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28.

Sollt Ihr nur eine Stunde ruhig schlafen,
Muß ich auf ewig eingeschlafen sein.

Raupach.

Wir sehen uns genöthigt, den theilnehmenden Leser noch einmal zu einem Besuche des Gefängnisses einzuladen, das früher der Waffenmeister Ralph Strichauer bewohnt und mit Hülfe jenes gewaltigen Mannes verlassen hatte, in welchem wir nachher den Erzbischof Gerhard von Mainz kennen gelernt haben. In dieses düstere und niedrige Gemach war der Junker von Sonnenberg durch die Trabanten, welche nach dem Befehl des Ritters von Nollingen handelten, geführt worden. Man ließ ihn allein und er konnte sich nun ungestört mit den verschiedenartigen Gedanken beschäftigen, welche die in den letzten vierundzwanzig Stunden erlebten Ereignisse in ihm hervorbringen mußten. Er war überzeugt, daß Günther in seinem Verfahren gegen ihn die ihm anvertraute Gewalt mißbrauche. Gewiß hatte der heimtückische Verräther in Erfahrung gebracht, daß Friedmann es gewesen, der die Botschaft des Ralph Strichauer vereitelt, der sich der wichtigen Documente bemächtigt, welche nun zur furchtbaren Anklage gegen ihn dienen konnten. Durch einen raschen Gewaltschritt gegen den Junker von Sonnenberg wollte er sich retten; aber es war zu spät: selbst innerhalb der vier Wände des Kerkers, der Willkühr seines erbitterten Feindes preisgegeben, war Friedmann dessen Besieger.

Bei diesem Bewußtsein war ihm seine Gefangenschaft, die nur wenige Stunden dauern konnte, ziemlich gleichgiltig. Allein jene Zweifel, die seine Seele nicht nur mit Eifersucht erfüllten, sondern auch auf den Wandel der Geliebten ein schmachvolles Licht warfen, beunruhigten ihn um so mehr. Es kam ihm wieder Manches in den Sinn, was er in der letzten Zeit vergessen hatte und das nun, in Beziehung auf den neuentstandenen Verdacht, eine besondere Bedeutung erhielt. Bandini, den er jetzt, nachdem er ihn näher kennen gelernt, für einen rechtlichen Mann halten mußte, hatte ihn einst vor Amalgundis gewarnt, als er im stürmischen Drange nach ihrem Namen und ihren Lebensverhältnissen gefragt; der ehrenfeste Gabriel und die artige Beata waren bei einer ähnlichen Erkundigung in seltsame Verlegenheit gerathen: furchtbare Ahnung! Vielleicht war nur noch vor seinem Auge Das ein Geheimniß, was sonst stadtkundig oder gar weltrüchtig war. Hatte doch Adolph immer nur die größte Zärtlichkeit gegen Amalgundis an den Tag gelegt, hatte er doch nach jenem gefährlichen Jagdabentheuer sie das »Licht seines Lebens« genannt, hatte er doch mit der Verzweiflung eines Liebenden um sie geklagt, als er sie damals todt gewähnt! Und nun diese nächtlichen Zusammenkünfte, die das Mädchen nicht eingestanden, aber auch nicht geläugnet hatte? Friedmann konnte seinem Kaiser nicht zürnen. Die Bahn seines Lebens war ja so dornenvoll, daß ihm wohl die einzige Blüthe, die sich darauf verirrt hatte, gegönnt werden durfte. Aber Amalgundis? Da trat wieder die holde Gestalt vor seine Seele in aller ihrer lebendigen Wahrheit. Er sah den unschuldigen Blick des sanften Auges, das liebliche Angesicht, dessen offene Züge einen Spiegel der innern Seelenreinheit darzubieten schienen, er sah sie in ihrem zarten und sittigen Benehmen, über das der Hauch der Tugend hingegossen war.

