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Dritter Band.


29.

Ein dunkles Wetter droht im Grimme –
Das Herz will voller Bangen sein;
Da rufet eines Trösters Stimme:
Es drohet nur und schlägt nicht ein.

Anonym.

Indessen hatten schon zwei schöne Augen das Schicksal des Junkers von Sonnenberg mit heißen Thränen beweint. Fräulein Amalgundis war das theilnehmende Wesen, das, von ängstlicher Besorgniß um den jungen Mann erfüllt, den man so gewaltsam von ihrer Seite gerissen hatte, nachdenkend im einsamen Gemache saß und auf Mittel sann, dem Gefangenen, den ihre reine Seele von jedem Vergehen frei sprach, zu nützen. Alle Farbe war von ihren Wangen gewichen und ihr Herz bewegte sich in schnellen, heftigen Schlägen. Noch nie hatte sie einen solchen Aufruhr ihrer Gefühle erfahren. Bald ließ ihre lebhafte Einbildungskraft sie die edle Gestalt des Junkers, mit schweren Eisenketten belastet, im dunkeln widrigen Kerker erblicken, bald sah sie ihn, wie er beschwörend vor ihr stand im Garten und wie er, dessen liebevolle Neigung sie erkannt hatte, den furchtbarsten Verdacht aussprach. Mit einem einzigen Worte hätte sie diesen heben können, aber sie durfte das Wort nicht laut werden lassen, denn ein schwerer Eid hielt ihre Zunge gebunden. Und dennoch lag dieser Argwohn von Seiten Friedmann's schmerzhafter und lästiger auf ihrem Herzen, als wenn ihn sonst irgend jemand aus ihrer Bekanntschaft gehegt hätte! Sie konnte sich nicht bergen, daß auch ihre Gefühle zu Gunsten des wackern Junkers von Sonnenberg gestimmt waren. Friedmanns blühende Jugend, sein freundliches offenes Wesen, der ritterliche Muth, den er schon bei mehreren Gelegenheiten gezeigt und der ihm die kaiserliche Gunst gewonnen hatte, mußten ein stilles und bescheidenes Gemüth, wie das der Jungfrau, für sich einnehmen. Wenn wir überdem noch bedenken, daß er ihr zum erstenmale als ein Retter aus dringender Gefahr erschienen war, daß Amalgundis, bedroht von einem furchtbar empörten Volkshaufen, den schrecklichsten Mißhandlungen vielleicht in wenigen Augenblicken ausgesetzt, damals in ihm einen hülfebringenden Engel erblicken, daß hier die Macht des ersten Eindrucks auf ein dankbares Gemüth entscheidend wirken mußte: so kann es uns nicht schwer fallen, die Gegenliebe, welche sie dem Junker von Sonnenberg widmete, ganz in der Ordnung zu finden.

Die Ungewißheit über das Vergehen, dessen man den jungen Mann angeklagt haben mußte und über seine gegenwärtige Lage, verursachte ihr die peinigendste Unruhe. Unschuldig war er. Das stand, wie schon gesagt, fest in ihrer Seele. Und dennoch wurde er wie ein Verbrecher behandelt, dennoch wurde er in's Gefängniß geschleppt, um in entehrende Fesseln gelegt zu werden? In ihrer Seele erhob sich ein Argwohn gegen den Ritter von Nollingen, der ohnehin dem einfachen Mädchen, seines platten und höfischen Betragens wegen, zuwider war. Er hatte den unverschämten Söldner, dessen Ungebühr bei dem Auflaufe vor Bandini's Bude, durch den Junker bestraft worden war, seinen Diener genannt, es konnte recht wohl sein, daß er wegen jener Züchtigung Friedmann zürne und ihm eine verderbliche Falle gestellt habe. Amalgundis beschloß nach langem, unruhigen Ueberlegen, sich gerade an den Kaiser zu wenden, ihm vorzustellen, welchen Dank sie dem Junker von Sonnenberg schuldig sei und daß dieses Gefühl sie bewege, Gerechtigkeit und Milde für den Gefangenen zu erflehen. Aber welche Zeit lag noch vor ihr, ehe sie Hoffnung hatte, bei dem Monarchen diese Bitte anzubringen? Für den heutigen Tag war ein großes Bankett im Palatium angeordnet, bei dem auch sie mit Jutta von Praunheim erscheinen sollte. Hier konnte sie keinen Augenblick ungestörter Unterredung mit Adolph hoffen. Das Bankett konnte bis in die Nacht dauern, sie mußte vielleicht bis zum morgenden Tage warten und unter dieser Zeit schmachtete der arme Friedmann fort und fort im Kerker, ohne Hoffnung auf Erlösung, in Zwang und Bedrängniß.

