sein Auge. Er schritt darauf zu, beugte sich, hielt ein Stückchen Glas von der Größe etwa eines Streichholzkopfes zwischen den Fingern – schob es mechanisch in die Westentasche.

Da – während er den Kamm weiter entlangging – wieder ein Funkeln – ein zweites Stückchen Glas.

Er behielt die Stücke in der Hand. Betrachtete, wie der scharfe Quarzsand im Spiel der Winde ihre Fläche angerauht, ihren Kanten und Ecken aber verhältnismäßig wenig Abbruch getan hatte. Wie kam das Glas hier in den Dünensand?

Seine Gedanken begannen zu wandern. Ein Schiff da draußen weit im Westen auf dem Ozean in schwerer Seenot. Als der Untergang unvermeidlich, hatte die Besatzung ihre letzte Botschaft einer schwimmenden Flasche anvertraut. Nach Wochen oder Monaten mochte sie auch die Küste erreicht haben. Da aber hatte die Brandung sie gepackt, mit wütender Gewalt an das Ufer geschleudert, in zahllose Splitter zerschmettert. Verloren die Botschaft der Schiffbrüchigen. Die Splitter hatte der Sturm gepackt, zerschliffen, zerschlissen . . . mit den Sandmassen landeinwärts geschleppt.

War's so gewesen, wie's die Phantasie ihm vorspiegelte? Eine Flasche aus reinweißem Glase mußte es dann gewesen sein. Keine Spur von dem grünlichen Schimmer, der sonst allem Flaschenglase eigen ist, war an diesen Splitterchen zu merken, die er hier in der Hand hielt.

Wie lange mochte es her sein, daß die Flasche da fern im Westen am Gestade zerschellte. Wieviel Jahre . . . Wie viele Jahrzehnte mochten diese Stückchen gebraucht haben, um von der See bis hierher zu gelangen. Wunderbar blieb's, daß sie die lange Wanderung so gut überstanden. Klaus erinnerte sich, an der Nordsee am Strande viel größere Glasstücke gefunden zu haben, die bereits vollkommen kugelig geschliffen waren. Wie kam's, daß diese Splitterchen hier der vereinten Kraft des Windes und des scharfen Sandes so gut widerstanden hatten? . . . Ein Ruf seines Boys riß ihn aus seinem Sinnen. Der brachte ihm ein drittes Steinchen.

»Noch ein Glasscherben? Was soll ich damit, Abraham?« Achtlos wollte Klaus die Steine wieder fallen lassen.

»Nein, Baas, kein Glas! . . . Ein Stein! . . . Man liebt die Steine in Johannisburg.«

»Ach, Abraham, du bist ja ein großer Esel.«

»Kein Esel, Baas! . . . Die Steine liebt man in Johannisburg.«

»Unsinn!« . . .

Aber dann . . . Klaus stutzte, erinnerte sich. Der Boy hatte in der Tat in einer der Minen von Kimberley gearbeitet. Sollte vielleicht doch . . .?

Er ließ die Splitterchen in die Westentasche gleiten und ging zum Zuge zurück. Es war schon Nacht, als sie auf der Station ankamen. Bevor Klaus in das Haus ging, griff er in die Tasche und holte ein Markstück hervor.

»Hier, Abraham! Für deinen guten Willen! Geh und kaufe dir eine Flasche Bier dafür.«

Grinsend und dienernd zog der Boy mit dem Gelde ab.

Klaus war allein in seinem Zimmer. Er griff nach einem Trinkglas, nahm eines der etwa erbsengroßen Steinchen und kratzte damit an dem Glase – und spürte, wie ihm das Herz plötzlich bis in den Hals schlug. Das unscheinbare Steinchen hatte mit einer spitzen Kante tief in die Glasmasse eingeschnitten. Was konnte das sein, was Glas schnitt? . . .

Klaus Kröning preßte die Hände vor die Augen, um sich zur Ruhe zu zwingen. Was konnte Glas ritzen? – Alles, was härter war als Glas – jedenfalls als das Glas hier vor ihm – unter Umständen jeder Kiesel, jedes Stückchen Quarz, wenn das Trinkgefäß zufällig aus weichem Bleiglase bestand.

Wer konnte das wissen? Wenn es nun doch aus einer harten Glassorte geblasen war – dann waren nur noch die Edelkorunde härter – aber die gab's in Südafrika nicht.

Diamanten? Er wagte es nicht, das Wort laut über die Lippen zu bringen. Sollten es doch Diamanten sein, diese rauhen, unscheinbaren Stückchen hier vor ihm auf dem Tisch? Wie konnte er sich Sicherheit verschaffen? – Sicherheit, ohne einen anderen ins Geheimnis zu ziehen?

Es gab nur eine Möglichkeit. Er mußte selbst nach Johannisburg fahren. Da gab es Sachverständige, die ihm sichere Auskunft über die unscheinbaren Splitterchen geben konnten. Nach Johannisburg – die Reise würde einige Tage beanspruchen.

