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Seht Ihr, wer kommt da?
Ein junger Mann, ein Alter, ernsthaft schwatzend. |
Wie es Euch gefällt. |
Es ist leicht vorauszusehen, daß Amerika bestimmt ist, große und rasche Veränderungen durchzumachen. Die der Geschichte im eigentlichen Sinne angehörigen wird ohne Zweifel die Geschichte sich angelegen seyn lassen aufzuzeichnen, und zwar vermutlich mit der bestreitbaren Wahrhaftigkeit und dem Vorurtheil, welche gar leicht Einfluß üben auf die Leistungen gerade dieser Muse; aber wenig Hoffnung ist, daß die Züge der amerikanischen Gesellschaft in ihrem mehr innerlichen und häuslichen Charakter, unter uns werden erhalten bleiben durch irgend eines der Mittel, welche sonst gewöhnlich hiezu sich darbieten. Ohne eine Bühne – im nationalen Sinne wenigstens, – im Besitze von kaum irgend einem Memoirenbuche, das sich mit einem innerhalb unserer Landesgrenzen hingebrachten Leben beschäftigte, und gänzlich entblößt von einer eigenen leichten Literatur, die uns treu nachgeahmte Bilder unserer Sitten und Gebräuche und der Tagesmeinungen gäbe, – sehe ich kaum eine Art und Weise ab, wie die nächste Generation das Gedächtniß und die Anschauung der unterscheidenden Denkweise, der Sitten und Gebräuche der jetzigen sich bewahren sollte. Zwar wird sie Traditionen von gewissen hervorstechenden Zügen des gesellschaftlichen Zustands der Colonie haben, aber kaum irgend urkundliche Berichte; und sollten die nächsten zwanzig Jahre in eben dem Grade wie die zwanzig letztverflossenen darauf hinwirken, an die Stelle der Abkömmlinge unsrer nächsten unmittelbaren Väter ein ganz neues Geschlecht zu setzen: so wäre die Prophezeiung wohl kaum allzu gewagt, daß auch diese Traditionen in dem Wirbel und der Aufregung der Masse und des Gewühls von Fremden verloren gehen werden. In Erwägung all dieser Umstände habe ich daher den Entschluß gefaßt, einen Versuch zu machen, wie schwach er auch ausfallen möge, wenigstens einige Züge von dem häuslichen Leben in New-York aufzubehalten, und habe zugleich auch einige Freunde in New-Jersey und im ferneren Süden anzuspornen gesucht, daß sie in jenen Gegenden des Landes sich dieselben Aufgaben setzen möchten. Welchen Erfolg diese meine Aufforderungen und Ermahnungen haben werden, vermag ich nicht zu sagen; aber damit das Wenige, was ich selbst zu leisten vermag, nicht verloren gehe aus Mangel an Unterstützung, habe ich in meinem Testament meinen ernsten Wunsch ausgesprochen, daß diejenigen, welche nach mir kommen, sich dazu verstehen möchten, diese Erzählung fortzusetzen und ihre Erfahrungen, so wie ich die meinigen, dem Papiere zu überliefern, wenigstens bis auf meinen Enkel herab, falls ich je einen habe. Vielleicht fängt man bis zum Ende der Laufbahn des Letztern in Amerika an, Bücher herauszugeben, und erscheinen dann die Früchte unsrer vereinigten Familienbemühungen gereift genug, um der Welt vorgelegt zu werden.
Es ist möglich, daß, was ich jetzt zu schreiben im Begriff stehe, als zu einfach und geringfügig erscheint; daß es sich zu sehr auf persönliche und Privat-Angelegenheiten bezieht, als daß es hinlängliches Interesse in den Augen des Publikums habe; aber man darf nicht vergessen, daß die höchsten und erhabensten Interessen des Menschen aus einer Sammlung von an sich niedriger stehenden und geringeren bestehen; und daß, wer ein getreues Bild gibt von nur Einer wichtigen Scene aus dem Verlauf eines einzelnen Lebens, schon einen Schritt dazu thut, das größte historische Bild seiner Zeit zu malen. Wie ich schon gesagt, die wichtigsten Begebenheiten meiner Zeit werden ihren Weg finden auf die Blätter von viel bedeutenderen Werken als das meinige, in der einen oder der andern Form, mit mehr oder weniger Treue gegen die Wahrheit, gegen die Wirklichkeit der Ereignisse und gegen die eigentlichen Motive; während die untergeordneten Dinge, welche zu berichten und zu schildern meine Aufgabe seyn soll, gänzlich werden übersehen werden von Schriftstellern, erfüllt von dem Bestreben, ihre Namen denen der Tacitusse früherer Jahrhunderte anzureihen. Es mag jedoch passend seyn, gleich hier zu bemerken, daß ich gar nicht den historischen Griffel zu führen mir beigehen lasse, sondern mich damit begnüge, die Gefühle, Gesinnungen, Ereignisse und Interessen des bloßen Privatlebens zu schildern, und sie nicht mehr mit Dingen von allgemeinerer Bedeutung in Verbindung setzen werde, als dieß unerläßlich ist, um die Erzählung verständlich und genau zu machen. Nach diesen Erläuterungen, welche hier gegeben werden, um die Person, die zufällig zuerst die Lektüre dieser Handschrift beginnt, abzuhalten, sie in's Feuer zu werfen als einen einfältigen Versuch, einen noch einfältigeren Roman zu schreiben, gehe ich sofort zum Anfang meiner Aufgabe über.
