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Siebentes Kapitel.

Von der Liebe des heiligen Franziskus zur Armuth, und wie auf wunderbare Weise seinen Bedürfnissen abgeholfen wird.


1) Unter andern Gnadengaben, welche Franziskus vom Spender alles Guten so freigebig empfing, war die Liebe zur Armuth ein ganz besonderer Vorzug, wodurch er auch die größte Einfalt zu erlangen verdiente. Die Armuth erkannte der heilige Mann als die Freundin des Sohnes Gottes, sah sie aber fast aus der ganzen Welt vertrieben. Daher wollte er sich in ewiger Liebe so mit ihr vermählen, daß er nun um ihretwillen nicht blos Vater und Mutter verließ, sondern auch Alles wegwarf, was er je besitzen konnte. Niemand war je so begierig nach Gold, als er nach der Armuth; nie bewachte Jemand so sorgfältig seine Schätze, als er diese evangelische Perle hütete. Daher empfand er es vor allem immer schmerzlich, wenn er bei den Brüdern etwas gewahrte, was der Armuth nicht in allem entsprach. Er selbst war vom Anfange seines Ordenslebens bis zu seinem Tode mit einem Habit, einem Gürtel und kurzen Beinkleidern zufrieden, und hierin bestand sein ganzer Reichthum. Die Armuth Christi und seiner Mutter betrachtete er oft unter Thränen. Die Armuth, versicherte er, sei die Königin der Tugenden, weil sie an dem Könige der Könige und seiner Mutter, der Königin, so herrlich hervorleuchtete. Als ihn seine Brüder einst fragten, welche Tugend uns Christo angenehmer mache, antwortete er, gleichsam das Geheimniß seines Herzens aufdeckend: Wisset, meine Brüder, die Armuth ist ein vorzüglicher Weg zum Heile, die Nahrung der Demuth und die Wurzel der Vollkommenheit; ihre Frucht ist vielfältig, wenn gleich verborgen; sie ist der verborgene Schatz, von dem der Herr im Evangelium spricht; um diesen Acker zu kaufen, muß man alles verkaufen, und was sich nicht verkaufen läßt, muß man um ihretwillen verachten. Wer zum Gipfel derselben gelangen will, sagte er, muß nicht bloß der weltlichen Klugheit, sondern in gewisser Weise auch der Wissenschaft entsagen, um, entblößt von derartigen Besitzungen, in die Reichthümer des Herrn eingehen und sich nackt in die Arme des Gekreuzigten werfen zu können. Denn derjenige habe nicht vollkommen der Welt entsagt, der noch etwas von der Scheidemünze des Eigenwillens im Innern seines Herzens zurückbehalte.

2) Bei seinen häufigen Vorträgen über die Armuth prägte er seinen Brüdern tief ein jenes Wort des Evangeliums: Die Füchse haben ihre Höhlen, und die Vögel des Himmels ihre Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, wohin er sein Haupt legen könnte. Auf Grund dieses evangelischen Ausspruches lehrte er seine Brüder, nach Sitte der Armen ärmliche Hüttchen zu errichten und dieselben nicht als Eigentümer, sondern als Pilger und Fremdlinge zu bewohnen; Pilger müßten ja unter fremdem Dache weilen, nach dem Vaterlande sich sehnen und friedlich durchreisen. Er ließ zuweilen Häuser, welche für die Brüder erbaut waren, niederreißen oder die Brüder von dort abziehen, wenn er in denselben etwas wahrnahm, was den Anstrich von Eigenthum oder Prunk hatte und darum der evangelischen Armuth zuwider war. Die Armuth nannte er die Grundlage seines Ordens, und auf dieser Grundlage beruhe so sehr das ganze Gebäude des Ordenslebens, daß es stark sei, wenn diese Grundlage fest wäre, aber gänzlich verfalle, wenn an ihr gerüttelt und sie zerstört würde.