Die Steine durch die Post dorthin schicken? . . . Er verwarf den Gedanken im Moment, da er auftauchte. Das war ausgeschlossen. Die Leute in Johannesburg, an die er sich wenden wollte, mußten unter allen Umständen in dem Glauben gehalten werden, daß er die Steine dort irgendwo gekauft habe. Nicht die leiseste Vermutung, daß es solche Steine auch innerhalb der Grenzen dieser Kolonie geben könnte, durfte dort aufkommen. Das fühlte Klaus mit visionärer Deutlichkeit. –

Am nächsten Tage war Klaus sich über das, was er tun mußte, klargeworden. Telegrafisch beantragte er einen vierzehntägigen Urlaub. Schnell waren die wenigen Sachen gepackt, die er für die Reise brauchte. Mit dem Abendzug mußte er nach Lüderitzbucht wegfahren, um den Dampfer nach Kapstadt zu bekommen. Eine gute Stunde noch bis zur Ankunft des Zuges.

Aber während der letzten zwei Tage war noch etwas anderes geschehen. Abraham, der Klippkaffernboy, war spurlos verschwunden. Ärgerlich nahm Klaus von dieser Tatsache Kenntnis. Es kam bisweilen vor, daß ein Schwarzer aus dem Dienste lief und irgendwo in einem Kafferndorf untertauchte. Von Abraham hätte er jedoch etwas Derartiges nicht erwartet. Der Boy stand schon mehrere Jahre in seinem persönlichen Dienst, war stets willig und anstellig gewesen. Klaus war sich bewußt, ihn immer freundlich behandelt zu haben. Was mochte dem in die wollige Krone gefahren sein, daß er gerade jetzt davonlief.

Die Gründe für dieses Vorkommnis waren in der Tat außergewöhnlicher Art. Unter der anregenden Wirkung von einer Flasche Exportbier hatte Abraham sich zu der ziemlich ungewohnten Tätigkeit des Denkens aufgerafft. Mit der Logik, die diesen großen schwarzen Kindern eigentümlich ist, hatte er ungefähr folgendermaßen geschlossen:

Wenn der Baas mir für ein Steinchen eine Flasche Bier schenkt, wird er mir für mehr Steine auch mehr Bier geben. Im Besitze dieser mühsam gewonnenen Erkenntnis hatte Abraham sich seinerseits zum Handeln entschlossen. –

Als Klaus eben seine Handtasche zuschloß, klopfte es. Der Schwarze trat zu Klaus ins Zimmer.

»Herrgottshimmeldonnerwetter, Abraham! Was fällt dir ein? Was ist das für eine Manier, einfach ohne Urlaub wegzulaufen? . . . Wo hast du die letzten vierundzwanzig Stunden gesteckt?«

Der Boy holte ein Leinenbeutelchen hervor, hielt es Klaus entgegen.

»Baas, ich habe noch mehr Steine gesucht.«

Bei Klaus überwog die Neugier den Ärger. Er nahm den Beutel, öffnete ihn. Wohl an fünfzig Glassteinchen waren darin, viele davon größer als die, die er gestern auf der Düne gefunden. Die größten reichlich bohnengroß.

»Abraham, Menschenskind, wo hast du das Zeug her?«

Der Schwarze deutete nach Westen in der Richtung nach der Küste.

»Hinter den Dünen, Baas, dahinten in der Wüste.«

»In der Wüste? . . . So, so! Gibt's da noch mehr von der Sorte?«

Abraham zögerte. Wenn er zuviel von dem verriet, was er wußte, würde ihm sein Baas vielleicht kein Bier geben.

Langsam holte Klaus Kröning vier einzelne Markstücke heraus und legte sie vor sich auf den Tisch.

»Vier Mark, Abraham, vier Flaschen Bier für dich. Aber du mußt mir die volle Wahrheit sagen.

»Vier Flaschen für mich. Darf ich, Baas?«

»Nimm dir das Geld.«

Im Moment waren die Silberlinge in der Tasche des Klippkaffern verschwunden.

»Jetzt antworte auf meine Frage, Abraham. Gibt's da noch mehr von der Sorte?«

»Viel, Baas! Soviel . . .« der Schwarze machte mit den Händen eine umfassende Bewegung, als wolle er die Größe des Diamantenhaufens andeuten, den man dort sammeln könne.

»Soviel, Baas . . . immer mehr, wenn man weit nach Westen geht. Viele Steine im Sande.«

»Gut, Abraham! Ich höre meinen Zug kommen. Trinke dein Bier mit Gesundheit und halte dein Maul über die Sache. Verstehst du, Abraham, Maul gehalten über die Steine.«

»Ja, Baas! Abraham wird Maul halten, noch mehr Steine für Baas suchen.«

*

Fünfzehn Tage nach seiner Abreise traf Klaus wieder in Gründorn ein. Jetzt saß er vor seinem Schreibtisch. Er fühlte es, das Schicksal bot ihm hier eine Chance von unerhörter Größe, doch alles kam darauf an, daß er die Gelegenheit richtig zu nutzen verstand. Ein einziger verkehrter Schritt und alles war verdorben.