Ich bin geboren am dritten Mai 1737 auf einem »Landhals,« genannt Satanstoe Satanszehe., in der Grafschaft West-Chester, in der Colonie New-York; einem Theil des weitgedehnten Reiches, welches damals unter dem Scepter Seiner geheiligten Majestät, Gregors II., stand, Königs von Großbritannien, Irland und Frankreich, Vertheidiger des Glaubens, der, wie ich wohl hinzufügen darf, zugleich Schild und Wehr der protestantischen Thronfolge war, Gott segne ihn! Ehe ich Etwas von meiner Abstammung sage, will ich dem Leser zuerst einen Begriff geben von der Gegend und eine genauere Vorstellung von dem Ort, wo ich das Licht der Sonne erblickte.
Ein »Landhals« bedeutet nach dem Sprachgebrauch von West-Chester und Long Island Etwas, das man besser »Kopf und Schultern« nennen würde, wenn man bloß die Gestalt und die Ausdehnung im Auge hätte. Halbinsel würde das passende Wort seyn, wenn wir uns geographischer Kunstausdrücke bedienen wollten; aber so wie die Sachen stehen, finde ich es nothwendig, bei dem landesüblichen Ausdruck zu bleiben, welcher beiläufig bemerkt, auch nicht bloß unsrer Grafschaft eigen ist. Der »Landhals« oder die Halbinsel Satanstoe enthält genau vierhundert und dreiundsechszig und einen halben Acre vortrefflichen West-Chester Landes; und damit ist, wenn die Steine herbeigeschleppt und zu Mauern gefügt sind, so viel zu seinen Gunsten gesagt, als von irgend einem Boden der Erde gesagt zu werden braucht. Satanstoe hat zwei Meilen Ufer und kann eine entsprechende Masse Seegras zur Düngung sammeln, nebendem, daß es beinahe hundert Acres Salzgras- und Schilfwiesen besitzt, welche bei dem guten Boden des eigentlichen »Landhalses« nicht eingerechnet sind. Da mein Vater, Major Evans Littlepage, dieß Gut von seinem Vater, Kapitän Hugh Littlepage erben sollte, konnte es schon zur Zeit meiner Geburt als ein altes Familienbesitzthum gelten, weil es wirklich schon von meinem Großvater erworben worden war, durch seine Frau, etwa dreißig Jahre nach der endlichen Abtretung der Colonie von Seiten der ursprünglichen Besitzer, der Holländer, an die Engländer. Hier hatten wir also schon beinahe ein halbes Jahrhundert in gerader Linie gehaust, als ich geboren wurde, und um ein Beträchtliches länger, wenn man die Ahnen von mütterlicher Seite einrechnet; hier wohne ich jetzt im Augenblick wo ich diese Zeilen schreibe, und hier hoffe ich soll mein Sohn nach mir wohnen.
Ehe ich auf eine genauere Schilderung von Satanstoe eingehe, ist es vielleicht passend, ein Wort zu sagen über seinen etwas sonderbaren Namen. Der »Landhals« liegt in der Nähe eines wohlbekannten Passes, welcher sich findet in dem schmalen Meeresarm, welcher die Insel Manhattan von ihrer Nachbarin, Long Island, trennt, und Hell Gate (Höllenthor) genannt wird. Nun gibt es eine Tradition, freilich, ich muß es gestehen, so ziemlich nur auf die Schwarzen der Umgegend sich beschränkend, welche besagt: der Vater der Lügen habe bei einer besondern Gelegenheit, als er gewaltsam ausgetrieben ward, aus gewissen tumultuarischen Gasthäusern in den Neuen Niederlanden, seinen Abzug bewerkstelligt durch diesen bekannten, gefährlichen Paß; er habe seinen Fuß etwas hastig weggezogen zwischen den Hummerlöchern, deren es in diesen Gewässern eine Menge gibt, als Spuren und Fußtapfen seines Durchzuges auf dieser Straße den Schweinsrücken, den Topf und all die Strudel und Klippen zurückgelassen, welche die Schifffahrt durch diese berühmte Meerenge so schwierig machen, und seinen Fuß dann eilig auf den Fleck gesetzt, wo jetzt eine große Bucht südlich und östlich von dem »Landhals« sich ausdehnt, letztern aber mit dem Ballen seiner großen Zehe berührt, wie er sich nach Osten wandte, aus welcher Gegend des Landes er nach der Behauptung eines Theils unsrer Leute ursprünglich gekommen seyn sollte. Manche glaubten, die Gestalt und die Linien unseres väterlichen Gutes hatten eine Aehnlichkeit zu haben geschienen mit einer umgekehrten Zehe (denn man setzte voraus, daß der Teufel Alles, was er berühre oberst zu unterst verkehre), ein Umstand, welcher vermutlich auch dazu beitrug, dem Namen bleibende Geltung zu verschaffen.
