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Fünfzehntes Kapitel.

»Grüß' Euch Gott, Sir! –
Und Euch, Sir; Ihr seyd willkommen.
Reist Ihr, oder seyd Ihr schon am Ziel?«
Zähmung der bösen Sieben.

War die Oberfläche der Brigantine von anmuthiger Gestalt und seltener Anordnung, so bot ihr Inneres noch Bemerkenswertheres dar. Unter dem Hauptdeck befanden sich zwei Kammern, eine auf jeder Seite des beschränkten, zur Aufnahme der geringen aber werthvollen Ladung bestimmten Raumes. In eine dieser Kammern war Ruderpinne hinabgestiegen, unbefangen, wie Jemand, der in sein eigenes Gemach eintritt; allein etwas höher und mehr nach dem Schiffsspiegel zu, zog sich eine Flucht kleiner Gemächer entlang, in deren Einrichtung und Verzierung ein ganz verschiedener Styl herrschte. Die Ausstattung war die einer Yacht und weit über alle diejenigen Bequemlichkeiten erhaben, womit man hätte glauben sollen, daß ein Contrebande-Händler, selbst der erfolgreichste, Geschmack oder Mittel genug hätte, sich zu umgeben.

Das Hauptdeck war so gut gebaut, daß es, von der hintersten Schotte der geringeren Offizierskajüten anhebend, sich mehrere Fuß senkte; auf diese Weise war die nöthige Höhe gewonnen, ohne deswegen mit der Strook-Linie Die Linie, welche im Elevationsplan den krummen Lauf der Seitenplanken anzeigt. D. U. in Berührung zu kommen, und die Einrichtung von keinem Beobachter, der sich nicht auf dem Schiffe selbst befand, zu erkennen. Nachdem die Fremden eine oder zwei Stufen hinabgetreten waren, kamen sie in den Kajütengang und von da in ein Vorzimmer, wo, wie die Möblirung andeutete, die Bedienten sich aufzuhalten pflegten. Auf dem Tische stand eine kleine silberne Schelle, mit welcher Ruderpinne leise klingelte, ein Beweis, daß nicht seine ihm eigenthümliche ungenirte Weise, sondern die Ehrerbietung vor dem Vorgesetzten ihm die Hand lenkte. Auf diesen Ruf erschien ein Knabe von höchstens zehn Jahren, dessen Anzug so phantasiereich war, daß wir ihn der Schilderung werth halten.

Der Stoff der Kleidung dieses jugendlichen Satelliten Neptuns war hell rosafarbene Seide; die Façon der ähnlich, wie man sie früher an den Pagenröcken der Großen sah. Als Gürtel trug er ein goldenes Band um den Leib, Hals und Schultern umwallte eine Krause der feinsten Brabanter Spitzen, und selbst seine Füße bedeckten ein paar spanische Halbstiefeln, die mit ächten Spitzen und massiven goldenen Troddeln besetzt waren.

»O Schade! o Verschwendung!« brummte der Alderman, als dieser außerordentliche, kleine Aufwärter auf des Seemannes Ruf seine Erscheinung machte. »Wie üppig, muthwillig da mit den Waaren umgegangen ist! da kann man sehen, wie es ist, wenn Waaren wohlfeil sind, und der Handel frei von Fesseln. Auf den Schultern des Bürschchens da hängen Brabanter genug, Patroon, um den Brustlatz der Königin damit auszuschmücken. Beim h. Georg, die Güter müssen Spottpreise gehabt haben, als dem jungen Schelm die Livree angemessen wurde!«

Aber nicht auf den minutiösen und sparsamen Bürger allein beschränkte sich die Verwunderung. Gleiches Erstaunen offenbarte sich auch in Ludlow und Van Staats von Kinderhook, obgleich auf eine minder eigenthümliche Weise. Sie befanden sich nunmehr mit dem seltsamen Pagen allein, und mithin in der Nothwendigkeit, ihn zu befragen, was noch zu thun sey, um zu einer Unterredung mit seinem Gebieter zu gelangen.

»Wer bist Du, Kind, und wer hat dich hierher geschickt?« fragte Ludlow. Der Knabe zog sein seidenes Barret, das von derselben Rosafarbe, wie seine übrige Kleidung, und an dessen Vorderseite auch das Bild eines weiblichen, ironisch-lachenden Wesens, äußerst künstlerisch gezeichnet war. Auf dieses wies er hin, als er antwortete:

»Ich diene der meergrünen Dame, wie die Anderen auf der Brigantine.«

»Und wer ist denn diese Dame von seichter See, und woher kommst Du denn eigentlich?«

»Dies ist ihr Porträt, wenn Sie sie zu sprechen wünschen, sie steht auf dem Schaft, und steht Jedem gern Rede.«

»Das ist ja lächerlich; wie kann eine hölzerne Gestalt die Gabe des Sprechens haben?«

»Hältst Du sie denn von Holz!« erwiederte das Kind, furchtsam und doch neugierig Ludlow in's Gesicht schauend. »Andere haben das auch schon gesagt, doch die am besten Unterrichteten wollen es nicht zugeben. Sie spricht freilich nicht mit der Zunge, aber das Buch hat stets eine Antwort in Bereitschaft.«

»O des argen Betrugs, den man dem Aberglauben dieses Knaben spielt! – Kleiner, in dem Buche habe ich gelesen, aber nur wenig Sinn darin finden können.« »So lesen Sie noch einmal. Ein Schiff unter dem Winde muß mehr als einmal laviren, wenn es die Luv gewinnen will. Mein Herr hat mir befohlen, Sie hineinzuführen.« –

»Bleib' noch; – Du hast also nicht blos die Dame, von der Du uns erzählt, zur Herrschaft, sondern auch einen Herrn. Wer ist denn Dein Herr?«

Der Knabe lächelte und ließ den Blick seitwärts schweifen, als nehme er Anstand, diese Frage zu beantworten.

