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Nick und Mad kamen spät abends an Bord, gerade bevor der Kanonier die Retraite blies. Kapitän Wilson hielt nämlich angesichts der kleinen koketten Kanonen auf der »Antelope« streng auf seemilitärische Sitten.
Zeitig am nächsten Morgen, nachdem das Spülen und andere Arbeit erledigt waren, nahm Nick die Gelegenheit wahr, um seinen neuen Freund mit den Einzelheiten auf dem herrlichen Schiff bekannt zu machen, mit der Takelung, der Raumverteilung und allem anderen. Schließlich kam die Reihe an die Menagerie, bestehend aus Chinesen und anderen lebendigen Tieren. Nick stellte sie dem staunenden Mad vor, wie sie sich in seinem eigenen derben und nüchternen Schottengehirn spiegelten.
Als Dull, im Begriff einen Auftrag des Kapitäns auszuführen, pfeifend vorbeiging, lauschte er einen Augenblick Nicks Vortrag, und als der Schotte um Bekräftigung bat, nickte er, machte eine kleine Bemerkung und ging mit der Beschützermiene weiter, die ihm als Vertrauten des Kapitäns anstand. Ihm hatten die beiden Burschen es zu verdanken, daß sie an Bord der »Antelope« Heuer bekommen hatten, und ganz leicht war es nicht gewesen, denn der Steuermann hatte zuerst nichts von Nick wissen, sich seiner nicht erinnern wollen, bis Nick mit der Mütze in der Hand unter Dulls Augen mit schwerster Überwindung seines schottischen Starrsinns die Entschuldigung vorbrachte, die Dull ihn gelehrt hatte. Zum Glück war der Kapitän gerade vorbeigegangen und hatte den Fall zu seinen Gunsten entschieden.
Das Schiff war geladen mit Hoffnungen, Spekulationen, Wünschen und Träumen, Kanonen und Munition und außerdem mit einem Ziegenbock, einer trächtigen Ziege, einem jungen Ochsen, einer Kuh mit ihrem Kalb, drei jungen Hähnen und vierzehn Hühnern, einem Gänserich, drei Gänsen und zwei Hunden: einem Neufundländer, »Sailor« genannt, einem herrlichen Wasserhund mit schwarzem Fell und klugen, ausdrucksvollen Augen, und einem rotbraunen Setter, der auf den Namen »Nobody« hörte. Außerdem gab's zahllose Schiffsratten und alle jene intimen Haustiere des Menschen, deren Bestimmung im menschlichen Haushalt bisher noch niemand erkannt hat.
Über dieses schwimmende Reich, das bald von neuem einem ungewissen Schicksal auf dem Meere entgegengehen sollte, war Kapitän Henri Wilson unbeschränkter Herrscher. Er war ein hochgewachsener Mann von siebenundvierzig Jahren, mit einem glattrasierten, fest geschlossenen Mund, wortkarg und würdevoll. Seine Stirn war gewölbt, er hatte hängende Backen, der Kopf saß steif und ernst auf der strammen, weißen Halsbinde.
James Cook, der seit vier Jahren tot war, hatte ihm stets als Muster vorgeschwebt, und er gab sich der Hoffnung hin, daß es noch unbefahrene Meere und unentdeckte Erdteile gäbe. Jene glückliche Insel, wo alle guten Dinge dem Menschen in den Schoß fielen, lag jedenfalls noch irgendwo auf dem Meere und wartete darauf, daß ein begnadetes Schiff durch einen vom Himmel gesandten Passatwind auf seine lächelnde Küste geworfen würde. In London hoffte man im geheimen auf diese Insel, der Hohe Rat der Gesellschaft rechnete schon mit ihren Produkten, an der Börse wurde darin spekuliert; und in dem leichtsinnigen Frankreich träumte sogar die Königin von ihr und führte mit ihren Hofdamen ein Spiel auf, als sei die Insel bereits entdeckt und in die Gärten von Versailles überführt.
Kapitän Wilson war unter vielen Schiffsführern (ein blindes Werkzeug in der Hand der weitblickenden Kompanie) für den Vorposten im Fernen Osten ausersehen. Vorerst war er nach der Insel Makao, die Seiner Portugiesischen Majestät gehörte, geschickt worden, wo ihn ein versiegelter Befehl in dem Büro der Kompanie erwartete. Es war eine willkommene Aufgabe für den ehrgeizigen und pflichtgetreuen Mann, und die »Antelope«, die nicht weniger edel und empfindsam war, wurde von den Vorbereitungen angesteckt, so daß sie bis in ihre Kanonenmündungen erzitterte, wie sie dort lag und mit dem Achterkastell auf und ab wippte, konnte ein jeder ihr ansehen, daß sie zu etwas Höherem bestimmt war.
Nicht nur, daß Kapitän Wilson die offenen und geheimen Pläne der Gesellschaft aufs beste ausführte, er war auch ein guter, fürsorglicher Vater. Sein Sohn, ebenfalls Henri mit Namen, sechzehn Jahre alt, machte die Reise mit, denn der Kapitän nährte im geheimen die Hoffnung, sein Sohn würde das Werk seines Lebens weiterführen. Henri der Zweite war ein hübscher Junge mit ererbten Wilsonschen Tugenden, blauäugig, mit Abenteuererzählungen (Life and strange surprising adventures of Robinson Crusoe) vollgestopft, und tat als jüngster Kadett auf dem Schiff Dienst. Wie Henri der Erste trug auch er an Sonn- und Feiertagen einen Anzug aus bestem englischem Tuch mit blanken Knöpfen; in diesem Gefieder waren sie über jede Alltagsarbeit erhaben.
Auch ein jüngerer Bruder des Kapitäns befand sich an Bord. Man konnte Matthias Wilson keinen erstklassigen Vertreter der Familie Wilson nennen, er war im Gegenteil die Ausnahme, die jede Regel bestätigt, er war weder würdevoll, noch sah er gut aus, im Kopf hatte er nicht viel, dafür aber wuchs ihm ein mächtiger Bart; er hatte dunkle Augen, mit denen er auf halb schelmische, halb mürrische Art zu zwinkern pflegte. Tatsache war, daß er in französischen Kriegsdiensten gestanden hatte, doch hatte er, soviel in der Familie bekannt war, nichts anderes von diesem Kreuzzug mit heimgebracht als eine Narbe auf der linken Wange.
Der Kapitän, der sich seines jüngeren Bruders nie ganz sicher fühlte und es ratsam fand, ihn stets im Auge zu behalten, hatte ihn als Bootsmann angestellt, obgleich er, seiner maritimen Ausbildung gemäß, nur recht und schlecht Matrose war. Dafür erwartete er allerdings, daß Matthias ihn über alles, was auf dem Vorderdeck vorging, wo die Besatzung ihr internes Leben lebte und in kritischen Augenblicken das Schicksal manches Schiffes von einem blinden Instinkt, der vielleicht die Stimme Gottes war, entschieden wurde, auf dem laufenden erhielt.
John Sharp, Schiffsarzt und Chirurg Seiner Majestät, war ein kleiner Mann von ungefähr vierzig Jahren, mit einem großen Kopf; sein Haar war bereits durch vieles Studieren und vielleicht auch durch ehemalige Leidenschaften ein wenig gelichtet; als Junggeselle und Arzt aber fehlte es ihm nicht an dem erforderlichen Gleichgewicht zwischen Pflicht und Lust. Den Kranken gegenüber trat er energisch auf, war aber gutmütig und kannte keinen Standesunterschied; er legte großen Wert auf gutes Essen und noch mehr auf einen guten Tropfen. Dr. Sharp gegenüber konnte Kapitän Wilsons Würde schwer standhalten; sie waren beide leidenschaftliche Schachspieler, und das Schachbrett führte sie nach kleinen Zusammenstößen immer wieder zusammen, weil kein anderer da war, mit dem sie spielen konnten.
William Dewis war der einzige Passagier auf dem Schiff. Er war ein vierzigjähriger, wohlhabender Junggeselle, mit runden, fröhlichen Augen in einem vollen, rotbäckigen Gesicht; er war ganz und gar mit seinem eigenen freundlichen und wohlwollenden Ich beschäftigt, sein Äußeres war immer zierlich und patent. Er besaß eine Vorliebe für die Natur, vom Sternenhimmel bis zu den niedrigen Formen der Tier- und Pflanzenwelt, seine Begeisterung war leicht geweckt. In seiner Villa in Greenwich besaß er ein hübsches kleines Observatorium, das sein Onkel, ein verdienstvoller Schiffsführer der Kompanie, ihm hinterlassen hatte. Da Dewis außerdem für Porträt- und Landschaftszeichnung begabt war, lag es nahe, daß er sich für die Weltumseglung gemeldet hatte, als man im Klub davon munkelte, daß Kapitän Wilson dazu ausersehen war, den neuen Schoner »Antelope« nach Makao zu führen, wo versiegelte Befehle seiner warteten. Allerdings hatte Dewis trotz seiner romantischen Veranlagung in seiner Jugend nie daran gedacht, zur See zu fahren. Doch war er stets ein großer Anhänger von James Cook gewesen; als Astronom hatte er den großen Seehelden bewundert, der sich seine ersten Sporen dadurch verdiente, daß er mit einem Schiff der Regierung nach Tahiti fuhr, um die Venus in dem Augenblick, als sie quer über die Sonnenscheibe wanderte, zu beobachten; es war am 3. Juni 1796. Ein Liebhaber der Astronomie wie William Dewis hätte Jahre seines Lebens für solch köstlichen Augenblick hingegeben, aber ach, es war ihm nicht vergönnt, denn die Himmelskönigin würde dies erst in 105 Jahren wiederholen, das wußte er als Astronom nur zu gut.