Daher wurde der Platz seit unvordenklichen Zeiten Satanstoe genannt; denn unvordenklich ist leicht die Zeit in einem Lande, in welchem die civilisirte Zeit vor noch nicht anderthalb Jahrhunderten begann; und Satanstoe heißt er noch jetzt. Ich gestehe, ich bin kein Freund von unnöthigen Veränderungen, und ich hoffe von ganzem Herzen, dieser »Landhals« wird seine alte Benennung behalten, so lange das Haus Hannover auf dem Throne dieser Königreiche sitzen, oder so lange das Wasser fließen und das Gras wachsen wird. Man hat in ganz neuen Zeiten einen Versuch gemacht, die Leute in der Nachbarschaft zu bereden, der Name sey irreligiös und eines erleuchteten Volkes, wie das von West-Chester, unwürdig; aber der Versuch hat keinen großen Erfolg gehabt. Er ging aus von einem Mann aus Connektikut, dessen Vater, heißt es, ein Geistlicher ist von der » stehenden Klasse;« so genannt, glaube ich, weil sie beim Beten stehen; und welcher selbst in der Eigenschaft eines Schulmeisters zu uns kam. Dieser junge Mann suchte, wie ich erfahren habe, die Nachbarschaft zu bereden, Satanstoe sey eine durch die Holländer eingeführte Verfälschung von Devils Town (Teufelsstadt), und dieß wieder eine Entstellung von Dibbleston; die Familie nämlich, von welcher es meines Großvaters Schwiegervater gekauft, habe, sagte er, Dibblee geheißen. Er brachte ein halb Dutzend von dem sentimentalen Theil der Bewohner dazu, den »Landhals« Dibbleton zu nennen; aber der Versuch hat keine Wahrscheinlichkeit eines größern Erfolgs auf die Länge, da wir Leute sind, die keine große Geneigtheit haben, die Sprache so wenig als die Gebräuche unsrer Vorfahren zu ändern. Zudem haben meine holländischen Vorfahren das Land von keinem Dibblee gekauft, und hat dasselbe nie einer solchen Familie gehört, sondern es ist dieß ein keckes Vorgeben des Yankee um seine Behauptung dadurch wahrscheinlicher zu machen.
So wie Satanstoe seiner Ausdehnung nach wenig mehr als ein guter Pacht- oder Bauernhof ist, so ist es auch seiner Bebauung und den Verschönerungen nach nicht viel mehr als ein vorzüglich gutes Bauerngut. Alle Gebäude sind von Stein, bis auf die Schweinekoben und die Schuppen hinaus, sehr gut behauen und gefugt, und mit Feldmauern, welche einem befestigten Platze Ehre machen würden. Das Haus gilt allgemein als eines der besten in der Colonie, mit Ausnahme einiger wenigen von der neuen Schule. Es ist zwar, wie ich gestehen muß, nur anderthalb Stockwerke hoch, aber die Zimmer unter dem Dache sind so gut als irgend welche dieser Art, die mir bekannt sind, und ihre innere Einrichtung ist von der Art, dass sie selbst den obern Zimmern eines Hauses in New-York keine Unehre machen würden. Das Gebäude hat die Form eines L oder von zwei Seiten eines Parallelogrammes, wovon die eine eine Fronte von fünfundsiebzig Fuß hat, die andere fünfzig Fuß lang ist. Die Tiefe beträgt, von einem Ende der Mauer bis zum andern, sechsundzwanzig Fuß. Das beste Zimmer hatte schon in den Zeiten meiner Knabenjahre einen Teppich, welcher zwei Drittheile des gesammten Fußbodens bedeckte, und in den meisten der bessern Gänge fand sich Wachstuch. Der Schenktisch im Speisezimmer, oder dem kleinsten Gesellschaftszimmer, wurde ganz besonders bewundert, und ich zweifle, ob es bis zu dieser Stunde einen schönern in der Grafschaft gibt. Die Zimmer waren wohl geformt und von hübscher Größe; die größern Gesellschaftszimmer nahmen, bei verhältnißmäßiger Länge, die ganze Tiefe des Hauses ein, und das Getäfel war höher als gewöhnlich, nämlich, elf Fuß, mit Ausnahme derjenigen Räume, wo die größern Balken und Sparren der obern Schlafzimmer sichtbar wurden.
Da die Familie außer dem »Landhals« auch Geld besaß, und die Littlepage's Offiziere des Königs, mein Vater in seinen frühern Jahren Fähnrich und mein Großvater ebenso Kapitän in der Linie gewesen waren, zählten wir immer zu der Gentry der Grafschaft. Wir hausten in einem Theile von West-Chester, wo es keine sehr große Güter gab, und Satanstoe galt als ein Besitzthum von einer gewissen Bedeutung. Es ist wahr, die Morrises war auf Mornsania und die Felipses oder Philipses, wie diese böhmischen Grafen damals genannt wurden, hatten einen Sitz am Hudson, der sich bis auf zwölf Meilen vor uns erstreckte, und ein jüngerer Zweig von den de Lanceys hatte sich selbst noch näher bei uns niedergelassen, so wie auch die Van Cortlandts, oder ein Zweig von ihnen, in der Nähe von Kingsbridge hausten; aber das waren lauter Leute, welche an der Spitze der Colonie standen, und mit welchen zu wetteifern Niemanden von der kleineren Gentry sich einfallen ließ. So behaupteten denn die Littlepages eine sehr achtbare Stellung zwischen der höhern Klasse der Neomanry und denjenigen, welche, vermöge ihrer Güter, Erziehung, Verwandtschaften und Verbindungen, ihres amtlichen Ranges und ererbten Ansehens, die Aristokratie der Colonie, – so darf man sich wohl ausdrücken, – bildeten. Mein Vater sowohl als mein Großvater hatte seiner Zeit in der Assembly gesessen, und Beide, wie ich sagen gehört, mit Ehren. Was meinen Vater betrifft, so hielt er einmal eine Rede, deren Vortrag elf Minuten ausfüllte, – ein Beweis, daß er Etwas zu sagen hatte; und es war dieß eine Quelle großen, aber wie ich hoffe, bescheidenen Jubels in der Familie bis auf den Tag seines Todes und noch später.
