Anna Croissant-Rust
Unkebunk
Anna Croissant-Rust

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Leutnant Holischka gähnte laut und ließ den Säbel fallen, dann griff er hastig in die Tasche nach dem Feuerzeug, zündete sich seine gewohnte Virginia an und schlenderte, große, hellbläuliche Rauchwolken ausstoßend, durch die enge Straße. Laut rasselte der Säbel über das holprige Pflaster. Ein paar Gardinen verschoben sich hinter den Fenstern, spitze Nasen und weiße Nachtjacken wurden sichtbar – die spitzen Nasen drückten sich platt an den Scheiben und wurden dann wieder ganz spitz, man konnte ihnen ordentlich den Unwillen ansehen. Es war noch ziemlich früh am Tage, und ein dünner Herbstnebel, vom Rhein kommend, stand in der Straße und verdichtete sich auf dem Paradeplatz, den der Leutnant eben durchquert hatte, so sehr, daß die Kugelakazien, die ihn umstanden, nicht mehr zu unterscheiden waren und nur ganz plötzlich vor ihm auftauchten, erst in allernächster Nähe greifbare Gestalt annehmend. Dieselben Kugelakazien, die der Leutnant Tag für Tag sah, dreimal, viermal, von denen die eine so langweilig ausschaute wie die andere, eine wie die andere. Aber wie verschieden und wie verändert erschienen sie jetzt; eine jede isoliert vom Nebel, tauchten sie plötzlich fast gespenstisch auf, und er hätte gewettet, er kenne jede! Wenn es also eine Veränderung in dieser kleinen Garnison gab, konnte sie nur die Jahreszeit hervorbringen. Am Ende des Winters war er gekommen, Frühling und Sommer kannte er hier; aber nun ging es stark auf den Herbst, und heute war der erste richtige, feuchte und kühle Spätjahrsmorgen, dann 6 kam also der Winter. Richtig im Winter verloren die Kugelakazien ihr Laub, ihre egalen, länglich runden, befiederten Blätter, die aussahen, als seien sie numeriert und aus Blech, langweilig, langweilig wie diese öde, verschlafene Garnison. – Nun! Im Winter fielen sie ab, die Blätter, und dann sah der kleine Paradeplatz verändert aus, kahl und wahrscheinlich frostig – – – aber vielleicht hatte er dann intime Reize, die er, Leutnant Holischka. bis jetzt nicht hatte entdecken können. Und dann kamen die Damen, die in den langweiligen Häusern der langweiligen Straßen wohnten, in Mänteln und Pelzen über den Paradeplatz getrippelt . . . ach! Vielleicht stand ihnen auch gerade das, vielleicht hatten auch sie dann Reize, die er bis jetzt noch nicht hatte entdecken können, vielleicht war der Winter ihre schöne Zeit, und dann traf man sich auf Bällen, in den Kränzchen, den Jours, bei dem Lämmerhüpfen. Leutnant Holischkas Augen bekamen einen ordentlich trostlosen und furchtsamen Ausdruck, und seine Züge wurden plötzlich schlaff. Solche Anstrengungen! Und keine Möglichkeit, mit einer Dame anderswo und anders zu verkehren! Er stieß dichte Rauchwolken aus, und sein Säbel rasselte immer lauter über das Pflaster, ordentlich Kapriolen schlug er, wie wenn sich ihm das Widerstreben und die Wut des Leutnants auf diese kleine Garnison mit ihren öden Straßen, ihren öden Menschen, ihren öden Anforderungen und ihrem holprigen Pflaster mitgeteilt hätte. Plötzlich erschrak Leutnant Holischka so, daß ihm die Virginia aus dem Munde fiel; er machte eine instinktive Bewegung, sie wieder aufzuheben, blieb aber darin stecken und hielt nur den Säbel krampfhaft hoch. Dieser verdammte Lärm! Seine Augen stierten geradeaus, wie wenn dort am Ende der Straße, wo der Nebel immer dichter wurde, irgend etwas von allerhöchster Bedeutung zu sehen wäre. Es war freilich nur der alte Morsch, der langsam, bedächtig einen Karren schob und das mit 7 Gründlichkeit zusammenkratzte und aushob, was die Pferde der Garnison zurückgelassen. Für Leutnant Holischka wurde er jetzt der Rettungsanker. Stier sah er nach dem weißbärtigen Alten, der zu der Nobelgarde der Stadt gehörte, und doch, wie wenn ihn der Teufel ritte, mußte er nach dem roten Backsteinhaus zur Rechten schielen, wegsehen, wieder hinschielen – es war wie verhext! Natürlich! Zu Dritt standen sie hinter den Gardinen, hoben sie halb hoch; mit zerzausten Köpfen standen sie da, die gierigen Augen auf ihn gerichtet, hold lächelnd über die ganz verschlafenen Gesichter! Trotz ihres Negligés mit Ausdauer wartend, ob er nicht grüße. Dieser verfluchte Säbel, der sie angelockt! Und nein, er würde nicht grüßen, er wird sicher nicht grüßen, er wußte das zu gewiß, es war ja