Von innerer Unruhe getrieben war sie aufgestanden und ging in heftiger Bewegung das Gemach auf und nieder. Da öffnete sich die Thüre und, bereits in Seidenstoff mit kostbarer Perlenstickerei gekleidet, ein goldglänzendes Barett mit der zitternden Diamantnadel auf dem stolzen Haupte, in einer reich mit Rubinen und Smaragden besetzten Scheide das Speisemesser, das jedermann damals mit sich führte, an der Seite tragend, schritt Fräulein Jutta von Praunheim, in hoffährtiger und gebieterischer Haltung, herein.

»Wie, Amalgundis?« sagte sie mit Blicken des Erstaunens zu dieser. »Ich finde Euch noch nicht angekleidet und schon hat die Trompete zum erstenmale die Gäste in die Kaiserpfalz entboten? Wollt Ihr in diesem schlichten weißen Fähnlein von eigenem Gespinnste den Ehrenplatz neben der hohen Person des Monarchen einnehmen, der Euch doch immer aufbewahrt wird? Wollt Ihr Euch dem Hohne der fürstlichen Frauen und Gräfinnen aussetzen, die da meinen, dieser Platz gebühre ihnen und nicht einem schlichten Fräulein, dessen Adolph von Nassau, wie sie sagen, sich nur aus Milde und großer Herablassung annähme? Ja! Ihr werdet sehr beneidet wegen der Ehre, die Ihr hier am Kaiserhofe erfahret. Jene Frauen meinen, selbst die Gemalin des Monarchen könne nicht mehr verlangen!«

Amalgundis befand sich in einer Stimmung, in der sie durch die wohlberechneten und scharfen Reden Jutta's nicht verletzt werden konnte. Ihre Gedanken beschäftigten sich nur mit dem Junker von Sonnenberg und, nachdem sie die ersten Worte der Eintretenden vernommen hatte, beachtete sie nicht, was jene weiter sprach. Sie setzte sich wieder an's Fenster und starrte in den dämmernden Glanz der kleinen Hornscheiben. Erst nachdem das Fräulein von Praunheim eine Zeitlang geschwiegen und ihre Hausgenossin mit zunehmender Verwunderung betrachtet hatte, brach diese die Stille und sprach mit einem Seufzer:

»Ach! wie konnte ich daran denken, mich zu einem frohen Feste zu schmücken, während der Retter meines Lebens seiner Freiheit beraubt ist und wer weiß in welcher Gefahr schwebt? Es geht ja auch Euch an, Jutta, das Ereigniß, das mich so sehr bewegt, und Ihr habt ihm dieselbe Verpflichtung, die ich habe. Laßt uns zusammen überlegen, wie wir ihm dienen können. Wir wollen unsere Kräfte vereinigen, wir wollen uns fest verbinden, um die Schuld der Dankbarkeit, die auf uns ruht, dem edeln jungen Manne abzutragen.«

»Ich weiß nicht von wem Ihr sprecht?« erwiederte mit Befremdung das Fräulein von Praunheim. »Ich bin, wie mir mein Gewissen sagt, schuld- und sündenfrei und kann mir durchaus nicht erklären, was ich in solchen Hinsichten mit Euch zu theilen haben könnte? Ihr geht Euern besondern Weg und ich den meinigen. Der Euerige ist hoch und herrlich: er führt nahe am Throne hin, aber schwerlich jemals hinauf. Ich bin nur die Tochter des Reichsschultheißen von Praunheim. Ich wandle still und unbemerkt unter dem Schutze meines Vaters, bis es diesem gefällt, mich einem andern Beschützer anzuvertrauen.«

Dieser demüthigen Aeußerung widersprach in dem Augenblicke, wo sie dieselbe laut werden ließ, das ganze Benehmen Jutta's. Sie hatte sich stolzer emporgerichtet, ihre Blicke sahen mit einem leichten Anfluge von Geringschätzung auf Amalgundis herab, ein spöttisches Lächeln umschwebte die fein geschnittenen Lippen und ihre Hand spielte nachlässig mit einer goldenen, von ihrem Halse niederfallenden Kette.