3) Darum lehrte auch er, gestützt auf göttliche Offenbarung, der Eintritt in den heiligen Orden müsse anfangen mit der Ausführung jenes evangelischen Rathes: Wenn du vollkommen sein willst, so gehe hin, verkaufe alles, was du hast und gib es den Armen. Deshalb nahm er nur jene in den Orden auf, die sich des Eigenthums entäußert und gar nichts zurückbehalten hatten; dieses that er sowohl wegen der Vorschrift des Evangeliums, als auch zur Vermeidung des Aergernisses, das entstehen könnte, wenn man Geld für sich behielte. In der Mark Ankona bat ein reicher Jüngling um die Aufnahme in den Orden. Der wahre Patriarch der Armen antwortete: Wenn du dich den Armen Christi zugesellen willst, dann gib das Deinige den Armen. Der Mensch kehrte zurück und gab aus fleischlicher Liebe sein ganzes Vermögen seinen Verwandten, ohne etwas den Armen mitzutheilen. Als er aber dem heiligen Manne seine Handlungsweise erzählte, tadelte er ihn heftig und sprach: Gehe deine Wege, Bruder Mücke; denn du bist noch nicht herausgegangen aus deinem Hause und deiner Verwandtschaft; dein Vermögen hast du den Verwandten gegeben und die Armen betrogen; du bist nicht würdig, den heiligen Armen zugesellt zu werden. Du hast im Fleische angefangen und ein sehr schlechtes Fundament gelegt für den geistigen Bau. Der fleischliche Mensch kehrte zu seinen Verwandten zurück, forderte sein Vermögen wieder, das er den Armen nicht überlassen wollte, und vergaß gar bald den Vorsatz, nach Tugend zu streben.

4) Einmal war in dem Kloster Portiunkula so großer Mangel, daß die Brüder, die als Gäste ankamen, nicht bewirthet werden konnten, wie es nothwendig war. Der Vikarius begibt sich nun zum Manne Gottes, stellt ihm die Dürftigkeit der Brüder vor und fügt die Bitte bei, er möge erlauben, daß man einige Sachen der Novizen, die eintreten wollten, annehme und aufbewahre, damit die Brüder dieselben zur Zeit der Noth gebrauchen könnten. Aber der von Gott erleuchtete Mann antwortete: Es sei ferne von uns, mein liebster Bruder, daß wir aus Rücksicht auf irgend einen Menschen gottlos und gegen die Regel handeln; ich will lieber, daß du, wenn die Noth es erfordert, den Altar der glorreichen Jungfrau seines Schmuckes beraubest, als auch nur das Geringste gegen das Gelübde der Armuth und die Beobachtung des Evangeliums unternehmest. Denn es ist der heiligen Jungfrau angenehmer, ihren Altar entblößt zu sehen, wofern wir nur den Rath des heiligen Evangeliums vollkommen beobachten, als daß ihr Altar geschmückt ist, wir aber das Gelübde brechen, das wir ihrem Sohne gemacht haben.

5) Einmal fand der heilige Mann mit seinem Begleiter auf einer Reise durch Apulien, nahe bei Bari, einen Geldbeutel, der voll von Geld zu sein schien. Der Begleiter macht den Armen Christi auf den Fund aufmerksam und dringt sehr in ihn, er möge den Geldbeutel aufheben und das Geld den Armen geben. Der Mann Gottes weigert sich und versichert, man würde in dem Beutel einen Betrug des Teufels finden, und er, der Bruder, rathe nicht zu einer verdienstlichen, sondern zu einer sündhaften Sache, nämlich fremdes Eigenthum zu nehmen und zu verschenken. Hierauf gehen sie von dannen und beeilen sich, das Ziel ihrer Reise zu erreichen. Jedoch der Bruder, von falscher Liebe getäuscht, ruhet nicht, sondern belästigt den Mann Gottes, gleichsam als kümmerte es ihn nicht, die Noth der Armen zu erleichtern. Endlich gibt der sanftmüthige Heilige nach und geht zur Stelle zurück, wo der Geldbeutel liegt; er geht aber zurück, nicht um des Bruders Willen zu erfüllen, sondern um des Teufels Trug aufzudecken. Als er nun mit dem Bruder und einem Jünglinge, der am Wege stand, dorthin gekommen war, betet er und befiehlt dann dem erstern, den Geldbeutel aufzuheben. Jetzt erschrickt der Bruder, indem er eine Vorempfindung von dem ungeheuern Betrug des Teufels hatte. Doch ob des Befehles und des heiligen Gehorsams überwindet er alles Schwanken und streckt die Hand nach dem Geldbeutel aus. Nun siehe! plötzlich kommt eine große Schlange aus demselben, und gleich darauf ist Schlange und Beutel verschwunden, und des Teufels Trug dem Bruder aufgedeckt. Jetzt sprach der heilige Mann zu dem Begleiter: Mein Bruder! Geld ist für Diener Gottes nichts anderes als der Teufel selber, als eine giftige Schlange.

