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Was ich hier niederschreibe, hoffend, daß es nach dem Willen Gottes in die richtigen Hände gelange, habe ich, Sennon Vorauf, in jenem körperlichen Dasein erlebt, das meinem jetzigen Leben vorausging. Diese Erinnerungen sind mir durch eine besondere Begnadung über jene Verwandlung hinaus, die man Tod nennt, geblieben.
Bevor ich dies erkannte, litt ich unter ihnen und hielt sie für unerklärliche, qualvolle Arten von Träumen. Nebenbei hatte ich aber auch im Leben des Tages allerlei Erschütterungen ungewöhnlicher Art durchzumachen. Es geschah zum Beispiel, daß mich der Stundenschlag einer alten Uhr, der Anblick einer Landschaft, ein Duft, die Weise eines Liedes oder auch nur eine Wortverbindung auf das heftigste mit dem Gedanken überfielen, ich hätte dies ganz bestimmt schon einmal gehört, gesehen, eingeatmet, irgendwie erlebt, ich sei an diesem oder jenem Ort, den ich im jetzigen Leben zum erstenmal erblickte, schon einmal gewesen. Ja, häufig genug wurde ich im Gespräch mit neuen Bekannten auf das stärkste von der Vorstellung ergriffen, daß ich mit ihnen schon einmal in ganz besonderen Beziehungen gestanden sein müsse. Da es mir vor dem Eintreten der Erkenntnis unmöglich war, für solche unbeschreiblich erregende Gemütsbewegungen aus scheinbar nichtigen Anlässen eine natürliche Erklärung zu finden, verfiel ich zum Kummer meiner Eltern oft in stundenlange Grübeleien, deren unbekannte Ursache sie nicht wenig beunruhigte. Aber durch die häufige Wiederholung und immer schärfer werdende Bildhaftigkeit der Geschichte wurde mir bereits im Knabenalter bewußt, daß sie nichts anderes als Spiegelbilder von Schicksalen seien, die meine Seele in einem anderen Leibe erlitten hatte, und zwar vor der Geburt meines jetzigen Körpers; zudem stellten diese »Träume« Erlebnisse dar, die meinem jetzigen Gedankenkreis völlig fremdartig und erschreckend fernstehend waren. Nie hatte ich dergleichen gehört oder auch nur irgendwo gelesen oder sonstwie erfahren. Ich begann von selbst diese »Träume« aufzuzeichnen und erreichte dadurch, daß fortan in gewissen günstigen Augenblicken auch des sogenannten Wachseins sich solche Erinnerungen mit außerordentlicher Genauigkeit einstellten.
Immer deutlicher und zusammenhängender ergab sich aus diesen »Klar-Träumen« (wie ich sie bei mir nannte) das Gesamtbild eines Lebens, das ich vor diesem unter dem Namen eines deutschen Edelmannes (ich will ihn hier Melchior Freiherr von Dronte nennen) geführt und beendigt hatte, als der Leib der Umwandlung verfiel und die jetzt in Sennon Vorauf wohnende Seele, meine Seele, frei wurde.
In das friedliche und mit innerer Ruhe gesegnete Leben, das ich führe, brach störend, verwirrend und erschreckend die Rückschau auf das wilde und abenteuerliche Dasein Melchior von Drontes ein. Was er verschuldet, war meine Schuld, und wenn er sühnte, so sühnte er für die Seele, die wiederkam, für seine und also meine Seele.
Ich bin mir zwar vollständig bewußt, daß viele dieses Buch mit ungläubigem Lächeln, ja stellenweise vielleicht mit Ekel und Abscheu lesen werden. Aber ich hoffe zugleich, daß die Zahl der Menschen von tieferem Empfinden groß genug ist, um diese Niederschrift nicht untergehen zu lassen. Denen, die sich an Einzelheiten aus früheren Daseinsformen zu erinnern vermögen, die sich also eines vorhergegangenen Lebens bewußt sind, möchte ich dieses Buch zueignen.
Ebenso wie ich den wirklichen Namen, den ich führte, durch »Dronte« ersetzte, habe ich verschiedene Personen, deren Nachkommen leben, mit erfundenen Namen bedacht. Zudem streife ich hier die Tatsache, daß ich Menschen in diesem Leben wiederfand, die ich aus der Zeit vor meinem Tode kannte. Die meisten von ihnen waren sich eines früheren Daseins keineswegs bewußt. Dennoch gab es im Zusammensein mit ihnen Augenblicke und Gelegenheiten, die deutlich erkennbar blitzartige Erinnerungen, sekundenrasches, gleich wieder zerfließendes Wiedererkennen in ihnen aufflackern ließen, ohne daß es ihnen gelungen wäre, solche beunruhigende Gefühle zu bestimmen oder Entgleitendes festzuhalten. Damit sage ich denen, die gleich mir Teile eines früheren Bewußtseins in das neue Leben hinübergerettet haben, gewiß nichts Neues.
Die rohe, derbe und oft grobsinnliche Art der folgenden Lebensbilder konnte ich schon aus Wahrheitsliebe nicht mildern, so unerfreulich und verletzend manches wirken mag. Es war mir nicht darum zu tun, durch beschönigende und geglättete Form die furchtbare Deutlichkeit zu verschleiern, mit der die Erinnerungen in mir auftauchten, und so ein angenehm lesbares Buch zu schreiben. Es mußte alles so bleiben, wie es war und wie es eine Zeit formte, deren Geist von dem der unsern verschieden war.
Aus tiefstem, eigenstem Gefühl soll aber dieses Buch die Unsterblichkeit der Seele bekennen und dieses Bekenntnis womöglich in anderen erwecken. Vor allem beseelt mich die Hoffnung, daß denen, die an die Wanderung der Seele nach dem Tode des Leibes glauben, in diesem Buche nicht ganz wertlose Fingerzeige gegeben werden. Anderen, die auf dem Wege, den ich gegangen bin, noch nicht fortgeschritten sind, mag es wenigstens um seines bunten Inhaltes willen nicht verhaßt sein.