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Dan raste durch die Dunkelheit. Irgendwo vor ihm war Silent und jetzt allein. Dan spürte den Blutgeschmack wieder auf der Zunge, den salzigen Geschmack seines eigenen Blutes. Er hatte den Tag nicht vergessen, an dem Jim Silents Hand es zum Fließen gebracht hatte.
Es war eine wilde Jagd. Nur der Zufall konnte ihm den Weg weisen, und trotzdem brachte er es fertig, dem Banditen dicht auf den Fersen zu bleiben. Nach mehreren Tagen sah er einen hochbeinigen Braunen am Weg stehen, als er vorbeiritt, das Wrack eines Pferdes. Der Kopf hing tief herab, die Augen waren verglast, die Flanken eingefallen. Es dauerte eine Weile, ehe Dan in diesem Skelett Silents unvergleichlichen Renner wiedererkannte, den Roten Peter. Der Bandit hatte sein erschöpftes Pferd im Stich lassen müssen und ritt jetzt irgendein gewöhnliches Cowboypony. Die lange Fährte neigte sich ihrem Ende zu.
Weit und breit verfolgte man diese Menschenjagd mit atemlosem Interesse. Wenn die beiden zusammentrafen, gab es einen Kampf zwischen zwei Riesen. Zweimal wurde Dan gesehen. Einmal Jim Silent. Er wechselte im Galopp Schüsse mit einem frischen Aufgebot, das von Elkhead ausgezogen war. Sie schonten ihre Tiere nicht, um ihn einzuholen, aber trotzdem war ihre heimliche Hoffnung, daß die beiden berüchtigten Männer sich gegenseitig umbringen würden. Niemand wußte freilich, wie die Sache ausgehen würde. Eines Tages kam Buck auf der Cumberland-Ranch an. Er brachte seltsame Nachrichten mit.
Als er ins Zimmer stürzte, sprangen Kate und ihr Vater erschrocken auf. Beide waren sie bleich. Ein Ausdruck qualvoller Erwartung lag in ihren Augen. Sie schienen etwas Schreckliches vorauszuahnen.
»Buck!« rief Joe.
»Still, Dad!« sagte Kate. »Es ist noch nicht eingetreten. Buck, was ist passiert?«
»Mit Dan ist es aus!« sagte Buck. »Silent, dieser Teufel ...«
»Dan!« schrie der alte Joe. Er rannte um den Tisch zu Buck hinüber.
»Silent hat Dan herausgefordert, morgen mittag um drei in Tullys Kneipe in Elkhead sich zum Kampf zu stellen! Dreimal hat er in den letzten vierundzwanzig Stunden Leute unterwegs abgefangen, um ihnen die Herausforderung mitzugeben!«
»Das ist nicht möglich!« rief Kate. »Das hieße ja, daß Silent sich selbst der Justiz ausliefert!«
Buck stieß ein bitteres Lachen aus.
»Keine Hand wird sich zu seiner Verhaftung rühren, solang man hofft, daß die beiden ihre Sache miteinander ausfechten«, sagte er. »Die Kneipe wird gepfropft voll sein, aber niemand wird versuchen, Silent anzurühren, ehe der Kampf zu Ende ist.«
»Aber Dan wird nicht hingehen!« rief der alte Joe. »Wenn Silent verrückt genug ist, es zu tun, Dan sicher nicht!«
»Er wird es tun!« sagte Kate. »Ich weiß es bestimmt.«
»Dann ist es Eure Pflicht, ihn zurückzuhalten«, mahnte Buck. »Ihr müßt nach Elkhead hinüber und ihn zum Umkehren bewegen.«
»Jawohl,« sagte Joe, »denn selbst wenn er Silent tötet, hat er dann noch ganz Elkhead auf dem Hals. Hundert gegen einen!«
Kate schüttelte den Kopf.
»Du willst nicht gehen?«
»Keinen Schritt!«
»Aber, Kate, siehst du denn nicht ...«
»Ich könnte Dan nicht dazu bringen, umzukehren. Das ist seine einzige Aussicht, Silent Auge in Auge gegenüberzutreten. Bildet einer von Euch sich ein, ich könnte ihn davon abbringen?«
Die beiden Männer schwiegen.
»Ihr habt recht«, sagte Buck schließlich. »Ich hatte mir's in den Kopf gesetzt, daß Ihr's fertigbringen würdet. Aber jetzt muß ich daran denken, wie ich ihn oben am Bald-eagle-Bach gesehen hab'. Man kann einen Wolf nicht von der Fährte bringen, die er verfolgt, und Dan hat den Tag nie vergessen, an dem er sein eigenes Blut geschmeckt hat.«
»Kate!« rief der alte Cumberland plötzlich. »Was ist los, Liebling?«
Kate schlich sich mit tief gesenktem Kopf und unsicheren Schritten aus dem Zimmer. Der Alte wollte ihr nachstürzen, aber Buck packte ihn am Ärmel.