ekelhaft, diese drei halbbekleideten Grazien mit den Wuschelköpfen am Fenster lauern zu sehen. Doch siehe da! Seine Hand hob, hob sich mechanisch, hob sich wie von selbst zur Mütze – Leutnant Holischka grüßte verbindlich, fluchte und ließ den Säbel wieder fallen. Er war wütend über sich. Er mußte ein kompletter Idiot sein, daß er gegrüßt hatte. Morgen posaunten sie's wieder überall aus, alle drei. Oder wenigstens zwei: Leutnant Holischka macht mir den Hof, Leutnant Holischka macht mir die Cour, nein, Leutnant Holischka macht mir Fensterparaden! Leutnant Holischka hat Absichten, das ist doch klar! Natürlich! Er hat ja mit seinem rasselnden Säbel das Zeichen gegeben, und Eva, die Rote, Üppige, wird sagen: oh, wenn er auch noch so zurückhaltend tut, es ist bloß gêne von ihm; er ist ein lieber kleiner Duckmäuser! Im stillen macht er mir Zeichen um Zeichen! Ja, wenn ich wollte –! Warum ging er denn Tag für Tag gerade durch diese Straße? Er mußte rein blödsinnig sein, daß er jedesmal gerade diesen Weg wählte, der ausgesucht häßlich, wenn auch nicht viel häßlicher war als die andern Straßen. Es gab doch noch einige breitere und sauberere, nicht viele, aber einige, Gott sei Dank! 8 durch die er, von der Kaserne kommend, seine Wohnung erreichen konnte. Warum nahm er denn stets den Weg an dem Haus der Baronessen von Armhart vorbei? Warum klapperte und rasselte er mit dem Säbel, warum schwor er sich, keinen Blick nach dem roten, verrußten Hause zu tun, und spitzte doch immer darnach? Er interessierte sich nicht im geringsten für die Baronessen: Jutta war halb und halb verlobt, die liebenswürdige Arroganz der Roten war ihm im Grunde ebenso gleichgültig wie das alberne, kindische Getue der Jüngsten. Leutnant Holischka seufzte, schaute trostlos zum Himmel auf und zündete eine neue Virginia an, aus der er immer dichtere Rauchwolken ausstieß. Es war nicht auszuweichen! Man mußte Dummheit auf Dummheit machen in dieser kleinen Garnison, es gab ja sonst nichts, seinen Hunger zu stillen, nie kleine Techtelmechtels, nur steife Begegnungen mit den Offizierstöchtern, nicht einmal auf irgendeinen Racker unter ihnen war er gestoßen, die bekannte Resa-Rosa ausgenommen, deren Geschmack er aber absolut nicht war. Fahrten nach den benachbarten größeren Städten, die mit leeren Geldbeuteln, mehrtägigem Katzenjammer und dienstlichen Unannehmlichkeiten reichlich bezahlt waren und Gott weiß wie endeten. Was sollte man denn um Himmels willen anfangen, wenn man nicht Jäger war, oder vielleicht mollig warm saß bei einer lieben, schweigsamen Familie, oder halb oder ganz verlobt war? Das Verloben konnte einem hier ganz im Traume passieren, aus Widerstandslosigkeit, aus Apathie, Verzweiflung, besonders im Sommer, wenn die Sonne auf den Wällen rings um die kleine Festung brütete, der Sand glühte, und man meinte, die stundenlangen Kiefernwälder und die Kartoffelfelder der Umgebung müßten krachen vor Hitze und der Rhein dampfen und zuletzt siedend werden und übergehen. Wenn er es nur einmal getan hätte, es wäre eine Abwechslung gewesen. – Er war 9 doch, weiß Gott, kein Adonis und mit einem viel zu gleichmäßigen Temperament gesegnet, und hatte sich dennoch mit Händen und Füßen zu wehren, um nicht irgendwo hängen zu bleiben – soweit er eben Widerstand leisten konnte – an einer Kellnerin, einer Wirtstochter, einer höheren Tochter; man wurde schlapp, kam hinein und wußte nicht wie, ein Verhängnis hing über einem, die Weiber! Die Weiber! Die Langweile, die Öde der kleinen Garnison, die Hitze der Rheinebene. Aber wenn der Winter kam, vielleicht wurde es besser! Leutnant Holischka gab seiner Mütze einen ermunternden Ruck, nahm förmlich wie gewappnet und entschlossen den rasselnden Säbel auf, warf die Zigarre wieder fort und kam plötzlich, als er eine Uhr gedämpft durch den Nebel schlagen hörte, aus dem verdrießlichen Schlendrian in ein sehr flottes Tempo, ja er beschleunigte seine Schritte so, daß er an der Straßenecke fast einen Kameraden umgerannt hätte. Sein kleiner, weißblonder Schnurrbart sträubte sich vor Ärger, denn noch saß der gereizte Widerstand, hervorgerufen durch die vorhergegangene Gedankenreihe, in ihm, seine graublauen, etwas hervorstehenden Augen wurden spitz, und er, sonst der Friedfertigste der Friedfertigen, stieß ein eigentümlich piepsendes, hohes, pfeifendes Schimpfen aus, als er den langen Kameraden erkannte:

