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Viertes Kapitel.

Vom Fortschritte des Ordens unter der Leitung des heil. Franziskus und von der Bestätigung der Regel, die früher nur mündlich gutgeheißen war.


1) Jetzt kehrte Franziskus im Vertrauen auf die Hilfe von oben und das Ansehen des Papstes mit vieler Zuversicht nach dem Thale von Spoleto zurück, um das Evangelium Christi zu üben und zu predigen. Unterwegs besprach er sich lange mit seinen Brüdern, wie sie die Regel, die sie angenommen hatten, strenge beobachten, wie sie in aller Heiligkeit und Gerechtigkeit vor Gott wandeln, wie sie in sich selbst zunehmen und andern zum Beispiele dienen könnten. Müde und hungrig von den Beschwerden des weiten Weges setzten sie sich in der Einöde nieder, und da ihnen jede Gelegenheit fehlte, die nöthige leibliche Nahrung sich zu verschaffen, so kam ihnen alsbald die göttliche Vorsehung zu Hilfe. Denn plötzlich erschien ein Mann und brachte in seiner Hand den Armen Christi Brod; aber eben so plötzlich verschwand er auch wieder, ohne daß man wußte, woher er kam oder wohin er ging. Als die Brüder dieses Wunder sahen, erkannten sie, daß ihnen unter der Leitung des Mannes Gottes die Hilfe von oben zur Seite stehe, und wurden mehr gestärkt durch den Gedanken, wie freigebig Gott sie beschenkt habe, als durch die leibliche Speise. Zudem wurden sie mit göttlichem Troste erfüllt und machten den festen und unwiderruflichen Vorsatz, weder durch Trübsale noch durch Entbehrungen vom Gelübde der heiligen Armuth sich abwendig machen zu lassen.

2) Bei ihrer Rückreise zum Thale von Spoleto begannen sie darüber zu reden, ob sie unter den Menschen verkehren, oder an einsame Orte sich begeben sollten. Aber der Diener Christi Franziskus fragte, nicht vertrauend auf seine und seiner Brüder Klugheit, in dieser Sache durch inständiges Gebet Gott um Rath, und erkannte bald durch göttliche Offenbarung, er sei dazu vom Herrn gesandt, daß er Christo die Seelen gewinne, die der Teufel ihm zu rauben suchte. Darum zog er es vor, lieber für alle als für sich allein zu leben, wozu er auch durch Christi Beispiel aufgefordert wurde, der für alle zu sterben sich würdigte. Der Mann Gottes zog sich jetzt mit seinen Genossen in eine verlassene Hütte bei Assisi zurück, wo sie nach dem Ideal der heiligen Armuth in vieler Arbeit und Entbehrung lebten und sich vielmehr mit dem Brode der Thränen als mit köstlicher Nahrung erfrischten. Hier lagen sie beständig dem Gebete ob und beteten in Andacht mehr innerlich als mündlich, weil ihnen Bücher noch fehlten, aus welchen sie die kirchlichen Tagzeiten singen könnten. Jedoch statt der Bücher hatten sie Christi Kreuz, in dem sie nach dem Beispiele und der Unterweisung des Vaters, der ihnen beständig vom Kreuze Christi predigte, Tag und Nacht und unablässig lasen und betrachteten.

3) Da die Brüder ihn baten, er möchte sie beten lehren, sprach er: Wenn ihr betet, dann saget: Vater unser u. s. w., und: »Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, in allen Kirchen der Welt und preisen dich, weil du durch dein Kreuz die Welt erlöset hast.« Er lehrte sie auch, den Herrn in allen Geschöpfen zu loben und durch alle Dinge zum Lobe Gottes sich zu erheben; die Priester sollten sie ferner mit besonderer Hochachtung ehren, und an dem wahren Glauben, wie ihn die heilige römische Kirche hält und lehrt, fest halten und in Einfalt ihn bekennen. Die Söhne des heiligen Vaters befolgten nun in Allem dessen lehrreiche Unterweisungen; wenn sie Kirchen und Kreuze aus der Ferne sahen, warfen sie sich demüthig zu Boden und beteten, wie er sie unterwiesen hatte.