»Du mußt Dich nicht weigern, zu antworten; ich komme mit der Autorität der Königin.«

»Er sagt uns, daß die meergrüne Dame unsere Königin ist, und daß wir keine andere haben.«

»Potz Unvorsichtigkeit und Rebellion!« brummte Myndert vor sich hin; »bei dieser Tollkühnheit fällt die hübscheste Brigantine, die je die engen Gewässer beschiffte, noch in die Hände der Behörden; und der Gerüchte, welche dann in Umlauf kommen, der Reputationen, die dann zu Grunde gehen, würden so viele seyn, daß alle Lästermäuler in Amerika sich daran müde schwatzten.«

»Das ist ein kühner Unterthan, der so was zu sagen wagt!« versetzte Ludlow, ohne Rücksicht auf das Nebenspiel des Aldermans; »Dein Herr hat doch einen Namen?«

»Wir hören ihn nie. Wenn Neptun unter den Wendezirkeln zu uns kommt, ruft er immer den ›Streicher durch die Meere‹, und auf diesen Anruf hören sie. Der alte Gott kennt uns recht gut, denn wir passiren seine Breite öfter als andere Schiffe, sagt man mir.«

»Du verrichtest also Matrosendienste in der Brigantine; hast gewiß schon viele entfernte Gestade betreten, da Du zu einem solchen Schnellsegler gehörst.«

»Ich; – ich war nie auf dem trocknen Lande,« erwiederte der Knabe nachdenklich. »Es muß drollig seyn, sich darauf zu befinden; ich höre, man kann kaum gehen, so unbeweglich ist es! Ich legte der meergrünen Dame eine Frage vor, ehe wir in diesen schmalen Kanal einfuhren, um zu erfahren, wann ich einmal die Küste betreten dürfte.«

»Und sie antwortete?«

»Erst dauerte es einige Zeit. Zwei Wachen gingen vorüber, ehe ein Wort zu sehen war, doch endlich kriegte ich die Zeilen. Ich glaube, sie hatte mich zum Besten, aber ich getraute mir nicht, sie dem Herrn zu zeigen, daß er es mir sagte.«

»Hast Du die Worte bei Dir? vielleicht können wir sie Dir erklären; einige unter uns sind ziemlich bewandert zur See.«

Der Knabe schaute furchtsam und spähend um sich her, und holte dann hastig zwei bekritzelte Stückchen Papier aus der Tasche, die beide so zerknittert waren, daß man sehen konnte, der Knabe hatte sie oft durchstudirt.

»Hier,« sagte er, mit unterdrückter Stimme, fast flüsternd; »dies stand auf dem ersten Blatte. Ich hatte große Furcht, daß die Dame vielleicht böse seyn könnte, daher wagte ich's die ganze Wache nicht mehr aufzublicken; als ich in der darauf folgenden wieder hinschaute, fand ich« (das zweite Papierschnitzel zeigend) »dieses.«

Ludlow nahm das zuerst dargebotene Stückchen Papier, und las, in der Hand eines Kindes geschrieben, folgenden Auszug:

– »O bitte!
Bedenk', ich hab' Dir braven Dienst gethan;
Ich log Dir nie was vor, versah Dir nichts«.
Und murrt' und schmollte niemals.« Diese und die bald darauf folgende Stelle sind aus Shakspeare's Sturm.

»Ich glaubte,« fuhr der Knabe fort, als er an dem Blick des jungen Capitäns bemerkte, daß er die Stelle ausgelesen habe; »die Dame äffe mir aus Spott nach, denn es glich sehr, nur in schöneren Worten, dem was ich selbst gesagt hatte.«

»Und das da war die zweite Antwort?«

»Dies fand ich in der Tagwache,« erwiederte das Kind und las den Auszug selbst:

»Du achtest groß es, zu betreten
Der salz'gen Tiefe Schlamm,
Zu rennen auf des Nordens scharfem Wind.«

»Ich wagte nie eine zweite Frage. Es schadet auch nicht viel, der trockne Boden soll rauh seyn, und schwer darauf zu gehen, und die Erdbeben erschüttern ihn und öffnen Klüfte, so groß, daß sie ganze Städte verschlingen; die Menschen sollen einander auf den Heerstraßen des Geldes wegen tödten, und die Häuser, die ich auf den Bergen liegen sehe, sollen immer an einer und derselben Stelle bleiben müssen. Es muß sehr traurig seyn, immer auf demselben Fleck zu wohnen, und das Seltsamste von Allem ist, keine Bewegung jemals zu fühlen!«

»Als etwa das Schütteln eines Erdbebens! Bleib' Du zu Schiffe, Kind, es ist besser für Dich; – – aber dein Herr, der Streicher durch die Meere, –«

»St!« rief flüsternd der Knabe, mit aufgehobenem Finger Stillschweigen empfehlend. »Er ist so eben in die große Kajüte gekommen. Wir werden gleich sein Signal zum Eintreten hören.«

Jetzt folgten einige leise stimmende Guitarrentöne von Jemandem im nächsten Zimmer und gleich darauf eine Melodie, rasch und prächtig ausgeführt.

