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XVI.

Noemi öffnete. Efix sah sie aus dem blaugrünen Dunkel des Hofes auftauchen: groß, schlank, mit bleichem Gesicht.

Forschend, wie einen Fremden, musterte sie ihn, ehe sie ihn eintreten ließ. Dann sagte sie nur: »Ach, du bist's?« Aber dieser erstaunte, halb mißtrauische, halb spöttische Ausruf genügte, um seine Bestürzung und Zerknirschung noch zu steigern.

»Nun ja, Fräulein Noemi, ich bin heimgekehrt«, sagte er, trat ein und folgte ihr durch den Hof. »Der Landstreicher ist heimgekehrt. Und wie geht's Fräulein Esther? Darf ich ihr guten Abend sagen?«

Dort im blaugrünen Dunkel waren die Dinge noch unverändert an ihrem Platz: der schwarze Balkon an der grauen Mauer, der Brunnen mit den roten Blumen, das Seil an der Treppe.

In der Küche brannte Licht, aber kein helles Licht wie in Grixendas Häuschen. Nein, ein düsteres Lämpchen, das auf der alten Bank inmitten eines großen Schattens stand.

Ja, alles war unverändert, alles war tot wie früher, und Efix dachte bekümmert: Es ist sicher nicht wahr, daß Fräulein Noemi eingewilligt hat.

Unwillkürlich wollte er den Sack an den Holzpflock hängen, aber der Holzpflock war nicht mehr da, niemand hatte ihn wieder eingerammt. Und er nahm den Sack mit in die Küche, wie ein Gast, der bald wieder aufbrechen muß.

Esther saß auf einem niedrigen Schemel vor der alten Bank und las. Da sprang der Kater, der in ihrem Schatten neben der Lampe gesessen und ihr beim Umblättern zugesehen hatte, plötzlich auf ihren Schoß und dann unter die Bank, wie um sich zu verstecken. Sie hob das Haupt, sah den Fremden und starrte mit flimmernden Augen erst ihn an, dann das Buch, das in ihren Händen zitterte.

»Ja, ich bin's wirklich, liebe Herrin! Ich bin heimgekehrt. Der Landstreicher ist heimgekehrt. Was sagen Sie dazu, Fräulein Esther? Und wie geht's gesundheitlich?«

»Efix – Efix – Efix ...« stammelte sie.

»Efix, ja! Haben Sie kranke Augen, daß Sie eine Brille tragen?«

»Efix, du! Setz dich. Ja, ich bekam kranke Augen vom vielen Weinen.«

Noemi aber sah die beiden mit ihren finsteren Augen an und schien sich lustig zu machen über das rührende Bild.

»Ja, Esther! Du trägst eine Brille, weil du nun alt bist.«

»Setz dich!« forderte auch sie ihn auf und klopfte mit der Hand auf die Bank, und Efix setzte sich neben seine alte, vor Überraschung heftig zitternde Herrin. Zunächst wußten sie nicht, was sie einander sagen sollten. Er preßte den Sack dicht an sich und senkte beschämt den Kopf; sie nahm die Brille ab, legte sie zwischen die Seiten des Buches, schien sich anlehnen zu wollen an den Knecht.

Schließlich wandten sie beide das Gesicht und schauten sich an, und sie schüttelte tadelnd das Haupt.

»Gut so! Nach all dem Wandern bist du nun endlich heimgekehrt. Aber warum hast du nie eine Zeile, nie einen Gruß geschrieben? Andere Leute bekamen doch auch Briefe aus Amerika!«

Efix öffnete den Mund zu einer Antwort. Da sah er, wie Noemi lachte, als wüßte auch sie die Wahrheit, und er schwieg, noch zerknirschter als zuvor.

»Und ohne ein Wort bist du gegangen, Efix! Als wenn wir dich beleidigt hätten, Efix! Denk an, ich fragte mich immer im stillen: Warum hat Efix das getan? Darf man endlich erfahren, warum?«

»Der Lauf der Welt! Man wird alt, wird kindisch«, erwiderte er mit einer müden Geste. »Jetzt bin ich ja wieder hier – sprechen wir nicht mehr davon ...«

»Und was gedenkst du nun zu tun? Wirst du zu Don Predu zurückkehren? Oder ist es wahr, was die Leute sich erzählen? Bist du wirklich reich geworden? Warum nimmst du den Sack nicht ab? Einen kleinen Imbiß wirst du doch wenigstens zu dir nehmen?«

»Nein, ich muß gleich wieder gehen, Fräulein Esther. Ich wollte Ihnen nur schnell guten Abend sagen.«

»Nicht doch, du bleibst bis morgen hier«, sagte Noemi, haschte nach seinem Sack und stellte ihn auf das Ende der Bank.