Bis jetzt glaubte er richtig gehandelt zu haben. Seinem Boy hatte die Aussicht auf weiteres Flaschenbier den Mund hermetisch geschlossen. Den Besuch in Johannesburg hatte er selbst erledigt. Vorläufig wußte kein Mensch außer ihm und dem einen Klippkaffern, daß die kostbaren Steine auch in Südwest zu finden waren.

Was nun weiter? Gelegentlich seiner geologischen Studien hatte Klaus sich auch mit dem Bergrecht beschäftigt. Der Gang der Dinge war ihm klar.

Erst mußte man fündig werden; dann mußte man für die Gebiete, auf denen man fündig geworden war, bei der Bergbehörde muten. Claims beanspruchen, nannten es die Kolonisten im Lande hier halb englisch.

Fündig werden? . . . Sein Auge haftete an dem Häufchen glitzernder Steine, das vor ihm auf der Tischplatte lag. Genügte das schon?

Wer konnte wissen, wo und wie lange Abraham umhergelaufen war, um diese Splitterchen zusammenzutragen? Claims belegen, das kostete aber erhebliches Geld. Das hatte er auch schon gelernt. Es war besser, wenn er sich erst selbst genau über die tatsächlichen Vorkommen unterrichtete, bevor er auch nur einen Schritt zum Bergamt hin tat. Sein Entschluß stand fest. Hatte Abraham nicht gesagt, daß die glitzernden Steinchen da weit hinten in der Wüste nach Westen zu zu finden wären? Er mußte selbst dorthin, mußte selbst sehen. – – –

Noch glänzte der dunkle Sternenhimmel über der Station, als Klaus in Begleitung Abrahams sie verließ. Ihre Pferde trugen Wasser und Proviant für eine Woche. Geradeaus nach Westen ging der Ritt. Bald verschwanden die letzten Spuren der Vegetation, die unendliche Wüste des afrikanischen Veldtes nahm die Reiter auf. Bald im Schritt, bald im Trab ging es vorwärts.

Mächtige Dünen hemmten ihren Weg. An den Zügeln mußten sie ihre Pferde darüber führen. Glühend brannten die unbarmherzigen Strahlen der afrikanischen Sonne. Unentwegt hielt Klaus den Kurs nach Westen. Schon sank die zweite Nacht hernieder und zwang sie zur Rast. – – –

Eben erst begann die Dunkelheit einem unbestimmten Grau zu weichen, als Klaus nach kurzem Schlaf aufsprang und zum Aufbruch trieb. Das Rinnsal eines vertrockneten Flusses wurde durchschritten, eine neue, gewaltige Düne baute sich vor ihnen auf. Wieder mußten sie den Sattel verlassen. Trotz der empfindlichen Morgenkühle wurde es Klaus warm, als er sein Pferd hinter sich am Zügel den steilen Hügel emporzog.

Jetzt war der Kamm erreicht. Weiten Ausblick hatten sie hier nach allen Seiten. Rot flammte hinter ihnen der Horizont. Langsam schob sich der Sonnenball über die Kimme und überflutete das Gelände vor ihnen mit rosigem Licht. Kurze Minuten noch lag die Luvseite der Düne im Schatten. Jetzt wurde auch sie von der höher kommenden Sonne schräg beleuchtet.

»Da, Baas!« Der Kaffer deutete mit der Hand nach vorn. Klaus folgte der Richtung mit den Blicken. Sah und wollte nicht glauben was seine Augen sahen. Etwa fünfzig Meter vor ihnen auf dem Hang eine Stelle, da glitzerte und flimmerte es, als wäre der Sand dicht mit blitzenden Glasstücken besät.

Sie trabten heran, hielten die Pferde an. Abraham sprang aus dem Sattel, begann eifrig die Steine in den mitgebrachten Beutel zu sammeln. Klaus blickte ihm zu. Die Stelle war nicht groß. Ein kreisförmiger Fleck, etwa zehn Meter im Durchmesser, der aber auch wie besät mit Diamanten. Klaus mußte an die Pflaumenbäume in Seehausen denken. Wenn sie die zur Zeit der Reife schüttelten, hatten die Pflaumen auch so dagelegen.

Abraham sammelte unermüdlich. Schon war ein großer Beutel gefüllt, und ein zweiter kam an die Reihe. Klaus überlegte derweil. Wie war dies eigenartige Vorkommnis zu erklären? Wie war es möglich, daß hier auf diesem einen kleinen Fleck die edlen Steine gleichsam gehäufelt vorkamen, während anderwärts . . .

Er zog den Feldstecher vor die Augen, beobachtete die Ebene vor sich. Und jetzt – die Sonne war inzwischen wieder ein Stück höher gekommen – jetzt sah er, daß es nicht an einem, sondern an Hunderten von Punkten in diesem Sandfeld aufblitzte. Er ritt dem nächstgelegenen zu. Ein glänzendes Steinchen im gelben Sand.