4) Während nun die Brüder an dem gedachten Orte wohnten, ging der heilige Mann an einem Samstage Abends nach der Stadt Assisi, um am Sonntage Morgens, wie es Sitte war, im Dome zu predigen. Die Nacht brachte der Gott geweihte Mann, nach seiner Gewohnheit, in einer Hütte, die im Garten der Kanoniker stand, im Gebete zu. Während er nun von seinen Kindern dem Leibe nach entfernt war, erschien um Mitternacht, wo einige Brüder schliefen, andere noch im Gebete verharrten, ein feuriger Wagen von wunderbarem Glanze, ging durch die Thüre des Hauses und fuhr dreimal durch die Wohnung hin und her; auf dem Wagen selbst befand sich eine leuchtende Kugel, ähnlich der Sonne, und erhellte die Nacht. Staunen überfiel die Wachenden, und die Schlafenden wurden, von Schrecken erfüllt, aufgeweckt. Dieses Licht beleuchtete nicht weniger die Herzen als die Leiber; denn in Kraft dieses wunderbaren Lichtes war das Gewissen des einen dem andern bloß gelegt. Und während alle die Herzen der andern gegenseitig schauten, erkannten sie auch einmüthig, der heilige Vater, der zwar dem Leibe nach abwesend, mit dem Geiste aber anwesend war, sei ihnen deßhalb in dieser verklärten Gestalt, bestrahlt von himmlischem Glanze, entzündet von seraphischen Gluthen, auf einem leuchtenden und feurigen Wagen durch übernatürliche Kraft vom Herrn gezeigt worden, damit sie als wahre Israeliten dem nachfolgten, der wie ein anderer Elias geistigen Männern von Gott zum Wagen und Fuhrmann gemacht worden ist. Man muß wahrlich glauben, eben Jener habe auf das Gebet des Franziskus die Augen dieser Einfältigen geöffnet, um die Großthaten Gottes zu schauen, der einstmals die Augen des Knaben aufthat, damit er den Berg voll feuriger Wagen und Rosse um Elisäus herum sehe. (4. Kön. 6, 17.) Nach seiner Rückkehr legte der heilige Mann seinen Brüdern die geheimsten Falten ihres Gewissens offen, bestärkte sie über dieses wunderbare Gesicht und sagte ihnen vieles über den Fortschritt des Ordens vorher. Und da er viele Dinge offenbarte, welche den menschlichen Verstand übersteigen, so erkannten die Brüder wahrhaft, der Geist des Herrn ruhe in solcher Fülle auf seinem Diener Franziskus, daß man nach seiner Lehre und seinem Beispiele ganz sicher wandeln könne.

5) Hierauf führte Franziskus, der Hirt der kleinen Heerde, auf Antrieb der göttlichen Gnade seine zwölf Brüder nach der Kirche Maria Portiunkula, damit, wo der Orden der Minderbrüder durch die Verdienste der Gottesmutter seinen Anfang genommen hatte, er auch dort durch ihre Hilfe Wachsthum erhalte. Hier ward er zum Herold des Evangeliums gemacht, von hier durchreiste er Städte und Dörfer und verkündete das Reich Gottes, nicht in gelehrten Worten menschlicher Weisheit, sondern in der Kraft des göttlichen Geistes. Allen, die ihn sahen, erschien er wie ein Mensch aus einer anderen Welt; denn Herz und Augen waren stets zum Himmel gerichtet, und alle suchte er nach oben zu ziehen. Jetzt begann der Weinberg Christi Knospen von gutem Geruche für den Herrn, liebliche Blüthen der Ehre und Ehrbarkeit aus sich hervorzutreiben und reichliche Frucht zu bringen. Denn sehr viele Personen beiderlei Geschlechtes wurden innerlich entzündet durch die feurigen Reden des Franziskus, dienten dem Herrn in ehelicher Keuschheit und banden sich durch neue Gesetze der Buße, die er ihnen vorschrieb; diese Lebensweise nannte der Diener Christi den Orden der Brüder von der Buße. Wie nämlich der Weg der Buße gemeinschaftlich ist für alle, die nach dem Himmel streben, so sollte dieser Orden auch Geistliche und Laien, Unverheirathete und Verheiratete beiderlei Geschlechtes zulassen. Wie angenehm dieser Orden bei Gott ist, erhellt aus vielen Wundern, die von Mitgliedern desselben gewirkt worden sind.