Dann hoben uns auch gar sehr die Militärdienste der Familie. In jener Zeit hieß es Etwas, Fähnrich selbst in der Miliz zu seyn, und noch weit mehr, diesen Posten bei einem regulären Regiment zu bekleiden. Zwar diente keiner meiner Vorfahren sehr lange unter den Truppen des Königs, und namentlich mein Vater verkaufte seine Stelle schon nach dem Ende seines zweiten Feldzuges; aber die militärische Erfahrung, und ich darf hinzufügen, der kriegerische Ruhm, welche Beide in der Jugend sich erwarben, leisteten ihnen ihr ganzes übriges Leben hindurch gute Dienste. Beide erhielten Offiziersstellen bei der Miliz, und mein Vater stieg wirklich bis zum Major in diesem Corps, und diesen Rang besaß, diesen Titel trug er während der letzten fünfzehn Jahre seines Lebens.
Meine Mutter war eine Holländerin von beiden Eltern her; ihr Vater war ein Blauvelt, ihre Mutter eine Van Busser gewesen. Ich habe sagen hören, es habe sogar eine Verwandtschaft zwischen den Stuyvesants und den Van Cortlandts und den Van Bussers bestanden; aber ich vermag nicht den Grad und die Art der Verwandtschaft oder Verschwägerung genau anzugeben. Ich vermuthe, daß sie nicht sehr nahe gewesen, sonst würde ich wohl Genaueres darüber erfahren haben. Ich habe immer dafür angenommen, daß meine Mutter meinem Vater dreizehnhundert Pfund (in Papieren, nicht in Baarem) als Heirathsgut zubrachte, was, man muß gestehen, für eine junge Frau im Jahr 1733 ein ganz anständiges Vermögen war. Nun weiß ich recht gut, daß sechs-, acht-, zehntausend Pfund in dieser Weise oft zugebracht werden, und selbst noch viel mehr bei den vornehmen Familien, aber es braucht sich Keiner zu schämen, der fünfzig Jahre rückwärts blickt, und findet, daß seine Mutter ihrem Gatten tausend Pfund beibrachte.
Ich war weder das einzige Kind noch der Erstgeborene. Ein Bruder ging mir voran und zwei Schwestern folgten mir, aber sie starben Alle in der Kindheit, und so blieb ich als einziger Sprößling für die zärtliche Pflege und Erziehung meiner Eltern übrig. Mein kleiner Bruder hatte den Namen Evans vorweggenommen, und da er einige Zeit noch nach meiner Taufe lebte, bekam ich den holländischen Namen von meinem Großvater mütterlicher Seits zu meinem Antheil an der Familien-Nomenclatur, welcher Cornelius war, und Corny war demgemäß der Diminutivname, mit welchem ich von sämmtlichen Weißen meiner Bekanntschaft während der ersten sechszehn oder siebenzehn Jahre meines Lebens, und von meinen Eltern so lange sie am Leben blieben, genannt wurde. Corny Littlepage ist an sich kein übler Name, und ich hege das Vertrauen, diejenigen, welche mir die Gunst erzeigen, diese Handschrift zu lesen, werden sie weglegen mit dem Eindruck, daß der Name nicht schlimmer geworden ist durch die Art und Weise, wie ich ihn geführt habe.
Ich habe schon gesagt, mein Vater und mein Großvater seyen Beide zu ihrer Zeit in der Assembly gesessen; mein Vater zweimal, mein Großvater nur einmal. Obgleich wir dem Flecken West-Chester so nahe wohnten, saßen sie doch nicht für diesen Ort darin, sondern für die Grafschaft, denn die de Lancey's und die Morrises stritten um die Beherrschung des Fleckens in einer Art, welche den kleinen Fischen wenig Aussicht ließ, in dem trüben Wasser, das sie nothwendig aufrühren mußten, zu schwimmen. Doch stellte diese politische Auszeichnung, wie man sich denken kann, meinen Vater der Welt vor Augen, und war das Mittel, ihm ein persönliches Ansehen zu verschaffen, das ihm sonst vielleicht nicht zu Theil geworden wäre. Die Vortheile und vielleicht auch einige der Nachtheile davon, in solcher Weise aus dem regelmäßigeren Verlauf unsers gewöhnlich so friedlichen Lebens hinausgerückt zu werden, dürften sich im Fortgang unsrer Erzählung darstellen.
Ich habe mich immer deßhalb glücklich gepriesen, daß ich nicht in den frühern Kindertagen der Colonie geboren wurde, wo die auf dem Spiele stehenden Interessen, und die Ereignisse, welche auf sie Einfluß übten, nicht groß und wichtig genug waren, um dem Geist und den Hoffnungen den Schwung und die Ausdehnung zu verleihen, wie sie Perioden der vorgeschrittenen Gesittung und wichtigerer Begebenheiten eigen sind. In dieser Beziehung trat meine Erscheinung in dieser Welt in einem sehr glücklichen Zeitpunkt ein, wie Jeder einsehen muß, Wer den Zustand und die Wichtigkeit der Colonie in der Mitte des gegenwärtigen Jahrhunderts erwägen will. New-York kann zur Zeit meiner Geburt nicht viel weniger als siebzigtausend Seelen enthalten haben, beiderlei Farben gerechnet; denn man nimmt an, daß heute, wo ich dieß schreibe, volle hunderttausend darin leben. In einem solchen Gemeinwesen hat ein Mann nicht nur den Raum, sondern auch Stoff und Gelegenheit um aufzutreten und eine Figur zu machen; während mein Vater, als er geboren wurde, wie ich ihn oft habe sagen hören, einer nicht die Hälfte der kleineren genannten Zahl betragenden Bevölkerung angehörte. Ich bin für diesen Vortheil dankbar gewesen, und ich hoffe, es wird sich durch die hier beizubringenden Beweise und Zeugnisse herausstellen, daß ich weder an einem Orte der Welt, noch zu einer Zeit gelebt habe, welchen große Ereignisse ganz fremd geblieben wären.