»Es kann nicht sein!« rief er freudig aus. »Und wenn die ganze Welt sich gegen diese Ueberzeugung erheben und mir sagen wollte: Du bist ein leichtgläubiger Thor, der Lust findet, sich selbst zu täuschen! so würde ich doch dem Blicke dieses Auges, dem Glanze der Seelenreinheit und dem lebendigen Ausdrucke der Tugend in ihrem ganzen Wesen vertrauen!«

Er verwarf jeden fernern Zweifel, der sich ihm aufdringen wollte und fühlte sich bald in einer sehr glücklichen Stimmung. Das Bild der anmuthigen Jungfrau blieb ihm immer gegenwärtig und er würde ganz vergessen haben, daß er sich in Kerkerhaft befand, wenn ihn nicht plötzlich das Rasseln der Schlösser und Riegel an der Thüre des Gefängnisses daran erinnert und seinen süßen Träumen entrissen hätte. Mit Befremden sah er Günther von Nollingen eintreten, hinter dem die Thüre sogleich wieder verschlossen wurde. Der Ritter war ohne Schwert und Rüstung. Nur in seinem Gürtel trug er den langen Dolch, den nach damaliger Sitte, die Kriegsleute immer bei sich führten.

» Mort de ma vie!« rief er aus, indem er an der Thüre stehen blieb und den Junker mit einem langen, höhnischen Blicke maß. »Ihr habt hier ein schlechtes Quartier, aber ich wette drauf, in der vergangenen Nacht habt Ihr Euch noch übler befunden, als der Sturm um Euch wüthete und der Regen Euch durchnäßte. Freilich war es Euer eigenes Belieben, das Euch hinaustrieb in die wilde Nacht und nur eine sehr importante Ursache kann Euch dazu bewogen haben, denn wie wäre es Euch sonst beigekommen, den Namen des Kaisers zu mißbrauchen, damit der Pförtner Euch um Mitternacht das Thor öffne? Junkerlein, Junkerlein, das war ein sehr unbesonnener und verwegener Gang, der dem alten Sire von Sonnenberg viel Kummer und Herzleid verursachen und Euch Schande und Tod bringen dürfte.«

Mit aller Verachtung, die er in Haltung und Geberde zu legen vermochte, hatte sich Friedmann von dem Ritter abgewendet. Er gab ihm keine Antwort. Aber bei der Erinnerung an seinen Vater fühlte er sich von einer sonderbaren Wehmuth ergriffen. Es fiel ihm ein, daß Günther seines Vaters geschworener Feind, daß er selbst noch wenigstens einige Stunden lang der Macht und dem bösen Willen dieses Verräthers gänzlich hingegeben sei, und daß der Ritter diese Zeit recht wohl benutzen könne, den Sohn seines Gegners zu verderben. Er bedachte, wie der Herr von Nollingen vielleicht in der Hoffnung, sich selbst aus den Schlingen zu befreien, in die er gefallen war, einem Unschuldigen den Untergang bereite und wie dieser Unschuldige kein anderer sein möge, als er selbst. Dennoch behielt er sein verachtungsvolles Betragen bei und würdigte den Mann, der ihm gegenüberstand, keiner Rede.

»Du spielst den Trotzigen, Knabe!« begann nach einiger Zeit, während der er vergebens auf Antwort geharrt hatte, mit Ingrimm auf's neue der Ritter: »aber der Dünkel soll Dir vergehn, arglistige Waldschlange, so wahr ich ein Nollingen bin! Par ma foi, ich sehe Dich schon bleich und zitternd auf einer blutigen Kuhhaut liegen, wie Dich der Henker und seine freundlichen Compagnons in anmuthiger Promenade nach dem Galgenfelde schleppen, ich höre den jubelnden fracas des herbeiströmenden Volkes, das sich der Hinrichtung eines so jungen Schelmen und Bösewichts erfreuet, ich sehe, wie der Platzmeister den Strick um Deinen Hals legt, wie Du jetzt aufschwebst in's Freie und – wie das Geschlecht der Sonnenberge in den Knoten eines hanfenen Stricks sein Ende findet.«

Wenn der Ritter die Absicht hatte, durch diesen frechen Hohn den Gleichmuth seines Gefangenen zu erschüttern, so war ihm dieses in einem gewissen Grade gelungen. Friedmann brach das Stillschweigen, das er bisher beobachtet hatte, und erwiederte mit ernster Stimme:

»Ihr habt das Schicksal geschildert, das Euch selbst erwartet. Der Tod durch Henkershand wird Euern Verbrechen ein Ziel stecken!«

»Meinen Verbrechen?« lachte Nollingen höhnisch auf, indem seine Blicke forschend den Junker beobachteten. »Soll ich Dir sagen, wie wir einander hier gegenüberstehn? Mort de ma vie, mein Bürschlein, Du sollst noch zittern, ehe ich Dich verlasse! Sei aufmerksam und höre wohl auf das, was ich Dir sagen werde. Ich bin frei und Du bist gefangen, ich bin Dein Richter und Du bist der Angeklagte: angeklagt des Diebstahls und des Hochverraths. Höre wohl: ich bin Dein Richter und kann Dich hängen oder decapitiren lassen, wie mir's beliebt«.