»Röder!! Himmeldonnerwetter, reitet dich der Teufel in aller Herrgottsfrühe? Wo kommst du denn her, um andere Leute umzurennen,« schnauzte er ihn an. »Gerade du freust mich heftig! Bist du denn verblödet, oder ein totaler Trottel hier geworden, daß du dich mit der ältesten Armhart verloben willst? Ich dachte, du verfolgtest andere, wenn auch nicht lobenswertere Ziele!«

Röder runzelte die Brauen, im nächsten Augenblick lachte er aber schon. Der kleine Holischka war zu possierlich in seinem Zorn, und dem kleinen Holischka nahm man doch nichts übel!

»Ich glaube eher, du bist verblödet! Seit wann hast du's 10 denn mit der Moral übrigens? Und eine Unverschämtheit gewöhnt sich diese kleine Kreatur an – du verdankst sie ja nur meinem Vorbild, aber dir steht sie nicht, Holischkachen! Du brauchst auch nicht so zu schreien auf der Straße, wo sie hier die Ohren überall haben und alles auffangen und brauchst besonders nicht so respektlos von Jutta von Armhart zu schreien, denn sie ist bereits meine Braut. Ziehe deine spärlichen Augenbrauen nicht so mühevoll in die Höhe, du könntest die paar Haare verlieren! Es kommt noch besser. Alles nix, sagen sie hier. Ich bin dir nicht zufällig begegnet, ich habe dir den Weg abgepaßt. Meinst du, ich weiß es nicht, daß du jeden Tag an dem Armhartschen Haus vorbeidefilierst? Protestiere nur, du Duckmäuser! Also als Belohnung für deine ritterliche Aufmerksamkeit habe ich dich im Auftrage der Baronin von Armhart offiziell zu meiner Verlobung mit Jutta von Armhart einzuladen.«