6) Einmal hatte der heilige Mann, als er eine Reise nach Siena zu machen hatte, ein wunderbares Begebniß. Es begegneten ihm nämlich in der großen Ebene zwischen Kampulien und St. Quirikus drei arme Frauen, an Größe, Alter und Aussehen einander vollkommen gleich. Sie grüßten ihn mit einem ganz neuen Gruße, indem sie sprachen: Es gehe der Herrin Armuth gut. Bei diesem Gruße wurde der wahre Liebhaber der Armuth von unaussprechlicher Freude erfüllt, weil ihm kein Gruß angenehmer war, als der, welchen die Frauen ihm brachten. Plötzlich verschwanden die drei Frauen, und die Begleiter, welche die wunderbare Aehnlichkeit unter denselben, die Neuheit des Grußes, das plötzliche Erscheinen und Verschwinden derselben erwogen, machten den richtigen Schluß, diese Erscheinung müsse etwas Geheimnißvolles und auf den heiligen Mann Bezug haben. Und in der That, jene drei armen Frauen, welche Franziskus begegneten, die so ähnlich waren an Gestalt, so ungewöhnlich ihn grüßten und so plötzlich verschwanden, versinnbilden wohl die herrliche Schönheit der evangelischen Vollkommenheit, die in der Keuschheit, dem Gehorsame und der Armuth besteht, und zeigen recht passend an, daß diese drei Tugenden in gleicher Pracht am Manne Gottes glänzten, wiewohl er sich vor Allem in der Armuth rühmte. Die Armuth nannte er bald seine Mutter, bald seine Braut, bald seine Herrin; in der Armuth wollte er Alle übertreffen, da er von ihr gelernt hatte, sich geringer als Alle zu schätzen. Sah er einen Menschen, der in seinem Aeußern ärmer war als er, so tadelte er sich gleich und eiferte sich zu einer ähnlichen Armuth an, gleich als wäre er in Bezug auf die Armuth eifersüchtig gewesen und hätte es gefürchtet, in diesem Punkte besiegt zu werden. Als ihm einst auf der Reise ein sehr armer Mann begegnete, wurde er beim Anblicke der Blöße desselben im Herzen gerührt und sprach zu seinem Begleiter mit klagender Stimme: Dieses Mannes Dürftigkeit flößt mir große Beschämung ein; denn wir haben statt großer Reichthümer die Armuth erwählt, und siehe! an jenem leuchtet sie mehr hervor als an uns.

7) Aus Liebe zur heiligen Armuth gebrauchte der Diener des allmächtigen Gottes lieber Sachen, die von Thüre zu Thüre erbettelt, als die sonst geschenkt waren. Wurde er von großen Herren zur Tafel geladen und mit kostbaren Gerichten geehrt, so bettelte er in den Nachbarhäusern Brodstücke und mit dieser Dürftigkeit bereichert, setzte er sich zu Tische. Als er einmal dasselbe gethan hatte, da er vom Kardinal-Bischof von Ostia, der den Armen Christi zärtlich liebte, zu Tische geladen war, beklagte sich derselbe, daß er seiner Ehre zu nahe getreten sei, weil er bei ihm zur Tafel geladen, Almosen gebettelt habe. Hierauf erwiederte der Diener Gottes: Mein Herr! einen großen Dienst habe ich Euch erwiesen, indem ich einen höhern Herrn ehrte; Gott hat ja sein Wohlgefallen an der Armuth und besonders an jener, die um Christi willen aus freier Wahl bettelt. Nicht verlassen will ich diese königliche Würde, die unser Herr Jesus annahm, indem er für uns arm wurde, um uns durch seine Armuth zu bereichern, und die wahrhaft Armen im Geiste zu Königen und Erben des Himmelreichs einzusetzen. Diese königliche Würde will ich nicht verlassen für das Lehngut trügerischen Reichthums, der uns nur für eine Stunde geliehen ist.