»Wie?« brach der Junker von Sonnenberg, zornerglühend und mit flammenden Blicken, aus: »man hat mich solcher Schandthaten beschuldigt? Und wer durfte das wagen? Wer ist mein Ankläger?«

»Wer das wagen durfte, mon enfant?« entgegnete geringschätzig, aber immer eine lauernde Miene beibehaltend, der Ritter. » Eh bien, ich war's, ich habe Dich angeklagt und werde Dich auch richten. Ich habe Dich festgenommen und werde Dich hängen lassen nach Fug und Recht. Niemand wird mich tadeln; Alle werden sagen, daß Dir nach Verdienst geschehen. Und was könntest Du auch vorbringen, Dich zu rechtfertigen und zu ranzioniren? Warest Du nicht die ganze Nacht abwesend aus kaiserlicher Pfalz? hat man nicht gleich darauf, nachdem Du Dich aus den Gemächern des Kaisers entfernt, den Raub der unschätzbaren Urkunden bemerkt? Kannst Du läugnen, daß Du, unter einem falschen Vorgeben, Dir das Thor der Stadt hast öffnen lassen, um mit Adolphs ärgstem Feinde heimliche Deliberation zu halten und diesem jene Urkunden einzuhändigen?«

Friedmann starrte einige Augenblicke lang den Ritter in sprachlosem Erstaunen an. Das Uebermaaß dieser Frechheit war ihm unerwartet. Nur ein Bösewicht, für dessen Verworfenheit er keinen Maaßstab in sich trug, konnte im vollen Bewußtsein der eigenen Schuld, diese einem andern andichten, dem, wie er zugleich überzeugt sein mußte, sein Verbrechen wohl bekannt war. Aber Nollingen hatte seine guten Gründe zu diesem Verfahren. Er wollte den jungen Mann in eine leidenschaftliche Wallung versetzen, damit er, von dieser hingerissen, ihm verrathe, welchen Antheil er an der Vereitelung jener Botschaft des Ralph Strichauer habe und ob er den ganzen Umfang ihrer Bedeutung kenne. Diese Absicht erreichte er in der That vollkommen; denn kaum hatte sich der Junker von Sonnenberg von seiner ersten Verwunderung erholt, so trat er dem Ritter näher, heftete seine Blicke so scharf und durchdringend auf ihn, daß jener die seinigen verwirrt zu Boden schlug, und sagte dann rasch und heftig:

»Ihr habt die Stirn, mich dieser Vergehungen, die den Thäter mit unauslöschlicher Schande brandmarken, in's Angesicht zu zeihen? Ihr, der sie selbst begangen, der seinen Freund, und Kaiser undankbar verrathen, der ihn bestohlen und betrogen hat, der Honigworte auf den Lippen führt und Meuchelmord im Herzen trägt, der dem edelsten Monarchen Ehrfurcht und Liebe heuchelt, während er boshafte Anschläge zum Verderben des hohen Gebieters seinem verworfensten Feinde übersendet? O, Ihr seid entlarvt, Günther von Nollingen! Ihr wolltet mir prophezeien von Hinrichtung und Verbrechertod, von Schmach und Galgen? Ihr habt ganz richtig prophezeit, nur im Gegenstande habt Ihr Euch geirrt. Euch selbst trifft Euere Weissagung. Ihr sterbt den Tod des Hochverräthers und in Euerer Brust ruft schon eine Stimme laut: Du bist schuldig! Vergebens sucht Ihr Euch durch allerlei trügerische und listige Vorspiegelungen gegen diese Stimme taub zu machen; vergebens seid Ihr überzeugt bei Gerhard von Mainz Absolution für jedes gegen Adolph von Nassau begangene Verbrechen zu erhalten und noch gar Lobsprüche und Geschenke einzuerndten für Dinge, welche jeder Rechtliche verachtet und verabscheut: jene Stimme wird doch laut und verfolgt Euch quälend in der Gegenwart des Monarchen, den Ihr verrathet, sie verfolgt Euch auf das Lager, wo Ihr umsonst nach Ruhe ringt; sie verfolgt Euch beim Waffenspiele und beim Bankette, bei jedem Gange, bei dem letzten zum Hochgerichte!«

Der Ritter war erschüttert; allein er suchte diese Regung durch ein lautschallendes Hohngelächter zu bezwingen.

