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Tag für Tag hatte ich denselben Anblick.
Ich machte meinen Morgenspaziergang an der Hütte vorbei und amüsierte mich über das Spielen und Plappern der Kleinen.
Anfangs erstarrten sie jedesmal, wenn sie meiner ansichtig wurden und hingen mit ihren Augen, die schwarz und blank wie Trauben waren, wie festgezaubert an meinem Blick.
Als sie sich aber an mich gewöhnt hatten, erstarrten sie nicht mehr. Sie beguckten mich musternd, um mich in ihrer Welt aufzunehmen, sie erweiterten sie durch mich und wünschten mich so nahe, daß sie mich fassen konnten.
Ich stand in einiger Entfernung und sah, daß sie wie kleine Hunde beständig an der Schnur zupften, die um ihr Fußgelenk gebunden war, und so weit krochen wie sie reichen wollte, und wie sie jedesmal mit derselben Verwunderung ihre Begrenzung merkten.
Sie rissen daran, sie kauten darauf und unterhielten sich gegenseitig von dem unergründlichen Geheimnis derselben, bis sie müde zu dem Fruchthaufen zurückkrochen und mit Händen und Füßen zugriffen.
Sie rollten die geschälten Bananen in den weißen Sand, steckten sie in den Mund, lutschten darauf, bekamen Staub in den Hals, husteten und niesten, bissen dann ein Stück ab, saugten und schmatzten mit ihren zahnlosen Gaumen, während die Augen auf alles acht gaben, was um sie herum geschah.
Eines Morgens sah ich von meinem Fenster aus, wie eine Gestalt sich im Schatten des Kokoshains entlangschlich.
Sie spähte vorsichtig nach allen Seiten, bevor sie sich vorwärts wagte. Schließlich trat sie aus dem Schatten heraus und schlich über das weiße Licht des Strandes auf die Hütte zu.
Ich wurde von einer Ahnung ergriffen und nahm mein Fernglas. Es war Lea.
Mit zögernden Schritten näherte sie sich dem Ort, wo ihr Glück gewohnt hatte.
Ich konnte ihre Züge nicht unterscheiden, aber die schlanke Gestalt, die durch Kummer mager und eckig geworden war, redete deutlich genug.
Mein erster Gedanke war, zu ihr zu eilen, das unglückliche Kind in meine Arme zu schließen, sie in meine Stube zu tragen und mit guten Dingen aus meinen Kisten zu trösten.
Als ich sie aber zum erstenmal nach meiner Heimkehr im vollen Tageslicht sah, wurde mir das Gefühl klar, das mich neulich zurückgehalten hatte, als ich sie auf der. Landstraße traf.
Sie, die dort im Licht zögerte, war kein unglückliches Kind, das man in seine Arme nehmen und mit guten Worten und schönen Gaben trösten konnte, bis schließlich ein Lächeln, matt und blaß, auf ihren Lippen sprießen würde.
Es war ein Weib, mit einem vollbrachten Schicksal auf den zarten Schultern. Ein Mensch, der beständig von dem unfaßbaren Abgrundsdunkel angezogen wird, das sein Glück verschlungen hat, bis auch sein Leben ausgelöscht ist.
Sie verstand es nicht, und sie dachte nicht. Sie kämpfte nicht mehr gegen das, was feststand und woran nicht zu rütteln war. Sie näherte sich in Andacht und Gehorsam wie ein überwundener, der dem Überwinder huldigt, weil er stark genug war zu siegen, und fristete ihr Leben von seiner Gnade.
Ich sah, wie sie die Zauntür öffnete. Ich sah, wie die Kleinen vor diesem Neuen erstarrten, das lautlos in ihre Welt hineinglitt.
Ich sah, wie sie sich über sie beugte, und fühlte durch die Entfernung, daß sie weinte. Ich fühlte es so sicher, daß das Glas vor meinen Augen feucht wurde und das Bild ineinanderfloß, bis ich Augen und Glas getrocknet hatte.