Der kleine Holischka zitterte. Es war schwer zu erkennen, ob vor Aufregung, Ärger oder Freude. Röder gaudierte sich im stillen, machte aber ein sehr ernsthaftes Gesicht und schaute den kleinen Kameraden fest an, bis dieser, der, ohne zu antworten, den Säbel in rasendem Tempo auf den Boden stieß und die großen Nasenlöcher seiner Stumpfnase aufblähte, als seien sie eine doppelte Tunnelöffnung, endlich stotterte: »Ich danke, ich danke, zu viel Ehre. Es kommt zu überraschend – eilt meine Antwort denn sehr? Halt mich nicht mehr auf, Röder, es ist schon so spät, und der Alte wird schimpfen, ich muß in den Dienst jetzt, ich werde dir später –«

»Was?« unterbrach ihn der lange Röder und blinzelte vor Unwillen. »Das geht nun doch über den Spaß! Wenn die Baronin Armhart, wenn Jutta, meine Braut«, verbesserte er sich, »und ich dich einladen, besinnst du dich auch noch und suchst Ausreden? Welchen Grund könntest du haben?«

11 »Grund?« hohnlachte der kleine Holischka, wagte aber nicht, seine Augen aufzuschlagen. »Gründe sind billig, wie Brombeeren.« Und dann platzte er heraus: »Weil ich das hier kenne: Weil ich mich nicht verloben will!« Seine Stimme wurde immer spitzer und immer schriller: »Nein! Und ich will nicht, und ich will nicht! Ich bin eben so – so – du weißt das, ich habe keine Widerstandskraft, und du – du fühlst auch schon solidarisch mit den Armharts.«

Röder schlug ein dröhnendes Lachen auf, sein lautes »Hoho« schallte durch die morgenstillen Straßen, aber sofort sah er sich ärgerlich um, ob nicht irgend jemand, von seinem dröhnenden Gelächter angezogen, hinter dem halboffenen Fenster lausche. Man war hier vor nichts sicher, und – korrekt, immer korrekt, korrekt nach außen hin.

»Hast du denn gar so arge Angst, Holischkachen? Ich bin doch da und schließlich du auch – traust du dir selbst wirklich so wenig, du Held?« Dann wurde er aber plötzlich ernst, sah scheu an einem kahlen Haus in die Höhe und flüsterte: »Trab, Holischka! Dort oben lauert totsicher die alte Bergern. Sie hat morgen ›Kranz‹, und wenn sie uns stehen sieht und erfährt, daß ich mich verlobt habe, bist du ohne weiteres auch mit verlobt, da hilft dir kein Gott!« Er seufzte und rückte an seiner Mütze, wie wenn es ihm zu heiß würde: »Oh, diese verfluchte kleine Garnison! Ich hoffe –«

»Was hoffst du?« unterbrach ihn Holischka gereizt, ohne sein bestürztes und konfuses Gesicht zu ändern. Dabei setzte er sich in Trab und redete immer hastiger. »Was denn? Mit 40 Jahren Hauptmann zu werden und mit 45 Hauptmann 1. Klasse? Zum Generalstäbler taugst du so wenig wie ich, das überlasse nur Hertwig. Von hier fort kommst du nicht und heiraten wirst du auch nicht eher, denn –«

»Was denn? Was denn?« schrie Röder erbost. »Erinnere 12 mich nicht daran! Auch nicht an Hertwig. Willst du mir alles vergällen? Ist es nicht genug, daß man Tag für Tag und Jahr für Jahr hier hockt und zum Idioten wird, während die andern – wenn's nur mal losginge!« Aber er schwieg. Sein Gesicht wurde immer roter. Er keuchte ordentlich. Holischka wagte nicht aufzusehen, doch reizte es ihn, weiter zu fragen, er wußte gar nicht warum, und er frug, ganz ins Blaue hinein: »Und deshalb hast du dich verlobt?«

»Deshalb!« Röder warf den Kopf zurück und lachte, aber er war ganz blaß und sein Lachen klang tonlos. »Deshalb! Was gibt es denn sonst hier?« Er senkte den Kopf und sah abstoßend und finster aus, so daß der kleine Holischka nichts weiter zu sagen wagte.