Madan hatte sich kaum an Dewis' ausgeprägter Zivilistenerscheinung satt gesehen – er saß in seinem Deckstuhl mit der großen Tombatuhr in der Hand, um festzustellen, ob die Sonne pünktlich unterging –, als er zwei Kadetten unter der Kommandobrücke auftauchen sah. Im selben Augenblick erklang ein Gebrüll aus der offenen Luke, wo die Chinesen in einem Haufen beisammensaßen und ihren Abendreis mit Stäbchen verzehrten.
Als Madan den Kopf wandte, sah er, wie der eine der beiden Kadetten, ein derbgliedriger Bursche mit einem sommersprossigen Gesicht, hastig etwas unter seine Jacke versteckte.
Madan faßte Niclas am Arm und platzte vor Lachen. Er hatte das Ende einer Spritze unter der Jacke gesehen, der Kadett hatte den Reis eines alten spindeldürren Chinesen mit Salzwasser überspritzt; der Chinese wandte sein flaches, schiefäugiges Gesicht verblüfft aufwärts, und als er sich darüber klargeworden war, daß nicht das Meer an dem stillen Abend Wellenspritzer über Bord sandte, hatte er das Gebrüll ausgestoßen.
»Das ist Richard Sharp«, erklärte Niclas, »der Neffe des Arztes. Henri, der Sohn des Kapitäns, und er sind Schulkameraden. Wilson hat den ganzen Tag nichts anderes als dumme Streiche im Kopf, die er mit würdevollem Gesicht Richard mitteilt, der sie ausführt; wird dieser vergnügte Lümmel dabei entdeckt, bekommt er allein die Schuld, auf den Sohn des Kapitäns fällt natürlich kein Verdacht. So war es schon in der Schule, Richard bewundert Henri über alles in der Welt, und als Henri mit dem Schiff seines Vaters fahren sollte, ließ er nicht locker, bevor er auch mitkam.«
Aber auch ein anderer hatte beobachtet, was Madan gesehen hatte. Der Erste Steuermann, Philippe Benger, der Irländer von der Westküste, war gerade von der Brücke heruntergekommen, wo der Zweite Steuermann ihn abgelöst hatte. Die beiden Jungen versuchten sich schleunigst zu drücken, als Richard aber über die Ankertrosse steigen wollte, die halb aufgerollt auf der Backbordseite lag, faßte Benger ihn am Kragen. Henri versuchte ihm geschickt ein Bein zu stellen, Benger aber hielt Richards Eselsohr mit eisernem Griff fest. Man hörte ein Klatschen und einen Fluch, Richard wälzte sich in dem Loch der Trosse, wo Benger ihn nicht mehr erreichen konnte.
Henri nahm als Kapitänssohn eine würdevolle Haltung ein. »What's the matter, sir?« fragte er streng. Aber es half ihm nichts; denn obgleich der Ire angesichts der Ähnlichkeit des Knaben mit dem Kapitän unwillkürlich stramm stand, so ließ er sich doch nichts weismachen. Er bekam einen roten Kopf, biß sich in die Oberlippe mit dem kleinen kurzen Schnurrbart, griff nach der Spritze und warf sie eins, zwei, drei über die Reling.
Ohne eine Erklärung zerrte der Steuermann Richard aus dem Trossenloch und verabreichte ihm zwei gehörige Ohrfeigen, wovon die eine, das war unverkennbar, Henri zugedacht war, der sich außer Schußweite befand und in kampfbereiter, würdiger Haltung dastand, die der seines Vaters so sehr glich – das wußte der Schlingel –, daß Benger sich hütete, die Züchtigung mit einem feindlichen Wort zu begleiten, das später gegen ihn gewendet werden konnte. Denn der Kapitän sah mit großem väterlichem Respekt zu Henri dem Zweiten auf; der Junge pflegte allen väterlichen Vorwürfen mit einem überlegenen Achselzucken zu begegnen, als wollte er sagen: »Henri, demütige nicht den wehrlosen Träger und Erben deines großen Namens.«
Madan betrachtete die beiden Burschen mit glühendem Interesse, während der Erste Steuermann davonschlich – er hatte etwas Schleichendes in seinem Gang, wie Madan feststellte.
»Im Navigieren ist ihm keiner über«, versicherte Nick mit schottischem Gerechtigkeitsgefühl.
Benger war ein Streber; er stammte aus einem kleinen Seemannsheim in Greenwich, war fleißig, aufmerksam, nüchtern, katzbuckelte nach oben, war unbeliebt bei Untergebenen; man sagte ihm Härte und Neid nach. Der Kapitän konnte in ihm wie in einem offenen Buch lesen und verwandte ihn zu allerhand unangenehmen Geschäften, während er selbst in seiner Glorie dastand. Benger hatte sich an seinen Uriasposten gewöhnt und knurrte nicht mehr; wandte der Kapitän aber, mild und gnädig, den Rücken und ließ die Verantwortung auf Bengels Schultern ruhen, so blickte dieser ihm mit haßerfülltem Blick nach und hob seine mageren Hände, als wolle er den Himmel in seiner Not zum Zeugen gegen dieses üble Komödienspiel aufrufen.
Benger verabscheute Chinesen, konnte die Luft nicht vertragen, die an klaren Abenden aus dem, engen Raum drang, wo die sechzehn Chinesen nicht Platz genug hatten, um sich zu strecken; als gewissenhafter und pflichterfüllender Steuermann aber erlaubte er nicht, daß einer der Besatzung ihnen auf den Kopf oder in ihr Essen spuckte oder sie mit einer Zange an ihrem Zopf nach oben zog, ein beliebter Sport auf vielen Chinaschiffen.
»Wer ist das?« fragte Madan und zeigte auf eine hagere Gestalt, die auf dem Ankerspill hockte und mit träumenden Augen zur Praya grande hinüberblickte, die im letzten violetten Schein der untergehenden Sonne lag. Der Mann trug einen alten portugiesischen Uniformrock, eine Schärpe um den Leib, eine schwarze Mütze auf dem rabenschwarzen Haar, enganliegende Hindubeinkleider mit Querfalten und Sandalen. Das Gesicht war olivenfarben wie die Haut der im Osten geborenen Portugiesen, eine schmale Nase zwischen ängstlich blickenden Augen, die so schwarz waren wie der Nachthimmel. Als er sich beobachtet sah, drehte er den Kopf mit einem Blick wie ein Weiser, der sich die Welt drei Schritte vom Leibe halten will, und machte eine Bewegung mit seiner rassefeinen Hand, als ob er sich eine Fliege von der Backe fächelte (vielleicht war es wirklich eine Fliege); sein blasser Mund hatte einen Zug von Melancholie, den Ausdruck eines Ehrenmannes, der aus seinem Vaterland ausgewiesen ist.
»Ein Bengale«, erklärte Niclas, »Thomas Rose heißt er. Er ist aus der höchsten Kaste und darf kein Fleisch essen. Wenn die beiden Burschen« – er zeigte auf Henri und Richard, die wieder etwas vorhatten – »sich vor ihm aufstellen und ihre Würste essen, dann kehrt sich alles in ihm um, als ob er zusähe, wie jemand eine tote Ratte ißt. Die Offiziere dulden ihn nicht in der Messe, und für die Gesellschaft der Unteroffiziere fühlt er sich viel zu vornehm, darum schwebt er so zwischen Himmel und Erde.« Nick machte eine bezeichnende Handbewegung. »Wir haben ihn in Kalkutta an Bord genommen, er ist Dolmetscher, hat viele Jahre unter Malaien auf den Inseln gelebt; ich glaube, er hat sich mal in Bengalen etwas zuschulden kommen lassen, denn ein Hindu aus der höchsten Kaste rührt sonst keinen Hund von einem Malaien an.«
Madan überlegte eine Weile und fragte nachdenklich:
»Habt ihr schon Gebrauch vom Dolmetscher gemacht?«
»Nein, wir sind von Kalkutta geradeswegs nach Makao gesegelt.«
»Du sollst sehen«, Madan strahlte über das ganze Gesicht, »es gibt eine Entdeckungsreise! Wozu braucht der Kapitän einen Dolmetscher, falls wir auf der Heimreise nur die bekannten Häfen anlaufen?«
Nick bekam plötzlich Respekt vor dem Grünschnabel, den er aus den Armen der blinden Bi-Fi gerettet hatte. Das war ja klar wie Kloßbrühe, was wollte der Kapitän mit einem malaiischen Dolmetscher, falls die »Antelope« nicht fremde Gewässer befahren sollte?
»Dumm bist du nicht«, meinte er voller Bewunderung.
Die Sonne war inzwischen untergegangen, und Arm in Arm begaben die beiden Kameraden sich in den Mannschaftsraum zur Freiwache.
»Guck mal den da«, flüsterte Nick, als sie an einem ältlichen Matrosen vorbeigingen, der rittlings auf der Reling saß und vor sich hinmurmelte.