Sie sahen sich an, und er fühlte, daß sie sich aussprechen, daß sie ein unterbrochenes Gespräch wieder anknüpfen mußten.

»Hör mal, Efix, erzähl uns wenigstens von deinen Erlebnissen, wo du nie geschrieben hast. Wie viele Dinge wirst du uns nun zu erzählen haben! Ach, Efix, Efix, wer hätte je gedacht, daß du im Alter noch die Welt durchstreifen würdest!«

»Besser spät als nie, Fräulein Esther! Aber zu erzählen habe ich nur wenig.«

»Nun, dann erzähl das Wenige ...«

»Gut. Ja, ich werde Ihnen erzählen ...«

Noemi deckte schweigend den Tisch. Dort stand noch immer der schadhafte, im Lauf der Zeit schwarz angelaufene Brotkorb. Dort war auch noch das gleiche Brot, der gleiche Aufstrich. Efix aß und erzählte, mit unsicheren Worten, die wie verschleiert waren von zaghaften Lügen. Aber als er die Brotkrumen vom Tisch gestreift und den Rest Wein aus seinem Glas auf den Boden geschüttet hatte – denn auch die Erde soll etwas abbekommen von des Menschen Nahrung –, richtete er sich auf, und seine Augen umgaben sich mit strahlenden Fältchen.

»Also, wir waren lauter arme Teufel auf der Überfahrt. Weiter und weiter ging es, keiner wußte wohin, aber jeder hoffte auf guten Verdienst. In einer langen Reihe, wie Sträflinge, zogen wir ...«

»Ja – seid ihr denn nicht auf dem Meer gewesen?«

»Doch, auf dem Meer, natürlich, was rede ich? Und auf einem recht stürmischen Meer. Ich wurde soundso oft naß bis auf die Knochen. Nein, Hunger litten wir nicht, und dann, wer hatte Hunger? Ich bestimmt nicht. Manchmal hatte ich allerdings ein Gefühl, als wenn eine Hand meinen Magen packte und herausreißen wollte, und dann stillte ich meinen Hunger. Bei der Ankunft ging's dann gleich munter an die Arbeit ...«

»Was für eine Arbeit war es?«

»Oh, eine ganz leichte Arbeit eigentlich – man schaufelte nur Erde von einem Platz auf den anderen.«

»Es stimmt also, daß dort ein großer Schiffahrtskanal angelegt werden soll? Dringt da denn nicht das Wasser gleich in den Kanal ein?«

»Doch, es würde eindringen, wenn dort nicht gewaltige Maschinen wären und es zurückhielten. Sie sind wie große Pumpen – näher kann ich sie leider nicht beschreiben!«

Noemi hörte schweigend zu und streichelte das Fell des Katers, der behaglich auf ihrem Schoß schnurrte. Ja, sie hörte zu, aber ihre Gedanken weilten in der Ferne.

»Ihr waret also sozusagen auf dem Lande? Es soll dort drüben doch sehr teuer sein. Weißt du noch, was die Auswanderer damals auf dem Marienfest erzählten? Außerdem soll es ein recht freudloses Land sein.«

»Oh, vergnügen kann man sich auch dort! Ich meine, wenn man vergnügungssüchtig ist! Der eine singt, der andere tanzt, ein dritter betet und wieder ein anderer trinkt sich einen Rausch an, und dann gehen alle wieder fort ...«

»Fort? Wohin denn?«

»Ach, ich wollte sagen – heim! Ja, heim in ihre Baracken, um sich tüchtig auszuschlafen!«

Und welche Sprache sprechen sie?«

»Welche Sprache? Ach, alle möglichen Sprachen. Ich allerdings sprach meistens sardisch mit meinen Kameraden ...«

»Was, Landsleute trafst du dort auch?«

»Ja, Landsleute traf ich auch. Einen alten und einen jungen. Nichts für ungut, Herrinnen, aber mir ist fast, als säßen sie noch immer neben mir.«

Noemis Augen funkelten boshaft.

»Na, ich hoffe, wir sind sauberer als sie«, sagte sie und packte ihn am Arm.