Meine frühesten Erinnerungen beziehen sich natürlich auf Satanstoe und auf den häuslichen Familienherd. In meiner Kindheit und Jugend hörte ich gar viel reden von der protestantischen Erbfolge, vom Hause Hannover und König George II.; immer untermischt mit solchen Namen wie George Clinton, General Monkton, Sir Charles Hardy, James de Lancey und Sir Danvers Osborne, die offiziellen Repräsentanten des Königs in der Colonie. Jedes Zeitalter hat seine alten und seine neuen Kriege, und ich kann mich noch recht gut dessen erinnern, welcher zwischen den Franzosen und uns in den beiden Canada's 1744 geführt wurde. Ich war damals sieben Jahre alt, und es war ein Ereigniß, das auf ein Kind von diesem zarten Alter wohl einen Eindruck machen konnte. Mein geehrter Großvater lebte damals noch, und noch lange Zeit später, und er nahm an den militärischen Bewegungen jener Zeit lebhaften Antheil, wie dieß bei einem Soldaten ganz natürlich war. New-York hatte keinen Antheil an der berühmten Expedition, welche Louisbourg, damals das Gibraltar von Amerika, im Jahr 1745 einnahm; aber das konnte einen alten Soldaten wie Kapitän Littlepage nicht abhalten, mit ganzer Seele auf die Sache einzugehen, wenn ihm auch verwehrt war, dabei mit der Faust thätig zu seyn. Da dem Leser vielleicht nicht all die verborgenen Triebfedern bekannt sind, welche die offenkundigen Begebenheiten herbeiführten und in Bewegung setzten, ist es wohl nicht unangemessen, hier einige Worte zur Erläuterung einzuschalten.
Es bestand und besteht noch jetzt wenig Sympathie, was die nationale Gefühlsweise betrifft, zwischen den Colonien von Neu-England und denen welche weiter südlich liegen. Wir sind Alle loyal, die im Osten sowohl als die im Südwesten und im Süden; aber es besteht, und bestand von jeher ein so großer Unterschied in unsern Sitten und Gebräuchen, unserer Herkunft, in religiösen Ansichten und in der Geschichte, daß dadurch eine breite geistige Scheidelinie, was die Gefühls- und Anschauungsweise betrifft, zwischen der Colonie New-York und den östlich vom Fluß Byram gelegenen gezogen wird. Ich habe sagen hören, die meisten Auswanderer nach den Staaten von Neu-England seien von dem Westen Englands gekommen, wo noch manche ihrer gesellschaftlichen Eigenthümlichkeiten und Viel von ihrer Sprache zu finden seyn sollen; während die weiter südlich gelegenen Colonien ihre Bevölkerung aus den mehr im Mittelpunkt gelegenen Grafschaften und aus den Gegenden und Bezirken der britischen Insel erhielten, welche nur weniger provinzielles und eigenthümliches Gepräge haben sollen. Ich will nicht behaupten, daß es sich buchstäblich so verhält, obgleich allbekannt ist, daß wir in New-York lange her gewohnt sind unsere Nachbarn in Neu-England als ganz von uns verschiedene Leute anzusehen, während ich fast glaube, daß unsere Nachbarn in Neu-England uns als nicht minder verschieden von sich, und in sofern eben so weit entfernt von der Vollkommenheit betrachtet haben.
Sei dem wie ihm wolle, so viel ist gewiß, daß Neu-England ein von dem übrigen Reiche gewissermaßen getrennter Theil ist, zu seinem Vortheil und zu seinem Nachtheil. Es bekam seinen Namen von dem Umstande, daß die englischen Besitzungen auf der westlichen Grenze an die der Holländer stießen, welche so von den andern Colonien von rein Anglo-Sächsischem Ursprung getrennt wurden durch ein weites Gebiet von weit größerer Ausdehnung als das Mutterland selbst. Ich fürchte, es liegt etwas im Charakter dieser Anglo-Sachsen, was sie geneigt macht, andere Raçen zu verlachen und die Nase über sie zu rümpfen; denn ich habe bemerkt, daß die Eingebornen des Mutterlandes selbst, welche zu uns kommen, diese Neigung blicken lassen in Bezug auf uns Bewohner von New-York selbst, so wie auf die von Neu-England; während die Leute in dem letztern Lande eine Gesinnung gegen uns, ihre Nachbarn, an den Tag legen, welche nichts weniger als jene Demuth verräth, die doch als eine Zierde der christlichen Denkungsart betrachtet wird, auf welche sie so gerne ganz besondere Ansprüche machen.
Mein Großvater jedoch war ein Eingeborner des Mutter-Landes und ging nur wenig auf die Eifersüchteleien der Colonien ein. Er hatte von seinen Knabenjahren an in New-York gewohnt und daselbst geheirathet, und war nicht der Mann irgend jene übertriebenen Begriffe von Ueberlegenheit an den Tag zu legen, die uns manchmal bei eingebornen Engländern vorkommen; obwohl ich mich erinnere, daß er einige Male auf Mängel und Gebrechen in unsrer Civilisation hinwies, so wie auch, daß er gelegentlich mit Wohlgefallen bei der Größe und Macht seiner Heimathinsel verweilte. Ich glaube auch, hierin hatte er ganz Recht, denn Wenige unter uns haben je Lust gehabt, die Ueberlegenheit und den gerechten Vorzug Englands zu bestreiten in allen Dingen die nur wünschenswerth sind und die Grundlage menschlicher Trefflichkeit bilden.