»Alida selbst ist nicht geschwindfingeriger,« raunte der Alderman den Anderen zu; »ich habe das Mädchen nie mit größerer Lebendigkeit auf der holländischen Laute, die hundert Gilders kostete, spielen hören.«

Ludlow winkte ihm, daß er doch schweigen möchte. Eine schöne männliche Stimme, von herrlichem Metall und Tiefe, sang zur Begleitung des genannten Instruments. Die Melodie ging ernst und durchaus abweichend von dem, was in der geselligen Sangweise des Seelebens herkömmlich ist, denn sie war meist im Recitativ gehalten. Die Worte, so weit sie sich unterscheiden ließen, lauteten wie folgt:

Mein Schiffchen fein!
Von schönem Bau und zierlicher Gestalt
Schwebst auf der Wogen Gipfel Du einher.
Und schaukelst spielend unter Sturmgewalt,
Der leichten Möve gleich, von Meer zu Meer;
Du Herrin mein!

O Dame mein!
Wer zieht wie Du auf unbeständ'ger Spur
Mit sichrer'm Kiel die vorgeschrieb'ne Bahn?
Uns schreckt sie nicht, des Oceans Natur,
Uns füllt mit Lust der heulende Orkan!
Denn wir sind dein!

Du Schiffchen mein!
Dich nimmt ein Genius in sein Geleit,
Dich schützt ein Auge, schauend in die Fern'
Geheimnißvoll glänzt in der Dunkelheit
Der meeresgrünen Wassernixe Stern;
Mein Schiffchen fein!« Vielen unserer Leserinnen und Leser ist es gewiß angenehm, das Original selbst kennen zu lernen; wir fügen es daher bei, damit sie sich über die in der Übersetzung verloren gegangenen Schönheiten nicht zu sehr zu beklagen haben:

My brigantine!
Just in thy mould, and beauteous in thy form,
Gentle in roll, and buoyant on the surge,
Light as the sea-fowl, rocking in the storm,
In breeze and gale, thy onward course we urge;
My water queen!

Lady of mine!
More light and swift than thou, none thread the sea,
With surer keel, or steadier on its path,
We brave each waste of ocean-mystery,
And laugh to hear the howling tempest's wrath!
For we are thine!

My brigantine!
Trust to the mystic power that points thy way,
Trust to the eye that pierces from afar,
Trust the red meteors that around thee play,
And fearless trust the sea-green lady's star;
Thou bark divine!«

»So singt er oft,« flüsterte der Knabe, als das Lied beendigt war, »denn die meergrüne Dame soll die Musik, welche vom Ocean und von ihrer Macht spricht, gern haben. – Horch! er hat befohlen, einzutreten.«

»Er hat ja bloß eine Guitarrensaite noch einmal berührt, Knabe.«

»Das ist sein Zeichen bei schönem Wetter. Wenn der Wind saust und das Wasser rauscht, pflegt er auf eine andere Weise zu rufen.«

Gern hätte Ludlow mehr gehört, allein der Knabe öffnete eine Thür, winkte den Fremden, die er einzuführen hatte, vorwärts, und verschwand stumm hinter einen Vorhang.

Beim Eintritt in die Hauptkajüte der Brigantine fanden die Drei, namentlich aber der junge Kommandeur der Coquette, neuen Grund zum Bewundern und Erstaunen. Das Gemach war, im Verhältniß zum Gehalt des Fahrzeuges, hoch und geräumig. Sein Licht erhielt es von einigen im Spiegel angebrachten Fenstern, die auch zugleich, wie sich bald erkennen ließ, zwei kleinere Zimmer, an jeder Hauptwand eins, erleuchteten. Der Raum zwischen den Staatsgemächern, wie man diese beiden Zimmer in der Seemannssprache nennt, bildete natürlich eine starke Vertiefung. Dieser Alkoven konnte von der Frontseite der Kajüte abgesperrt werden, durch einen carmoisin-damastenen Vorhang, welcher in Festons an einer als Karnieß geschnitzten vergoldeten Kranzleiste hing. Längs der Spiegelwrangen war eine Reihe üppig schwellender, mit rothem Maroquin überzogener Kissen gelegt, in Form eines Divans, und gegen die Schotte jedes Staatsgemachs lehnte ein kurzes Sopha aus Mahagony, mit demselben Zeuge ausgeschlagen. Nette, geschmackvoll gearbeitete Bücherfächer hingen an verschiedenen Stellen und die so eben erst gebrauchte Guitarre lag auf einem kleinen Tische von einem seltenen, kostbaren Holz, welcher in der Mitte der beschriebenen Vertiefung stand. Noch andere Gegenstände, welche zur Unterhaltung eines gebildeten, vielleicht zu gleicher Zeit mehr weibisch verfeinerten, als kräftigen Geistes dienen, lagen zerstreut umher, von denen einige offenbar lange unberührt geblieben waren, andere aber kürzlich die Lieblingsbeschäftigung abgegeben hatten.

Der vordere Theil der Kajüte war im ähnlichen Styl möblirt, – enthielt jedoch weit mehr von denjenigen Gegenständen, die zum gewöhnlichen häuslichen Bedarf gehören. Er hatte sein Sopha, seine Reihen Kissen, seine Stühle von schönem Holze, seine Bücherfächer, mehrere Instrumente, die lange vernachlässigt schienen; alles dieses stand und lag zwischen Gerätschaften von soliderem Aussehen und dauernderem Gebrauch, welche so eingerichtet waren, daß sie durch die heftige, in kleineren Schiffen oft unvermeidliche Bewegung nicht aus ihrem Platze gerückt wurden. Ein schmales Gehänge carmoisinfarbenen Damasts umsäumte das ganze Gemach, und hier und da war ein kleiner Spiegel in die Schotten und Decken eingerahmt. Das Uebrige der Wände bestand aus schön geädertem Mahagony, gehoben durch eine Täfelung von Rosenholz, welche der ganzen Einrichtung der Kajüte die letzte Vollendung gab. Den Fußboden bedeckte eine ausgesucht fein gewebte Matte, deren frischer Wohlgeruch verkündete, daß der Halm, aus dem das Gewebe bestand, das Erzeugnis eines warmen, üppigen Clima's war. Auch hier konnte Ludlow's scharfes Auge, eben so wenig wie in irgend einem anderen Theile des Schiffes, nicht die geringste Spur von Waffen entdecken; nicht einmal ein Pistol oder ein Schwert hing an den Stellen, wo diese Waffengattungen in allen Kriegs- und Kauffahrteischiffen gewöhnlich zu sehen sind, um bei der Hand zu seyn, wenn Verteidigung oder Angriff sie nöthig machen.