»Ja, ein alter und ein junger. Sie zankten sich ständig. Sie waren böse, neidisch, eifersüchtig, aber im Grunde waren sie doch gut. So ist der Mensch nun mal: gut und böse, böse und gut, und vor allem immer unglücklich. Auch die Reichen sind oft unglücklich. Ach ja!«

Da erinnerte ihn der harte Griff Noemis an den eisernen Griff, mit dem Giacinto damals in dem kleinen Hof in Nuoro seinen Arm umklammert hatte, und an das Geheimnis, das seine Herrin hinderte, Don Predus Werbung anzunehmen.

»Don Predu zum Beispiel«, entschlüpfte es ihm fast unwillkürlich. Dann setzte er mit einem Blick auf die junge Herrin rasch hinzu: »Ist er vielleicht nicht reich und trotzdem unglücklich?«

Da lachte die Herrin wieder, und er ereiferte sich fast gegen seinen Willen.

»Was gibt's dabei zu lachen? Na ja, ist Don Predu etwa nicht unglücklich? Solange Sie, liebes Fräulein Noemi, kein Mitleid mit ihm haben ... Und trotzdem ist er ein guter Mensch.«

»Ach was, ein guter Mensch!« rief Noemi zornig. »Alt ist er und kann sich nicht mehr lustig machen über die anderen, nichts weiter! Sprechen wir nicht von ihm.«

»Doch, nun erst recht!« sagte Fräulein Esther mit Nachdruck. »Bitte, Efix, erklär mir deine Worte.«

»Was soll ich Ihnen denn erklären, liebes Fräulein Esther? Daß Don Predu Ihre Schwester heiraten will?«

»Ah, du weißt es also auch schon? Woher eigentlich?«

»Ich war doch der erste Brautwerber!«

»Der erste und der letzte!« rief Noemi und schüttelte den Kater von den Knien wie einen Knäuel Garn. »Genug endlich. Er spricht doch auch nicht mehr davon!«

Aber Efix lehnte sich auf.

»Nur weil ich ihm nie Ihre Antwort brachte, liebes Fräulein Noemi! Wie konnte ich sie ihm denn bringen? Ich traute mich nicht, und deshalb bin ich geflohen.«

Fräulein Esther setzte sich wieder zu ihm, und er fühlte, wie sie am ganzen Leibe zitterte.

»Ach, Efix«, murmelte sie. »Er trug sich also schon damals mit dem Gedanken? Und du hast mir nichts gesagt? Und bist geflohen? Warum denn? Wahrhaftig, mir erscheint alles wie ein Traum. Ich habe nie etwas erfahren, nur die anderen, die Fremden, erzählten mir davon. Und du, liebe Schwester, du ...«

»Was hätte ich dir sagen sollen? Hat er etwa jemals um mich angehalten? Hat er sich jemals deutlich erklärt? Ja, er schickt Geschenke, kommt hin und wieder her, setzt sich an den Herd und plaudert mit dir. Mich aber beachtet er kaum. Habe ich ihn vielleicht jemals fortgejagt?«

»Fortgejagt nicht! Aber du treibst es viel schlimmer. Du lachst ihn aus, wenn er herkommt, machst dich lustig über ihn ...«

»Geschieht ihm ganz recht! Wie man sät, so erntet man.«

»Noemi, warum sagst du das? Seit einiger Zeit bist du wie von Sinnen. Warum behauptest du, er mache sich nur lustig über dich, wo er dir doch sagen ließ, daß er dir gut ist?«

»Ja, durch einen Knecht!«

Esther sah Efix an, aber Efix schwieg mit gesenktem Haupt, genau wie früher, wenn seine Herrinnen sich zankten. Sicher rechnete er damit, daß Noemi trotz ihrer Verachtung später zu ihm kommen und das Gespräch unter vier Augen fortsetzen würde.

»Hörst du, Efix, wie sie redet? Und glaub mir, nicht du allein hast es ihr gesagt. Auch Giacinto ...«

Aber bei diesem Wort schien sich ein schrecklicher Abgrund vor ihnen aufzutun. Efix sah, wie Noemi heftig aufsprang, kreidebleich vor Zorn und Haß.

»Esther!« rief sie mit heiserer Stimme. »Du hast doch geschworen, seinen Namen nicht mehr über die Lippen zu bringen!«

Und wütend eilte sie hinaus, als müßte sie ersticken an ihrem Zorn.