»Der heißt Wilson, wie der Kapitän, Thomas Wilson, und ist es wahr, was er fabelt, wenn er betrunken ist, so ist er ein heimlicher Verwandter des Kapitäns. Der Kapitän läßt ihn nicht hochkommen, sagt er, einer Frauenzimmergeschichte wegen oder dergleichen. ›Ich will mir die Zunge nicht verbrennen‹, sagt er, ›aber eigentlich hätte ich das Schiff führen müssen, falls alles mit rechten Dingen zugegangen wäre. Und dieser Matthias, den er zum Bootsmann gemacht hat, obgleich er auf der »Mermaid« nur Kartoffeln geschält hat, der ist ebensowenig sein Bruder wie ich selbst. ›Er soll sich hüten‹, sagt Thomas, wenn er betrunken ist, ›eines Tages, wenn der Direktor an Bord kommt, werde ich, Thomas E. Wilson, mit der Mütze in der Hand vor ihn hintreten und sagen: »Mylord, gestatten Sie, daß ein einfacher Mann, dem Unrecht geschehen ist«‹ – mehr sagt Thomas nicht, er hütet seine Zunge. Und er sagt es nur, wenn er betrunken ist, dann schiebt er die Schultern in die Höhe und hat tatsächlich Ähnlichkeit mit dem Kapitän. Wenn er Kapitän Wilson auf Deck begegnet, grüßt er mit betrübter Miene und seufzt, als wollte er fragen, warum er seinen leiblichen Vetter oder Bruder, oder was er sonst ist, nicht hochkommen läßt.«
»Also ein Verrückter!« meinte Madan und lachte.
Nick betrachtete seinen neuen Kameraden wieder bewundernd, weil er gleich das Richtige erkannt hatte; er selbst war immer im Zweifel gewesen, ob nicht doch etwas dran sei; man hörte soviel von der Schlechtigkeit der Menschen. Madan aber hatte gleich festgestellt, daß Thomas Wilson ein versoffener Idiot sei.
»Kannst du den da bei der Wassertonne sehen? Er zündet sich gerade eine Pfeife an, das ist der Oberkanonier John Blanch, ein Krieger von der richtigen Sorte; er hat seinerzeit Cook begleitet, als sie nach Tahiti fuhren und ein Gespenst am Himmel, eine Art Halbgöttin, Venus genannt, betrachten wollten; sie zeigte sich nur ein einziges Mal, am 3. Juni; laß dir nur an einem Sonntagnachmittag von ihm erzählen, wenn er erst loslegt, hört er gar nicht wieder auf.«
Nick schnupperte durch die Luft, es war fast windstill, dennoch zog ein herrlicher Bratenduft von dem Mittagstisch des Kapitäns nach vorn. Gleich darauf tauchte der weiße Leinenrock des Kochs Jack Swift in der Kajütentür auf. Er balancierte mit einer zugedeckten Schüssel, von der der wunderbare Duft ausging, auf die Messetreppe zu.
»Der gemeine Hund!« sagte Nick mit Überzeugung, »er ist der größte Geizkragen des ganzen Königreichs. Jetzt kannst du nur seine weiße Jacke sehen, aber warte nur bis morgen! Er hat zwei Rosinen in seinem fettglänzenden Gesicht, sein Kopf ist so rund wie ein Kohlkopf mit blonden Locken, er dampft und stöhnt immer vor Hitze, und wenn er mit seinen dicken Lippen lächelt, sieht man die häßlichen Pferdezähne. Er ist so fett, weil er alle Reste lieber selbst frißt, als sie einem anderen zu gönnen; sogar Sailor und Nobody beklagen sich über ihn.«
Im selben Augenblick kamen die Hunde von achtern angesprungen, als hätten sie gehört, daß von ihnen gesprochen wurde. Sie hatten Nick nicht an Bord gehen sehen, darum gab es jetzt eine freudige Willkommensszene. Während der Neufundländer an Nick hochsprang und ihm das Gesicht leckte, bellte Nobody den neuen Mann an, bis Nick ihn Madan vorstellte, indem er ihm empfehlend die Schulter klopfte; nachdem der Hund sich davon überzeugt hatte, daß Madan so roch, wie ein neuer Mann riechen muß, durfte Madan ihm ins Maul gucken und das Fell streicheln; damit war ihre Freundschaft besiegelt.
Das erste, was Madan sah, als er am nächsten Morgen seine Nase aus der Mannschaftskajüte steckte; waren zwei lange Jungen von ungefähr fünfzehn bis sechzehn Jahren. Sie waren blaß und schmächtig, trugen blaue Röcke mit Metallknöpfen, Kniehosen und gelbe Strümpfe; sie hatten weder Hut noch Mütze auf ihrem langen, blonden Haar.
»Morgen, Jungen!« sagte Dulton, der hinter Madan aus der Kajüte stieg.
Die Knaben drehten sich um und grüßten die beiden, als seien sie Chorknaben bei einer Morgenmesse.
Madan betrachtete sie erstaunt, sie aber nahmen keine Notiz von ihm.
»Das sind die Christ-Church-Knaben James und Edward«, sagte Dulton, der gern jede Gelegenheit ergriff, um andere zu belehren, »es sind Kinder armer Eltern vom Christ-Church-Hospital in der City, Erziehung und Verpflegung bekommt man dort umsonst, aber wie du siehst, wird man nicht fett dabei. Wir nennen sie die Waisenhausjungen«, fuhr er fort, als lese er aus einem Schulbuch vor, »diese beiden machen ihre erste Seereise; wenn die Reise beendet ist, werden sie abgeliefert, und wir bekommen ein paar andere; es geht der Reihe nach. Im großen ganzen sind es nette Jungen, haben sie ihre Verlegenheit erst überwunden; der eine hat schon rudern gelernt« – Dull pfiff zwischen den Zähnen –, »der andere, der längste, sollte dem Koch in der Küche zur Hand gehen, aber es zeigte sich, daß er linkshändig ist und nicht dazu taugte; jetzt putzt er Kompasse und Griffe und anderes Zeug aus Tombak. Die armen Bengel können einem leid tun, bisher sind sie den ganzen Tag, am Morgen, Mittag und Abend, mit Gebeten und Kirchengesang gepäppelt worden. Man hat seine liebe Not, ihnen die beiden Kadettlümmel vom Leibe zu halten, sie sind den beiden immer auf dem Nacken, weil sie im Hospital nicht lernen, sich zu wehren; sie dürfen sich nicht hauen, aller Streit wird mit Gebetbüchern und dergleichen beigelegt.«
»Da brat mir einer 'nen Storch«, sagte Madan und wunderte sich, daß es Wesen gab, die nicht gelernt hatten, sich mit der Faust zu wehren.
Am Nachmittag desselben Tages, es war der 20. Juli 1783, erhielt Kapitän Wilson seine Papiere und versiegelten Befehle in dem Büro des Superkargos ausgehändigt. Nach einem feierlichen Abschied begab er sich an Bord, von dem Superkargo, Kollegen und Bekannten, die sich zufällig in Makao aufhielten, begleitet. Zuerst schickte er den Ersten Steuermann in den Lastraum hinunter, wo die Chinesen untergebracht waren, die der Kapitän mit Erlaubnis der Kompanie verwenden konnte, wie er es für gut befand. Der Steuermann kam mit dem Ältesten der Chinesen zurück, und der Kapitän zahlte ihm in Gegenwart der Offiziere das Gehalt pro Kopf aus, das in Makao der übliche Tageslohn war.
Kurz darauf wurde der Anker gelichtet. Der Superkargo, die Kollegen und Freunde gingen von Bord, und die kleinen Kanonenmündungen der »Antelope« spien neunmal Feuer und Rauch als Abschiedsgruß.
Majestätisch, alle Segel gesetzt, glitt die »Antelope« mit ihren vierunddreißig Mann Besatzung und ihren sechzehn Chinesen aus dem Hafen. Noch aber war sie nicht auf die offene See gekommen, als das Wetter, das den ganzen Tag grau und unbeständig gewesen war, anfing bösartig zu werden. Der Wind sprang von der einen Ecke in die andere, so daß der Kapitän gegen neun Uhr den Entschluß faßte, vor Anker zu gehen und abzuwarten, wie das Wetter sich beim Morgengrauen entpuppen würde.
Morgens klärte sich das Wetter auf, und nachdem die »Antelope« vorsichtig zwischen den kleinen Inseln hindurch in die Bucht hinausgesteuert war, spähte Nick, der das Fahrwasser von früheren Reisen her kannte, gespannt über Himmel und Meer und guckte hin und wieder verstohlen zum Kapitän hinauf, der auf der Kommandobrücke stand. Nach einer Weile sah er, daß das Ruder umgelegt wurde, nicht nach Süden, sondern nach Osten, in der Richtung auf das weite, gefährliche Chinesische Meer zu, mit den bekannten und unbekannten Inseln.
Die »Antelope« tanzte auf den Wellen, die einen Augenblick von der Längsseite kamen, und als der Wind die Segel ganz füllte, machte sie einen Luftsprung, als ob auch sie voller Stolz und Erwartung dem großen Unbekannten entgegenginge.
Nick folgte der Fahrt mit größter Aufmerksamkeit, galt es doch zu erraten, welche Segelorder der Kapitän hatte. Daß das Schiff, nachdem die Inseln außer Sicht waren, geradeswegs nach Osten steuerte, bedeutete jedenfalls, daß es nicht den Heimweg einschlug.
Als Nick am vierten Nachmittag, bei dunklem Gewitterhimmel, mit Blitzen am Horizont, den Ausguckmann oben im Mastkorb »Land in Sicht« verkünden hörte und von dem Dritten Steuermann Cummins, der die besten Augen auf dem Schiff hatte, erfuhr, daß man auf die Bashi-Inseln zusteuerte, da pochte sein Schottenherz wie wild, denn dort ging der Weg zu dem Großen oder Stillen Ozean, wo Cook die Inseln gefunden, die er die Gesellschaftsinseln nannte, und wo er die Venus von der Insel Tahiti aus gesehen hatte.
