Paula Dehmel
Singinens Geschichten
Paula Dehmel

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Vom Himmelsprinzeßchen

Heut Morgen fragte mich der alte Steffens, ob ich Schoten pflücken wollte. Ich tue so'was sehr gern und sagte ja. Steffens gab mir einen großen Henkelkorb, und ich ging in den Gemüsegarten.

Die Sonne flimmerte, und es war ganz still und heimlich. Die weißen Blüten oben auf den Erbsenstauden saßen da wie kleine Schmetterlinge und wippten rauf und runter, wenn ich die Schoten unten abpflückte. Ein Grasmückchen sang dazu, es war allerliebst. Die dicken Schoten pflücke ich immer in den Korb und die dünnen esse ich auf; die schmecken nämlich so süß wie Marzipan, und viel frischer.

Ich hatte meinen Korb schon halb voll, da wurde ich mit einem Mal müde. Ich mußte die Augen ein paarmal aufreißen, weil sie zufallen wollten. Da legte ich mich lieber ein bißchen hin und kippte den Strohhut über das Gesicht, weil die Sonne so sehr brannte.

Plötzlich pickt mich was am Arm. Ich gucke aber nicht hin und frage blos: wer ist denn da? – Ich bin das Himmelsprinzeßchen, sagt da jemand neben mir; willst du mit mir spielen?

Nein, sage ich, ich bin jetzt zu müde; kannst du nicht ein ander Mal wiederkommen?

Das weiß ich noch nicht, sagte das Himmelsprinzeßchen und lachte; aber wenn du so müde bist, will ich dir ein Liedchen vorsingen, dabei kannst du ja einschlafen.

Tu das, sagte ich und blinzelte so nach ihr hin. Sie war ein bißchen kleiner als ich und ganz aus Silber; blos ihre Haare flimmerten wie Gold. Sie tanzte um mich rum und sang.

Ich bin das Himmelsprinzeßchen,
habe Flügel von blauem Duft,
ich schlafe im Wolkenbettchen
und bade in Licht und Luft.

Mir gehört die silberne Schaukel
hoch oben im Himmelssaal;
wenn die goldenen Seile schwingen,
blitzt es unten im Tal.

Der alte Wetterriese
donnert und schilt mich aus;
ich hüpfe über die Sterne
und lache den Brummbart aus.

Die Mirlamein vom Monde
webt meine Kleider und Schuh;
die gute Mutter Sonne
gibt goldene Spangen dazu.

Der liebe Gott hat mich gerne,
ich bin sein liebes Kind;
er nimmt uns auf die Kniee,
mich und den Frühlingswind.

Des Abends sitzen wir stille
bei Mirlamein im Zelt,
und spinnen Wünsche und Träume
und streuen sie über die Welt.

Das ist ja ein hübsches Liedchen, sagte ich; das werde ich Line morgen vorsingen, die hört solche Lieder gern. Aber willst du mich nicht mal auf deiner Schaukel schaukeln lassen? Das muß lustig sein.

Natürlich! sagte das Himmelsprinzeßchen und lachte, daß ihre weißen Zähne blitzten. Setz dich nur auf meinen Rücken, ich nehme dich mit.

Das tat ich, und nun gings hoch, geradenwegs in die Sonne.

Mach nur die Augen zu, sonst tun sie dir weh, sagte das Himmelsprinzeßchen; wir sind gleich da. Und sie hielt ihre großen blauen Flügel dicht über mich.

Eine kleine graue Wolke wollte an uns vorüber. Heda, Wolke, hierher! rief die Kleine. Und wirklich, sie kam angeflogen, und wir krochen beide hinein. Da war es kühl und schummrig drin und so weich wie im Heu. Zur Schaukel! befahl das Himmelsprinzeßchen.

Zu Befehl! brummte die Wolke, grade wie ein Soldat, und brachte uns im Nu zu der großen Schaukel. Die hing an zwei roten Sternen mitten am Himmel. Wir setzten uns hinein, und nun gings los. Hurra, wie die Sterne an uns vorüberflogen! Der Mond schoß Purzelbäume neben uns, der Komet schlug ein Rad wie ein Pfau; und ich wußte nicht mehr, ob mein Gesicht oben war oder meine Füße. Nein, so herrlich kann man auf der Erde nicht schaukeln; das war eine richtige Himmelsschaukel, ich schrie vor Vergnügen . . .

Na, Mädel, nennst du das Schotenpflücken? sagte da der alte Steffens und nahm mir den Strohhut vom Gesicht; schläfst bei hellichtem Tage!

Ach, Steffens, ich war mit dem Himmelsprinzeßchen auf seiner Schaukel, da hatte ich nicht viel Zeit zum Schotenpflücken. Der halbe Korb ist aber schon voll; sei man nicht böse.

Nö, nö, machte der; jetzt geh nur Kaffee trinken, Mutter hat schon zweimal nach dir gerufen.


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