Er stieg ab, beugte sich zur Erde, hielt einen rohen Diamanten in der Hand. Und wie er mit dem Fuß durch den Sand scharrte, da blitzte es an zwei anderen Stellen aus der staubenden Masse, zwei andere Steine kamen zu dem erstgefundenen.

Durchsetzt schien der Sand hier mit Edelsteinen zu sein. Der Seewind, der unaufhörlich durch die Wüste strich, trieb die Sandkörner landeinwärts, baute die Wanderdünen aus ihnen auf. Die schwereren Diamanten blieben liegen, widerstanden der Kraft des Windes, wurden freigelegt, kamen so zutage. Irgendein wunderlicher Zufall mochte an jener einen Stelle, von der Abraham jetzt mit drei vollen Beuteln ankam, eine besonders starke Häufung auf engstem Raume bewirkt haben. Aber das war außer allem Zweifel. Die ganze Wüste hier, soweit er sie zu überblicken vermochte, war diamanthaltiger Grund.

Er rief den Boy an.

»Laß jetzt das Sammeln, Abraham! Wir haben Wichtigeres zu tun.«

Während der Schwarze wieder auf seinen Gaul kletterte, breitete Klaus eine Karte vor sich auf dem Sattel aus. Sorgfältig hatte er in den beiden vorangegangenen Nächten durch Messung von Sternhöhen das jedesmalige Ortsbesteck genommen. Eine rote Linie auf der Karte gab bis auf wenige hundert Meter genau ihren bisherigen Marsch an.

Reichlich hundert Kilometer waren sie hier in die Wüste vorgestoßen, drei Tagemärsche von der nächsten Wasserstelle entfernt. Nachdenklich schüttelte Klaus den Kopf. Es würde nicht ganz einfach sein, diese Schätze hier in der Wüste zu heben. Doch diese Sorge mußte einer späteren Zeit überlassen bleiben. Er legte den Reisekompaß vor sich in die flache Hand und setzte sein Pferd in Bewegung. Genau in westlicher Richtung ging der Ritt weiter. Viel Zeit hatte er nicht zu verlieren. Bevor der mitgenommene Wasservorrat zu Ende ging, mußten sie das Vegetationsgebiet im Osten wieder erreicht haben, denn sonst . . .

Gar mancher deutsche Reiter war im Hererokriege von der Straße abgekommen, hatte das nächste Wasserloch verfehlt, war unter schrecklichen Qualen in dem dürren Veldt verschmachtet. Auch ihr Leben und das Leben ihrer Tiere hing jetzt buchstäblich an dem Wasservorrat, den sie in gummierten Leinenbeuteln mit sich führten.

Eine Stunde und noch eine andere verrann. Unverändert das Bild. Gelblich-rötlicher Wüstensand, in dem es in den Strahlen der afrikanischen Sonne immer wieder schimmernd aufblitzte. Ein untrügliches Zeichen, daß die kostbaren Steine überall vorhanden waren. Aber kleiner und flacher wurden die Dünenzüge, die sie auf ihrem Ritt zu überqueren hatten.

Schon seit geraumer Zeit gingen die scharfen Augen des Kaffernboys spähend am nordöstlichen Horizont entlang. Der Schwarze sah mit unbewaffnetem Auge besser als sein Baas mit dem guten Feldstecher. Jetzt drängte er sein Pferd an Klaus heran, berührte dessen Arm.

»Was ist, Abraham?«

»Wasser, Baas.« Der Boy deutete mit der Hand auf einen Punkt am Horizont. Klaus nahm den Feldstecher zu Hilfe.

In der Tat, dort schien sich etwas Dunkleres aus der Ebene zu heben. Noch war es ihm unmöglich, zu erkennen, was es wohl sein mochte. Sie änderten ihren Kurs, trabten darauf zu. Noch eine Stunde verstrich, und dann gab es keinen Zweifel mehr. Vor ihnen streckte sich eins jener trockenen afrikanischen Flußbetten, an dessen Rändern Bäume und Sträucher wuchsen. Nun war der Riviere erreicht. Staubtrocken auch der Boden dieser Rinne. Und doch mußte noch irgendwie Wasser vorhanden sein, denn sonst wäre die Vegetation hier unerklärlich gewesen.

Abraham sprang von seinem Gaul und schritt suchend in dem Flußbett hin und her. Klaus ließ ihn gewähren. Er wußte ja zur Genüge, daß die Eingeborenen instinktmäßig jede Spur von Wasser zu finden vermögen.

Wohl eine halbe Stunde hatte Abraham gesucht. Dann warf er sich zu Boden und begann in Ermangelung eines Werkzeuges mit den Händen den Sand aufzugraben. Nur langsam kam er dabei in die Tiefe. Doch jetzt wurde der Sand feucht, und dann einen Meter unter der Oberfläche wurde er zum flüssigen Brei. Noch ein paar Zoll tiefer, und klares Wasser sammelte sich in der Grube. Mit Geduld und Vorsicht konnten sie ihre Wasserbeutel frisch füllen. Kam auch einiger Sand dabei mit hinein, so war es doch ein erquickender kühler Trank, ein Labsal nach dem lauwarmen Wasser, auf das sie bisher angewiesen waren.