Und richtig, kaum hatte die »Antelope« den Kanal nördlich von der Insel passiert, als der Kurs geändert wurde. Bei Regen und Sturm ging es in südöstlicher Richtung, wie es sich gehörte, falls die Inseln in der Ferne das Ziel waren.
Eines schönen Tages beobachtete der Ausguckmann Vogelscharen und Fischschwärme, die Oberfläche des Wassers zeigte Kräuselungen, hier sah man einen Bambusstamm, dort Kokosschalen treiben; man befand sich in der Nähe einer Insel. Niclas hüpfte das Herz vor freudiger Erwartung. Wollte der Kapitän hier einlaufen? Proviant brauchte man nicht einzunehmen, es war nicht einmal mehr Platz dafür an Bord.
Der Kapitän erschien auf der Kommandobrücke und beratschlagte mit dem Ersten Steuermann, worauf dieser, wortkarg und verdrießlicher als je, den Befehl weitergab. Die Bootsmannspfeife ertönte, und im nächsten Augenblick enterten die Matrosen die Takelage; Segel wurden gerefft, das Ruder umgelegt. Die »Antelope« machte ihre Reverenz vor Wind und Wellen und drehte in einem vollendeten Bogen nach Süden.
Nick atmete tief auf; man würde die Insel nicht anlaufen, das Ziel lag fern, so fern, wie seine Gedanken nicht reichen konnten.
Wohin aber ging die Reise? Dort im Süden lagen ja die Großen Inseln, auf denen die Holländer Herren waren. Ihre mächtige Handelsgesellschaft mit den armierten Schnellseglern sorgte dafür, daß andere Nationen sich nicht an den Gewürzinseln vergriffen. Dahinter aber, noch weiter südlich, hatte Cook die Blumenbucht in Australland gefunden und war längs der herrlichen Küste bis zu der engsten Wasserstraße der Welt gesegelt, die das Australland in zwei gleiche Teile teilte. War das ihr Ziel? Wollte Kapitän Wilson wirklich die Arbeit des unsterblichen Cook fortsetzen, von der der Tod ihn vor vier Jahren zu früh abberufen hatte?
Nick blickte unwillkürlich zum Kapitän hinauf. Er stand würdig in tiefen Gedanken versunken und blickte zum südlichen Horizont hinüber.
Nick rechnete noch einmal alles zusammen, was für eine lange Reise sprach: der Überfluß und die Art des Proviants, Haufen von getrockneten Fischen, chinesische Schinken, der Bock und die trächtige Ziege, der Ochse und die Kuh mit ihrem Kalb und alle anderen Tiere; von allen war ein Paar da, wie in der Arche Noah. Er dachte an die vielen Schießwaffen und die reichliche Munition und die Geheimnistuerei, bevor sie Makao verließen. Lief man nicht die bekannten Inseln an, bedeutete es höchstwahrscheinlich, daß man dem Fernen und Unbekannten zustrebte! Sicher, man wollte die Großen Inseln erreichen, sich bis zum Australland vorwärtskreuzen, die schmale Wasserstraße aufsuchen und von dort das ferne und unbekannte Meer befahren, das der große Kapitän nicht mehr erreicht, weil der Tod ihn zu zeitig hinweggerafft hatte.
Niclas vertraute Madan seine geheimen Gedanken an und blickte mit großen, dunklen Augen in die Ferne, die sich im geheimnisvollen Nebel verlor. Sein Herz lief Sturm, seine Wangen brannten.
Ja, ja, man befand sich auf einer Entdeckungsreise. Madan folgte dem Kapitän, wo er ging und stand, mit bewundernden Blicken, schließlich bemerkte es der Kapitän und nickte ihm von der Brücke zu. Madan errötete wie ein junges Mädchen und war glücklich.
Die Temperatur stieg mit jedem Tag, die Mittagssonne stand bald im Zenit, dann würde man den Äquator erreicht haben, wo man jeden Augenblick von einem breitgebauten, großschnauzigen Holländer gepreit werden konnte, dessen Stückpforten doppelt so groß waren wie die der »Antelope«.
Sie gerieten in Windstille, der blanke Wasserspiegel wurde nur von sachten Dünungen gehoben. Eines Tages, als man mit vollen Segeln kaum einen Knoten in der Stunde lief – es sah aus, als ob das Schiff ganz still läge –, ließ der Kapitän die Chinesen an Deck rufen; sie krochen aus der Luke, grinsend und miauend, indem sie der Besatzung demütig aus dem Wege gingen, sogar die Waisenhausjungen fühlten sich ihnen gegenüber wie Geschöpfe aus einer besseren Welt. Die Gelben schielten aus ihren schiefen Augenspalten und versuchten sich wie erschrockene Hasen zu verstecken. Als sie entdeckten, daß Boote neben dem Segler bereitlagen, rollten sich auf Deck zusammen und schrien wie Schlachtvieh.
Nick und Mad konnten nicht begreifen, was vor sich ging. Der Erste Steuermann kam von der Kommandobrücke herunter und sagte einige Worte zum Dolmetscher, der seine Hinduhosen hochzog und dem Ältesten der Chinesen mit höflichen, zierlichen Bewegungen seiner schmalen Hände klarmachte, daß sie rudern sollten.
Die Chinesen mißverstanden die Handbewegungen des Dolmetschers: sollten sie wirklich durch das Wasser gezogen werden, wie man ein Stück Zeug spült? Sie zitterten am ganzen Körper, hüllten sich in ihre weiten Ärmel, jammerten wie Katzen. Und als der Älteste am Zopf zum Fallreep geführt wurde, erhob die ganze Gesellschaft ein ohrenzerreißendes Geheul.
Der Dritte Steuermann und Thomas Wilson banden ein Tau um den Alten, schwangen ihn über die Reling und fierten ihn in die Schaluppe hinunter, wo zwei Matrosen ihn in Empfang nahmen, auf eine Ruderbank setzten, ihm ein Ruder in die Hand gaben und ihm zeigten, wie er es halten sollte.
Als die Zopfträger sahen, daß sie auf dem Trockenen bleiben durften, hörte das Gejammer auf. Die Schaluppen stießen vom Schiff ab, die eine wurde von Cummins, die andere von Wilson gesteuert. Die Besatzung der »Antelope«, die über der Reling hing, brach in ein Hurra aus, spuckte ins Wasser und rief Witze zu den armen Gelben hinüber, die gute Miene zum bösen Spiel machten, während sie sich an die Riemen wie an Brunnenschwengel klammerten, die ihnen einen Stoß versetzten, falls man nicht nachgab. Kommandorufe begleiteten handgreifliche Unterweisungen, das Wasser spritzte hoch auf und überstäubte die Insassen, wenn ein Ruder schlecht geführt wurde, die Boote hoben und senkten sich, dieser und jener von den Ruderern schlug einen Purzelbaum, und die Mannschaft hing über der Reling und lachte sich halbtot.
Die »Antelope« bekam Schlagseite, weil alle in Lee standen, sogar das Schiff schien sich vor Lachen zu krümmen.
»Kannst du sehen, daß ich recht habe?« Nick stieß Madan in die Seite, der aber hörte nicht, nickte nur.
Es war eine fixe Idee des Schotten geworden, über die versiegelte Order zu grübeln: Warum brachte man Chinesen, die wasserscheu waren, das Rudern bei, wenn man nicht auf gewagte Abenteuer auszog, bei denen jeder richtige Männerarm nötig war, um Eingeborene und Kannibalen zu bekämpfen?
Madan starrte mit Verwunderung in seinen großen Augen in das Unbekannte, das in seiner üppigen Phantasie mit jedem warmen Tag unter der Sonne des Äquator phantastischere Formen annahm.
Zwei Tage später stürzten vom frühen Morgen bis zum späten Abend Wolkenbrüche auf das Schiff herab. Tags darauf war es wieder trocken, und die Sonne brannte. Der Proviant wurde nach oben gebracht, der Reis auf Deck ausgebreitet und getrocknet. Die gedörrten Fische waren wie nasse Tücher, die chinesischen Schinken schwitzten Wasser; die Sonne aber tat ihre Arbeit. Allerdings mußten die Schinken noch einmal eingesalzen werden, dafür hielten sie sich desto länger. Auch Kanonen und Munition wurden nachgesehen.
Kaum aber war das Deck geräumt, alles wieder an seinen Platz gebracht und jedes Loch, durch das der Regen sich Bahn gebrochen hatte, zugestopft, als ein Sturm aus Süden losbrach, das ganze Schiff zum Beben brachte und es auf den Gipfel eines Wogenberges hob, der geradeswegs in den Himmel hineinzuführen schien. Im nächsten Augenblick stürzte der Berg zusammen, das Schiff schwankte, klammerte sich nur noch mit seinem Achterkastell an das Element, hielt den Atem an vor Entsetzen und kam erst wieder zur Besinnung, als es sich auf dem Grunde des kochenden Wassers befand. Es wurde ein Tanz, wie nur die Allerältesten an Bord sich eines ähnlichen erinnern konnten. Als der Zorn von oben sich entladen hatte, die festgezurrten Segel wieder gelöst werden konnten und man Zeit hatte, sich umzublicken, entdeckte man, daß alle Tiere umgekommen waren, bis auf drei Hühner, die sich unter einem Balken, der sich gelöst, festgeklemmt hatten, und den jungen Ochsen, der zwischen zwei Pfählen lag, die Zunge aus dem Hals, mit entsetzten Augen. Die trächtige Ziege hatte mitten in einem Wolkenbruch geworfen, der Dritte Steuermann meinte ihr Meckern gehört zu haben, hatte aber keine Zeit gehabt, darauf zu achten. Das Tier lag mit seiner Leibesfrucht zwischen den Beinen, aus seinem gespannten Euter sickerte ein dünner Strahl von Milch, als ob das Leben sich selbst aus seiner Hülle befreite.