»Knäblein!« sagte er dann mit angenommener Kälte. »Es wäre Schade, wenn Du frühe sterben müßtest, denn ein guter Bettelmönch ginge an Dir verloren! Du hättest manchen Schuft aus dem Pöbel bekehren können durch Deine Sprüchlein, aber morbleu! der Nollingen ist über diese Possen längst hinaus. Uebrigens weiß ich nun, was ich wissen wollte. Du selbst hast Dich verrathen. Du selbst hast Dich in meine Hand gegeben und es bleibt Dir nur ein Ausweg Dich zu salviren, wenn Du Dich blind in meinen Willen fügst und thust was ich erheische.«

»Euere Drohungen verachte ich;« versetzte mit wiedergewonnener Ruhe der kaiserliche Ehrenjunker. »Doch sprecht,« fuhr er mit einem Anfluge von Spott fort, »was kann der arme Gefangene, dessen Leben und Tod Euerm Urtheile anheim gestellt ist, für Euch thun? Verträgt es sich im Mindesten mit der ritterlichen Ehre, was ich jedoch sehr zu bezweifeln Ursache habe, so soll es gern geschehen.«

»Höhne nicht, Bube!« knirschte Günther. »Du bist in meiner Hand und mort de ma vie! ich mache Dich im nächsten Augenblicke zu einer Leiche, wenn Du noch einmal wagst, meiner zu spotten. Höre mich an und erwäge wohl, was ich Dir sagen will! Du hast dem Trunkenbolde Ralph mit List oder Gewalt die Sendung abgenommen, mit der er chargirt war, Du hast es gewagt, Dich selbst mit ihrem Inhalte bekannt zu machen – Du kannst es nicht läugnen! Deine eigenen Reden haben Dich verrathen. Mich zu verderben war Deine Absicht, aber ich habe sie decouvrirt, und die Waffen, mit denen Du gegen mich in das champ de bataille rücken wolltest, gegen Dich gekehrt. Die nächtliche Abwesenheit, die Aussage des Thorwächters, die Gewißheit, daß der Erzbischof im Laufe dieser Nacht in der Nähe der Stadt war – Alles zeugt gegen Dich und Du darfst nicht hoffen, diese Beweise zu widerlegen, denn Du befindest Dich ganz in meiner Gewalt, des Kaisers Angesicht wirst Du nimmer wieder schauen und niemand hat Entree hier ins Gefängniß, als ich, Dein Richter. Du siehst: Dein Leben hängt an einem Worte von mir. Ich spreche es aus und Du wirst zum Galgen geschleppt, Dein Angedenken bleibt verflucht, Dein Name mit Schande bedeckt! Du hast das wohl an mir meritirt, aber ich weiß nicht, warum ein Sentiment von Großmuth und Milde mich veranlaßt, Dich vom Verbrechertode zu retten. Ich gebe mir ein Ridicül vor mir selbst, aber ich kann jenem Sentiment nicht widerstehn. Höre meinen Vorschlag und preise Dich glücklich, einem so gnädigen Richter anheim gefallen zu sein!«

»Sprecht!« entgegnete lächelnd Friedmann. »Es kann in der That niemand begieriger sein, als ich, etwas von der Großmuth des Herrn von Nollingen in Erfahrung zu bringen. Ich habe einen guten Freund, der mir sie gerühmt hat, einen tüchtigen Mann, der zwei Foltergraden zu widerstehn vermag und um den dritten seine Henker prellt.«

Der Ritter sah den Junker mit seinem Blicke voll dunkeln Argwohns forschend an. Allein er war in diesem Momente zu sehr mit der Verfolgung seines Zweckes beschäftigt, um diesem Verdachte eine besondere Aufmerksamkeit schenken zu können. Dabei glaubte er auch das einzige Ereigniß, worauf Friedmanns Worte anspielen konnten, in zu tiefe Nacht verborgen, als daß der Junker Kunde davon haben mochte. Er hatte damals bei dem Streite des Ralph Strichauer mit dem Junker von Sonnenberg den Italiener, der ihn veranlaßt, keiner Beachtung gewürdigt und hielt den Arzt Antonio Bandini, den sein Gebieter und er zum Opfer ihrer Grausamkeit erkohren, längst für todt, in den Wellen des Rheines begraben.