»Jutta, Ihr wollt mich nicht verstehen, oder Ihr habt nur ein sehr flüchtiges Gedächtniß für Dienste, die Euch geleistet worden sind, wenn sie schon Euer Leben und Euere Ehre der drohendsten Gefahr entzogen!« sagte mit einiger Bitterkeit Amalgundis. »Habt Ihr den jungen Mann ganz vergessen, der damals unser Retter war aus schwerer Bedrängniß, als der wüthende Pöbel die Bude des lombardischen Kaufmanns stürmte? Habt Ihr vergessen, daß er es war, der den Stein, welcher nach Euerem Haupte geschleudert worden, geschickt ablenkte und so Euch wenigstens vor harter Verletzung bewahrte? Spricht Euer Gedächtniß nichts mehr von dem Muthe und der Kühnheit, mit der er ganz allein sich dem Andrange des tobenden Haufens entgegenstellte? Jutta, es ist nicht recht, wenn wir solcher Dinge vergessen, aber Ihr habt gewiß auch nur dieser Erinnerung bedurft, um wieder ihren ganzen Werth anzuerkennen. Laßt uns jetzt als Freundinnen des Junkers von Sonnenberg handeln, denn er bedarf des Beistandes und wer wäre mehr verpflichtet, ihm diesen zu leisten, als diejenigen, denen er damals seinen ritterlichen Dienst gewidmet! Man hat ihn verhaftet und gewiß ist er unschuldig. Er muß im Kerker schmachten und ich bin überzeugt, daß nur Verläumdung oder Irrthum ihm dieses Loos bereitet haben. Sprecht mit Euerm Vater. Sein Wort gilt viel bei dem Kaiser und er hat zu jedem Augenblicke frei Gehör bei ihm. Es ist um Eile zu thun in dieser Sache. Wenn Euer Vater will, so kann der Junker in der nächsten Stunde wieder in Freiheit sein!«

»Gott wahre,« entgegnete kalt und strenge das Fräulein, »daß mein edler Vater einem Bösewichte und Hochverräther das Wort rede! Diese junge Schlange hat so schwer gesündigt, daß sie kein Mitleid verdient.«

»Was sagt Ihr, Jutta?« fiel ängstlich Amalgundis ein. »Man beschuldigt ihn in Wahrheit eines Verbrechens? Er wäre angeklagt« –

»Er ist überwiesen;« unterbrach sie mit Bestimmtheit das Fräulein: »überwiesen, aus des Kaisers inneren Gemächern wichtige Urkunden entwendet und diese dem Erzbischofe von Mainz, mit dem er im Einverständnisse gewesen, übergeben zu haben. Volrad, mein Bruder, hat mir Alles erzählt. Der junge Verbrecher wird noch heute den Lohn seiner Schandthat empfangen. Dem Ritter von Nollingen ist Untersuchung und Spruch übertragen: am Strange wird der Bube sein sündiges Leben endigen.«

Eine dunkele Gluth legte sich über Amalgundis Angesicht. Ihre Augen nahmen ein höheres Feuer an, ihre schönen Glieder bebten heftig. Man sah, daß in diesem Augenblicke eine Veränderung in ihrem Innern vorgegangen war, daß ihr Gemüth sich in einer ihm sonst fremdartigen Aufregung befand.