Sonntag, der 10. August, brachte klares Wetter und ruhige See. Gegen Mittag aber, kurz nachdem der Kapitän auf der Schanze vor versammelter Besatzung die Andacht verrichtet hatte, kam wieder Wind auf. Vorn am Horizont blitzte es, nach und nach donnerte es aus allen Himmelsrichtungen, und als es dunkel wurde, sah man es bald im Süden, bald im Osten und Westen blitzen.
Um die Mitternachtszeit stand der Kapitän auf der Kommandobrücke und schickte die Mannschaft auf die Rahen, um die Segel zu reffen, als der Ausguckmann auf dem Fockmast rief: »Brandung vorn!«
Im selben Augenblick ging ein Stoß durch das Schiff, der wie ein Seufzer klang, als ob die stolze »Antelope« mitten ins Herz getroffen sei. Ein Augenblick tiefen Schweigens folgte, als ob das Schiff mit allem, was drauf war, den Atem anhielte. Es ging ein Beben durch alles Lebende, vom Kapitän bis zum Schiffshund Nobody, im nächsten Augenblick aber lehnte das Leben sich mit verstärkter Intensität gegen die Gefahr auf, die sich so brutal gemeldet hatte; ordnungsmäßig und taktfest begab jeder Mann sich an seinen Platz, kein überflüssiges Wort, keine Klage. Nur aus der Luke tauchte ein blasses Chinesengesicht nach dem anderen auf; sie miauten und schrien, bis der Zweite Steuermann die Luke und ihre Münder zuschlug. Der Kapitän stand hochaufgerichtet auf der Kommandobrücke und blickte sich um, seine Kommandos klangen knapp und bestimmt.
Der Erste Steuermann kam notdürftig angekleidet aus der Kajüte gestürzt, er hatte geschlafen, als das Schiff auf Grund gestoßen war. Der Kapitän wechselte einige Worte mit ihm, die niemand verstand. Die Wasser kochten unter dem Rumpf des Schiffes, rasten und schlugen, der Schoner aber stand unerschütterlich fest, wie sehr das ungeduldige Meer auch gegen die Planken donnerte.
Die Nacht war dunkel und sternenlos. Nur hin und wieder beleuchtete ein Blitz die brausenden Wasser nach allen Seiten.
Der Dritte Steuermann hatte das Leck auf dem Boden gefunden. Die Pumpen arbeiteten mit voller Kraft, das Wasser aber stieg so schnell, daß man es mit dem bloßen Auge verfolgen konnte. Zuerst wurden alle Segel eingezogen, dann Kugeln, Pulver und Waffen auf der Schanze in Sicherheit gebracht. Brot, Reis und alles Eßbare, das durch Seewasser verdorben werden konnte, wurde nach oben gehißt, wo das Wasser es nicht erreichen konnte.
Inzwischen waren der Zimmermann John Polkinghorn und seine Leute damit beschäftigt, die Masten und Rahen zu fällen, um das Kentern des Schiffes zu verhindern und um Material zu haben, woraus man Flöße bauen konnte.
Als der Mast von vorn nach achtern über das Schiff fiel, erhoben die Chinesen ein einstimmiges Geheul. Der Kapitän ließ sie an Deck bringen. Sie kauerten in einem Haufen, und die Kadetten Henri und Richard wurden als Wächter über sie befohlen. Ein unschädlicher Posten, der sie daran hinderte, in ihrem Eifer an anderer Stelle Schaden anzurichten.
Der Zweite Steuermann bekam Befehl, die beiden Schaluppen und die Jolle zu Wasser zu lassen; sie wurden mit Waffen und Proviant geladen, jedes Boot bekam einen Kompaß. Zwei Matrosen hatten ihre liebe Not, die Boote vom Schiff fernzuhalten, damit sie nicht gegen den Rumpf geschlagen und zerschmettert wurden. Die Brandung siedete und rauschte, und der Wind zerrte heulend an dem Wrack.
Als der Dritte Steuermann meldete, das Wasser habe die Luken erreicht, gab der Kapitän Befehl, daß die ganze Besatzung auf der Schanze antreten sollte; man schützte sich so gut es ging gegen Wellen und den Regen, der jetzt zwischen den Windstößen herabzuprasseln begann.
Jeder einzelne an Bord wußte, daß das Schiff in wenigen Stunden verlassen werden mußte. Darum schnitt es allen ins Herz, als der Kapitän mit dem Ersten Steuermann zur Seite die Hand hob, als Zeichen, daß er eine Ansprache halten wollte.
»Das Los, auf das jeder Seemann vorbereitet sein muß, hat uns ereilt. Unsere Lage ist dadurch noch schwieriger geworden, daß wir uns in einem Fahrwasser befinden, das uns unbekannt und wenig befahren ist. Auf Hilfe können wir nicht hoffen, wir müssen uns auf unsere eigene Kraft verlassen. Darum gilt es: Kopf hoch! Ein schlechter Kerl, wer verzweifelt! Darum gilt es: Keine Zwietracht! Ein Schuft, wer weniger an seinen Kameraden denkt als an sich selbst! Darum gilt es: Gehorchen und nicht verzagen! Der sei verflucht, der der Gemeinschaft schadet und feige nur an sich denkt!«
Der Kapitän ließ seinen Blick von einem zum andern schweifen. Jeder einzelne erwiderte den Blick fest, die Älteren ruhig und entschlossen in der Erkenntnis der Gefahr. Der Passagier Mr. William Dewis konnte ein »Hört, hört!« nicht unterdrücken, wie er es von den Sitzungen in seinem Klub in Greenwich gewohnt war; sämtliche Offiziere sahen ihn einen Augenblick an, jeder dachte sich sein Teil. Der Kapitän überhörte es.
Die beiden Christ-Church-Knaben stützten sich gegen die Reling. Das lange, blonde Haar flog ihnen bei den Windstößen um die Ohren. Sie waren blaß, zitterten in ihren langen Röcken und wünschten, sie wären zu Hause in ihrem Hospital. Der Jüngere hielt den Rücken seiner Hand vor sein blasses Gesicht, um die salzigen Spritzer der Wellen oder Tränen abzuwischen; als der Ältere aber sah, daß die Augen des Kapitäns auf ihnen ruhten, zog er die Hand des Jüngeren zurück, und sie standen stramm wie unverzagte junge Leute auf einem gefährlichen Posten.
Dicht neben der Treppe standen Niclas und Madan, die Mützen in der Hand. Als die Augen des Kapitäns sich auf Niclas hefteten, schienen Niclas' starke, schottische Augen ihm zu antworten:
»Verlassen Sie sich nur auf mich, Kapitän. Ich habe alles erraten, was in den versiegelten Orders stand, als der Kurs nach Süden umgelegt wurde. Lassen Sie uns so bald wie möglich in die Rettungsboote gehen, und wenn es hier etwas zu entdecken gibt, wird die Mannschaft der ›Antelope‹ nicht hinter anderen zurückstehen.«
Wie er den Kapitän dort so hochaufgerichtet stehen sah, das glattrasierte Gesicht unbeweglich, dachte er, daß er dem unsterblichen Cook glich, und daß er, Niclas Tyacke, es den Besten seiner Besatzung gleichtun wollte.
Madan hätte am liebsten Hurra gerufen, aber er wagte es nicht. Er strahlte über das ganze Gesicht, denn endlich war das Abenteuer da! Er preßte seine Mütze zwischen den Händen und nickte dem starren Gesicht des Kapitäns mit einem breiten Lächeln zu.
Die Augen des Kapitäns verweilten einen Augenblick auf seinem Gesicht, ein Aufleuchten kam in seine ernsten Augen.
Der Kapitän beratschlagte leise mit seinen Offizieren. Als sie sich geeinigt hatten, wandte er sich wieder an die Besatzung, und jetzt befahl er nicht mehr, sondern sprach wie ein Kamerad zu Kameraden.
»Ihr wißt, wenn wir das Schiff verlassen, dann sind wir alle gleich, befehlen kann nur der, der dazu erwählt wird. Darum frage ich euch: Wollt ihr mich zu eurem Führer wählen? Wollt ihr mir freiwillig gehorchen, wie ihr mir früher auf Grund des Gesetzes gehorcht habt?«
Der Erste Steuermann rief zuerst ja, und während die Augen des Kapitäns auf die Mannschaft geheftet waren, gaben alle nach und nach ihr Einverständnis zu erkennen.
»Ich danke euch«, sagte der Kapitän und beugte den Kopf, »ich werde mein Bestes tun. Bevor ich aber das Kommando von neuem übernehme, möchte ich in aller Kameradschaft den Vorschlag machen, daß wir uns gegenseitig versprechen und geloben, allem Alkohol zu entsagen. Bevor wir in die Boote gehen, wollen wir eine Extramahlzeit einnehmen und dazu einen Schnaps trinken, weil wir naß und müde sind; dieser Schnaps aber soll der letzte sein.«
Alle gaben ihr Einverständnis zu erkennen, nur der alte Thomas Wilson betrachtete seinen Namensvetter mit einem vorwurfsvollen Blick, als meinte er, daß diese Verhaltungsmaßregel eine Spitze sei, die besonders gegen ihn gerichtet wäre.