8) Wenn er die Brüder zuweilen zum Almosensammeln aufmunterte, so pflegte er sich dieser Worte zu bedienen: Gehet und bettelt um Almosen; denn in dieser letzten Stunde sind die Minderbrüder der Welt geschenkt, damit die Auserwählten an ihnen das erfüllen, um dessentwillen sie vom Richter gelobt und jenes überaus süße Wort hören werden: Was ihr einem aus diesen meinen geringsten Brüdern gethan habt, das habt ihr mir gethan. Es sei angenehm, sagte er, unter dem Titel »Minderbruder« zu betteln, da ja der Lehrer der evangelischen Wahrheit mit seinem Munde diesen Titel auszusprechen geruhte, als er von der Belohnung der Gerechten sprach. Auch an den vorzüglichen Festen pflegte er zum Betteln auszugehen, wenn Gelegenheit hierzu da war, und sagte, an den heiligen Armen erfülle sich das Wort des Propheten: Engelbrod hat der Mensch gegessen. Jenes Brod, versicherte er, sei fürwahr Engelbrod, welches die heilige Armuth von Thür zu Thür um der Liebe Gottes willen erbitte, und unter dem Zuspruche der Engel auch aus Liebe zu Gott gegeben werde.

Einmal befand er sich am heiligen Ostertage in einer Einsiedelei, die von Wohnhäusern so weit entfernt lag, daß er nicht gut betteln konnte. Eingedenk des Herrn, der an diesem Tage den Jüngern, die nach Emaus gingen, unter der Gestalt eines Fremden erschien, bittet er jetzt wie ein Fremder und Armer seine Brüder um Almosen. Nachdem er aus den Händen seiner Brüder die Gaben demüthig empfangen hatte, unterweiset er sie in heiliger Unterredung, ermahnt sie, als Pilger und Fremdlinge durch die Wüste dieser Welt zu wallen, und als wahre Hebräer das Passa des Herrn, d. h. den Hingang aus dieser Welt zum Vater, in Armuth des Geistes stets zu feiern.

9) Und da er nicht aus Gewinnsucht Almosen sammelte, sondern aus Freiheit des Geistes, so schien Gott, der Vater der Armen, eine besondere Sorgfalt für ihn zu tragen. Es lag der Diener Gottes in Nocera einmal schwer krank darnieder, und wurde von einer Gesandtschaft, welche die Bürger von Assisi aus Verehrung gegen den Heiligen dorthin geschickt hatten, feierlich nach der Stadt gebracht. Der Weg führte durch ein armes Dorf, Sartiano genannt. Da es eben Mittagszeit war, und der Hunger quälte, so gingen die abgesandten Männer hin, Speise zu kaufen, konnten aber nichts erlangen und kehrten leer zurück. Nun sprach der heilige Mann: Darum habt ihr keine Speise gefunden, weil ihr mehr auf euere Mücken als auf den Herrn vertraut. Mücken hieß er nämlich das Geld. Indeß kehret zurück und bittet demüthig um Almosen, indem ihr die Liebe Gottes als Preis anbietet; lasset euch nicht leiten von falscher Meinung und haltet das Betteln nicht für beschämend oder gemein; denn nach der Sünde ist alles, was wir haben und empfangen, ein Almosen, das jener große Almosengeber Würdigen und Unwürdigen mit freigebiger Liebe spendet. Jetzt legen sie ihre Scham ab und bitten gerne um Almosen und erhalten mehr für die Liebe Gottes als für ihr Geld. Denn Gott rührte die Herzen dieser armen Einwohner, und sie boten nicht bloß ihre Habe, sondern sich selbst freigebig an. So ersetzte des Franziskus reiche Armuth den Mangel, welchen man mit Geld nicht heben konnte.