Eine große Sorge war damit von Klaus genommen. Der feste Proviant ließ sich zur Not immer strecken, aber das Wasser war in der afrikanischen Wüste unentbehrlich, ein Lebenselement im wahrsten Sinne des Wortes. Nun hatten sie wieder frisches Wasser für sieben Tage, konnten in Muße die Umgebung durchstreifen, die Ausdehnung des besten Diamantengrundes feststellen.

Viele rote Linien und Kreuze kamen in den folgenden Tagen auf die Karte von Klaus, bevor sie die Köpfe ihrer Pferde nach Osten drehten. Mit knurrendem Magen erreichten sie nach langem Ritt durch die Wüste schließlich das Vegetationsgebiet im Osten. Bei Dunkelheit kamen sie in Gründorn an. Klaus war das gerade recht. Es brauchte nicht jeder zu sehen, woher sie kamen und wo sie gewesen waren.

»Abraham viel Hunger, Baas«, sagte der Boy und rieb sich mit kläglicher Gebärde die Magengegend.

»Friß, mein Sohn, friß meinetwegen, bis du platzt! Aber Maul halten, Abraham! Niemand sagen, wo wir gewesen sind!«

Der Boy grinste über das breite, schwarze Gesicht.

»Ja, Baas. Abraham wird fressen, Abraham wird Maul halten.« Mit dieser Versicherung verschwand er in die Küche.

Als Klaus eine Stunde später in die Küche kam, hatte er doch den Eindruck, daß der Klippkaffer seinen Auftrag allzu wörtlich ausgeführt habe. Ein halber Hammel ungefähr fehlte in der Speisekammer. Der Leib Abrahams war prall kugelförmig aufgequollen, doch unermüdlich stopfte der noch immer mehr Fleisch in sich hinein.

Klaus ließ ihn gewähren. Er wußte, was für Unmengen ein Kaffernmagen nach einer längeren Fastenzeit vertragen kann, ohne Schaden zu nehmen.

*

Baumeister Jensen streckte seinem Besuche die Rechte hin.

»Willkommen, Kröning. Nehmen Sie Platz. Was führt Sie zu mir?«

»Eine Angelegenheit von größter Bedeutung, Herr Baumeister. Eine Angelegenheit, in der ich Ihre tatkräftige Hilfe brauche.«

Jensen warf seine Zigarre in den Aschenbecher.

»Schießen Sie los, lieber Kröning, ich bin ganz Ohr.«

»Darf ich Sie vorher um Ihr Ehrenwort bitten, Herr Baumeister, daß Sie alles, was ich Ihnen mitzuteilen habe, als unverbrüchliches Geheimnis wahren werden? Gleichviel, ob wir einig werden oder nicht.«

Jensen warf einen prüfenden Blick auf Klaus

»Warum so feierlich, lieber Kröning. Sie wissen doch, daß ich keine Waschfrau bin.«

»Wenn ich's nicht wüßte, wäre ich nicht zu Ihnen gekommen. Trotzdem, ich bitte um Ihr Ehrenwort.« Klaus streckte Jensen die Rechte entgegen. »Ihre Hand und Ihr Ehrenwort auf absolute Verschwiegenheit.«

Der Baumeister schlug ein.

»In Gottes Namen denn, ja. Mein Ehrenwort darauf. Doch nun schießen Sie endlich los. Sie haben mich reichlich neugierig gemacht.«

»Gut denn, Herr Baumeister. Die Diamantenvorkommen in der Kapkolonie und in Transvaal sind Ihnen sicherlich bekannt.«

Jensen nickte. Klaus fuhr fort.

»Ist Ihnen bekannt, daß auch in Süd-West-Afrika Diamanten vorkommen?«

Der Baumeister pfiff durch die Zähne.

»Hören Sie mal, Kröning, das scheint mir eine faule Geschichte zu werden. Unsere Leute haben beim Bahnbau hin und wieder Diamantsteinchen gefunden. Der Teufel mag wissen, wie diese Splitterchen hier in die Gegend gekommen sind. Wir gaben damals Anweisung, daß jeder derartige Fund an uns abzuliefern sei. Ich will nicht behaupten, daß der Befehl immer prompt befolgt worden ist. Die Ausbeute war jedenfalls kläglich. Kaum drei Dutzend solcher Steinchen wurden von den Streckenarbeitern abgeliefert. Ich glaube danach zu der Annahme berechtigt zu sein, daß man von einem auch nur einigermaßen abbauwürdigen Diamantenvorkommen in Südwest nicht reden kann.«

»Ich bin anderer Ansicht, Herr Baumeister. Es gibt reiche und ausgedehnte Vorkommen in unserer Kolonie.«

Jensen schüttelte den Kopf.