Die Mahlzeit wurde eingenommen und der Schnaps verabreicht. Es war noch einige Stunden vor Tagesgrauen, und bevor es hell wurde, konnte man sich nicht über die Brandung wagen. Wer wußte, ob das Schiff so lange halten würde? Als der Kapitän sah, daß mehrere der Älteren, die ununterbrochen seit sechsunddreißig Stunden gearbeitet hatten, sich kaum mehr aufrecht halten konnten, ließ er noch einen großen Schnaps verabreichen. Das aber war auch der letzte. Thomas Wilson seufzte laut.
Der Kapitän befahl der Mannschaft, so viel anzuziehen, wie sie tragen konnten, denn es war nicht möglich, Schiffskisten oder Rucksäcke mit in die überfüllten Boote zu nehmen, die längs der Leeseite bereitlagen und nur mit Mühe davor bewahrt werden konnten, an der Schiffswand zu zerschellen. Der Zimmermann und seine Gehilfen, die der Erste Steuermann unter der Besatzung ausgewählt hatte, begannen beim Licht der Schiffslaternen, die häßlich flackerten, die gefällten Maste und Rahen zurechtzuhauen, damit sie, sobald der Tag graute, über Bord geworfen und zu einem Floß zusammengezimmert werden konnten.
Vereinzelte Blitze erhellten hin und wieder die Dunkelheit. Cummins, der Dritte Steuermann, der die besten Augen hatte, meldete dem Kapitän, daß er am südlichen Horizont die Umrisse einer flachen Insel gesehen habe. Auch der Bootsmann Thomas Wilson trat auf der Kommandobrücke an, rund und mit feuerrotem Kopf, Arme und Beine standen ihm vom Körper ab, denn er hatte alles, was er an wollenem Unterzeug besaß, und seine Sonntagsjacke angezogen; er meldete, daß er Land gesehen habe, aber im Osten; er zeichnete die Konturen, Berge und Täler, in der Luft, fand aber keinen Glauben und bekam auch nicht den Extraschnaps, auf den er als Belohnung gehofft hatte.
Beim Morgengrauen tauchte drei bis vier Seemeilen südlich eine palmenbewachsene Insel hinter einer blauen Lagune auf, die die Insel von dem Riff trennte, wo die »Antelope« noch immer wie festgenagelt saß.
Die Brandung umbrauste den Schiffsrumpf, die Sturzseen aber versuchten nicht mehr die Schiffswand einzuschlagen, wie sie es in der Nacht getan hatten. Der Kapitän hatte sich völlig angekleidet, zum letztenmal auf seine Koje gestreckt und den Befehl gegeben, daß man ihn beim ersten Tagesgrauen purren sollte. Als Thomas Dull, wie gewöhnlich, mit dem Rasierwasser kam, nach einem Streit mit dem Koch, der rasieren unnötig fand, wenn man ertrinken oder von Eingeborenen gefressen werden sollte, war der Kapitän schon wach. Dull sah, daß er ein Bild aus einem Rahmen an der Wand löste, das eine Dame mit Hängelocken vorstellte in einem rosa Kleid mit einer Rose an der Brust. Dull hatte angenommen, daß es Frau Wilson sei.
Der Kapitän schickte ihn fort, um seinen Sohn zu holen, und begab sich dann auf die Kommandobrücke, wo Benger auf Wache gestanden hatte, blaß und verärgert, nachdem er sechsunddreißig Stunden ununterbrochen gearbeitet hatte.
Nachdem die Insel und das Fahrwasser gründlich beobachtet und eine Stelle im Riff gewählt war, wo die Durchfahrt zur Lagune für die Boote am günstigsten schien, begab der Kapitän sich mit Benger und dem Zimmermann in den Lastraum, um das Leck noch einmal in Augenschein zu nehmen.
Das Wasser aber stand so hoch, daß jede Hoffnung, den Schaden zu reparieren und das Schiff zu retten, ausgeschlossen war. Bei ruhiger See bestand die Möglichkeit, daß die »Antelope«, die aus dem allerbesten Holz gezimmert war, sich noch eine Zeitlang auf der Klippe halten konnte. Früher oder später aber würden Windstöße und Sturzseen im Verein ihr den Rest geben. Kam das Wetter auf, das drüben in der Windecke mit Sturm und Regen drohte, würde sie sicher bei dem ersten Anprall zerschellt werden.
Der Kapitän und der Erste Steuermann inspizierten zusammen noch ein letztes Mal Besatzung und Schiff, indem sie sich in jeden Raum, der noch zugänglich war, begaben. Der Zimmermann und seine Leute hatten die ganze Nacht gearbeitet, sie hatten Holzwände herausgesägt, um das Floß damit zu verstärken und um Balken zu gewinnen, aus denen man später ein Haus bauen konnte. Jetzt erhielt der Zimmermann Befehl, alles Zimmerholz an Deck zu schaffen und unverzüglich das Floß zu bauen.
Als sie mit den schweren Stücken des Großmastes hantierten, die sich in ihre eigenen Taue verfilzt hatten, stolperte Gotfred Minks, der älteste Quartiermeister, der seine letzte Reise machte – nach der Heimkehr wollte er sich in den Ruhestand setzen –, über das Tauwerk und fiel luvwärts ins Wasser. Bevor eines der schwergeladenen Boote, die auf der Leeseite lagen, hinübergelangte, hatte ihn die Brandung ins Meer gespült. Sie sahen, wie er einen Arm in die Höhe reckte, dann war er verschwunden. Er hatte alles angezogen, was er besaß, so daß er ganz unförmig und außerstande war zu schwimmen. Es war wahrlich seine letzte Reise geworden.
Das Meer war ruhiger geworden, so daß die Leute auf dem Floß arbeiten konnten, das am Achterkastell vertäut lag. Mittlerweile wurden die Schaluppen zur Abfahrt bereitgemacht.
Madan lag vorn auf dem Bauch über dem Klüverbaum, den er mit dem Beil bearbeitete. Der Schaum der Brandung spritzte ihm ins Gesicht; tief unter sich in dem klaren Wasser sah er rote und grüne Flammen, es waren Korallenriffe, wie er wußte. Plötzlich sah er ein Aufblitzen im Schaumwirbel, es war ein fliegender Fisch, der mit seinen kleinen roten Augen das ungeheuere Tier betrachtete, das seinen Schatten auf das Wasser warf.
Etwas entfernt ragten zwei dunkle, runde Felsen aus dem Schaum. Was war das? Plötzlich begannen sie sich zu bewegen –
Madan hatte noch nie Schildkröten gesehen, aber sein Sinn war so auf Wunder eingestellt, daß die Tatsache, daß zwei Felskuppen, von Sonne und Salz gekitzelt, sich zu bewegen begannen, ihn gar nicht in Erstaunen setzte.
Er zog einen Schiffszwieback aus der Tasche, zielte und traf, das Tier aber schien es gar nicht zu merken. Im nächsten Augenblick aber strich ein Vogel mit ausgebreiteten Flügeln durch den Schaum, schnappte im Gleitflug nach dem Zwieback, hielt ihn in seinem großen Schnabel und ließ ihn wieder fallen.
Fast hatte Madan alles das, was ihn bewegte und ihm die Brust zu sprengen drohte, herausgesungen. Warum mußten sie hier liegen und die Zeit vergeuden, anstatt in die Boote zu gehen und die Insel, die sie entdeckt hatten, im Namen Seiner Britischen Majestät in Besitz zu nehmen?
Da rief die Pfeife des Bootsmannes die Besatzung auf Deck, und Madan kletterte vom Klüverbaum herunter. Der Kapitän stand mittschiffs auf der Brücke. Madan nahm an, daß die Mannschaft für die Schaluppen ausgewählt werden sollte und beeilte sich, um als erster an der Spitze zu sein.
Benger sollte die große Schaluppe steuern, Cummins, mit den scharfen Augen, die kleinere, und Matthias Wilson, der Bruder des Kapitäns, die Jolle, die kein Segel führte. Die Augen des Kapitäns blickten prüfend über die Besatzung, die sich um ihn drängte. Sein Blick heftete sich auf William Dewis, den Passagier, der voranstand; die runden Augen mit dem beständig erstaunten Blick aber rührten ihn nicht, obgleich der Astronom den Finger in die Höhe reckte wie ein Schuljunge, der sich meldet.
Niclas hatte gesehen, wie Madan herbeigestürmt war: er zog ihn jetzt am Arm näher, so daß sie beide dicht vor dem Kapitän standen. Zusammen wurden sie für Bengers Boot ausgewählt. Madan war drauf und dran, Hurra zu schreien. Niclas aber preßte seinen Arm, so daß er verstummte. Die Lage war zu ernst: sie sollten ihre geliebte »Antelope« verlassen und vielleicht Zeugen sein, wie sie vom Meer zerschellt wurde; außerdem war der alte Minks über Bord gegangen, nein, es war kein Grund, um Hurra zu rufen.
Zu Richard Sharps großem Ärger mußten die Kadetten zurückbleiben; es war das erstemal, daß Richard auf seinen Kameraden und besten Freund böse war, denn wäre er nicht der Sohn des Kapitäns, Henri Wilson II., würden sie natürlich unter den besten Kräften für den gefahrvollen Posten ausersehen worden sein.
Alles in allem gingen zwölf Mann in die beiden Schaluppen. In dem Augenblick, als auf Bengers Befehl abgestoßen wurde, standen alle, vom Kapitän bis zum Schiffsjungen, stramm; der Erste Steuermann stand hochaufgerichtet am Steuer, sein sehniger Körper folgte dem heftigen Auf und Nieder des Bootes mit geschmeidigen Bewegungen.
Die Boote gelangten glatt über das Riff, das Wasser der Lagune war ruhig. Der Kapitän folgte den Booten von der Kommandobrücke aus, bis sie hinter einer Landzunge verschwanden.