6) Es gelobten auch Jungfrauen beständige Keuschheit. Unter diesen ist die Jungfrau Klara, sehr geliebt von Gott, die erste Pflanze, die weiße Frühlingsblume von gutem Geruch, ein hellglänzendes und strahlendes Gestirn, jetzt im Himmel verherrlicht und von der Kirche auf Erden würdig geehrt; sie war des heiligen Vaters Franziskus Tochter in Christus und selbst Mutter armer Frauen. Viele wurden nicht blos von Andacht und Reueschmerz durchdrungen, sondern verachteten auch, vom Verlangen nach christlicher Vollkommenheit entflammt, alle Eitelkeit der Welt und folgten den Fußstapfen des heiligen Franziskus. Täglich wuchsen sie an Zahl und verbreiteten sich schnell bis an die Grenzen der Erde; denn die heilige Armuth, welche sie allein als Zehrung mit sich führten, machte sie bereit zum Gehorsame, stark zur Arbeit, fertig zum Reisen. Und weil sie nichts Irdisches hatten, nichts liebten und nichts zu verlieren fürchteten, so waren sie überall sicher, frei von Furcht, frei von Sorgen; sie lebten ohne Unruhe des Geistes und erwarteten ruhig den morgigen Tag und die nächtliche Herberge.

7) In vielen Gegenden wurden sie aber auch beschimpft als verächtliche und unbekannte Menschen. Jedoch die Liebe zum Evangelium Jesu Christi hatte sie so geduldig gemacht, daß sie lieber dort zu sein wünschten, wo sie leiblich verfolgt wurden, als wo man ihre Heiligkeit kannte und sie Gelegenheit haben konnten, sich der Gunst der Welt zu rühmen. Selbst der Mangel schien ihnen überschwengliche Fülle zu sein, weil sie nach dem Rathe des Weisen sich mit Wenigem wie mit Vielem begnügten. Einmal kamen einige Brüder in die Länder der Ungläubigen, wo ein Sarazene, von Mitleid gerührt, ihnen Geld anbot, damit sie sich die nothwendigen Lebensmittel kaufen könnten. Da sie aber das Geld anzunehmen sich weigerten, wunderte sich der Mann, weil er sie dürftig sah; nachdem er aber erfahren hatte, daß sie aus Liebe zu Gott arm geworden und kein Geld besitzen wollten, faßte er so große Liebe zu ihnen, daß er sich erbot, sie mit allem Nothwendigen zu versehen, so lange er selbst etwas habe. O kostbare Armuth, wie unschätzbar bist du, da ja durch deine wunderbare Kraft das Herz wilder Barbaren in so große Milde und Erbarmung umgewandelt wird! Darum ist es gewiß ein schweres Verbrechen, wenn ein Christenmensch diese edle Perle mit Füßen tritt, die selbst ein Sarazene so hoch verehrt.

8) Um diese Zeit lag im Hospitale bei Assisi ein Ordensmann aus dem Orden der Kreuzritter, Morikus genannt, an einer so schweren und langwierigen Krankheit darnieder, daß die Aerzte ihn für unheilbar erklärten. Dieser ließ den Mann Gottes durch einen Boten demüthig bitten, er möge sich doch würdigen, seiner bei Gott zu gedenken. Der selige Vater geht auf die Bitte gütigst ein und begibt sich in's Gebet; hierauf nimmt er Oel aus der Lampe, die vor dem Altare der heiligen Jungfrau hing, mischt es mit Brodkrumen und läßt diese Masse als besondere Arznei zu dem Kranken bringen. Zu den Brüdern sprach er: Traget diese Arznei zu unserm Bruder Morikus; denn die Kraft Christi wird ihn nicht blos wieder gesund machen, sondern auch zu einem starken Krieger umschaffen und unserer Kriegerschaar für immer einverleiben. Kaum hatte der Kranke diese Arznei, die auf Eingebung des heiligen Geistes zubereitet war, verkostet, als er auch an Leib und Seele gesund aufstand und eine so kräftige Gesundheit erhielt, daß er später nach seinem Eintritte in den Orden der Minderbrüder nur einen Habit gebrauchte, lange Zeit auf dem bloßen Leibe ein Bußhemd trug, nur rohe Speisen, nämlich Kräuter, Gemüse und Obst genoß, niemals weder Wein noch Brod nahm, und dennoch gesund und stark verblieb.