Ich erinnere mich noch wohl einer Reise, welche Capitän Hugh Littlepage im Jahr 1745 nach Boston machte, um sich die Vorkehrungen zu besehen, welche man zu der großen Expedition traf. Obgleich seine eigene Colonie bei diesem Kriegszuge in militärischer Hinsicht nicht betheiligt war, machten ihn doch seine frühern Kriegsdienste für die damals an der Küste von Neu-England versammelten Männer zu einem Gegenstand des Interesses. Man hat gesagt, die Expedition gegen Louisbourg, damals der stärkste Platz in Amerika, sei von einem Rechtsgelehrten entworfen, von einem Kaufmann geführt und geleitet, und von Bauern und Handwerkern ausgeführt worden; aber wenn dieß auch im Ganzen seine Richtigkeit hatte, so erlitt doch die Regel manche Ausnahmen. Es waren viele alte Soldaten, welche bei frühern Kriegen auf diesem Continent gedient hatten, und unter ihnen befanden sich einige alte Bekannte meines Großvaters. Mit diesen verbrachte er manche fröhliche Stunde vor dem Tage der Abfahrt, und ich habe seither oft gedacht: nur meine Anwesenheit habe ihn abgehalten, sich auch auf der Flotte einzuschiffen. Der Leser wird vielleicht denken, ich sei gar jung gewesen, um bei einer solchen Gelegenheit auf eine so weite Reise mitgenommen zu werden, aber es kam so: Meine treffliche Mutter meinte, es seien mir nach überstandenen Blattern einige Krankheitssymptome geblieben, für welche eine Reise wohlthätig seyn möchte, und sie vermochte ihren Schwiegervater mich mit sich zu nehmen, als er im Winter 1744 – 45 seine Heimath verließ um Boston zu besuchen. In jener frühen Zeit war es in diesen Colonien nicht immer eine so leichte und bequeme Sache, eine Ortsveränderung zu machen, und da mein Großvater in einem Schlitten reiste, welcher nach Osten fuhr mit einigen Privatvorräthen, die für die Expedition gesammelt worden waren, bot sich eine günstige Gelegenheit dar, mich mit meinem ehrwürdigen Ahnen fortzuschicken, welcher sehr gutmüthig sich dazu verstand, mich meine Reisen unter seiner eigenen unmittelbaren Obhut und Leitung anfangen zu lassen.
Die Dinge, die ich bei dieser Gelegenheit sah, haben einen wesentlichen Einfluß auf mein künftiges Leben gehabt. Ich habe eine Neigung zu Abenteuern gefaßt, und besonders zu kriegerischem Gepränge und Glanz, welche mich nachher mehr als einmal in schwierige Lagen brachte. Capitän Hugh Littlepage, mein Großvater, war entzückt über Alles was er sah, bis die Expedition unter Segel gegangen war, wo er zu brummen und zu schelten anfing über die religiösen Ceremonien und Gebräuche, welche die Frömmigkeit der Puritaner mit ihrem meisten sonstigen Thun und Treiben verband. Gewiß betrachtete uns das Volk von Neu-England als nicht viel besser denn Heiden, und thut es vielleicht noch; während wir von New-York sie als frömmelnde Schwätzer und Salbader, und in notwendiger Folgerung als Heuchler ansahen, und nach Allem, was mir bekannt ist, auch wohl noch jetzt diese Ansicht haben mögen. Ich maße mir nicht an zu entscheiden, welche Partei Recht hat; doch hat sich mir oft der Gedanke aufgedrängt, es wäre besser, wenn Neu-England etwas weniger Selbstgerechtigkeit besäße, und New-York etwas mehr Gerechtigkeit ohne das Selbst. Jedoch was Pfunde, Schillinge und Pence betrifft, werden wir ihnen niemals den Rücken kehren, da wir im Ganzen in Geldsachen wohl eher das zuverläßigere Volk unter beiden seyn dürften, zumal in allen solchen Fällen, wo man sich Habe und Gut des Nachbars zueignen kann, ohne gerade zu absolut gewaltthätigen Mitteln zu greifen. Dieß ist jedenfalls die Ansicht in New-York, mögen sie auf dem andern Ufer des Byram von der Sache denken wie sie wollen.
Mein Vater traf zu Boston einen alten Feldzugskameraden mit Namen Hight; Major Hight, wie er genannt wurde, welcher auch her gekommen war, um die Rüstungen zu sehen, und die alten Soldaten brachten die meiste Zeit mit einander zu. Der Major war von Jersey, hatte zu seiner Zeit etwas ungebunden gelebt und noch manche seiner Jugendneigungen im Alter beibehalten, wie es gar leicht geschieht bei Solchen, die ein Laster hegen und pflegen wie eine Treibhauspflanze. Der Major liebte die Flaschen und trank gewaltig viel Madeira, dessen damals in Boston ein guter Vorrath war, denn er brachte selbst einigen dahin; und ich kann mich unterschiedlicher Scenen erinnern, welche zwischen ihm und meinem Großvater nach dem Mittagsmahl vorfielen, wenn sie im Gasthause saßen und sich über den Verlauf der Dinge und über die Aussichten für die Zukunft besprachen. Hätten die beiden alten Soldaten zu den Truppen der Provinz gehört, in welcher sie sich befanden, so hätte man in jedem Athem einen »Capitän« und »Major« zu hören bekommen; denn in keinem Theile der Erde ist man titelsüchtiger als bei unsern östlichen Brüdern; Man wird sich erinnern, daß Mr. Littlepage vor mehr als siebenzig Jahren schrieb, wo dieser Charakterzug dem Osten ausschließlich gehören mochte; aber der Westen hat jetzt auch Ansprüche darauf. während ich doch glauben muß, daß wir Ansprüche hatten auf ächtere Einfachheit des Charakters und der Sitten, trotzdem daß New-York immer für die aristokratischste unter allen nördlichen Colonien gegolten hatte. Da meine beiden alten Soldaten von früher Jugend an genau befreundet gewesen, nannten sie einander Joey und Hodge, – letzteres nämlich war die Abkürzung von einem der Namen meines Großvaters, Roger, – wenn nicht einfach der Name Hugh zwischen ihnen gebraucht wurde, wie auch bisweilen geschah. Hugh Roger Littlepage, dieß hätte ich früher sagen sollen, war der vollständige Name meines Großvaters.