»Was weißt du überhaupt von einem lieben Mädel, Holischka! Nicht von einem, das einem halb wahnsinnig macht, oder von einem, das in allen Leutnantszimmern herumfährt, auch nicht von einem wie dein vielgeliebtes Bäwele, ich meine von einem lieben süßen Kerl, dem man alles ist, der sich mit aller Liebe anklammert, der einem drüber weg hilft –«

Er sprach nicht weiter, und auch Holischka schwieg, so trabten die beiden in vollkommenem Schweigen, die Köpfe gesenkt, durch die nebelfeuchten Straßen, den rötlichen Mauern und Wällen der Festung immer näher. Riesengroß strebten die Massen der Traversen und Poternen aus dem Nebel, zwischen endlos scheinenden Wällen. Wie eine tote und verwunschene Stadt starrten diese rötlichen Mauern durch den Nebel. Der Tritt der Schildwache klang weit entfernt. Die beiden Offiziere blieben stehen. Der lange Röder sah aus, als ziehe er seinen Kopf tief zwischen die Achseln, und Holischka hatte immer noch ein Gesicht, als finde er sich nicht mehr zurecht. Als ihn sein Kamerad fragte: »Also, du kommst?« nickte er, ohne ein weiteres Wort zu sprechen, gab Röder die Hand und verschwand 13 schnell hinter dem wuchtigen Tor, das in das Dunkel der Poterne führte. – – –

Es schlug zwölf, als er wieder heraustrat. Sein Blick hatte immer noch etwas Entrücktes, wie es die Augen Kurzsichtiger oft haben, er hielt den Kopf gesenkt, hob ihn aber überrascht, als die Wipfel der Linden und Pappeln, die auf den Wällen standen, zu rauschen begannen, ein Sonnenstrahl quer über seinen Weg fuhr, der Wind immer ruschlicher und die Sonne immer heller wurde. Vom Rhein her hallte das Tuten eines Dampfers, donnernd rollte ein Zug über die Rheinbrücke, rollte näher und näher, stieß einen schrillen, warnenden Pfiff aus und mußte nun im Bahnhof still stehen. Und jetzt, wie wenn die andern Züge in dieser Kreuzungsstation gewartet hätten, fingen auch sie ein ohrenzerreißendes, hohes, spitzes, eindringliches Pfeifen an, prusteten, polterten und ratterten los nach allen Richtungen, man hörte alles so deutlich, wie wenn man mitten in einem großen Verkehrszentrum stünde.

Ein Trupp Soldaten zog singend in einer Seitenstraße vorbei und eine Schar Kinder rannte mit lautem Lärm und Geschrei, wie es nur Pfälzer Kinder vermögen, den Singenden nach. Die langweiligen nüchternen Backsteinhäuser sahen in der Sonne mit ihren Blumen vor den Fenstern und den hohen Oleanderstöcken an den Sandsteintreppen oder den blühenden Granatbüschen daneben ganz lustig aus, wie nie im Sommer, wo die Sonne hart schien und alles wie verschmachtet war. Die Herbstsonne, doppelt wirksam nach dem nassen Frühnebel, der sich in einen silbrigen Schleier wandelte, schmeichelte ihnen eine Teilnahme, eine Güte und Wärme an, die sie nicht besaß, die aber den kleinen Leutnant Holischka so gefangen nahm, daß er sofort seine verstörte Miene absetzte und in die Tasche steckte, ja daß sogar ein Abglanz dieser zauberhaften Herbstsonne in sein sommersprossiges Gesicht kam, seine Lippen 14 sich spitzten und seine graublauen Augen – Schellfischaugen sagte die rote Eva von Armhart, wenn sie sich über ihn geärgert hatte – glänzend wurden. Und zwar war das gerade vor einer Wirtschaft, auf deren rotem Schild mit weißen Buchstaben stand: »Gasthaus zum Schiff«, und an deren blumenumbuschten Fenstern der Kopf einer Brünette sichtbar war.

»Bäwele!« sagte der kleine Leutnant zärtlich vor sich hin, stand einen Augenblick unschlüssig und zog seine Uhr. Eigentlich, eigentlich – dann erhaschte er einen Blick der dunkeln schlanken Schönen – der Dampfer tutete wieder so sehnsüchtig, er zog den Rhein hinab, weiter, weiter –

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