»Jutta!« sagte sie stark und ergriff dabei mit einer lebhaften Bewegung des Fräuleins Hand. »Ist das Wahrheit, was Ihr mir da eben mittheiltet? Kann Euch nicht eine falsche Nachricht getäuscht, ein Schlechtunterrichteter hintergangen haben?«

»Jutta von Praunheim verschmäht es zu lügen;« versetzte stolz die Tochter des Stadtschultheißen, indem sie zugleich Amalgundis ihre Hand entzog. »Auch ist sie keine leichtgläubige Thörin, die auf das Geradewohl weiter erzählt, was Kunkelschwestern oder schwatzhafte alte Männer aufgebracht haben könnten. Ich habe Euch meinen Gewährsmann genannt und ich meine, der dürfte Euch als ein tüchtiger Bürge erscheinen. Alles, was ich sagte, ist Wahrheit. So gewiß,« setzte sie mit einem durchbohrenden Blicke hinzu, »als der Bösewicht in Euerer Gesellschaft gefunden wurde, da man ihn verhaftete; so gewiß, als mein Vater darüber, daß dieses Ereigniß in seinem Hausgarten statt fand, mit gerechtem Zorn und Unwillen erfüllt ist!«

»Ach, Jutta!« erwiederte Amalgundis: »es sind jetzt ganz andere Dinge zu thun, als über solche Nebensachen zu streiten.« Zugleich trat sie zu ihrer Truhe und nahm glänzende Prunkgewänder und kostbaren Schmuck heraus. »Es ist kein Augenblick zu verlieren,« fuhr sie dann hastig fort, »ich muß sogleich zum Kaiser und seine Gnade anflehen. Das entsetzliche Urtheil darf nicht vollzogen werden. Nein, nein! Es darf nicht. Mein Herz sagt mir, daß der arme junge Mann keinen Theil hat an jenem abscheulichen Verbrechen; daß irgend ein heimlicher Feind die Absicht hegt, ihn zu verderben. Es müssen andere Richter bestellt werden. Adolph selbst muß diese Angelegenheit untersuchen. Nein, in einem jungen unverdorbenen Gemüthe kann nicht der Gedanke an eine solche Unthat aufkeimen, viel weniger zu einem Plane werden, der nur von einem erfahrenen Bösewicht könnte ausgeführt werden. Er hätte das Vertrauen seines Wohlthäters getäuscht, diesen verrathen seinem ärgsten Feinde, er wäre ein elender Dieb geworden, vielleicht nur eines zeitlichen Vortheils willen? Nimmermehr. Der Kaiser muß aus diesem traurigen Wahne gerissen, er muß zur Erkenntniß der Wahrheit gebracht werden. Mich ruft die Dankbarkeit zu diesem Werke. Ich will ihm die Augen öffnen, ich will ihm Alles sagen, was ich empfinde und wie ich von des Junkers Unschuld überzeugt bin.«

»Thut was Ihr wollt!« sagte in einem höhnischen Tone das Fräulein. »Es ist bekannt, daß Euer Besuch dem Monarchen zu jeder Zeit angenehm ist. Ob Ihr aber in dieser Sache eine gute Aufnahme findet, bezweifle ich sehr. Selbst die Wärme, mit der Ihr Euch des Junkers annehmt, dürfte diesem schaden. Niemand liebt ein Gut, das er allein zu besitzen glaubt, mit einem andern zu theilen, am Wenigsten mit einem solchen, der eine Creatur seines Willens ist, ein Wesen, das er mit einem Worte vernichten kann.«

Die erniedrigende Anspielung, welche in dieser Rede Jutta's lag, verfehlte ihren Zweck. Amalgundis war so sehr mit der schnellen Anordnung ihres Anzugs beschäftigt, daß sie gar nicht vernommen hatte, was das Fräulein sprach. Jutta rauschte mit übermüthiger Geberde zum Gemache hinaus, als ihre Hausgenossin die Zofe herbeirief, um ihr beim Ankleiden behülflich zu sein. Noch nie hatte Amalgundis so wenig Aufmerksamkeit auf ihren Anzug verwendet, als heute. Sie trieb nur immer die Dienerin zur Eile an, die sich in diese ungewöhnliche Hastigkeit ihrer sonst so sanften und geduldigen Gebieterin gar nicht schicken konnte. In sehr kurzer Zeit, die jedoch der beängstigten Jungfrau eine Ewigkeit schien, war sie angekleidet und mit dem reichsten Schmucke, einem Geschenke Adolphs, geziert. Die hohe Röthe, welche ihre Wangen färbte, gab ihr einen ungewöhnlichen Reiz. Sie nahm nun rasch den bunten Federstrauß mit dem vergoldeten Griffe zur Hand, der einer geputzten Schönen jener Zeit nicht fehlen durfte, und wollte nun sogleich ihren Gang zum Kaiser antreten, als sich plötzlich die Thüre öffnete und in dieser des Monarchen Leibarzt, der salernitanische Doktor Alessandro, erschien.