Im Mittelpunkt der Vertiefung stand der jugendliche außerordentliche Mensch, welcher in der vergangenen Nacht mit so wenig Umständen in der Cour des Fées einen Besuch abgestattet hatte. Seine Kleidung, dem Schnitt und Stoffe nach, glich ziemlich der damals geschilderten, obgleich es nicht dieselbe war, da auf dem Brusttheil der seidenen Jacke, die er jetzt trug, das Bild der meergrünen Dame mit vollendeter Kunst und so ähnlich gezeichnet war, daß sich der wilde unirdische Ausdruck des Urbildes darin vollkommen wiederholte. Der Träger dieses seltsamen Schmuckes stand da, leicht gegen den kleinen Tisch angelehnt, und als er seine Gäste mit einer ruhigen Verbeugung empfing, umleuchtete sein Antlitz ein Lächeln, welches ebenso sehr der Melancholie als der Höflichkeit angehörte. Er nahm während der Verbeugung die Mütze ab, so daß die reichen rabenschwarzen Locken, mit welchen die Natur ihn so freigebig bedacht hatte, um seine Stirn wallten und sie umdüsterten.

Nicht so unbefangen war das Wesen der Eintretenden. Ludlow und der Patroon waren so erfüllt von Erstaunen und Neugierde, daß sie den Zweck ihres Kommens, der ihre Gemüther vorher so ganz beschäftigt hatte, fast aus den Augen verloren, und was den Alderman Van Beverout betrifft, so bemächtigte sich seiner eine gewisse Scheu und furchtsame Berechnung der Folgen, welche dieser merkwürdige Besuch am Bord des notorischen Smugglers nach sich ziehen konnte, – für den Gedanken an seine Nichte blieb wenig Raum in seinem Kaufmannsgeist. Den Gruß ihres Wirths erwiderten alle, aber keiner wollte zuerst sprechen.

»Ich habe, wie ich höre, das Vergnügen, einen Commandeur in Diensten der Königin Anna, den reichen und ehrenwerthen Patroon von Kinderhook und ein höchst würdiges und respektables Mitglied des Stadtmagistrats, bekannt als Alderman Van Beverout bei mir zu sehen,« hob endlich das Individuum, welches die Honneurs des Schiffes bei dieser Gelegenheit machte, an. »Es trifft sich nicht oft, daß meiner armen Brigantine solche Ehre widerfährt, und ich sage Ihnen daher im Namen meiner Gebieterin und meinem eigenen vielen Dank.«

Mit dem letzten Worte verbeugte er sich abermals ernst und vornehm, als ob sie ihm sämmtlich fremd gewesen wären. Den beiden jungen Leuten entging indessen ein unterdrücktes Lächeln nicht, welches seinen schönen Mund, wie sie selbst gestehen mußten, doppelt reizend machte.

»Da wir nur Eine Gebieterin haben,« sagte Ludlow, »so ist der Wunsch, ihre hohen Befehle zu vollziehen, unsre gemeinschaftliche Pflicht.«

»Ich verstehe Sie, Sir. Es ist jedoch kaum nöthig, zu sagen, daß die Gemahlin Georgs von Dänemark hier wenig zu befehlen habe. Nichts mehr darüber, ich bitte Sie,« setzte er hastig sprechend hinzu, als er bemerkte, daß Ludlow antworten wollte. »Solche Zusammenkünfte mit den Dienern jener Dame sind mir keine Seltenheit, und da ich weiß, daß andere Ursachen Sie hierhergeführt haben, so wollen wir Alles als gesprochen annehmen, was ein wachsamer und höchst loyaler Unterthan gegen einen vogelfreien Uebertreter der Zollgesetze nur immer zu sagen haben kann. Zu passenderer Zeit, an passenderem Orte, und wenn wir uns jeder unter seinen ausgebreiteten Segeln befinden, da messen wir unsere Schnelligkeit, oder andere Seemannstugenden mit einander, und gleichen so den Streit zwischen uns aus. Jetzt lassen Sie uns von anderen Dingen sprechen.«

»Der Herr hat, glaube ich, Recht, Patroon. Sind die Dinge erst bis zur Schatzbehörde gediehen, ist es unnütz mit Aufzählung der Zeugenaussagen die Lunge abzuquälen, wie ein bezahlter Advokat. Zwölf diskrete Männer, welche Mitgefühl für die Schwankungen des Handels haben, und wissen, wie sauer das Verdienen, und wie leicht das Vergeuden ist, werden mit der Sache besser fertig, als alle leere Schwätzer in den Provinzen zusammengenommen.«

»Wenn ich erst den zwölf uneigennützigen Daniels gegenüberstehe, so werde ich mich deren Urtheil unterwerfen,« versetzte der Andere mit demselben muthwilligen Lächeln um seine Lippen wie vorher. »Sie, Sir, heißen, wie ich glaube, Herr Myndert Van Beverout; welchem Sinken in den Pelzpreisen oder welchem Steigen im Markte verdanke ich die Ehre Ihres Besuchs?«

