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23.

Ich nütze der Natur geheime Kräfte
Und wandte sie zum Heil der Menschheit an;
Da schallt man Zaubrer, Hexenmeister mich.
Ich brachte Licht; zum Feuer riefen sie!

Annonym.

»Die Mittel, welche ich bei dem Kranken anwandte, um ihn auf den Weg der Genesung zu bringen,« fuhr nun Bandini in seiner Erzählung fort, »hatten den glücklichsten Erfolg. Fieber und Schmerzen verminderten sich, seine Kräfte kehrten von Tage zu Tage mehr zurück und die Wangen des schönen Antlitzes begannen sich mit einem sanften Rosenroth zu färben. Doch gestehe ich gern, daß es nicht allein meine Mittel sein mochten, die den Kranken so schnell der Todesgefahr entrissen und die schlummernden Lebenskräfte weckten. Freilich thaten sie die Hauptsache und ohne den Gebrauch desjenigen, das ich aus Italien mitgebracht hatte, wäre das Leben des großen Meister Heinrich unerrettbar verloren gewesen; aber zu der wunderbar schnellen Genesung trug gewiß die sorgliche und freundliche Pflege am Meisten bei, welche die edelsten und schönsten Frauen fortfuhren, dem trefflichen Manne zu widmen. Als er aber nun so weit war, daß er das Lager verlassen, daß er im Zimmer umhergehen und sich am Fenster zeigen konnte, als jede Furcht verschwunden war, daß die Krankheit noch einmal wiederkehren und aufs Neue sein Leben bedrohen könne: da wandte sich die Huld und Dankbarkeit der schönen Frauen zu mir. Ich wurde als der Erhalter des kostbarsten Lebens gepriesen, von allen Seiten flogen mir reiche Geschenke zu und von meinen Salben und Spezereien, die man früher verachtet hatte, war in kurzer Zeit nicht das Geringste mehr übrig. Mein Glück machte mich schwindeln. Ich sah mich plötzlich aus einem fast dürftigen Zustande in den einer bedeutenden Wohlhabenheit erhoben. Ich segnete den Augenblick, der mir den Gedanken eingegeben hatte, nach Mainz zu wandern, ich sah schon im Geiste die Zeit voraus, wo ich reich genug sein würde, mich in meinem Vaterlande anzusiedeln und dort von meinem Gewinn in Glück und Frieden zu leben. Meine ärztliche Geschicklichkeit gelangte durch die Heilung Meister Heinrichs zu großem Ansehn. Viele vornehme Kranke verlangten meinen Beistand und wogen ihn mit Gold auf. Ich brachte aber noch immer den größten Theil des Tages bei Meister Frauenlob zu, theils um seine Fortschritte zur völligen Gesundheit zu bewachen, theils um mich seines Umgangs, der mir sehr theuer geworden war, zu erfreuen. Ob ich ihm gleich erlaubt hatte, auszugehen und durch kleine Wanderungen in freier Luft sich zu zerstreuen, so bestand er doch darauf, nicht eher seine Wohnung zu verlassen, als bis er sich stark genug fühle, in der Liebfrauenkirche sein Dankgebet zum Himmel zu senden, für seine – wie er sie nannte – wunderbare Erhaltung, und hierauf dort mit einem Meistersange der Pflege und Güte zu gedenken, die ihm während seiner Krankheit die edeln Frauen erwiesen. »Ihr dürft mich nie wieder verlassen, Meister Anton,« sagte er mit dem gütigen, herzgewinnenden Tone, der immer in seiner Rede lag, »Ihr müßt immer hier bleiben, in der freundlichen Stadt am Rheine, und Segen und Heil verbreiten durch Euere Kunst.« Ich widersprach ihm nicht, denn ich wußte, es würde ihn betrübt haben. Aber schon stand der Entschluß in mir fest, mich, sobald der Gewinn, der mir fortwährend zuströmte, eine gewisse Summe erreicht haben würde, in mein Vaterland zurückzugehn. Die Feindschaft der Mönche, die ich mir zuzog, indem ich den Gewinn, der ihnen bisher allein von Heilung der Kranken geworden, durch meine Curen schmälerte, fing an, sich thätig zu erweisen. Sie suchten mich in übeln Ruf zu bringen, sie schalten meine Kunst Teufelswerk und mich selbst einen heillosen Zauberer, dessen gottlosem Wirken der Scheiterhaufen ein Ziel setzen müsse. Anfangs lachte ich darüber, als mir diese Dinge zu Ohren kamen. Meister Heinrichs Ansehn und die Gunst der vornehmsten Männer und Frauen der Stadt schienen mir ein hinlänglicher Schutz gegen diese Angriffe.