»Ich will Euch die Thüren dieses Kerkers öffnen,« sagte er nach einem kurzen Stillschweigen, indem er sich mit vertraulicher Geberde zu Friedmann hinneigte: »ich will Euere feindseligen Absichten gegen mich pardoniren und vergessen, ich will Euch noch heute in Freiheit setzen, sobald die Dunkelheit erlaubt, einen solchen Anschlag auszuführen, und für diesen großen Dienst verlange ich nur einige kleine Gegengefälligkeiten ohne Importanz von Euch. Bedenkt wohl: Leben und Tod, der Galgen und die Freiheit sind Euch hier zur freien Wahl präsentirt.«

»Zur freien Wahl?« wiederholte mit scharfer Betonung der Junker. »Nennt mir doch die Gegengefälligkeiten, die Ihr von mir erwartet, um mich davon zu überzeugen. Soll ich etwa einem rechtlichen Manne, während Ihr freundlich und unbefangen mit ihm redet, in Euerm Auftrage den Dolch hinterrücks in den Leib stoßen! Oder hat Euer hoher Gönner, der Erzbischof von Mainz, einen neuen Plan den edeln Kaiser Adolph aus der Welt zu schaffen erdacht, und haltet Ihr mich für würdig ihn auszuführen?«

»Bube, reize mich nicht!« rief wild der Ritter von Nollingen. » Morbleu! Du verdienst nicht, daß man Dir Güte und Milde zeigt. Frei heraus will ich Dir sagen, wozu Du Dich entschließen mußt, wenn Du nicht hängen willst. Sprich: wo hast Du die geraubte Pergamentrolle hinverborgen? Sie muß zurück in meine Hände, kein Stückchen darf fehlen, kein Mackel daraufgekommen sein! Schafft sie herbei und Dein Leben ist salvirt. Du fliehst dann zu Philipp von Frankreich oder zu Albrecht von Oesterreich. Ich werde aus der Ferne für Dich sorgen und Dir gute Aufnahme präpariren.«

»Verdammt sei die Zunge, die dem Sohn Ludwigs von Sonnenberg einen solchen Antrag macht!« fuhr der Ehrenjunker zornig auf. »Ihr wollt mich zu einem Bösewicht und Verräther machen, wie Ihr selbst seid, Ihr haltet mich feige genug, Euere Drohungen zu fürchten. Ihr habt Euch sehr in mir geirrt. Die Pergamente, die Ihr selbst als ein Schelm und Dieb an Euch gebracht, sind auf immer für Euch verloren. O, Ihr hattet es gut im Sinne damit! Ihr wolltet sie in die Verwahrung eines frommen Mannes geben, eines Fürsten der Kirche, der gewiß guten Gebrauch davon gemacht hätte. Das ist nun leider vereitelt worden durch einen unbedeutenden Edeljunker, der noch überdem die Dreistigkeit hat, Euere Drohungen zu verachten und die Rückgabe der wichtigen Documente zu verweigern.«

»Ist das Dein letztes Wort, Sonnenberger?« fragte der Ritter. Seine Augenbraunen zogen sich finsterer zusammen und seine Blicke nahmen einen erhöheten Ausdruck von Tücke und Wildheit an.

»Ich würde nicht anders sprechen,« erwiederte Friedmann, »wenn ich Euer Gefangener wäre im Pallaste Eueres Freundes, Gerhard von Mainz, wenn Ihr den Ralph Strichauer mit seinen Henkersknechten über mich schicktet, daß sie mich in das Foltergemach schleppten, um mich dort zu peinigen, wenn Ihr mir die Leichengruft zeigtet im tiefen Gewölbe, als das Grab, in dem mein hingemarterter Körper vermodern sollte!.«

» Mort de ma vie!« schrie der Ritter außer sich. »Du bist mit dem Teufel im Bunde, der Dir das verrathen hat. Du weißt zu viel, um ferner leben zu können. Stirb und mit Dir sterbe Nollingens einzige Sorge!«

