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Zweites Kapitel.

Von der vollkommenen Bekehrung des heiligen Franziskus zu Gott und der Wiederherstellung dreier Kirchen.


1) Bisher hatte der Knecht des Allerhöchsten im geistlichen Leben keinen andern Lehrmeister gehabt als Christum, und dieser unterließ nicht, ihn mit den lieblichen Heimsuchungen seiner Gnade zu erfreuen. Als er nämlich eines Tages ausgegangen war zur Betrachtung und auf dem Felde neben der Kirche des heiligen Damian, die Alters wegen einzustürzen drohete, spazieren ging, ward er vom Geiste Gottes in die Kirche geführt, um dort zu beten, und, niedergeworfen vor dem Bilde des Gekreuzigten, mit großer Tröstung des Geistes beim Gebete erfüllt. Und da er mit thränenvollen Augen zum Kreuze des Herrn aufblickte, hörte er mit leiblichen Ohren eine Stimme vom Kreuze herab dreimal zu ihm sprechen: Franziskus, geh und stelle mein Haus wieder her, das du ganz zerfallen siehst! Weil er aber allein in der Kirche war, so zitterte und bebte er bei dieser wunderbaren Stimme, empfand aber auch im Herzen die Kraft der göttlichen Ansprache und ward im Geiste entzückt. Wieder zu sich gekommen, schickt er sich an zum Gehorsam und trifft Anstalten, auf göttlichen Befehl die materielle Kirche wiederherzustellen, wiewohl doch der göttliche Auftrag vorzüglich auf jene Kirche deutete, die Christus durch sein Blut erworben. Diese Erklärung erhielt er späterhin vom heiligen Geiste und theilte sie noch seinen Brüdern mit. Jetzt steht er auf, bewaffnet sich mit dem Zeichen des Kreuzes, und nachdem er aus seines Vaters Laden Tuch genommen, reitet er schnell nach der Stadt Foligno und verkauft dort Tuch und Pferd. Nach Assisi zurückgekehrt, begab er sich ehrerbietig nach der Kirche, die er wiederherstellen sollte; und da er dort einen armen Priester fand, machte er ihm die gebührende Aufwartung und gab ihm zur Wiederherstellung der Kirche und Unterstützung der Armen das empfangene Geld, bat auch demüthig, er möge ihm erlauben, eine Zeit lang bei ihm zu bleiben. Der Priester erlaubte nun wohl den zeitweiligen Aufenthalt, aber das Geld nahm er nicht an aus Furcht vor dessen Eltern. Franziskus warf das Geld, das er wahrhaft verachtete und wie Staub ansah, auf eine Fensterbank.

2) Nachdem der Vater des Dieners Gottes von dessen Aufenthalte bei dem gedachten Priester Kenntniß erhalten, läuft er sogleich zornentbrannt dorthin. Als aber der noch neue Kämpfer Christi die Drohungsworte seiner Verfolger und ihre Ankunft vernahm, wollte er ihrem Zorne ausweichen und verbarg sich deshalb in eine Höhle, wo er sich mehrere Tage aufhielt und stets unter einem Strome von Thränen den Herrn anflehete, er möge doch seine Seele erretten aus den Händen der Verfolger und die frommen Wünsche, die er ihm eingegeben habe, durch seinen gnädigen Schutz zur Ausführung bringen. Beim Gebete ward er nun mit übergroßer Freude erfüllt und fing an, sich der Feigheit anzuklagen; dann verließ er, alle Furcht bei Seite setzend, die Höhle und begab sich nach der Stadt Assisi. Da ihn seine Mitbürger blaß von Angesicht und verändert am Geiste sahen, hielten sie ihn für wahnsinnig, bewarfen ihn mit Gassenkoth und Steinen und verhöhnten ihn mit lauten Schimpfworten, wie einen Unsinnigen und Narren. Aber der Diener des Herrn ward durch keine Unbilde gebeugt oder verändert und ging durch alles hindurch wie ein Stummer. Sein Vater hört den Lärm und läuft schnell herbei, nicht um seinen Sohn zu befreien, sondern ihn zu verderben; legt alles Erbarmen bei Seite und schleppt ihn nach Hause, wo er ihn erst mit Worten, dann mit Prügeln und Banden peinigt. Jedoch Franziskus wird hierdurch zur Ausführung dessen, was er angefangen hatte, nur bereitwilliger und muthiger gemacht, sich an das Wort des Evangeliums erinnernd: Selig, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden, denn ihrer ist das Himmelreich.