   

»Ja«, raunte Esther ganz nah an Efix' Ohr, »sie haßt ihn so sehr, daß sie mich schwören ließ, seinen Namen nicht mehr zu nennen. Als er neulich hier war, um uns zu sagen, daß er Grixenda heimführen werde, und um Noemi zur Heirat mit Predu zu raten, da jagte sie ihn fort, schrecklich in ihrem Zorn, wie du sie eben sahst. Und weinend ging er. Sag selbst, Efix«, fuhr sie bekümmert fort, »ist unser Schicksal nicht furchtbar? Giacinto, der richtet uns zugrunde und heiratet diese Bettlerin, und Noemi, die stößt das Glück von sich. Warum all das? Efix, du bist weit in der Welt herumgekommen, sag du mir: ist es überall so? Warum zerbricht das Schicksal uns wie schwache Rohre?«

»Ja«, sagte er da, »wir sind wirklich wie Schilfrohr im Winde, liebes Fräulein Esther. Ja, das ist es. Wir sind das Schilfrohr, und das Schicksal ist der Wind.«

»Nun gut, aber warum gibt es ein solches Schicksal?«

»Und warum gibt es einen Wind? Das weiß Gott allein.«

»Und sein Wille geschehe immerdar«, sagte sie und neigte das Haupt auf die Brust. Und als er sie so gebrochen, so alt und traurig neben sich sitzen sah, fühlte Efix sich fast stark. Wie um sie zu trösten, begann er ihr eine von den vielen Mären des Blinden zu erzählen.

»Zufrieden ist der Mensch ja übrigens nie. Kennen Sie die Geschichte von der Königin Saba? Die war schön und hatte ein großes Reich am anderen Ende der Welt, mit herrlichen Gärten und einem goldenen Palast. Nun, und eines Tages hörte sie erzählen, daß der König Salomo noch reicher sei als sie, und konnte fortan nicht mehr schlafen. Der Neid verzehrte sie, nagte so heftig an ihr, daß sie sich schließlich aufmachen und die halbe Erde durchqueren wollte, nur um zu sehen ...«

Fräulein Esther neigte sich zur Seite und griff nach dem Buch, in das sie vorhin die Brille gelegt hatte.

»Diese Geschichten stehen da drinnen; in der Bibel ...«

Efix betrachtete beschämt das Buch und verstummte.

Als er allein war, legte er sich auf den Strohsack. Aber trotz seiner großen Müdigkeit konnte er nicht einschlafen. Ihm war, als lägen die Blinden an seiner Seite und als erstrecke sich ringsum und draußen in der Finsternis ein unbekanntes Land. Seine Herrinnen aber saßen dort auf der Bank und sahen ihn an, Fräulein Esther alt, mit flehendem Blick, Fräulein Noemi lachend, aber noch drohender, als wenn sie ernst war.

Und seltsam, nun verspürte er keine ehrfürchtige Scheu mehr vor Fräulein Esther, keine Angst mehr vor Fräulein Noemi; nun war er wirklich wie ein frei und reich gewordener Knecht vor seinen armen Herrinnen.

Ich kann ihnen helfen, kann ihnen noch immer helfen, auch wenn sie es nicht wollen. Morgen früh ...

Bang wartete er auf den Morgen, nur deshalb fand er keinen Schlaf. Morgen wird er sprechen mit Fräulein Noemi, morgen werden sie das vor vielen Monaten unterbrochene Gespräch fortsetzen, und dann kann er Don Predu vielleicht doch noch eine gute Antwort bringen.

Und er begann zu beten, erst leise, dann immer lauter, bis sein Gebet anzuschwellen schien zu einem eintönigen Gesange, wie die Pilger ihn gesungen hatten vor der Mutter aller Gnaden.

Morgen ... Alles wird gut gehen morgen, alles wird sich klären und erfüllen morgen. Endlich glaubte er nun zu begreifen, warum Gott ihn bewogen hatte, das Haus seiner Herrinnen zu verlassen und durch die Welt zu schweifen. Damit Giacinto zur Einsicht kommen, damit Noemi genesen sollte von ihrem törichten Wahn.

Hätte ich Don Predu gleich die Antwort gebracht, so wäre alles aus gewesen, dachte er mit einem Gefühl der Erleichterung und träumte sich in den Schlaf.

Ein heller Schein ergießt sich plötzlich über das Land ringsum, grenzt einen weißen Lichthof ab in einem großen dunklen Kreise. Es ist Morgen, die Blinden erheben sich von der Streu, fassen sich bei den Händen, beugen sich über ihn und nötigen ihn, sich auf ihre Hände zu setzen und die Arme um ihren Nacken zu schlingen. Dann heben sie ihn hoch und tragen ihn hinein in den Morgen, unter fröhlichem Gesang, wie Kinder bei ihren Spielen.