»Mir würden diese Yankees besser gefallen, wenn sie weniger beteten, mein alter Freund,« sagte eines Tages der Major, nachdem sie sich über die An- und Aussichten der Dinge besprochen hatten, unter die Rauchzüge hinein, die er aus seiner Pfeife that. »Ich kann keinen rechten Nutzen davon absehen, wenn man so viel Zeit verliert, indem man diese Aufenthalte macht um zu beten, wenn der Feldzug einmal ordentlich eröffnet ist.«
»Es war immer so ihre Art, Joey,« versetzte mein Großvater, seine Zeit ersehend, wie dieß bei Rauchern gewöhnlich ist. »Ich erinnere mich noch, wie wir mit einander im Felde standen, im Jahr 17, daß die Truppen von Neu-England immer ihre Pfarrer hatten, welche gleichsam die Rolle von zweiten Obersten spielten. Man sagt mir, Seine Excellenz habe ein wöchentliches Fasten, zum Behuf öffentlicher Gebete, während der ganzen Dauer des Feldzugs befohlen.«
»Ja, Master Hodge, beten und plündern – so machen sie es immer,« versetzte der Major, die Asche aus seiner Pfeife klopfend um sie dann von Neuem zu füllen; eine Beschäftigung, welche ihm Gelegenheit gab, seine Gefühle auszusprechen, ohne doch einen Zug aus der Pfeife zu versäumen. – »Ja, Master Hodge, beten und plündern, – so machen sie es immer. Nun, erinnert Ihr Euch noch des alten Watson der unter dem Aufgebot von Massachusetts war, im Jahr 12? – des alten Tom Watson, der Unterlieutenant war unter Barnwell bei unserem Zuge gegen Tuscarora?«
Mein Großvater nickte bejahend mit dem Kopf, und dieß war die einzige Antwort, die ihm das Geschäft des Rauchens in diesem Augenblicke bequemer Weise zuließ, wenn man nicht eine Art von zustimmendem Brummen als eine Bekräftigung deuten wollte.
»Nun, er hat einen Sohn, der diese Affaire mitmacht; und der alte Tom, oder Oberst Watson, wie er sich jetzt gar gerne nennen hört, ist mit seinem Weib und zwei Töchtern hier, um den Fähndrich absegeln zu sehen. Ich ging hin um dem alten Cameraden einen Besuch zu machen; und ich traf ihn und die Mutter und die Schwestern Alle so geschäftig wie die Bienen, des jungen Tom's Gepäck zum Abmarsch fertig zu machen. Vor meinen Augen lag seine ganze Equipirung, und die günstigste Gelegenheit, sie ganz mit Muße zu besichtigen.«
»Was Ihr auch nach all Eurem Vermögen thatet, sonst wäret Ihr nicht mehr der Jore Hight vom Jahr 10,« sagte mein Großvater, seiner Seits jetzt die Asche ausklopfend und wieder zur Tabacksbüchse greifend.
Der alte Hight dampfte und pustete jetzt wie ein Grobschmid, welcher das Eisen weißglühend zu machen sucht, und es dauerte einige Zeit, bis er die geeignete Antwort vorbrachte auf die halb behauptende halb fragende Bemerkung seines Freundes.
»Dessen dürft ihr gewiß seyn,« sprudelte er endlich hervor; und dann, als seine Pfeife recht brannte, erzählte er die ganze Geschichte, gelegentlich inne haltend, um eine Rauchwolke auszustoßen, um den errungenen Vortheil nicht zu verlieren. »Was sagt Ihr zu einem Halbdutzend Schnüre rother Zwiebeln, als Artikel unter der Ausrüstung eines Subalternoffiziers?«
Mein Großvater brummte wieder in einer Art, die wohl für ein Lachen gelten mochte:
»Und Ihr seyd gewiß, sie waren roth, Joey?« fragte er endlich.
»So roth wie seine Uniform. Dann war da ein Krug, mit Sirup gefüllt, so groß als die Matrosenflasche dort,« und der alte Hight warf einen Blick auf das Gefäß, welches sein Getränke enthielt. »Aber ich achtete darauf kaum, denn ein großer leerer Sack zog gar sehr meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich konnte mir nicht einbilden, wozu der junge Tom einen solchen Sack brauchen könne; aber wie ich die Sache dem Major vortrug, gab er mir sehr offenherzig zu verstehen, daß Louisbourg für eine sehr reiche Stadt gelte, und man könne nicht wissen, was das gute Glück oder die Vorsehung – ja bei George, er sagte, die Vorsehung – seinem Sohn Tommy in den Weg führen möge. Da nun der Sack leer war und er vor der Hand Nichts zu thun hatte, wollten die Mädchen seine Bibel und sein Gesangbuch hineinschieben, als an einen Ort, wo der junge Mann wahrscheinlich darnach sehen würde. Ich glaube fast, Hodge, Ihr habt nie auf irgend einem Eurer zahlreichen Feldzüge weder Bibel noch Gesangbuch bei Euch gehabt?«
»Nein, auch keinen Sack zum Plündern, keinen Sirupkrug, und keine Schnüre rother Zwiebeln,« brummte mein Großvater zur Antwort.