»Wir sind keine Kinder, Kröning. Wir haben uns damals sofort an tüchtige Geologen gewandt. Sie haben einstimmig Diamantenvorkommen in Südwest für unwahrscheinlich, ja für unmöglich erklärt. Diamanten kommen immer nur vergesellschaftet mit Olivingestein vor. Olivin haben wir hier in der Kolonie nicht, also können auch keine Diamanten vorhanden sein. Machen Sie sich von dieser unglücklichen Idee so schnell wie möglich frei. Es sollte mir leid tun, wenn Sie, wie schon so mancher tüchtige Kerl vor Ihnen, von dem Minenfieber gepackt würden.«

Klaus erhob sich, ging zur Tür und schob den Riegel vor.

»Was soll das? Was wollen Sie, Kröning?«

»Es ist nicht nötig, Herr Baumeister, daß irgendein Dritter dazukäme und auch sähe, was ich Ihnen zeigen will. Sie sagten, nur drei Dutzend Steine wären während des ganzen Bahnbaues abgeliefert worden?«

»Steine! Das Wort sagt zuviel. Steinchen, Steinsplitterchen höchstens! Keiner hatte mehr als Erbsengröße.«

Klaus hatte sich an seiner Handtasche zu schaffen gemacht und einen stattlichen Leinenbeutel hervorgeholt. Umständlich löste er die Verschnürung und schüttelte den Inhalt des Beutels auf die Tischplatte aus. Mehrere Hände voll jener Glassteine, die er im Wüstensande gefunden. Die größten Exemplare darunter mehr als bohnengroß.

»Wissen Sie, was das ist, Herr Baumeister? . . . Ich will es Ihnen sagen. Das Ergebnis einer kaum halbstündigen Sammlung an einer geeigneten Stelle.«

»Sie wollen doch nicht? . . . Kröning! Mensch! . . . Himmeldonnerwetter! Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß alle diese Steine hier auf dem Tisch gute Diamanten sind?«

Klaus entnahm seiner Brieftasche einige zusammengefaltete Papiere und schob sie Jensen zu. Der nahm und las. Jedes einzelne der Blätter ein Zertifikat, daß der am 30. September des Jahres von Mr. Kröning vorgelegte Stein ein guter Diamant von soundso viel Karat und dem und dem Wert sei. Jedes der sechs Zertifikate von einem anderen Johannisburger Sachverständigen ausgestellt. Jedes Zertifikat auf eine andere Karatzahl und einen anderen Wert lautend. Einmal . . . zweimal, dreimal las Jensen die Zertifikate.

»Alles das da Diamanten?«

Klaus nahm ein Trinkglas, griff wahllos einen Stein aus der Menge. Knisternd zog der Stein einen tiefen Schnitt in die Glaswand.

»Bitte, überzeugen Sie sich selbst. So kann man Glas nur mit einem Diamanten schneiden.«

Kopfschüttelnd nahm Jensen das Glas und versuchte es mit anderen Steinen. Immer wieder das gleiche Resultat.

»Das wäre, Kröning . . .« Jensen preßte die Lippen zusammen. Jetzt schien er selber vom Fieber gepackt zu werden.

»Das wäre, Kröning . . . Mann! Welchen Wert besitzen die Steine, die Sie hier ausgeschüttet haben?«

Klaus deutete auf die Zertifikate.

»Nehmen wir einen Durchschnittswert von zehn Pfund an, obwohl auch größere und wertvollere Steine dazwischen sind. Im ganzen dürften es etwa fünfhundert Steine sein . . . also fünftausend Pfund oder hunderttausend Mark.«

Jensen pfiff durch die Zähne.

»Alle Wetter, Kröning, ich gratuliere. Für hunderttausend Mark Steine in einer halben Stunde gesammelt . . . das Geschäft hat sich gelohnt.«

»Ich hätte mehr bringen können, wenn ich mich länger mit Suchen aufgehalten hätte.«

»Warum haben Sie's nicht getan, Kröning?«

»Weil ich es für richtiger hielt, die an Diamanten besonders reichen Gebiete zu erforschen und auf der Karte festzulegen.«

Klaus entnahm seiner Tasche eine Karte des Küstengebietes, auf der mehrere Flächen rot schraffiert waren.

»Das sind die Felder, die wir belegen, deren Ausbeutung wir in Angriff nehmen müssen. Dazu brauche ich Ihre Hilfe. Es ist reichlich . . . immer noch überreichlich für jeden, auch wenn wir teilen.«

Jensen beugte sich über die Karte, die Klaus vor ihm ausgebreitet hatte. Mit einem Zirkel überprüfte er die rot eingetragenen Flächen, rechnete auf einem Schreibblock, verglich hin und wieder mit dem Kartenmaßstab.

»A la bonheur, Herr Kröning! Mit Kleinigkeiten scheinen Sie sich nicht abzugeben. Das sind ja rund hundert Quadratkilometer, die Sie hier schraffiert haben. Soll das alles diamanthaltiger Grund sein?«

»Wie tief die Diamanten noch im Grunde stecken, weiß ich nicht. Für viele Jahre genügt es, die Steine zu sammeln, die der Wind freigelegt hat, die offen zutage liegen oder doch unmittelbar unter der Oberfläche im losen Sande zu finden sind.«

Jensen starrte wie fasziniert auf die Karte. Klaus fuhr fort:

»Wir müssen schnell und möglichst unauffällig die Rechte auf diese Felder anmelden und nehmen. Das muß geschehen, bevor andere Leute in der Kolonie oder in Deutschland eine Ahnung davon bekommen, daß es hier Diamanten gibt. Denn sonst . . . wenn die Kapitalisten und Banken in Deutschland erst mobil werden, ist es für uns zu spät.«

Jensen nickte.