Ich sah, wie die Kleinen die Arme nach ihr ausstreckten, wie sie lächelten und plapperten und nach ihrer leeren Brust griffen, die vor ihren Mündern hing.
Ich sah, wie sie sich zu ihnen setzte und sie an sich drückte, während sie sich gegen die Wand der Hütte lehnte und die Augen schloß.
Da sah ich, wie sie aufmerksam den Kopf hob; sie reckte sich einem Laut entgegen, der vom Strand an ihr Ohr drang.
Ich sah die Angst in ihrer Halsader klopfen, und plötzlich fuhr sie in die Höhe, drückte die Kleinen heftig an sich, legte sie vorsichtig nieder und eilte fort.
Am Strande drehte sie den Kopf noch einmal nach ihnen um. Sie streckten die Händchen nach ihr aus und schrien, um sie wiederzuerlangen.
Ich fühlte, wie der Laut ihrer Stimme an ihrem armen, verwundeten Herzen zerrte; aber sie mußte gehen, irgendwo am Strande lauerte eine Gefahr; sie ahnte sie mit dem Gefühl, das der Schmerz sein und scharf geschliffen hatte.
Ich spähte mit meinem Glas überall umher, konnte aber nichts sehen, und doch war ich überzeugt, daß sie sich nicht geirrt hatte.
Ich sah sie am Zaun entlangeilen, gebeugt, um ihre Gestalt zu verbergen, falls die Gefahr so nahe war, daß sie gesehen werden konnte.
Und kaum war sie unter den Pisangbüschen verschwunden, als ich Muanda mit ihren breiten Hüften angeschwenkt kommen sah.
Sie hörte das Schreien der Kinder und blieb erstaunt stehen. Dann leuchtete ihr Gesicht von einem Lächeln, weil sie meinte, daß die Kleinen sie schon von weitem erkannten.
Sie schwenkte die Arme und rief ihnen ihre Mutterfreude entgegen, bis die Kleinen erstaunt schwiegen und ihre großen Augen, die noch nicht Ort und Entfernung zu messen verstanden, umherirrten.
Wenige Augenblicke später saß sie auf demselben Platz, wo Lea eben gesessen hatte; wie Lea hielt auch sie ein Kind in jedem Arm. Sie hingen bereits mit den Mäulchen an ihrer Brust, während beide Hände sich gierig an die Mutterkugel festklammerten.
Der Lebensstrom aus den unerschöpflichen Quellen spiegelte sich in Muandas ruhigem Lächeln.
Morgen für Morgen sah ich Lea denselben Weg kommen, um ihr Leben von den Brocken am Tische des Siegers zu fristen.
Die Kleinen lernten es schnell; bereits am dritten Tag reckten sie zu der Zeit, wo sie zu kommen pflegte, die Hälse.
Ich sah, wie sie durch die Luft lauschten, wenn sie den Laut ihrer gleitenden Schritte vernahmen. Und wenn sie am Zaun stand, sah ich, wie die Freude der Erwartung aus ihren weit aufgerissenen, zahnlosen Mäulchen drang, während sie sich auf sie zuwälzten und sich wieder hinsetzten, von der Schnur am Fußgelenk gezwungen, und die Arme ausreckten, weil die Beine nicht reichen wollten.
Ich sah, wie die Dunkelheit für eine kurze Weile aus ihrer Seele wich. Es leuchtete von ihrer Stirn, und die harte Schmerzenslinie um ihren Mund bebte und bog sich und wurde zu einem Lächeln, so keusch und rein, wie nur das Unglück es hervorzaubern kann.
Diese Augenblicke wurden zu Stunden in ihrer Seele. Ich sah, wie sie sich in dem Glück derselben vergaß, bis der Friede sich in ihre verquälte Seele senkte und in Schlaf überglitt, den ihre Jugend forderte.
Ich sah, wie sie dann auffuhr und die starren Augen entsetzt auf Strand und Lagune richtete.
Ich sah, daß sie sich erhob, wie an dem ersten Tag, und nach einer hastigen Umarmung von dem Glück floh, das sie sich erschlichen hatte.