Wie gut erinnere ich mich noch dieses Abends. Eine Fülle von Colonialvorurtheilen und Nachbarsantipathieen kam zu Tage in dem Gespräche der zwei Veteranen, welche eine seltsame Art von geringschätziger Achtung für ihre Mitunterthanen von Neu-England zu hegen schienen; und diese ihrer Seits, davon bin ich überzeugt, bezahlten sie in gleicher Münze, – mit reichlich eben so viel Hochmuth und Tadel und mit manchem Gran Achtung weniger.
An diesem Abend wurden Major Hight und Capitän Hugh Roger Littlepage Beide ein wenig benebelt, indem sie große Pokale auf das Gelingen der »Yankee-Expedition,« wie sie sie nannten leerten, gerade während sie beständige Seitenhiebe auf die Mängel, Schwächen und Gewohnheiten des Volkes führten. Diese Zeichen nachbarlicher Schwäche beschränken sich nicht ausschließlich auf die Bevölkerung der an einander grenzenden Provinzen New-York und Neu-England. Ich habe oft bemerkt, daß die Engländer ziemlich so von den Franzosen denken und sprechen, wie die Yankees von uns sprechen; während die Franzosen, so weit ich im Stande gewesen, ihre etwas schwer verständliche Sprache zu verstehen, – die nie einen Anfang und nie ein Ende zu haben scheint, – die Engländer als die Puritaner der alten Welt behandeln. Wie ich bisher schon zu verstehen gegeben, wir in New-York waren in meinen jüngern Tagen nicht sehr ausgezeichnet durch Religiosität, während ich mich ganz richtig so ausdrücken darf, die Religion sey bei unsern östlichen Nachbarn etwas sehr in die Augen Fallendes gewesen. Ich erinnere mich von meinem Großvater gehört zu haben, er sey bekannt gewesen mit einem Oberst Heathcote, einem Engländer von Geburt, wie er selbst, dem Bruder eines gewissen Sir Gilbert Heathecote, welcher früher einen hohen Posten bei der Bank von England bekleidete. Dieser Oberst Heathcote kam noch jung unter uns, heirathete hier, und ließ Nachkommenschaft zurück; er war Besitzer des Gutes Scarsdale und Mamaroneck in unserer Grafschaft Westchester. Nun, dieser Oberst Heathcote erzählte meinem Großvater, wie sie über die Religion sich besprachen, daß er bei seiner Ankunft in der Colonie sich sehr entsetzt, als er den verwahrlosten Zustand der Religion in diesem Lande entdeckt habe; ganz besonders auf Long Island, wo die Leute in einer Art von Heidenthum lebten. Da er ein Mann von Auszeichnung war und in Verbindung mit der Regierung stand, wandte sich die Gesellschaft für Ausbreitung des Evangeliums in fremden Ländern an ihn, damit er ihr Beistand leiste, die Wahrheiten der Bibel in der Colonie zu verbreiten. Der Oberst willigte sehr gern ein; und ich erinnere mich von meinem Großvater gehört zu haben, sein Freund habe ihm von der Antwort erzählt, die er jenen guten Männern in England gegeben. »Ich war so betroffen über den heidnischen Zustand des Volkes bei meiner Ankunft hier,« schrieb er ihnen, »daß ich als Befehlshaber der Miliz der Colonie, die Capitäne der verschiedenen Compagnien anwies, ihre Leute jeden Sonntag mit Sonnenaufgang zusammen zu berufen und sie einzuüben bis Sonnenuntergang; wenn sie sich nicht dazu verständen, sich an einem geeigneten Ort einzufinden und das Morgen- und Abendgebet anzuhören, so wie auch zwei erbauliche Predigten, vorgetragen von einer dazu geeigneten Person, in welchem Falle die Leute entschuldigt seyn sollten, beim Exerciren zu erscheinen.« In Beziehung auf diese Erzählung kann der Herausgeber versichern, daß er einen veröffentlichten Brief gelesen vom Oberst Heatchcote, welcher vor mehr als hundert Jahren zu Mamaroneck, in der Grafschaft West Chester gestorben, worin dieser Gentleman der Gesellschaft für die Ausbreitung des Evangeliums Rechenschaft ablegt von seinem Verfahren, welche beinahe wörtlich übereinstimmt mit der Erzählung des Hergangs, wie sie Mr. Cornelius Littlepage hier gibt. Das Haus, in welchem Oberst Heatchcote wohnte, wurde kurz vor der Revolution vom Feuer verzehrt; aber das Gut, auf welchem es stand, und das jetzige Gebäude gehören noch in diesem Augenblick seinem Urenkel, dem hochwürdigen William Heatchcote de Lancey, dem Bischof vom westlichen New-York.
Was das Plündern anbelangt, so will der Herausgeber hier nur bemerken, daß ein naher Verwandter, dessen Großvater bei der Einnahme von Louisbourg Major war, und nachmals einer der ersten Brigadiers, welche 1775 ernannt wurden, ihm neulich einen Brief gezeigt hat, welcher an jenen Offizier während der Expedition von seinem Vater geschrieben wurde; worin sich, neben vielen frommen Räthen und wirklich trefflichen religiösen Ermahnungen, auch eine sehr lebhafte Erkundigung nach den Ergebnissen der Plünderung findet.
Der Herausgeber.
Ich glaube, daß man dieß in Neu-England wenigstens nicht nöthig finden würde, wo viele Leute vermuthlich das Exerciren dem Predigen vorziehen würden.Aber all dieß Geplauder von dem moralischen Zustand der benachbarten Colonien New-York und Neu-England führt mich von meiner Erzählung ab, und erregt geringe Hoffnungen für den Zusammenhang und das Interesse des übrigen Manuscripts.