Er schwang den gezückten Dolch in der hoch erhobenen Rechten und stürzte wüthend auf Friedmann los. Er war mit der Absicht in das Gefängniß gekommen, durch List und Drohungen den jungen Mann, der ihm so gefährlich werden konnte, zur Rückgabe jener Pergamente zu vermögen. Diesen Plan sah er vereitelt, er mußte zur Vermehrung seiner Besorgnisse erkennen, daß Friedmann sich auf eine unerklärliche Weise im Besitze gefährlicher Geheimnisse befinde und rasch war nun sein Entschluß gefaßt, die Drohung, welche ihren Zweck, den Junker zu schrecken, verfehlt hatte, wahrzumachen. Es konnte ja nachher ausgesprengt werden, der Gefangene habe sich, um der schmachvollen Hinrichtung zu entgehen, mit einer verborgen gehaltenen Waffe selbst den Tod gegeben.

Aber der Junker von Sonnenberg war, obgleich unbewehrt, kein leicht zu besiegender Gegner. Er kannte den Charakter des Ritters zu genau, um nicht immer gegen einen überraschenden Angriff, gegen den Versuch eines Meuchelmordes auf seiner Hut zu sein. Seine Augen hatten Günthers Bewegungen scharf bewacht und als dieser mit der Hand rasch nach dem Dolche griff, war auch Friedmann schon mit sich einig über das, was hier zu thun sei, wenn er nicht sein Leben ohne Widerstand unter Mörderhänden verbluten lassen wollte. Er war von der Natur mit einer ungewöhnlichen Körperstärke begabt worden und hatte diese durch fortgesetzte Uebungen im Ringen, durch Gewöhnung an die Beschwerden der Jagd, durch Waffenspiel und auch, wie wir wissen, schon in der Theilnahme an ernsten Kämpfen vermehrt und mit einer Gewandtheit verbunden, die ihn in der That zu einem furchtbaren Gegner im Ring- und Faustkampfe machte. Auf diese Mittel, die ihm allein gegen einen mordsüchtigen und wohlbewaffneten Feind zu Gebote standen, mußte er sich jetzt verlassen. Mit einer Kaltblütigkeit, die sich immer, sobald es galt, in seinem ganzen Wesen offenbarte, erwartete er den in blinder Wuth heranstürmenden Ritter. Als dieser aber nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war, schwang er sich mit einer schnellen Bewegung zur Seite, unterlief seinen Gegner und warf ihn mit solcher Gewalt auf den gepflasterten Boden des Gefängnisses, daß der Dolch der Hand des Mörders entfiel und dieser selbst auf eine furchtbare Weise erschüttert wurde! Friedmann knieete ihm auf der Brust und hielt mit der einen Hand seine Gurgel gefaßt, während die andere den Dolch vom Boden aufraffte.

»Euer Leben ist in meiner Hand,« sagte sehr ernst der Junker und der blitzende Dolch flammte vor den Augen Günthers hin und her, »ich könnte mich ungestraft selbst rächen an Euch mit Euerer eigenen Waffe, und man würde meine That preisen und ehren, denn ich brauche nur Euere Briefe und jene Urkunde, die Ihr gestohlen habt, vorzuzeigen, um Euch als den ärgsten Bösewicht, den je die Erde getragen, zu brandmarken. Aber noch einmal: Euere Prophezeihung, die ich auf Euer Haupt gekehrt habe, will ich nicht zu Schanden machen, ich will dem Henker nicht in's Handwerk greifen.«

Er zerbrach den Dolch und schleuderte die Stücke weit hinweg. Er stand auf und trat vor dem Ritter zurück, indem er ihm mit den Zeichen der tiefsten Verachtung den Rücken wandte.

» Morbleu! das sollst Du mir büßen;« knirschte Nollingen. Er raffte sich auf und schritt nach der Thüre, die ihm auf ein gegebenes Zeichen sogleich von Außen geöffnet wurde. Dann sah er sich noch einmal nach dem Ehrenjunker um und sagte mit hämischer Geberde: »es gibt andere Mittel, Dich stumm zu machen. Du bist verloren, und der Teufel, der Dir dient, soll Dich selbst nicht retten!«

»Ich kenne Euere Mittel!« rief Friedmann dem Forteilenden nach: »Ihr wollt mir einen kräftigen Schlaftrunk brauen für die Ewigkeit. Aber Euere Hoffnung ist eitel. Man wird Euch nicht Zeit lassen zu solchen Kunststücken.«

 

Ende des zweiten Bandes.

 


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