Als das Floß fertig und gehörig vertäut war, wurde der Zimmermann John Polkinghorn, der große Walliser mit den baumstarken Armen, auf die Kommandobrücke gerufen, und der Kapitän drückte ihm die Hand. Der Ausguckmast war gefällt, von vorn und achtern aber wurden die Stromverhältnisse und Ebbe und Flut genau beobachtet, durch das Fernglas betrachtete der Kapitän die lange, flache Insel, die im Süden ganz schwach sichtbar war, mit Bergen und Klüften, letztere waren bisweilen so tief, daß man nicht unterscheiden konnte, ob es ein und dieselbe Insel oder eine Gruppe von Inseln war, die sich voreinanderschoben.
Ein sanftes Blau lag über den Tälern; hier und dort, hauptsächlich im Süden, schimmerte es grün durch den Nebel wie von bebauten Feldern auf den Abhängen. Auf dem höchsten Punkt war ein dunkler Fleck, offenbar dichte Waldungen, vielleicht aber waren es nur Büsche und langhalmige Gräser, die von Schwärmen von Seevögeln umkreist wurden.
Nach einem Tag voller Geschäftigkeit und Spannung meldete der Zweite Steuermann gegen vier Uhr Boote im Süden. Gleich darauf sah der Kapitän das Segel der großen Schaluppe, und bald konnte man alle drei Boote erkennen, die sich durch das gekräuselte Wasser der Lagune, gegen Strom und Wind, zurückkämpften.
Als Benger in Hörweite gekommen war, rief er dem Kapitän durch die hohle Hand zu:
»Gute Botschaft! Trinkwasser! Keine Eingeborenen!«
Alle hatten es gehört, und Hurras begrüßten die Ankommenden. Als die Boote die Brandung erreicht hatten, kommandierte Benger: »Riemen aus dem Wasser!« Die Mannschaft stakte die Boote vorwärts, von dem Zweiten Steuermann dirigiert, der auf der Leiter stand, die der Zimmermann an der Reling befestigt hatte; von dort konnte er durch Gischt- und Schaummassen die bestbefahrbaren Stellen zwischen den Riffen erkennen.
Die Männer kletterten an Bord, und während Benger dem Kapitän berichtete, erzählten die Männer ihren Kameraden so aufgeregt von dem Erlebten, daß der Steuermann um Ruhe bitten mußte.
Die Insel, meldete Benger, schiene unbewohnt. In einer stillen Bucht, von hohen Abhängen umsäumt, waren sie über einen Strand von Korallensand an Land gewatet. Sie hatten die nächste Umgebung durchsucht, ohne eine Spur von Menschen oder großen Tieren zu finden. Auf den Abhängen wuchsen Büsche, eine Art Myrten, und Bäume, die wilden Kirschbäumen glichen; auch Palmen und Kokosbäume hatten sie gesehen. Vom Abhang rieselte im Zickzacklauf eine Quelle, und das Wasser war süß, rein und frisch.
Benger hatte fünf Mann mit Cummins als Führer zurückgelassen, damit sie einen guten Lagerplatz suchen und den Boden ebnen sollten, um eine Hütte zu bauen.
»Wie soll die Insel heißen?« rief eine Stimme durch den Lärm.
Der Kapitän blickte sich nach dem vorlauten Sprecher um, aber niemand meldete sich. Die, die am weitesten entfernt standen, reckten die Hälse, Madan sah sich vorwurfsvoll um, und auch Niclas sah aus, als wollte er sagen: »Jetzt ist keine Zeit für Kindereien!« Die beiden Kadetten Henri und Richard aber näherten sich Mr. Dewis, betrachteten ihn mißtrauisch, bis er böse wurde und sagte, was denn dabei sei, wenn er wirklich gefragt habe, einen Namen müßte die kleine freundliche Insel doch haben. Damit aber hatte er das Spiel verloren. Henri ll. nannte ihn von nun an »das unangebrachte Fragezeichen«, und die Waisenhausjungen, die den Sohn des Kapitäns bewunderten, spendeten Beifall; der Ältere erlaubte sich sogar den Witz, einen Lehrsatz des Church-Hospitals zu zitieren: »Don't ask questions, sir.«
Die fünf, die auf der Insel zurückgelassen waren, wurden von allen Jungen beneidet. Madan und Nick hatten sich auch dazu gemeldet, und Cummins schien auch willig gewesen zu sein, der verfluchte Irländer von der Westküste aber hatte abgelehnt, weil sie zu jung waren. »Es ist eine Aufgabe für Erwachsene«, hatte er gesagt und sich die Schnauze mit dem Rücken seiner Hand abgewischt, wie er zu tun pflegte. Eines aber konnte er ihnen nicht nehmen, dachte der erzürnte Madan: Niclas und er hatten die Insel zuerst betreten! Als die Riemen eingezogen worden waren und sie sich vorwartsstakten, waren sie schnell entschlossen vom Steven durchs Wasser gesprungen und hatten den Strand zuerst erreicht. Nick und ich, dachte er, haben die Insel in Besitz genommen, und ich bin Nick noch um einen Schritt zuvorgekommen, weil er im Lauf stolperte. Es ist meine Insel, dachte er bei sich und brüstete sich. Hat hier einer das Recht, sie zu taufen, so bin ich es. Daß du es weißt, du verfluchter Hund von einem Irländer von der Westküste.
Das Floß wurde jetzt mit Reissäcken, getrockneten Fischen, Schiffszwieback, Schinken, den drei überlebenden Hühnern und den Überresten des jungen Ochsen beladen, der am Morgen verschieden und gleich, so gut es eben ging, zerlegt und von dem Koch eingesalzen worden war. Außerdem wurde das beste Tauwerk, Handwaffen, Munition und zuletzt das notwendigste Werkzeug geladen, das man auf einer öden Insel nicht würde missen können. Zuletzt wurden die Chinesen, die auf einem Haufen gesessen und alles, was vorging, mit zitternden Gliedern und Entsetzen in den blanken Augen verfolgt hatten, zwischen den Warenballen als Ballast verteilt, und unter Todesstrafe wurde ihnen verboten, ihre Plätze während der Überfahrt zu verlassen. Dann wurde das Großsegel über das Floß gebreitet und festgezurrt.
Benger übernahm die Führung. Aber es wurde fast Abend, bevor alles bereit war.
Von der Kommandobrücke warf der Kapitän einen letzten Blick auf das Schiff, seinen Stolz und seine Hoffnung; seine Augen folgten den Linien, die selbst mit gefällten Masten und eingedrückten Rändern noch stolz und schön waren.
In dem feierlichen Schweigen sagte jeder Mann in seinem Herzen der »Antelope« das letzte Lebewohl; über kurz oder lang würde sie vor aller Augen in den Wogen verschwinden.
Jeder sah, wie die Lippen des Kapitäns zuckten, als er seinen Kopf entblößte; alle nahmen ihre Mützen ab.
»Streicht die Flagge!« befahl er mit lauter Stimme.
Während das bunte Tuch langsam an der Stange herabglitt, sprach der Kapitän laut das Vaterunser, als sei das Schiff ein lebendiges Wesen, dessen Seele der Gnade Gottes empfohlen würde.
Über Niclas' Backen rannen zwei große Tränen, und als Madan es sah, schluchzte er wie ein Junge, trotz der lockenden Abenteuer, die seiner warteten.
Der alte Kanonier überreichte dem Kapitän, der die Brücke verlassen hatte, die Flagge.
Als alles bereit war, gab der Kapitän das Zeichen, der Oberbootsmann ließ seine Pfeife ertönen. Von Deck, aus der Mannschaftskajüte, von Treppen und Luken rief er die Mannschaft zusammen, und alles ging in die Boote. Nachzügler, die noch unten gewesen waren, um ein teures Andenken aus der Schiffsküste zu retten, einen Tabaksbeutel, von lieben Händen gehäkelt, ein Bild aus der Heimat, kamen angelaufen. Schließlich war das Schiff verlassen.
Benger, der die Route vom Morgen her kannte, führte von der großen Schaluppe aus, die das Floß im Schlepptau hatte. Er war bereits abgestoßen und steuerte mit äußerster Vorsicht durch die Wellen über die Spitzen der Riffe. Der Kapitän wartete in der Jolle am Fallreep mit vier Mann und den beiden Hunden an Bord, bis Benger das Floß über die gefährlichsten Stellen geführt haben würde, als er plötzlich einen Laut aus dem Lastraum des verlassenen Schiffes hörte. Er nahm einen Überblick über die Mannschaft, während der Oberbootsmann an seiner Seite ein anhaltendes Pfeifensignal gab.
Da tauchte der große Kopf des Zimmermanns aus der Luke auf. Zuerst schleuderte er seine Axt auf Deck und dann einen Haufen Türfüllungen, die er im letzten Augenblick noch herausgeschlagen hatte. Dann kroch er selbst herauf, mit aufgekrempten Hosen und nackten Armen, von Wasser triefend.
»Bin schon da!« nickte er vergnügt lächelnd. »Ich wollte dieses Zeug noch mitnehmen.«
Der Kapitän gab ihm einen Rüffel, der wie eine Lobrede klang. Als er in die Jolle kam, hätten die Hunde das Boot fast gekentert, weil Polkinghorn ihr ganz besonderer Freund war.
Nachdem man die Türfüllungen noch auf das Floß geladen hatte, bugsierte Benger das Floß durch die Brandung; ein paar der zuverlässigsten Leute in der Schaluppe und auf dem Floß manövrierten mit den Schlepptauen und Stangen.