»Ich verstehe. Sie haben recht. Die Claims müssen schnell und ohne unnützen Lärm genommen werden. Und dann . . .?«

»Dann müssen wir die Ausbeutung der Felder in Angriff nehmen . . . und dann müssen wir unsere Aufnahme in das Londoner Diamantensyndikat durchsetzen und eine anständige Beteiligungsquote für uns durchsetzen. Und dann . . .

Doch das alles kommt später. Das Nächste und Wichtigste ist Geld, Herr Baumeister. Geld! . . . Viel Geld! Für die Belegung der Claims und den Beginn der Ausbeutung. Deswegen bin ich zu Ihnen gekommen.« – – –

Eine Stunde verstrich und noch eine. Die Blockblätter vor Klaus und dem Baumeister bedeckten sich mit immer neuen Zahlenmengen. Und immer wieder blieb das Ergebnis das gleiche.

»Es langt nicht, Kröning! Es langt nicht!« rief Jensen unmutig und warf den Bleistift auf den Tisch. »Darin stimme ich Ihnen vollkommen bei. Wir müssen das Unternehmen so aufmachen, daß wir für geraume Zeit wenigstens kein fremdes Geld gebrauchen . . .« Wieder warf der Baumeister ein paar Ziffern auf das Papier. »Und wenn ich alles, was ich besitze, bis auf den letzten Pfennig flüssig mache . . . es ist zuwenig! Viel zuwenig für ein solches Unternehmen. Mit einer halben Million eigenen Kapitals müßten wir anfangen. Dann würde es gehen.«

Erregt zerknitterte Klaus das vor ihm liegende Papier. Sollte der große Plan, den er während der letzten Tage in allen Einzelheiten durchdacht und überlegt hatte, scheitern, sobald er den Versuch machte, ihn in die Wirklichkeit umzusetzen? Wollte sein Schicksal ihn narren? Zeigte es ihm hier märchenhafte Schätze, um sie zurückzuziehen, sobald er die Hand danach ausstreckte? In einer Art von Galgenhumor stieß er die Worte hervor:

»Eine halbe Million . . . leicht gesagt. Aber woher nehmen und nicht stehlen?«

Jensen antwortete nicht. Unablässig glitt dessen Bleistift über das Papier. Eine neue Bilanz entstand unter seinen Händen. Die Bilanz des ersten Betriebsjahres einer südwestafrikanischen Bergbaugesellschaft mit einem Grundkapital von einer halben Million Mark. Ein Posten nach dem anderen wurde eingesetzt, von den ersten Kosten der Gesellschaftsgründung an bis zu den Verhandlungen mit dem Londoner Syndikat. Jetzt ließ Jensen den Bleistift sinken und schob das Blatt zu Klaus hin.

»Sehen Sie, so geht's. So geht's glatt auf . . .«

»Aber die halbe Million!« fiel ihm Klaus ins Wort. »Ich sehe keine Möglichkeit . . .«

»Aber ich, Kröning! Es bleibt nur eine Möglichkeit. Wir müssen Direktor Hartung mit in das Konsortium nehmen . . .«

»Meinen Sie? . . . Hat er? . . .«

»Er hat, Kröning! Er hat! . . . Wenn er das seine flüssig macht, bekommen wir das Geld zusammen. Wir kommen nicht anders durch. Wir müssen ihn ins Vertrauen ziehen und als dritten Partner aufnehmen.« – – –

Den Rest des Tages saßen Baumeister Jensen und Direktor Hartung mit Klaus Kröning im verriegelten Zimmer zusammen Am nächsten Morgen fuhren sie zu dritt nach Windhuk. Zum Notar zuerst, wo der Vertrag geschlossen und die neue Gesellschaft gegründet wurde. Zum Bergamt danach. Möglichst still und schnell wurde in den folgenden Wochen alles erledigt, was die Drei hinter verschlossenen Türen geplant . . . und doch nicht still genug. – – –

Ein Flüstern und Raunen hub in der Kolonie an. Von Windhuk lief das Gerücht nach Norden und nach Süden, von Grootfontein flog es nach Kalkfontein, wurde in Bethanien und Keetmanshoop gehört, in Rehoboth und Omaruru.

»Klaus Kröning ist ein Esel!« ging es von Mund zu Mund »Klaus Kröning hält Katzenaugen für Diamanten! Klaus Kröning bildet sich ein, im Dünensand Schätze gefunden zu haben!«

Auch zur Küste kam das Gerücht nach Swakopmund und Lüderitzbucht. Auf dem Wege bis dahin war's noch größer und wilder geworden.