Als ich aber nach einiger Zeit bemerken mußte, daß der gemeine Mann auf der Straße mich mit finstern, scheuen Blicken betrachtete, als die mir nachtheiligen Gerüchte immer lauter und bestimmter wurden, als die alten Weiber, denen ich auf öffentlichen Plätzen begegnete, ein Kreuz vor mir schlugen und die Kinder, wenn sie meiner ansichtig wurden, furchtsam und heulend davon liefen: da bedachte ich, daß ich es mit Gegnern zu thun hätte, die nicht aufhören würden, mich zu verfolgen, bis sie ihren Zweck, mich in's Verderben zu bringen, erreicht haben würden. Hier gebot die Pflicht der Selbsterhaltung, lieber den noch zu erwartenden Gewinn aufzugeben, als mich ferner so gefährlichen Nachstellungen auszusetzen. Ich nahm mir daher fest vor, gleich nach dem Tage, an welchem Meister Heinrich, der sich nun ganz genesen fühlte, in der Liebfrauenkirche seinen Meistergesang halten wollte, mit meinem erworbenen Gut und Geld die Stadt Mainz zu verlassen. Der Tag war nahe und der edle Meister sprach mir oft von der innigen Freude, die er bei dem Gedanken empfinde, nun endlich einmal wieder vor Gott und Menschen ein Lied zu beider Preiß aus voller Brust strömen zu lassen. Er erhielt oft Besuch von angesehenen und reichen Bewohnern der Stadt, aber er sagte mir, daß er am Liebsten mit mir allein sei, damit ich ihm ungestört von dem schönen Lande Italien erzählen könne, das er gar sehnlich selbst zu besuchen wünschte. So saß ich auch eines Abends – der nächste Tag war derjenige, an dem er seinen ersten Ausgang in die Liebfrauenkirche machen wollte – dem lieben Meister gegenüber und sprach ihm von der Schönheit der Neapolitanischen Frauen, von ihrer geistvollen Unterhaltung und daß in ihrem Munde jedes Wort wie Gesang töne, aber ich vergaß auch nicht zu bemerken, daß die deutschen Frauen ihnen an Sittigkeit und Tugend weit vorzuziehen seien; als plötzlich ein großes Getümmel im Hause entstand und ein hereineilender Diener die Meldung brachte, der Erzbischof selbst sei bereits auf der Treppe, um den Meister zu besuchen und ihm zu seiner Genesung Glück zu wünschen. Ihr könnt Euch denken, edler Junker, daß ich durch diese unerwartete Bothschaft nicht wenig überrascht wurde. Ich sprang bestürzt auf, um mich in schneller Flucht durch eine Nebenthüre diesem Zusammentreffen zu entziehn. Ich hatte während meines Aufenthalts in Mainz so viel Abschreckendes von dem herrschsüchtigen Gerhard gehört, daß ich längst dem Wunsche entsagt hatte, ihn persönlich kennen zu lernen; dennoch blieb ich, als Meister Frauenlob, dessen reine Seele in keines Menschen Herzen ein Arg ahnete, mich freundlich dazu aufforderte und ermunterte. Ich war hinter den Sessel des Meisters getreten, der sich bei der Erscheinung des Fürsten nur wenig erhob und ihn mit derselben Freundlichkeit und Milde willkommen hieß, mit der er jedermann zu begrüßen pflegte. Vor dem Erzbischofe traten zwei Diener des Hauses ein mit großen silbernen Armleuchtern, von denen brennende Kerzen herabstrahlten. Ihr Licht warf seinen vollen Schein auf Gerhards Angesicht, so daß es in seinen kleinsten Zügen deutlich zu erkennen war. Habt Ihr je ein Tigerthier gesehn, Junker von Sonnenberg?« unterbrach hier mit einer so scharfen Betonung, daß Friedmann darüber betroffen war, der Lombarde seine Erzählung.