Ein Wind kam auf, Sturzseen spülten über das Floß, das bisweilen so weit hinter der Schaluppe zurückblieb, daß die Wellenköpfe es vor den Leuten auf der Schaluppe verbargen. Der Kapitän stand hochaufgerichtet in der Jolle und folgte dem Manöver, auf seinem totenblassen Gesicht konnte man lesen, was auf dem Spiel stand.
Der Wind umheulte das Wrack des verlassenen Schiffes, und jedesmal, wenn das Floß gegen ein Riff stieß, klang durch den Sturm das Geheul der sechzehn Chinesen, die sich mit Händen und Füßen an die zusammengezimmerten Planken klammerten.
Der Kapitän rief hinüber, daß jeder auf dem Floß, der bei der Arbeit entbehrlich sei, festgezurrt werden solle, damit niemand über Bord gespült und, die Fahrt durch Rettungsarbeit nicht aufgehalten werde.
Die Schaluppe und das Floß schienen kaum vorwärts zu kommen, das verlassene Schiff war noch immer nah. Das Floß wurde mehr von Wind und Strom als von Benger und seinen Helfern gesteuert, und die Segel konnten nicht gesetzt werden, solange man das Floß im Schlepptau hatte. Wie lange würde es noch dauern? Bald kam die Nacht –
Der Kapitän ließ die Jolle so nah wie möglich an die Schaluppe heranrudern. Ein Tau wurde hinübergeworfen, aber erst nach dem dritten Male glückte es Benger, es zu ergreifen, und nun waren die sechs Riemen in der Jolle behilflich, die schwere Ladung durch die Brandung zu schleppen.
Es dauerte eine Stunde, bis die Boote das ruhige Wasser der Lagune, das die Insel vom Riff trennte, erreichten.
Endlich konnte Benger die Segel setzen. Der Kapitän löste das Schlepptau und überließ es den Schaluppen, das Floß zu bugsieren, während er auf die Landungsstelle zusteuerte, wo er anlegen und dann zurückkehren wollte, um dem Floß beim Landen behilflich zu sein. Als die Schaluppen sich der Insel näherten, wurden sie von der Strömung aus dem Kurs getrieben und entfernten sich von der Bucht. Nachdem sie eine Weile vergebens gekreuzt hatten, ließ Benger die Segel einholen und kommandierte die Mannschaft an die Riemen.
Je mehr sie sich der Insel näherten, desto stärker wurde die Strömung, trotz des anstrengenden Ruderns kam man kaum vorwärts, die Kräfte versagten schließlich, und die Dunkelheit näherte sich mehr und mehr. Da ließ Benger das Floß mit den festgezurrten Chinesen an einem Dreggeranker vertäuen und nahm die Mannschaft in den zwei Schaluppen an Bord, die jetzt so schwer geladen waren, daß sie bis an die Reling im Wasser lagen.
Kaum war der Kapitän mit seiner Jolle an Land gekommen, als er sie löschen ließ und dann mit vier Mann wieder hinausschickte, um den Schaluppen und dem Floß zu Hilfe zu kommen.
Inzwischen war es dunkel geworden, man konnte die Ruderschläge hören, aber nichts mehr sehen. Der Kapitän preite durch die Nacht, die Antwort aber klang so fremd und fern – vielleicht war die Mannschaft erschöpft –, daß die Leute in der Jolle stutzten und glaubten, Eingeborene lägen dort draußen in ihren Booten, denn auch die Ruderschläge klangen leichter und schneller als die, die sie gewohnt waren. Die fünf Mann, die auf der Insel zurückgeblieben waren, hatten dem Kapitän die Mitteilung gemacht, daß sie im Laufe des Tages Spuren von Bewohnern gefunden hatten, Knochen, Asche, Fischgräten und hier und dort Kokosnuß- und Kakaoschalen.
Nach einer Weile aber tauchten die Schaluppen und das Floß aus der Dunkelheit auf, und alles war eitel Freude, als man zusammen in die Bucht ruderte, an deren Ufer ein Stück Boden geebnet und ein Zelt für die Nacht errichtet war.
Man feuerte einen blinden Pistolenschuß ab, zündete damit einen Docht an und machte Feuer neben dem Zelt. Abwechselnd trocknete man das nasse Zeug am Feuer; da alle mehrere Kleidungsstücke übereinandergezogen hatten, war niemand bis auf die Haut naß geworden. Man verzehrte Brot und Käse und trank das Quellwasser der Insel, das allen vorzüglich schmeckte.
Es fing an zu regnen, die Winde kamen stoßweise, das Zelt gab Schutz gegen die Wetterseite, und die Mannschaft wurde in zwei Schichten geteilt, die eine legte sich zum Schlafen, während die andere die Boote auf den Strand zog, damit sie nicht fortgespült werden konnten. Die Waffen, die in ein Segel eingewickelt waren, wurden ins Zelt getragen.
Eine Wache sollte für die erste Nacht auf der unbekannten Insel gewählt werden, und der Kapitän hatte die Mannschaft aufgefordert, sich freiwillig dazu zu melden. Niclas und Madan waren die ersten, die sich meldeten. Nick, als der Älteste, bekam die erste Wache, Madan die Hundewache.
Das Zelt lag in der Rundung der Bucht, dicht neben dem Abhang, der so steil war, daß Eingeborene sich unmöglich herabschleichen konnten, etwas weiter fort aber bildete eine Spalte im Felsen gleichsam einen natürlichen Pfad, der zu dem waldbekleideten Gipfel hinaufführte. Dort übernahm der Bruder des Kapitäns die erste Wache; er hatte Befehl bekommen, nicht nur seine Ablösung, Thomas Dulton, sondern auch Madan zu wecken, der Niclas auf seinem Posten bei den Booten, einige hundert Schritte vom Lager entfernt, ablösen sollte.
Als Madan um Mitternacht aus dem Schlaf gerüttelt wurde, wußte er nicht, wo er sich befand. Er meinte, er würde angegriffen und wollte sich mit Matthias schlagen. Beim schwachen Schein des Feuers erblickte er plötzlich die Schlafenden ringsum, ein Zeugbündel neben dem anderen, er glaubte, er sei Gefangener in einem Zauberland. Schließlich erkannte er Matthias' Stimme, die ihn barsch anfuhr; er erinnerte sich der »Antelope«, die dort draußen lag, von Meer und Sturm umheult, und im nächsten Augenblick besann er sich darauf, daß sie sich alle auf einer fremden Insel mitten in dem gewaltigen Ozean befanden. Keiner wußte, was ihrer dort wartete, Menschenfresser oder wilde Tiere! Lagen sie vielleicht schon dort oben auf dem dunklen Abhang auf der Lauer? Was flüsterte und tuschelte dort so unheimlich in den Büschen? Waren es die Stimmen böser Geister, die darüber beratschlagten, wie sie die Fremden in der ersten Nacht vernichten konnten?
Als eine unförmige, schlafende Gestalt sich auf dem Boden wälzte, meinte Madan, es sei ein Gespenst, und voller Entsetzen packte er Matthias am Arm.
Im nächsten Augenblick aber besann er sich: er sollte ja die Hundewache nach Nick übernehmen, hatte sich selbst dazu gemeldet. Er sollte allein in der teuflischen Dunkelheit dort hinten bei den Booten auf und ab gehen, während Ungeheuer sich von Gott weiß woher auf ihn stürzen konnten, bevor er um Hilfe zu rufen oder zu schießen vermochte.
Gut, ich bin bereit! Er warf den Kopf in den Nacken und schob die Brust vor. Wer glaubt hier, daß ich mich fürchte? Laßt mir nur ein wenig Zeit, bis ich mich an die Dunkelheit gewöhnt habe. Geradeaus gegangen, bis Nick mich anruft »Wer da!« – Jawohl, ich bin bereit.
Als er sah, daß Matthias inzwischen Dulton geweckt hatte, rief er ihm zu, indem er seiner Stimme einen heiteren Klang zu geben versuchte: »Gute Wache!« und begab sich auf den Weg. Als er aber glaubte, daß man ihn nicht mehr sehen konnte, fing er an zu laufen. Seine jungen Beine zitterten, er schämte sich und versuchte taktfest mit dem Gewehr auf der Schulter zu marschieren.
»Wer da?«
»Ablösung – Madan.« Unwillkürlich betastete er Nick, ob er es auch wirklich sei.
»Wie war's? Hast du etwas gesehen?«
Nick gähnte, daß es in seinen Kiefern knackte.
»Was soll ich gesehen haben?«
Als Nick in der Dunkelheit verschwunden war und Madan seine Schritte nicht mehr hören konnte, fühlte er sich von aller Welt verlassen, dem Unbekannten, das von allen Seiten drohte, preisgegeben. Während er zwischen den Schaluppen hin und her schritt, fragte er sich selbst wieder und wieder, ob er ein Mann oder ein Feigling sei.
Er blickte über die Lagune, lauschte der fernen Brandung und ließ dann seinen Blick landeinwärts schweifen, über die Landzunge, die die Bucht im Osten einschloß, zu der Stelle, wo seiner Schätzung nach das Zelt lag, bis zur Landzunge, die die Bucht im Westen abschloß.
Während er zwischen den leeren Booten hin und her schritt, betete er zuerst das Vaterunser im Takt mit seinen Schritten, summte darauf das Lied vom munteren Jack, der keine Furcht kannte und sein Leben wieder und wieder für König, Fahne und einen Kuß seines Mädchens wagte. Das beruhigte ihn. Und da sich nichts Ungewöhnliches ereignete, wurde er schließlich ganz mutig und dachte an die Abenteuer, die ihm bevorstanden.