»Klaus Kröning ist toll geworden!« hieß es da. »Er hat seinen guten Posten bei Voßberg & Co. weggeworfen, um im Dünensand nach Diamanten zu suchen.«

Von der Küste nach Deutschland ist's nicht mehr soweit. Auch nach Deutschland flog das Gerücht. Es kam in die Spalten der Presse und kam sogar in das Parlament. Da lachten sie über den dummen Klaus, zogen die verstaubten Gutachten von allerlei Geologen aus den Schränken, sprachen von Küstenklatsch und haltlosen Phantastereien.

Aber das Gerücht flog auch in die Kabinette der Banken, und hier lachten sie gar nicht über Klaus Kröning.

Hier nahmen sie den ernst und wurden schnell hellhörig. Von hier schickten sie andere Geologen und Sachverständige nach Südwest, um zu sehen, was Wahres an der Sache sei.

Doch als die an der Mole von Swakopmund landeten, da war es schon zu spät. Da besaß die neue Gesellschaft schon über hundert Quadratkilometer der besten Claims. Da waren schon Hunderte von Schwarzen unter der Leitung Jensens tagaus, tagein an der Arbeit, die kostbaren Steine im großen zu gewinnen. Da saßen Klaus Kröning und Direktor Härtung schon in London am Verhandlungstisch mit den Herren des Diamantensyndikats zusammen.

Es waren zähe Kaufleute, die von London aus die Diamantenproduktion der ganzen Welt kontrollierten, den Brillantenmarkt der Erde monopolartig beherrschten. Sehr zuwider war ihnen diese Gesellschaft, die jetzt zu ihnen kam und ihr Kontingent am Weltmarkt forderte. Wochenlang kamen die Verhandlungen nicht vom Fleck. Allzu weit klaffte die Schlucht zwischen dem, was Klaus und seine Partner verlangten, und dem, was das Syndikat bewilligen wollte.

Jetzt zeigte es sich, wie wertvoll der Rat Jensens gewesen war, Hartung und sein Vermögen als dritten Partner zu nehmen. Gut fundiert und kapitalstark konnte die junge Gesellschaft ihre Forderungen erzwingen.

Der Tag kam, an dem Klaus die Geduld riß und er ein Ultimatum stellte.

»Entweder, meine Herren, Sie beteiligen uns mit dem geforderten Kontingent, oder wir werfen unsere ganze Ausbeute frei auf den Markt . . .«

»Dann stürzen die Diamantenpreise in den Abgrund«, warfen die Londoner Herren ein.

»Gewiß! Sie werden stürzen. Bis wie weit, das wird sich zeigen. Vergessen Sie nicht, daß Ihre anderen Mitglieder die Steine aus dem festen Grunde gewinnen müssen. Wir brauchen sie nur aus dem losen Sande aufzuheben, wo wir sie finden. Wir werden noch mit Gewinn verkaufen können, wenn die Preise bereits unter ihre Werbungskosten gefallen sind. Dann werden viele Ihrer anderen Betriebe schließen müssen, wir werden erst recht das Monopol haben.«

Dies Argument schlug durch. Die Londoner wußten, daß die neue Gesellschaft gut fundiert war, daß sie im Ernstfalle ihre Drohungen wahrmachen konnte. Äußerlich gelassen, innerlich ergrimmt bewilligte das Syndikat der jungen Gesellschaft das geforderte Kontingent.

Der Vertrag, der geschlossen wurde, sicherte mit einem Schlage die Zukunft der neuen Gründung. Das Syndikat verpflichtete sich darin, das bewilligte Kontingent an Steinen zu den bekannten Syndikatspreisen laufend gegen Barzahlung abzunehmen. Die deutsche Gesellschaft verpflichtete sich, nicht über dies Kontingent hinaus zu produzieren und ihrerseits keine Steine auf den Markt zu bringen. Als die Unterschriften unter dem Vertrage standen waren die drei Partner der neuen Gesellschaft gemachte Leute.

Deutsches Kapital wurde ihnen jetzt von allen Seiten angeboten. Sie nahmen davon, soviel sie für gut und nützlich hielten. Immer nur so viel, daß sie selbst die Majorität in der Gesellschaft behielten, Herren im eigenen Hause blieben.

Ein Jahr verstrich darüber. Ein Jahr reich an Arbeit, reich auch an Erfolgen. Der erste Abschluß der neuen Gesellschaft wurde bekannt, und wieder ging ein Raunen durch die Kolonie. Aber anders lautete das jetzt als vor zwölf Monaten.

Klaus im Glück! hieß es jetzt. Seht den Glücklichen. Nur den Mund braucht der aufzumachen, und die gebratenen Tauben fliegen ihm hinein. Seht den Diamantenkönig! Aus dem Wüstensand gewinnt der Millionen.

Aber Klaus Kröning beschränkte sich keineswegs darauf, nur den Mund aufzumachen. Der saß schon wieder im Sattel und durchstreifte wochenlang das Wüstengebiet der Dünen bis zur Küste hin, um neue Felder zu entdecken, neue Claims zu erwerben.

 


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