»Ich habe mir sagen lassen, daß sich einige aus diesem Fahrzeuge vergangene Nacht herausgenommen haben, auf meinem Grund und Boden zu landen, ohne Wissen und Willen des Eigentümers desselben – – nehmen Sie Notiz, Herr Van Staats, von dem, was zwischen uns hier gesprochen wird, da es immer seyn könnte, daß es noch vor die Behörden kommt – – wie gesagt, Sir, ohne Wissen des Eigenthümers, und daß Verkauf von Artikeln stattgefunden habe, welche das Gesetz für Contrebande erklärt, wenn sie in den Provinzen eingeführt werden, ohne vorher gereinigt und verschönert worden zu seyn durch die Luft der europäischen Länder Ihrer Majestät der Königin – – Gott segne sie!«

»Amen! – Was übrigens die Wassernixe verläßt, pflegt vorher durch die Luft gar mancher Regionen gereinigt zu seyn. Wir am Bord hier lieben träge Bewegung nicht, und die Winde Europa's haben kaum aufgehört, unsere Segel anzuschwellen, so wehen uns schon Amerika's Lüfte entgegen. Doch das gehört mehr vor die Schatzbehörde und die zwölf barmherzigen Civil-Geschwornen, und ist schlechte Unterhaltung für meine Gäste.«

»Ich habe diese Thatsachen vorangeschickt, um Mißverständnissen vorzubeugen; allein außer dieser schnöden Anschwärzung meines Rufs als Kaufmann ist mir und meinem Haushalt in letzter Nacht noch ein großes Unglück begegnet. Die Tochter und Erbin des alten Etienne de Barbérie hat ihren Aufenthalt verlassen, und wir haben Ursache zu glauben, daß sie sich hat bethören lassen, hierher zu kommen. – – Potz Kaufmannswort und Correspondenz, Meister Seestreicher! das geht über den Geschäftskreis selbst eines Contrebande-Händlers hinaus. Ich kann Nachsicht mit einem Rechnungsfehler haben, aber Weiber können überall und alle Zeit zollfrei ein- und ausgeführt werden; um so weniger nöthig ist es daher, ihnen auf eine so heimliche Weise aus der Wohnung ihres alten Onkels zu helfen.«

»Ein unläugbarer Vordersatz und ein rührender Schluß ! Ich gebe zu, daß die Forderung in aller Form geschehen ist, und vermuthe, diese beiden Herren sind hier als Zeugen für die Legalität derselben.«

»Wir sind mitgekommen, um dem gebeugten und in seinen Rechten gekränkten Onkel und Vormund der Dame in seinen Nachforschungen nach ihr beizustehen,« sagte Ludlow.

Der Freihändler lenkte nun die Augen auch auf den Patroon, welcher seine Beistimmung schweigend durch ein Kopfnicken zu erkennen gab.

»Gut, meine Herren; auch dies Zeugniß nehme ich an. Doch, wiewohl gewöhnlich für einen so würdigen Gegenstand der Gerechtigkeit gehalten, so habe ich doch bis jetzt noch wenig unmittelbaren Verkehr mit der blinden Göttin gehabt. Unterrichten Sie mich daher, ob die Gerichte in der Regel solchen Beschuldigungen, ohne weitere Beweise von der Wahrheit derselben, Glauben schenken.«

»Läugnen Sie sie dann?«

»Sie sind im Besitz Ihrer Sinne, Capitän Ludlow, und können ungehindert Gebrauch davon machen. Inzwischen ist dies eine List, um die Verfolgung auf falsche Spur abzulenken. Es gibt noch mehr Schiffe, außer dieser Brigantine, und warum sollte es der Laune einer Schönen nicht einfallen können, selbst unter der Flagge der Königin Anna einen Beschützer zu suchen?«

»Diese Wahrheit hat mir nur zu sehr eingeleuchtet, Herr Van Beverout,« bemerkte der sententiöse Patroon. »Es wäre gut gewesen auszumitteln, ob die Gesuchte nicht einen minder tadelnswerthen Schritt gethan habe, ehe wir rasch dem Glauben Raum schenkten, daß Ihre Nichte sich so leicht dazu verstehen würde, die Frau eines Fremden zu werden.«

»Verbindet Herr Van Staats eine verborgene Meinung mit seinen Worten, daß er sich so räthselhaft ausdrückt?« fragte Ludlow.

»Wer sich einer redlichen Absicht bewußt ist, der braucht nicht zweideutig zu sprechen. Ich theile mit diesem angeblichen Smuggler die Meinung, daß die schöne Barbérie weit wahrscheinlicher mit einem von ihr längst Gekannten, und, wie ich fürchte, nur zu sehr Geachteten entflohen sey, als mit einem Wildfremden, dessen Leben in ein so finsteres Geheimniß gehüllt ist.«

»Wenn die Vermuthung, daß die Dame ihre Achtung mit zu weniger Vorsicht verschenken könne, hinreicht, einen Verdacht zu rechtfertigen, so könnte ich meinerseits auf eine Nachsuchung in dem Herrenhause zu Kinderhook antragen.«

»Topp! und Glück zu! Das Mädchen durfte sich nicht erst in die Kirche stehlen, um sich mit Oloff Van Staats trauen zu lassen!« fiel der Alderman ein. »Zu dieser Parthie würde ich meinen Segen gegeben haben, und eine fette Mitgift noch obendrein.«

»Diese gegenseitigen Verdächtigungen sind ganz natürlich zwischen Männern, welche sich den Besitz eines Gegenstandes streitig machen,« nahm jetzt der Freihändler wieder auf. »Der Offizier der Königin glaubt, das Streifen des Auges einer muthwilligen Schönen bedeute Bewunderung großer Aecker und üppiger Wiesen; der Gutsherr hingegen traut dem Romantischen des Kriegerstandes und der die See durchstreichenden Einbildungskraft nicht recht; allein erlauben Sie mir die Frage: was gibt es bei mir für Gründe, daß eine stolze, vielgesuchte Schönheit darum Stand, Geschlecht und Verwandte vergessen sollte?«