10) Ein anderes Mal lag der Heilige krank in der Einsiedelei nahe bei Rieti, und ein gewisser Arzt besuchte ihn fleißig. Da aber der Arme Christi nichts hatte, was er dem Arzte für seine Mühe geben konnte, so bezahlte der überaus freigebige Gott, der jenen Liebesdienst auch schon in diesem Leben vergelten wollte, anstatt seines armen Dieners durch ein ganz neues Wunder. Das Haus, das der Arzt eben aus seinem Gesammtgewinnste sich neu erbaut, hatte nämlich von oben bis unten Risse in den Wänden, die so schlimm waren, daß es durch menschliche Kunst nicht möglich zu sein schien, dasselbe vor dem Einsturze zu bewahren. Der Arzt hatte aber vollkommenes Vertrauen auf die Verdienste des heiligen Mannes und bat mit recht gläubiger Verehrung dessen Genossen, sie möchten ihm etwas geben, was der Mann Gottes mit seinen Händen berührt habe. Nach inständigen Bitten erhält er einige Haare des Heiligen, welche er am Abend in den Riß der Mauer legt. Als er aber am andern Morgen aufsteht, findet er jenen Riß so dicht geschlossen, daß er die herausstehenden Haare nicht ausreißen, noch irgend eine Spur des früheren Risses entdecken konnte. So verhütete jener Mann, der den hinfälligen Leib des Dieners Gottes sorgsam pflegte, den Einsturz seines eigenen Hauses.

11) Ein anderes Mal wollte der Mann Gottes sich nach einer Einsiedelei begeben, um dem Gebete ungestörter obliegen zu können. Da er aber schwach war, so ritt er auf dem Esel eines armen Mannes. Es war eben ein recht heißer Sommertag, und jener arme Mann folgte dem Diener Christi den Berg hinan. Ganz ermüdet von dem sehr rauhen und langen Wege und erschöpft von brennendheißem Durste, rief er dem Heiligen nach: Ich sterbe vor Durst, wenn ich nicht alsbald mit einem Trunke erfrischt werde. Ohne Zögern sprang der Mann Gottes vom Esel, kniete nieder und betete, die Hände zum Himmel erhoben, so lange, bis er erkannte, von Gott erhört zu sein. Nach vollendetem Gebete sprach er zum Manne: Gehe eilig zu jenem Felsen, dort wirst du Quellwasser finden, das dir Christi Barmherzigkeit in dieser Stunde zu trinken gibt. O staunenswerthe Herablassung Gottes, der sich so leicht seinen Dienern gefällig zeigt! Der durstige Mensch trinkt Wasser, das durch des Gebetes Kraft aus dem Felsen sprudelt, und schöpft aus dem harten Steine sich den Trank. Zuvor war hier keine Quelle, und auch später konnte man keine finden, wiewohl man sorgfältig darnach suchte. –

12) Wie Christus wegen der Verdienste seines Armen die Lebensmittel auf dem Meere vermehrt habe, werden wir später an seinem Orte erzählen; es sei hier genug, zu erwähnen, daß der Heilige mit dem wenigen Almosen, die man ihm gegeben hatte, die Schiffsleute mehrere Tage hindurch vor dem Hungertode bewahrte. Hieraus kann man klar ersehen, daß der Diener des allmächtigen Gottes dem Moses ähnlich ist in der Hervorbringung des Wassers aus dem Felsen, und als ein zweiter Elisäus dasteht in der Vermehrung der Lebensmittel. Ferne sei darum alles Mißtrauen von den Armen Christi. Denn wenn die Armuth Christi von solchem Ueberfluße war, daß sie dem Mangel derer, die ihr zu Hilfe kamen, mit so wunderbarer Kraft abhalf, daß es weder an Speise, noch an Trank und Obdach da fehlte, wo weder Geld, noch Kunst, noch die Natur etwas gewähren konnte: um wie viel mehr wird sie dasjenige verdienen, was von Gottes Vorsehung nach der gewöhnlichen Ordnung allen verliehen wird? Und wenn, sage ich, auf des armen Franziskus Stimme aus dem dürren Felsen reichliches Wasser hervorsprudelte und dem durstigen Armen überflüssigen Trank gegeben hat, so wird Gott in keinem Stücke seine Hilfe denen versagen, welche wegen des Schöpfers aller Dinge Alles verlassen haben.


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