»Nein, Bandini!« entgegnete er nach einer Pause. »Ich sah nimmermehr ein solches Ungethüm, aber man hat mir genug davon erzählt, so daß ich wohl eine Vorstellung von seinem Wesen, von seinem Blutdurste und seiner Grausamkeit in mir trage.«

»O, Ihr hättet es gesehen, wärt Ihr damals bei mir gewesen!« rief der Italiener aus und führte, als wolle er seine Empfindungen betäuben, hastig den Becher zum Munde. »Doch Ihr habt ihn ja später gesehn, von dem ich spreche,« fuhr er dann fort, »und Euere Einbildung kann ihn Euch wohl zeigen wie er anzuschauen ist, wenn er nach einem Opfer forscht, das sich seine Bosheit erwählt hat. Als er in das Zimmer trat, flogen seine dunkelglühenden Blicke sogleich nach allen Seiten hin, aber sie weilten nirgends, selbst auf Meister Heinrich nicht, sondern auf mir, als sie mich gefunden hatten, und drangen so gewaltig in die meinigen, die ihnen begegneten, daß ich sie niederschlagen mußte, indem ein seltsames Grauen mein Gebein durchrann. Wer einmal den unbändigen Geist erkannt hat, der diese Blicke belebt, der vergißt sie nimmermehr. Die kurze Stirn mit den buschigen Augenbraunen über ihnen, die stark hervortretenden Backenknochen, die aufgeworfene Nase und der weite Mund mit den hervorstehenden großen Vorderzähnen, alles dieses gibt dem Kopfe das Raubthierartige, das damals mich, einen sonst furchtlosen Mann, mit Entsetzen erfüllte. Zum erstenmale erinnerte ich mich wieder der düstern Ahnung, die in mir aufgestiegen war, als ich eben den Plan entworfen hatte, mich nach Mainz zu begeben. Ich trat in den Schatten, weit hinter den Sessel Meister Heinrich's zurück, um mich den Tigerblicken, die mich verfolgten, zu entziehen. Gerhard mochte bemerken, daß diese Bewegung absichtlich geschehe. Ein spöttisches Lächeln flog leicht über sein Angesicht hin. Alles war das Werk eines Augenblicks. Er setzte sich nun auf die Stelle, die ich früher eingenommen hatte, dem Meister gegenüber und wünschte diesem in einem sehr milden und salbungsvollen Tone, dem man jedoch anhörte, daß er nur erzwungen sei, Heil und Glück zu seiner Wiederherstellung. Er erkundigte sich mit einer Sorgfalt, die man bei jedem andern für eine Frucht inniger Zuneigung gehalten haben würde, nach jeder einzelnen Kleinigkeit, die sich im Verlaufe der Krankheit gezeigt hatte. Einem genauen und menschenkundigen Beobachter konnte es aber nicht entgehen, daß dieses ganze Benehmen, so natürlich es scheinen sollte, nur erkünstelt war und daß irgend eine andere, noch verborgene Absicht das Gemüth des Mannes beschäftigen müsse. Er hatte sich geraume Zeit mit dem Meister unterhalten, ohne mich weiter zu beachten, als er plötzlich wieder scharf nach mir hinsah und dem Genesenen die Frage hinwarf: »Wo ist der fremde Arzt, der Euch heilte? Ich möchte ihn wohl kennen lernen, den Wundermann, der über die sonst wohlbelobte Kunst und Geschicklichkeit meiner Mönche den Sieg davon getragen?« – Ich erbebte bei dieser Frage, denn ich sah wohl ein, daß ich nun dem Manne, dessen Gegenwart mich mit den unangenehmsten Empfindungen erfüllte, nahe kommen müsse. Seine Mienen ließen mich vermuthen, er sei schon früher überzeugt gewesen, in mir jenen Wundermann vor sich zu haben. »Ihr seid es?« sagte er, als Meister Frauenlob mich jetzt vorstellte, mit einem Lächeln, das freundlich sein sollte, aber im Widerspruche mit dem stechenden, tückischen Blicke etwas Teuflisches an sich hatte. »Euch verdanken wir die Erhaltung des edeln Sängers, der uns Freude und unserer Stadt Ehre und Ruhm bringt;« fuhr er dann in derselben Weise fort, indem sein Auge mich durchbohren zu wollen schien. »Nehmt auch meinen Dank für dieses Meisterstück! Ich habe in früher Jugend ebenfalls mich in Salerno mit Arzeneiwissenschaft und was ihr angehört, beschäftigt. Die alten graubärtigen Meister dort aber offenbarten damals nicht mehr, als sie wollten, und behielten die Quintessenz für sich. Wie ist mir denn?« fragte er dann mit scharfem Tone und mit dem Ansehn, als besinne er sich auf etwas: »Treibt Ihr nicht auch geheime Künste? Mich dünkt, man hätte mir das gesagt?« – Wie Eis fuhr es durch meine Adern bei dieser Frage. Nur die Bosheit der Mönche konnte einen solchen Verdacht, der mir eine schwere Beschuldigung schien, auf mich gebracht haben. Ich sah mich schon im Geiste verhaftet, im dunkeln Kerker, als Zauberer und Schwarzkünstler zum schrecklichen Feuertode verurtheilt. Meinen ganzen Muth nahm ich zusammen, um dem Erzbischofe das Grundlose dieser Meinung zu beweisen; allein ich war zu sehr in Schrecken gesetzt, um verständige Reden vorzubringen. Meine Worte verwirrten sich und als ich bedachte, daß ich durch eine Entschuldigung dieser Art mir mehr schaden als nützen könne, schwieg ich lieber ganz. Der Erzbischof hatte mit seinem grinsenden Lächeln mich ruhig angehört und es dünkte mich, als fände er Vergnügen an meiner Verlegenheit. Noch einige Augenblicke starrte er, nachdem ich bereits schwieg, mich seltsam an. Dann sagte er: »Habet nicht Furcht und Scheu vor mir wegen dieser Dinge! Ich selbst liebe sie und die weise Magie steht bei mir hoch in Ehren, wenn ich gleich als ein Fürst der Kirche