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So waren, als die ersten Herbstfröste wieder ins Land zogen, alle vier wieder vereinigt, Dan, Kate, Black Bart und Satan. Dan und Kate hatten den alten Joe und Buck als Zeugen ihres Glückes. Aber Joe hatte den Wunsch geäußert, daß vorläufig von Heirat noch nicht die Rede sei. Er wollte sich nicht darüber aussprechen, was ihn zu diesem Wunsch bewogen hatte, aber Kate erriet es.
Sie allein wußte, daß nicht alles so war, wie es sein sollte. Tag um Tag ritt Dan mit dem Wolf hinaus und streifte einsam durch die Berge. Sie fragte ihn nicht, wohin er ritt und warum er diese Streifzüge unternahm. Sie verstand ihn. Sie wußte, daß ihm Einsamkeit so notwendig war wie anderen der Schlaf. Aber warum das alles so war, vermochte sie sich nicht zu erklären, und bisweilen packte eisige Furcht ihr Herz. Manchmal überraschte sie ihren Vater und Buck dabei, wie sie sie mit einem Ausdruck unendlichen Mitleids betrachteten. Hier und da flüsterten die beiden miteinander und nickten sich bedeutungsvoll zu. Schließlich hielt sie es nicht länger aus. Eines Abends, als Dan wieder ausgeritten war und sie zu dritt in schwerem Schweigen um das Feuer saßen, brach es aus ihr heraus:
»Glaubt ihr wirklich,« fragte sie, »daß Dan im Innern immer noch so wild ist wie früher?«
»Wild?« sagte ihr Vater besänftigend. »Wild? Ich will nicht sagen, daß er noch wild ist – aber warum bleibt er heute wieder so lange aus, Kate? Der Boden ist schon überall mit Schnee bedeckt. Der Wind wird von Stunde zu Stunde schärfer. Vernünftige Menschen bleiben bei solchem Wetter zu Haus und sitzen gemütlich am Kamin. Aber Dan ist nicht hier. Wo ist er?«
»Psst!« machte Buck und hob, zum Schweigen mahnend, die Hand.
In der Ferne hörten sie einen Wolf zum Mond hinaufheulen. Kate sprang auf und lief auf die Veranda. Die beiden anderen folgten. Draußen rührte sich nichts, nur der Wind stöhnte leise. Der Schnee blitzte im Mondschein. Dann hörten sie das vertraute seltsame Pfeifen und sahen Dan aufs Haus zureiten. Kurz vor dem Haus machte er plötzlich halt. Black Bart ließ sich auf die Schenkel nieder und heulte. Dan starrte zum Himmel empor.
»Seht mal!« sagte Kate und wies hinauf.
Black Barts Heulen verstummte. Über die weiße Mondscheibe zog, zu einem Dreieck geordnet, ein Flug wilder Gänse. Ein rauher Schrei wehte schwach von da oben herunter. Aus dem einen Schrei wurde ein wirrer Chor, der aus der Ferne herüberschallte, dann erstarben die Stimmen, und nur ein einzelner Ruf hallte noch herüber, wie eine Mahnung.
Keiner sprach. Die drei kehrten an den Kamin zurück und starrten ins Feuer. Einen Augenblick später hörte man die Krallen des Wolfes auf dem Boden rasseln. Und gleich darauf trat Dan mit seinem leichten Schritt ein und blieb hinter Kates Stuhl stehen. Sie waren alle daran gewöhnt, daß er wegging und wiederkam, ohne den Mund zu öffnen. Der Wolf trottete unruhig auf und ab. Aus dem Dunkeln glühten seine Augen grün herüber, und als Joe den Kopf wandte und Dan anblickte, sah er in dessen Augen dasselbe unruhige Licht mit gelber Flamme flackern. Und wie der Hund, fing jetzt Dan an, ruhelos mit seinem geräuschlosen Katzenschritt im Zimmer auf und ab zu wandern.
»Die Wildgänse ...« sagte er plötzlich und sprach nicht weiter.
»Sie fliegen nach Süden?« fragte Kate.
»Nach Süden!« wiederholte er.
Sein Blick war in unbekannte Fernen gerichtet. Der Wolf glitt zu ihm hin und leckte ihm die Hand.
»Kate, ich möchte den Wildgänsen nach!«
Der alte Joe deckte die Hand über die Augen. Buck krampfte seine mächtigen Tatzen ineinander.
»Fühlst du dich nicht glücklich, Dan?« sagte sie.
»Der Schnee ist gekommen«, murmelte er unruhig.
»Vorhin, als ich zu Satan hinaus kam, stand er und blickte südwärts.«
Kate stand auf und blickte ihm in die Augen. Ihre Hand machte eine leise Bewegung der Hoffnungslosigkeit.
»Oh, Dan, wenn du nicht anders kannst, dann mußt du eben den Wildgänsen nach!«
»Du trägst mir's nicht nach, Kate, wenn ich gehe?«
»Nein.«
»Aber deine Augen glänzen so!«
»Das ist bloß der Widerschein des Feuers.«
Black Bart winselte leise. Plötzlich reckte sich Dan, streckte die Arme und stieß ein leises, frohlockendes Lachen aus. Buck Daniels fuhr zusammen und senkte den Kopf.
»Sie sind mir weit voraus,« sagte Dan, »aber ich werde schnell reiten!«
Er umschlang sie, küßte sie auf Augen und Mund, machte kehrt und lief aus dem Zimmer.
»Kate!« ächzte Buck Daniels, »Ihr habt ihn gehen lassen! Den sehen wir nicht wieder!«
Ein Schluchzen gab ihm Antwort.
»Geh, ruf ihn zurück!« drängte Joe. »Um deinetwillen wird er auch hierbleiben!«
Sie flüsterte: »Eher rufe ich die Wildgänse zurück, die wir über den Mond ziehen sahen. Und sie sind nur schön, weil sie wild sind!«
»Du hast ihn verloren, Kate! Verstehst du das nicht?«
»Die Wildgänse fliegen auch wieder nordwärts – im Frühling,« sagte Buck, »und er wird ...«
»Still!« sagte sie. »Horcht!«
Draußen rauschte der Nachtwind. Aber aus der Ferne klang dünn und hell, aufwühlend und fremd, eine Melodie, gesättigt mit der wehmütigen Schönheit der Nacht, überquellend von der Lust der sausenden Winde. Es klang, als hätte ein Gott den Nordwind gesattelt und reite ihn südwärts – südwärts, den Wildgänsen nach – den Geschöpfen der unbezähmbaren Wildnis nach! – Südwärts!
Ende