Er lachte. Noch nie war er so glücklich gewesen. Aber im Hintergrund, in der düsteren Küche, rührten sich Fräulein Esther und Fräulein Noemi nicht von der Bank; und mit einemmal verspürte er wieder ehrfürchtige Scheu vor der einen, Angst vor der anderen. Da schloß er die Augen und spielte gleichfalls den Blinden. Und so bewegten sie sich alle drei über den weichen Boden und sangen das Lob des Herrn. Doch plötzlich hielt eine Hand ihn von rückwärts am Mantel fest und brachte auch die anderen beiden zum Stehen. Erschrocken glitt er zu Boden, öffnete die Augen und sah Fräulein Noemi vor sich stehen, mit der Lampe in der Hand.

»Hast du schon geschlafen, Efix? Entschuldige, aber Esther sagte mir, du würdest morgen sehr früh aufbrechen und nicht wiederkommen.«

Er setzte sich auf den Strohsack auf, zu Füßen Fräulein Noemis, die groß und hochaufgerichtet dastand, mit der Lampe in der Hand. Ein dunkler Kreis mit einem weißen Lichthof umgab sie beide, genau wie in seinem Traum.

»Außerdem wollte ich dich allein sprechen, Efix. Esther begreift manche Dinge nicht. Und du hast schlecht daran getan, mit ihr zu reden. Auch du begreifst eben so manches nicht.«

Er schwieg. Oh, er begriff schon, aber er mußte schweigen und sich verstellen, wie es sich geziemt für einen Knecht.

»Ja, du begreifst nicht, und deshalb sagst du oft ein Wort zuviel, Efix. Hättest du damals nur deinen Auftrag ausgerichtet, ohne mir gute Ratschläge zu geben, so wäre es besser gewesen. Statt dessen haben wir viel zwecklose Dinge gesagt. Jetzt aber will ich nur wissen, ob du Predu wirklich nichts erzählt hast von unserem Gespräch.«

»Nein, kein Wort, liebes Fräulein Noemi.«

»Und noch etwas möchte ich dich fragen, Efix, aber du mußt mir die Wahrheit sagen. Hast du ...« Sie zögerte einen Augenblick, dann fuhr sie mit erhobener Stimme fort: »Hast du Giacinto von diesem Vorfall erzählt? Sag mir die Wahrheit.«

»Nein«, log er mit fester Stimme. »Ich schwöre Ihnen, ich habe ihm nicht davon erzählt.«

»Du glaubst also, daß Predu es ihm gesagt hat?«

»Ja, liebes Fräulein Noemi.«

»Und noch etwas. Sag mir: warum bist du eigentlich fortgegangen?«

»Ich weiß es nicht. Erst vorhin, beim Einschlafen, dachte ich darüber nach. Ich dachte: vielleicht hat der Herrgott dich fortgeschickt. Ich hatte Angst und schämte mich, mit dieser Antwort vor Don Predu hinzutreten. Ja, Fräulein Noemi, denn Don Predu hatte mich nur deshalb in seinen Dienst genommen, das fühlte ich. Er hatte Sie lieb und wollte, daß ich alles ins reine bringen sollte. Und als Sie dann immer wieder nein sagten, ging ich eben fort ...«

Noemi brach in ein Lachen aus, aber in ein fröhliches, ein gutes Lachen, das ganz anders klang als das böse Lachen kurz zuvor. Es entsprang dem Mitleid mit Efix, dem Mitleid mit Don Predu, aber auch der eigenen Freude und Ergriffenheit. Noch nie hatte Efix sie so lachen hören.

»Nur eine Frage noch und dann genug. Sag mal, glaubst du, daß Giacinto wirklich Grixenda heimführen wird?«

»Ja, es ist so gut wie sicher.«

»Und wann?«

»Noch in diesem Jahr.«

Stolz, Leidenschaft, der Wunsch, ihr altes elendes Leben zu zerstören und aus seinen Trümmern ein anderes, ein neues und starkes Leben aufzubauen, flammten in Noemis Augen.

»Paß auf, Efix«, sagte sie und zog die Lampe zurück. »Du wirst morgen zu Predu gehen und ihm sagen, daß ich ihn heiraten will. Aber es muß gleich sein, bevor die beiden heiraten.«


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