»Potz Eitelkeit und Caprice! Für die Grillen eines Weibes lassen sich keine Gründe angeben! So zum Beispiel führen wir ihnen aus dem fernen Indien mit großem Risiko und schweren Kosten Waaren zu, um ihrem Geschmack zu Gefallen zu leben, aber – hat sich was zu gefallen! der Biber ändert nicht leichter sein Fell, als sie ihre Moden. Halten doch ihre Einfälle den Handel in trauriger Schwankung, warum sollten sie nicht auch ein eigensinniges Mädchen zu irgend einer andern Narrheit aufgelegt machen.«

»Dieser Schluß scheint den Onkel zu überzeugen; halten ihn die Herren Bewerber ebenfalls für den richtigen?«

Der Patroon von Kinderhook stand da, dem außerordentlichen Wesen, welches die Frage gethan hatte, lange und ernst in's Antlitz schauend. Unwillkührlich entschlüpfte ihm eine Geberde, die seine jetzige Ueberzeugung und seinen Verdruß gleich unverkennbar andeutete, doch sein Schweigen brach er nicht. Nicht so Ludlow. Wiewohl ihm die Versuchung, die Alida's Fehltritt verursacht hatte, nicht weniger in's Auge sprang; wiewohl ihm die Folgen jenes Fehltritts für das Mädchen selbst, wie für Andere, nicht weniger einleuchtend waren, so konnte doch sein feuriges Temperament sich von dem seemännischen Rivalitätsgefühl und von dem Glauben nicht freimachen, daß sein Amt ihm ein Recht auf Durchsuchung gebe. Er hatte während des vorhergehenden Gesprächs Zeit gefunden, den Inhalt der Kajüte genauer zu mustern, und zeigte daher mit halb ironischem, halb traurigem Lächeln, als der sonderbare Wirth obige Frage stellte, auf einen Fußschemel mit einem reichgestickten Ueberzug, worauf Farbe und Schattirung der Blumen bis zur Täuschung der Natur nachgeahmt waren.

»Dies ist keine Arbeit für die Nadel eines Segelmachers!« sagte der Kapitän der Coquette. »Andere Schönheiten müssen bewogen worden seyn, eine müßige Stunde in Deiner üppigen Wohnung zuzubringen, dreister Seemann; doch früher oder später holt das Gericht dennoch dein leichtfüßiges Fahrzeug ein.«

»Vor oder bei dem Wind, irgend einmal muß es hinken, wie wir zu sagen pflegen. Capitän Ludlow, ich entschuldige die Härte in Ihrer Sprache; die Vollmacht eines Beamten der Krone bringt es nun einmal so mit sich, daß er seine Worte nicht auf die Goldwage lege; wenn er es mit Einem zu thun hat, der gleich dem lüderlichen Gesellschafter des Prinzen Heinrich, nur zu geneigt ist, vorzuschlagen: »Bestiehl mir den königlichen Schatz«. Sie kennen aber diese Brigantine und ihren Charakter nicht, Sir. Wir brauchen uns nicht erst von verlaufenen Jüngferchen den Geschmack des Geschlechts lehren zu lassen, denn ein weiblicher Geist leitet alle unsere Launen, und theilt allen unsern Handlungen etwas von seiner Zartheit mit, wenn auch Philister sie gesetzlos zu nennen pflegen. Sehen Sie – (einen Vorhang nachläßig zurückwerfend, und auf mehrere Erzeugnisse weiblicher Geschicklichkeit hinzeigend) – hier sind Schöpfungen sowohl von Pinsel als Nadel. Die Zauberin – (dabei berührte er das Bild auf seiner Brust) – schlägt ihren Aufenthalt nur da auf, wo man ihrem Geschlechte huldigt.«

»Die Angelegenheit, sehe ich, kann nur durch ein gegenseitiges Nachgeben in Ordnung gebracht werden,« bemerkte der Alderman. »Wenn sie erlauben, meine Herren, so will ich mit diesem unerschrockenen Kauffahrer allein unterhandeln; vielleicht gibt er dem, was ich vorzuschlagen habe, willigeres Gehör.«

»Aha, in diesem Vorschlag wittere ich nichts von dem Geiste der Seegöttin, der ich diene, wohl aber von dem des Handels,« rief jener, indem er mit den Fingern leise über die Guitarrensaiten fuhr. »Gegenseitiges Nachgeben und Vorschläge sind Töne, die sich aus eines Bürgers Mund gut anhören. Mein kleiner Fleiß, empfiehl diese Herren der Sorgfalt des kühnen Thomas Ruderpinne, während ich mich mit dem Kaufmann hier unterhalte. Der Charakter des Herrn Van Beverout, Capitän Ludlow, wird ihn und mich gegen den Verdacht sicher stellen, als ob wir Pläne gegen die Revenüe schmiedeten.«

Der Freihändler konnte nicht umhin, über seine eigene Anspielung zu lachen, gab aber zu gleicher Zeit dem Knaben, welcher hinter einem Vorhang hervorgetreten war, einen Wink, die betroffenen Bewerber der schönen Barbérie in ein anderes Zimmer zu führen.