3) Nach einiger Zeit machte der Vater eine Reise in's Ausland, und da die Mutter, die ihres Mannes Verfahren mißbilligte, keine Hoffnung hatte, ihres Sohnes unbeugsame Standhaftigkeit zu erschüttern, so entfesselte sie ihn und ließ ihn frei gehen. Franziskus dankte Gott für die Befreiung und kehrte an den Ort zurück, wo er früher gewesen war. Als der Vater heimkehrte und ihn nicht zu Hause fand, überhäufte er erst seine Gattin mit Schmähworten, begab sich dann wüthend an jenen Ort, wo sein Sohn verweilte, um ihn aus dem Lande zu jagen, wenn er ihn nicht umstimmen könnte. Franziskus aber, von Gott gestärkt, geht dem wüthenden Vater freiwillig entgegen und erklärt ganz offen, er erachte seine Bande und Schläge für nichts, und sei auch bereit, um des Namens Christi willen alle Uebel mit Freuden entgegenzunehmen. Wie nun der Vater sah, daß er ihn von seinem Vorhaben nicht abbringen konnte, suchte er das Geld von ihm heraus zu bringen; und da er es am Fenster fand, und hierdurch der Durst seiner Habsucht sich in etwas stillte, ward auch seine Wuth bedeutend gemildert.

4) Hierauf versucht der Vater des Fleisches den Sohn der Gnade, der vom Gelde entblößt war, vor den Bischof der Stadt zu führen, damit er vor demselben allem väterlichen Erbe entsage und alles hergebe, was er noch hatte. Hierzu zeigte sich der wahre Liebhaber der Armuth bereit; ungesäumt kommt er vor den Bischof und, ohne auf ein Wort zu warten, noch auch ein Wort zu reden, legt er sogleich alle seine Kleider ab und gibt sie dem Vater zurück. Nun entdeckte man auch, daß der Mann Gottes unter seinen feinen Kleidern ein Bußhemd trug. Von einer wunderbaren Gluth ergriffen und von himmlischer Wonne trunken, warf er selbst die Unterkleider weg, entblößte sich vor allen Anwesenden und sprach dann zum Vater: Bisher habe ich dich meinen Vater auf dieser Welt genannt, jetzt aber kann ich zuversichtlich sprechen: Vater unser, der Du bist in den Himmeln; bei diesem Vater habe ich hinterlegt all meinen Reichthum und auf ihn gesetzt all meine Hoffnung. Beim Anblicke dieser Scene gerieth der Bischof in Verwunderung über den Feuereifer des Mannes Gottes, erhob sich sogleich und schloß ihn unter Thränen in seine Arme; dann bedeckte er ihn, weil er ein frommer und lieber Mann war, mit dem Mantel, den er gerade trug, und befahl seinen Leuten etwas herbeizubringen, um den Leib des Franziskus zu bedecken. Diese brachten den ärmlichen und schlechten Mantel eines Ackerknechtes, der beim Bischof diente. Franziskus nahm ihn dankbar an, machte selbst mit Kalk, den er gerade fand, das Kreuzzeichen darauf und weihete ihn zum Kleide eines gekreuzigten Menschen und halbnackten Armen. So war nun der Diener des allerhöchsten Königs nackt zurückgelassen, damit er dem Herrn, der nackt an's Kreuz geschlagen und den er liebte, nachfolgen könnte; und gewiß war er mit dem Kreuze bewaffnet, damit er sich selbst kreuzige und durch das Kreuz dem Schiffbruche der Welt entginge.

5) Jetzt war der Verächter der Welt gelöst von allen Banden irdischer Begierden; darum verließ er auch die Stadt und eilte sicher und frei in die stille Einsamkeit, um dort allein und schweigend auf die geheimnißvolle himmlische Ansprache zu lauschen. Aber während der Diener Gottes Franziskus durch das Gehölz wanderte und des Herrn Lob in französischer Sprache mit Jubel sang, kamen Räuber aus ihrem Versteck und fielen ihn an; mit thierischem Grimme schnarrten sie ihn an und fragten, wer er sei. Der Mann Gottes antwortete voll Zuversicht und mit prophetischen Worten: Ich bin der Herold des großen Königs. Da schlugen sie ihn, warfen ihn in eine Grube voll Schnee und schrieen: Da liege, du Bauer, du Herold Gottes. Nachdem die Räuber davongegangen, sprang er aus dem Graben und sang im Geiste hocherfreut mit noch lauterer Stimme dem Schöpfer aller Dinge Loblieder, so daß der Hain davon widerhallte. Hierauf kam er zu einem gewissen benachbarten Kloster, wo er als Bettler um Almosen bat, welches man ihm, dem Unbekannten, mit einer gewissen Verachtung reichte. Von dort begab er sich nach Eugubium, wo er von einem alten Freunde, der ihn erkannte, aufgenommen und als Armer Christi mit einem ärmlichen Gewande bekleidet wurde. Von dieser Zeit an ging der Liebhaber aller Demuth zu den Aussätzigen und lebte unter ihnen, bediente sie alle auf das sorgfältigste um Gottes willen, wusch ihre Füße, verband ihre Geschwüre, drückte den Eiter aus den Wunden und reinigte dieselben von der faulen Materie; ja er, der bald geistlicher Arzt werden sollte, küßte aus wunderbarer Liebe sogar ihre eiternden Wunden; darum erhielt er auch vom Herrn die so große Gabe, geistige und leibliche Krankheiten mit wunderbarer Kraft zu heilen; aus vielen will ich nur ein Beispiel anführen, wodurch der Ruf des Mannes Gottes sich weithin mit Glanz verbreitete.