In diesen Mann setzte Amalgundis ein unbegrenztes Vertrauen und seine Gegenwart erfüllte sie mit neuer Hoffnung. Sein ehrwürdiges Aeußere, die Ruhe in seinem ganzen Wesen machte immer einen wohlthätigen Eindruck auf sie. Jetzt erschien er ihr wie ein Engel des Himmels. Sie schickte die Dienerin fort und entdeckte ihm Alles, was auf ihrem Herzen lastete. Sie konnte ihre Gefühle nicht so sehr beherrschen, daß nicht in ihren Worten eine Theilnahme erkennbar gewesen wäre, die man nur einem ungewöhnlich theueren Gegenstande schenkt.

Sie sprach mit dem größten Feuer von Friedmanns Unschuld, von dem ritterlichen Muthe, den er in ihrer Vertheidigung bewiesen, von der Offenheit in seinem ganzen Wesen, die, wo sie so hell am Tage liege, unmöglich täuschen könne. Alessandro hörte sie lächelnd an. Dann sagte er mild und freundlich:

»Beruhige Dich, mein Kind! Der Jüngling ist schuldlos und ich weiß das so gut, wie Du es empfindest. Schon schwebt an einem Haare das Racheschwert über dem Haupte des wirklichen Verbrechers. Es wird fallen, ehe es ihm gelingt, die Schmach auf einen Unschuldigen zu wälzen, die er selbst verdient. Das Gericht des Herrn wird einbrechen über ihn, wann er es am wenigsten ahnt. Frei und herrlich wird der Junker von Sonnenberg aus seinem Kerker hervorgehen, als ein treuer Diener, als ein Retter seines Herrn. Ihm wird hohe Ehre werden vor Allen, die ihn jetzt verdammen. Fürchte nichts, Amalgundis! Sein Haupt ist gesichert, seine Ehre unbefleckt!«

Bei diesen Worten des Greises kehrte völliger Frieden in die Seele des Mädchens zurück. Sie hatte schon so viel Beweise von der Verwirklichung dessen, was Alessandro voraussagte, erhalten, daß sie keinen Zweifel in seine Rede setzte. Sie wußte, daß er nicht allein Adolphs Arzt, sondern auch dessen Freund war; sie kannte den großen Einfluß, den er durch seine Treue und seine Wissenschaft auf ihn übte. Niemanden war es besser bekannt, als ihr, daß der Monarch Geheimnisse, die sonst keinem Sterblichen vertraut waren, in Alessandro's verschwiegene Brust niederlegte.

Mit erheitertem Antlitze ging sie an der Seite des salernitanischen Doctors hinab, nur sich mit diesem zu dem Bankette im Palatium zu begeben. Unten in dem großen Hausgange trafen sie mit dem Stadtschultheißen zusammen, dessen starre Gesichtszüge bei der Begrüßung keinen lebendigeren Ausdruck annahmen, als sie gewöhnlich zeigten. Auch Volrad und Jutta waren zugegen und der ganze Zug setzte sich jetzt, unter Vortretung der städtischen Hellebardirer, nach der kaiserlichen Pfalz hin in Bewegung. Die beiden Jungfrauen ritten auf zierlich gebaueten Zeltern voraus, ihnen folgte der hundertjährige Alte auf einem kleinere Maulthiere, das zwei rothgekleidete Knaben an langen Halftern führten, dann kam der Schultheiß und sein Sohn auf starken Rappen und wieder schloß sich diesen eine Abtheilung der Ehrenwache an. Ungehindert gelangten sie so zum Kaisersitze, wo sogleich die im Hofe harrenden Ehrenjunker herbeieilten, den Frauen beim Absteigen behülflich zu sein.



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