»Potz Leumund und böse Zungen, Meister Seestreicher! diese ungesetzliche Weise, kurz zu Werk zu gehen, nachdem schon Rechnungen abgeschlossen und Quittungen ausgestellt sind, bringt mich am Ende zu Schaden, und um meinen Ruf noch obendrein. Der Befehlshaber der Coquette ist ohnedies nur halb überzeugt, daß ich von deinen Verdiensten um die Zölle nichts wisse, und diese deine Spässe gemahnen mich, wie wenn Einer bei dunkler Nacht in ein erlöschendes Feuer hineinstößt; statt es zu unterdrücken, macht er es nur lebendiger, so daß man heller dabei sehen kann. Der Himmel weiß zwar, daß Niemand weniger von einer Untersuchung seiner Geschäftsführung zu besorgen hat, als ich! Den besten Rechner in den Colonien fordere ich heraus, ob er in irgend einem meiner Bücher, vom Notizenbuch bis zum Hauptbuch, einen falschen Latus oder ein doppeltes Item finden könne.«

»Salomon's Sprüche sind nicht sentenzenreicher, die Psalmen David's nicht halb so poetisch, als deine Bibliothek. Doch was soll diese geheime Unterredung? – Die Brigantine hat einen reingekehrten Schiffsraum.«

»Reingekehrt! Potz Van Besen und Van Tromp! Du hast aus dem Pavillon meiner Nichte die Besitzerin rein herausgekehrt, so wie aus meinem Beutel die Johannesd'ors. Das heißt, aus einem kleinen unschuldigen Tausch einen höchst verbotenen Handel machen, und ich will hoffen, daß du den Scherz nicht weiter treibst, sonst dient die Affaire noch zur Würze bei den Theegesellschaften unser Gevatterinnen in den Provinzen. So eine Geschichte würde nächsten Herbst eine stärkere Zuckereinfuhr nöthig machen.«

»Das ist alles recht witzig, mein Bester, aber nicht klar. Sie haben meine Spitzen und Sammetstoffe; schon handhaben die schönen Manhattaneserinnen meine Brokate und Atlasse, und Ihre Pelze und Johannesd'ors sind sicher verwahrt an einem Ort, wohin kein enternder Offizier aus der Coquette –«

»Schon gut, schon gut; mußt Du einen Rufer an den Mund setzen, um mir zu sagen, was ich schon weiß, zu meinem großen Schaden weiß? Mach' ich noch zwei oder drei Einkäufe der Art, so ist Bankerott das Geringste was mir bevorsteht, also bring' mich wenigstens nicht um meinen guten Namen, wie Du mich um meine guten Johannes gebracht hast. Die Schotten in Schiffen haben eben so gut Ohren wie die Wände in Häusern. Also genug gesprochen von dem unbedeutenden Handel, den wir mit einander gemacht haben. Verliere ich tausend Thaler bei der Sache, nun, so muß ich mich drein zu fügen suchen. Potz Geduld im Unglück! habe ich nicht noch diesen Morgen einen Wallach begraben, so wohlgenährt und vielversprechend wie noch keiner das Straßenpflaster beschritt, und hat Jemand auch nur die geringste Klage aus meinem Munde gehört? Ich schmeichle mir, einem Verlust die gehörige Resignation entgegensetzen zu können, also kein Wort mehr über meinen unglücklichen Kauf.«

»Wahrlich, ich wüßte außer Handelsgeschäften keine anderen, welche Alderman Van Beverout und die Matrosen der Brigantine mit einander abzumachen hätten.«

»Um so nöthiger ist's, daß Du ihm seine Nichte herausgebest, und somit dem albernen Scherze ein Ende machest. Ich weiß ohnedies nicht, ob aus der Parthie mit irgend einem dieser zwei jungen Hitzköpfe noch irgend etwas werden könnte, selbst wenn ich mich zu einer Zugabe von einigen Tausenden verstehen sollte. Wenn der Ruf eines Weibes einmal in Miscredit gekommen ist, so läßt es sich schwerer unterbringen als sinkendes Staatspapier, und dergleichen Gutsherren und Kreuzer-Capitäns haben Euch Magen wie Wucherer; mit Procenten sind sie nicht zufriedenzustellen, entweder Alles oder gar nichts! Von dergleichen Narrenpossen hat man nichts gewußt, als dein wackerer Vater noch lebte: dieser redliche Handelsmann steuerte seinen Cutter in den Hafen, mit einem so unschuldigen, nüchternen Wesen wie ein Müllerboot. Wir besprachen die Qualität seiner Waaren, und damit gut. Hier war sein Preiscourant, und dort mein Geld. Gleich oder ungleich, ob der Eine oder der Andere bei'm Handel den Gewinn hatte, hing rein vom Zufall ab. Ja, das waren Tage! damals florirte mein Geschäft; aber dein Geist, Meister Seestreicher, ist die personificirte Erpressung!«

Auf der Lippe des schönen Smugglers zeigte sich einen kurzen Augenblick der Ausdruck der Verachtung, welcher aber schnell dem deutlicheren der schmerzlichen Trauer Platz machte.

»Dies ist nicht das erstemal, Du höchst freigebiger Bürger,« antwortete er, daß Du mir durch solche Anspielungen auf meinen Vater das Herz erweicht hast, und gar manche Dublone habe ich Dir schon für deine Lobreden bezahlt.«