6) In der Grafschaft Spoleto lebte ein Mann, dessen Mund und Wangen vom Krebs schrecklich zerfressen waren und dem keine Arznei Hülfe zu bringen vermochte. Dieser Mann hatte eine Wallfahrt zum Grabe der heiligen Apostel gemacht, um deren Fürbitte anzuflehen, und traf bei seiner Rückkehr mit dem Knechte Gottes zusammen. Aus Ehrfurcht gegen ihn wollte er dessen Füße küssen; aber der demüthige Franziskus litt es nicht und küßte vielmehr dem den Mund, der ihm die Füße küssen wollte. Aber kaum hat Franziskus, der Diener der Aussätzigen, in wunderbarer Liebe jene schreckliche Wunde mit heiligem Kuße berührt; da ist auch alle Krankheit verschwunden, und der Leidende hat plötzlich die gewünschte Gesundheit wiedererlangt. Ich weiß nicht, was von diesen Beiden mehr zu bewundern ist, die tiefe Demuth bei dem so liebevollen Kuße, oder die große Kraft bei diesem staunenswerthen Wunder.

7) Jetzt war Franziskus in der Demuth Christi begründet, und nun gedachte er auch des Befehles, der ihm vom Kreuze herab aufgetragen, die Kirche des heiligen Damian wiederherzustellen, und als wahrhaft folgsamer Mann kehrte er nach Assisi zurück, um durch Betteln der Stimme Gottes zu gehorchen. Alle Scham bei Seite setzend, bettelt er hier aus Liebe zum armen Gekreuzigten bei denen, unter welchen er im Ueberfluße gelebt hatte, und gibt seinen vom Fasten geschwächten und ausgemergelten Leib her, schwere Steine herbeizuschleppen. Nachdem nun diese Kirche mit Gottes Beistand und mit Hilfe frommer Bürger aus Assisi wieder hergestellt war, begab er sich, damit sein Leib nach der Arbeit nicht in Trägheit erschlaffe, an die Wiederherstellung einer andern dem heiligen Petrus geweiheten Kirche, die weiter von der Stadt entfernt war. Diese Arbeit unternahm er aus besonderer Andacht, die sein reiner Glaube zum Apostelfürsten hegte. Nach Vollendung dieser Kirche kam er endlich an einen Ort, Portiunkula genannt, wo eine zu Ehren der Mutter Gottes vor Alters erbaute Kirche stand, die jetzt aber verlassen war und von Niemanden besorgt wurde. Als der Mann Gottes dieselbe so verlassen erblickte, beschloß er aus glühender Andacht zur Herrin der Welt daselbst länger zu verbleiben, um die Kirche wiederherzustellen. Und da er schon aus dem Namen dieser Kirche, die von Alters her »Heilige Maria von den Engeln« genannt wurde, erkannte, daß dieselbe häufig von Engelschaaren besucht werde; so schlug er dort aus Verehrung gegen die heiligen Engel und besonderer Liebe zur Mutter Gottes seine Wohnung auf.

8) Diese Stätte liebte der heilige Mann vor allen in der Welt; denn hier begann er in Demuth, hier schritt er fort in Kraft, hier endete er im seligen Frieden; diesen Ort empfahl er sterbend seinen Brüdern als den der Jungfrau theuersten. Ueber diese Stätte hatte ein frommer Bruder vor seinem Eintritte in den Orden ein Gesicht, das der Erzählung würdig ist. Er sah nämlich unzählige Menschen um die Kirche herum; alle waren mit Blindheit geschlagen und schauten, auf den Knieen liegend, zum Himmel; riefen mit erhobenen Händen und unter Thränen zu Gott und fleheten um Erbarmung und Licht. Und siehe, ein ungeheurer Glanz kam vom Himmel und ergoß sich über alle, und gab einem Jeden das ersehnte Licht und Heil. Dieses ist die Stätte, wo der Minderbrüder-Orden vom heiligen Franziskus auf göttliche Offenbarung seinen Anfang nahm. Denn in der That ist es durch göttliche Leitung geschehen, daß der Diener Christi, der sich in allem von Gott führen ließ, zuerst drei steinerne Kirchen erbauete, bevor er den Orden gründete und das Evangelium predigte. Gott wollte ihn nämlich auf diese Weise nicht blos vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, vom Kleinern zum Größern wohlgeordnet und stufenweise aufsteigen lassen, sondern auch durch das äußerlich sichtbare Werk ihm geheimnißvoll anzeigen, was er in Zukunft wirken sollte. Denn wie der Knecht Gottes drei steinerne Kirchen wiederhergestellt hatte, so sollte auch die geistige Kirche von ihm dreifach wieder hergestellt, und unter seiner Leitung, nach den von ihm gegebenen Grundzügen und Vorschriften und der Lehre Christi, sollten drei triumphirende Kriegsheere für den Himmel gebildet werden, wie wir es jetzt vollendet sehen.


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