»Laßt sie in Ruhe! Kann sein, morgen um drei wird sie mit Euch reden wollen. Aber bis dahin will sie allein sein. Es gibt Gespenster genug, die ihr in der Zwischenzeit Gesellschaft leisten, da könnt Ihr Gift drauf nehmen!«
Joe Cumberland wischte sich die Schweißperlen von der Stirn.
»Dann müssen wir also hier sitzen, Buck, die Hände im Schoß und warten.«
Buck holte tief Atem. – »Welcher Teufel hat Silent diesen Plan ins Ohr geflüstert?«
»Teufel? Die Furcht!«
»Jim Silent weiß nicht, was Furcht heißt!«
»Wer erlebt hat, wie es in Dans Augen gelb aufzuckte, der weiß, was Furcht ist.«
Buck zuckte zusammen.
Cumberland fuhr fort: »Die Augen sieht Silent jede Nacht. Er spürt sie im Rücken. Aus jedem dunklen Winkel funkeln sie ihn an. Jede Nacht zwischen Abendrot und Morgengrauen stirbt er hundertmal. Er kann es einfach nicht mehr aushalten. Er weiß, daß er sterben muß, aber er will sterben, wo menschliche Wesen um ihn sind, und wenn er schon sterben muß, so will er wenigstens Dan mitreißen.«
Lange saßen die beiden und starrten sich stumm an.
»Wenn er den Kampf mit Silent überlebt, fällt der ganze Pöbel über ihn her. Sie werden in der Überzahl sein, und das wird sie mutig machen.«
»Und dann?«
»Vielleicht ist es ihm dann recht, wenn er einen Freund hat, der neben ihm kämpft«, sagte Buck schlicht. »Lebt wohl, Joe!«
Der Alte drückte ihm fest die Hand. Er kam mit hinaus vor die Tür und stand dabei, als Buck sein Pferd loshalfterte.
»Hat denn Dan gar keine Freunde unter den Leuten in Elkhead?« fragte Cumberland. »Sind sie ihm nicht dankbar, daß er Silents Bande gefaßt hat?«
»Sie rechnen es ihm hoch an«, sagte Buck. »Auch Haines hat vieles zu seinen Gunsten gesagt. Er hat den Leuten auseinandergesetzt, warum Dan ihn aus dem Gefängnis geholt hat. Lee hat bewiesen, daß er ein anständiger Kerl ist. Er erholt sich langsam von seinen Wunden. Man erzählt sich, daß der Gouverneur ihn begnadigen wird. Ihr wißt doch, Haines ist auf die abschüssige Bahn gekommen, weil die Justiz ihn gemein behandelt hat, und der Gouverneur will darauf Rücksicht nehmen.«
»Aber warum wollen sie in Elkhead dann immer noch Dan ans Leben?«
»Die gute Hälfte will's gar nicht,« sagte Buck, »aber die anderen sind wild darüber, daß im letzten Monat hier herum soviel Leute ums Leben gekommen sind. Wenn man die hört, dann hat Dan mindestens die Hälfte von all den Morden auf dem Gewissen, und die Freunde von Leuten, die erschlagen worden sind, nehmen sich nicht die Zeit, schönen Auseinandersetzungen zuzuhören. Sie sagen ganz einfach: Dan ist ein Geächteter, und sie werden ihn behandeln wie einen Geächteten.«
»Der Teufel soll sie holen!« ächzte Cumberland. »Und das Bekenntnis von Gus Morris hat daran auch nichts geändert?«
»Morris ist gelyncht worden, ehe er Zeit hatte, ein Wort zu Dans Gunsten zu sagen. Kilduff, Jordan und Rhinehart könnten Zeugnis ablegen, daß Dan niemals von Jim Silent Handgeld genommen hat, aber sie wissen, daß sie selbst geliefert sind. Da haben sie keine Lust, einem anderen dazu zu verhelfen, daß er davon kommt, besonders aber nicht gerade dem Mann, dem sie's verdanken, daß sie festgesetzt worden sind. Kilduff hat beschworen, daß Dan von Silent gekauft worden ist, daß er hinter Silent her war, nicht weil er sich rächen wollte, sondern weil er mehr Geld verlangte, und daß der Kampf in dem Schuppen am Bald-eagle-Bach entstanden ist, weil Silent sich geweigert hat, Dan noch mehr Geld zu bezahlen.«
»Dann ist keine Hoffnung mehr!« murmelte Cumberland. »Aber, Jung, mir zerbricht's das Herz, wenn ich an Kate denke! Dan kann nur einmal sterben, aber sie erleidet Todesqualen bei jedem Atemzug!«