die schwarze Kunst verabscheuen und bestrafen muß, wo ich ihre Ausübung wahrnehme. Aber ist es nicht thörigt, immer den Beistand höllischer Geister auswittern zu wollen, wenn es irgend einem klugen Kopfe gelungen ist, der Natur ihre Geheimnisse abzulauschen, so daß er nun Dinge zu vollbringen vermag, die der gemeine Haufe als Zauberei und Wunder ausschreit. Haben wir doch selbst einen frommen Bischof gehabt, der in der weisen Kunst hoch erfahren war! Ich meine den Albertus magnus in Regensburg. Er ist nun todt seit beinahe zwanzig Jahren, aber ich erinnere mich seiner recht wohl. Er war ein kleines, unansehnliches Männlein, allein aus seinen Augen leuchtete der große Geist, der die unansehnliche Hülle bewohnte. Er sagte die Schicksale der Fürsten und Völker voraus, wie sie später eingetroffen sind, er hatte mitten im Winter einen herrlichen Garten mit blühenden und früchtetragenden Bäumen. Ein zahmer Löwe folgte ihm auf jedem Schritte, und ließ nur von ihm sich berühren und nahm nur aus seiner Hand Nahrung. Hört, Meister Bandini, den solltet Ihr gekannt haben!« fuhr Gerhard vertraulicher fort, indem er seine Rechte auf meine Schulter legte: »der hätte Euch doch wohl manches zu rathen gegeben. Aber auch Euere Kunst mag aller Ehren werth sein. Ich rechne auf Euere nähere Bekanntschaft und hoffe von Euch Aufschluß über manche Räthsel der Magie zu erhalten, die ich noch nicht zu lösen vermochte; denn Ihr müßt wissen, auch ich bin ein großer Liebhaber der weisen Kunst und treibe sie nach meiner schwachen Einsicht.« – Diese Rede und das vertrauliche Benehmen des Erzbischofs waren weit entfernt, mich zu beruhigen. Ich sah Alles für Verstellung an, ich vermuthete eine Falle, die man mir lege, und glaubte überzeugt sein zu können, Gerhards Besuch habe weit eher mir, als dem Sangesmeister gegolten. Der Erzbischof hielt sich nur noch kurze Zeit auf, ohne weiter ein Wort an mich zu richten. Erst, als er schon unter der Thüre war, um das Gemach zu verlassen, schien er sich plötzlich zu besinnen, kehrte noch einmal zurück und überreichte mir einen kostbaren Ring mit den Worten: »Nehmt dieses Kleinod als Beweis meines Dankes, daß Ihr uns ein so edles Leben erhalten habt, wie das Meister Heinrich's; erinnert Euch aber auch bei dem Anblicke dieses Ringes, daß ich für mich auf Euere Dienste in der Zukunft rechne.« Ein bedeutender Blick begleitete diese Worte, die mit besonderm Ausdrucke gesprochen wurden. Ich war betroffen, ich zögerte das Geschenk anzunehmen. Da drückte es mir Gerhard mit einer heftigen Bewegung in die Hand und verschwand gleich darauf durch die Eingangspforte. Ich sah ihm lange erstaunt und nachdenkend nach, während Meister Frauenlob laut seine Freude äußerte, daß mir die Gnade des Erzbischofs in einem so hohen Grade geworden sei, und die großmüthige Gabe, die er mir hinterlassen, bewunderte. Der Meister konnte sich gar nicht erklären, warum ich kein Zeichen des Vergnügens von mir gab, warum ich mich, nach kurzer Zeit, im Gegentheile traurig in einen Sessel warf und tief aufseufzte. »Ach, lieber Meister!« erwiederte ich auf seine Fragen, »es thut mir nur eins leid und das ist der Umstand, daß ich nun sobald als möglich mich von Euch trennen muß.« Ich erkannte in den Mienen des guten Meisters, wie wehe ihm meine Aeußerung that, aber ich fuhr fort: »Ja, mein werther Freund, es ist nicht anders! So große Nähe und Vertraulichkeit fürstlicher Herrn hat meinem Geschlechte immer Unglück gebracht. Vater und Großvater sind mir in den Zwisten der Guelfen und Ghibellinen umgekommen, ein älterer Bruder von mir war Geheimschreiber König Ottokar's von Böhmen und wurde von diesem in einem Augenblicke der Wuth getödtet. Gern hätte ich Euern Erzbischof, der mir als ein gar wundersamer Herr beschrieben worden war, von Angesicht kennen gelernt, aber diese Gnade, die er mir zuwendet, kann mein Unglück werden, wenn ich ihr nicht aus dem Wege gehe. Ich werde mit einemmale spurlos verschwunden sein, lieber Meister, denn der Abschied von Euch würde mir zu wehe thun. Gedenket dann meiner fort und fort in Güte. Wer weiß, wie sich die Pfade unseres Lebens noch einmal durchkreuzen.« Wie auch der Meister sich bemühete, mir meine Furcht als thörigt vorzustellen, und mir mehrere Beispiele anführte, daß Gerhard Kunst und Wissenschaft hoch ehre und oftmals mit Reichthum und andern Gnadenbezeugungen belohnt habe, so ließ ich mich doch in meinem Entschluß nicht wankend machen. Seine freundlichen Reden konnten mich nicht erheitern, seine Versicherungen mich nicht beruhigen. Ich verließ ihn, von sorgenvollen Gedanken gequält, und würde noch am nämlichen Tage mich aus der Stadt entfernt haben, wenn mir nicht gar zu viel daran gelegen gewesen wäre, bei dem ersten Kirchgange meines lieben Meisters Frauenlob am Nachmittage des nächsten Tages zugegen zu sein. Aber, mein edler Junker,« wandte sich jetzt plötzlich der Italiener fragend an Friedmann, »warum sehet Ihr mich doch schon eine Zeitlang lächelnd und zugleich unmuthig an? Setzt Ihr einen Zweifel in meine Worte oder habt Ihr sonst einen Grund, mit meinem Betragen bei dieser Begebenheit unzufrieden zu sein?«