»Kein Geistlicher kann mit mehr Uneigennützigkeit predigen. Was will zwischen Freunden ein Bischen Geld sagen! Noch einmal, zu Deines Vorfahrers Zeiten war Glück im Handel. Er hatte ein hübsches hinter's Licht führendes Schiffchen, welches man am besten mit einem unaufgetakelten Schnellsegler vergleichen konnte. Es hatte Bewegung in sich, wenn's galt, und doch sah es aus wie ein behaglich-gemächlicher Amsterdamer. Ich erinnere mich noch, wie einmal ein Revenüe-Kreuzer es anrief, und, mit so wenig Argwohn, als wäre es das Flaggenschiff des Lord-Ober-Admirals, bei ihm Erkundigungen über den berühmten Freihändler einzog. Damals legte man sich aber auch nicht auf Hanswurststreiche, stellte keine unanständige Puppen unter's Bugspriet, die einen rechtschaffenen Mann schamroth machen, prahlte nicht mit hochgehießten Segeln und bunten Farben; da gab's weder Klimpern auf der Laute, noch Singsang, sondern Alles ging vernünftig her; wie man profitabeln Tauschhandel treiben könne, war das Einzige, worauf Jeder bedacht war. Ferner war er ein Mann, der sein Boot mit schätzbaren Artikeln zu beballasten wußte; er war im Stande, wenn man ihm seine feineren Waaren abgekauft hatte, fünfzig Anker Branntwein als Zugabe zu bewilligen, ohne einen Heller für die Fracht zu nehmen, ja, zuletzt führte er die so geschenkten Fäßchen, gegen eine kleine Vergütigung, selber in England ein!«

»Er verdient Dein Lob, dankbarer Alderman; doch was für ein Schluß soll auf diese Eröffnung folgen?«

»Na, wenn noch nicht Gold genug in Deine Koffer geflossen ist,« fuhr Myndert, dem das Anerbieten herzlich schwer ward, endlich fort, »so wollen wir mit dem Zählen die Zeit nicht verderben, obgleich der Himmel weiß, daß Du mich schon ganz ausgesogen hast, Meister Seestreicher. Seit Kurzem sucht mich ein Verlust nach dem andern heim. Da ist mir erst ein Wallach gestorben, den ich am Kai zu Rotterdam nicht mit fünfzig holländischen Dukaten wieder ersetze; von der so theuren Fracht und den sonstigen Kosten will ich gar nicht« –

»Zur Sache'.« unterbrach ihn der Andere, sichtlich ungeduldig über die lange Unterredung, »was ist dein Anerbieten?«

»Gib das Mädchen zurück, und nimm fünfundzwanzig unvollwichtige Stücke.«

»Also die Hälfte dessen, was ein flämischer Wallach kostet! Die Schöne würde aus gerechtem Stolze erröthen, wenn sie erführe, wie viel sie im Markte gilt.«

»Potz Erpressung und Mitgefühl! so mögen es denn hundert seyn, und damit abgemacht.«

»Laßt Euch was sagen, Herr Van Beverout; daß ich mir zuweilen einige Freiheit mit den Einkünften der Königin erlaube, läßt sich nicht läugnen, am allerwenigsten gegen Euch; denn mir behagt weder diese Art, eine Nation durch Stellvertreter zu regieren, noch der Grundsatz, daß eine Strecke Erde für eine andere Gesetze machen solle. Ich bin nicht aufgelegt dazu, Sir, englisches Baumwollenzeug zu tragen, wenn ich an florentiner mehr Geschmack finde, oder Bier zu verschlucken, wenn mir die feinen Gascogner Weine besser munden. In jeder andern Beziehung taste ich, wie Du weißt, die Rechte keines Menschen an, und wären es auch nur eingebildete. Und hätte ich fünfzig deiner Nichten, so würden Säcke voll Dukaten nicht eine einzige davon erkaufen.«

Der Alderman blickte ihn starr an, so daß ein Zuschauer geglaubt haben würde, er habe des Andern Rede nicht verstanden. Und doch hatte dieser mit einer Wärme gesprochen, die ihn überzeugen mußte, daß er es ernstlich meine, und daß er, wie unbegreiflich es auch sey, Gold wirklich weniger hoch stelle, als Gefühl.

»Potz Starrsinn und Geldverachtung!« brummte Myndert; »was kann einem Menschen von Deiner Lebensart ein lästig fallendes Mädchen nützen? Solltest Du sie bethört« –

»Ich habe Niemand bethört. Die Brigantine ist kein Algierischer Corsar, daß sie Auslösungsgeld verlangte oder annähme.«

»Nun, so erlaube wenigstens, daß sie sich etwas gefallen lasse, was ihr, wie ich glaube, noch fremd ist. Ist es nicht wahr, daß Du durch einen, der Himmel weiß es! höchst trügerischen Beweggrund, meine Nichte zur Flucht gestimmt hast, so gestatte, daß das Fahrzeug durchsucht werde. Dies wird die Gemüther der jungen Männer zufriedenstellen; so daß sie die Heirathsunterhandlungen nicht abbrechen, und der Artikel im Markte seinen Werth behält.«

»Gern – – doch merk' Dir! sollten gewisse Ballen schlechter Marder- und Biberfelle, nebst anderen Deiner Colonial-Waaren den Charakter meiner Geschäftsfreunde aufdecken, so muß ich nicht beschuldigt werden, mein Wort gebrochen zu haben.«

»Das ist klug gesprochen. Du hast Recht, es müssen keine unberufene Augen die Ballen und Packe begaffen. Wohlan! ich sehe, Meister Seestreicher, die Unmöglichkeit, die Sache gleich mit Dir abzumachen; ich will daher Dein Schiff nur wieder verlassen, denn in der That, ein Kaufmann von Reputation sollte mit einem so Verdächtigen in keiner Verbindung stehen, wenn er nicht muß.«

Spöttisch, aber dennoch melancholisch war das Lächeln des Freihändlers, als er jetzt zum zweitenmal das Signal auf der Guitarre gab.

»Führ' diesen würdigen Bürger zu seinen Freunden, Zephyr«, sagte er, verbeugte sich gegen den Alderman und entließ ihn auf eine Weise, welche ein seltsam gemischtes Gefühl verrieth. Ein Menschenkenner, vertraut mit den Spuren menschlicher Leidenschaften, hätte durch die natürliche oder angenommene Sorglosigkeit in dem Aussehen und der Sprache des Smugglers hindurchgeblickt und Bedauern, ja Kummer dahinter gefunden.


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