»Ich muß Euch nur gestehen, Bandini,« versetzte der Junker, während der Kaufherr sich behaglich, als wolle er von der gehabten Anstrengung ausruhen, in seinem Sessel dehnte, »daß Ihr mir, wegen der Furcht, die Euch bei dem bloßen Anblick und bei den wahrlich recht gütigen Worten des Erzbischofs ergriffen, als kein besonderer Held erscheint! Freilich habt Ihr späterhin Böses von ihm erfahren, wie Ihr sagt, aber das gab Euch damals noch keinen Grund ihn zu fürchten, und eine solche Angst vor Eueren eigenen Einbildungen scheint mir in der That kindisch und keines Mannes würdig.«

»Was wißt denn Ihr?« fuhr Bandini auf. »Ihr kennt nicht die geheimnißvollen Mächte, die aus der Zukunft herüber in die Gegenwart streifen und die Gefühle mit Grauen erfassen, um sie vorzubereiten auf Schrecknisse der kommenden Tage, ohne dem Verstande darüber eine Erklärung zu geben. Schon oft ist mein Leben von ihrem Einfluße beherrscht worden und warum sollte ich dem mißtrauen, das sich mir schon bewährt hatte? Nicht Böses habe ich von dem furchtbaren Gerhard erfahren, aber wohl Gräßliches und Abscheu Erregendes, Dinge, bei denen Euch die Haare zu Berg stehen werden, wenn Ihr sie vernehmt. Hört mich nur weiter an und Ihr mögt dann entscheiden, ob es viele Helden und Männer gibt, die das mit Muth und Standhaftigkeit ertragen, was ich ertragen habe.«



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