9) Auch an Tugend und Verdiensten wuchsen die Kleinen Christi, und der Wohlgeruch ihres guten Namens verbreitete sich rings umher und zog aus verschiedenen Weltgegenden viele herbei, den heiligen Vater von Angesicht zu sehen. Unter diesen war auch ein kunstfertiger Dichter weltlicher Lieder, wegen seiner Kunst vom Kaiser gekrönt und Liederkönig benannt. Auch dieser hatte sich vorgenommen, den Mann Gottes zu sehen, der alles Weltliche verachtete. Als er ihn nun bei der Burg des heiligen Severin in einem Kloster predigend fand, kam die Hand Gottes über ihn, und er sah Franziskum, den Prediger des Kreuzes Christi, mit zwei hellglänzenden Schwertern gezeichnet, die in Kreuzesform quer über einander lagen, indem das eine vom Kopfe bis zu den Füßen reichte, das andere von Hand zu Hand mitten durch die Brust ging. Wiewohl er den Diener Christi nie von Angesicht gesehen hatte, so erkannte er ihn doch durch dieses so große Wunder, das ihn ihm bekannt machte. Beim Schauen dieses Gesichtes ward er heftig erstaunt und fing an, sich zu einem bessern Leben zu entschließen; auch durch die Kraft der Worte, welche der Heilige sprach, wurde er erschüttert, und es war ihm, als wäre sein Geist mit dem Schwerte durchbohrt, das aus dessen Munde hervorging. Alsbald verließ er allen weltlichen Pomp und schloß sich dem seligen Vater durch die Profeß an. Der heilige Mann nannte ihn darum Bruder Pazifikus, weil er ihn von der Unruhe der Welt zum Frieden Christi vollkommen bekehrt sah. Nach seiner Bekehrung zeichnete er sich aus in jeglicher Tugend und wurde späterhin erster Provinzial in Frankreich. Er war es auch, der vor seiner Abreise nach Frankreich an der Stirne des Franziskus wiederholt ein großes griechisches T ( Τ), das verschiedene Farben hatte und das dessen Angesicht wunderbar schmückte, zu sehen verdiente. Dieses Zeichen ehrte der heilige Mann nachmals mit zärtlicher Liebe, empfahl es häufig in seinen Reden und setzte es unter die Briefe, die er schrieb, gleich als wäre es sein ganzes Streben gewesen, die Stirne der Weinenden und Klagenden, die sich wahrhaft zu Christus bekehrt hatten, nach dem Worte des Propheten, mit diesem Buchstaben zu bezeichnen.

10) Im Laufe der Zeit nun mehrten sich die Brüder, und der sorgsame Hirt fing darum an, sie zum Kloster Maria von Portiunkula zum Generalkapitel zu berufen, damit er nach göttlicher Leitung im Lande der Armuth einem Jeden seinen Antheil des Gehorsams gäbe. Wiewohl hier Mangel war an allem Nothwendigen, und einmal über fünftausend Brüder zusammenkamen: so hatten sie doch durch Hilfe der göttlichen Milde hinreichende Lebensmittel, waren gesund am Leibe und voll Wonne des Geistes. Obschon er bei den Provinzialkapiteln nicht leiblich anwesend sein konnte, so war er ihnen doch durch sorgsame Leitung, anhaltendes Gebet und durch die Kraft seines Segens geistig gegenwärtig; ja bisweilen erschien er durch wunderbare Wirkung der göttlichen Kraft bei ihnen sichtbar. Als nämlich der ausgezeichnete Prediger Antonius, jetzt glorreicher Bekenner Christi, auf dem Kapitel zu Arles seinen Brüdern über den Kreuzestitel »Jesus von Nazareth, König der Juden,« predigte, blickte ein Bruder von bewährter Tugend, Monaldus mit Namen, auf göttliche Mahnung nach der Thüre des Kapitelsaales und sah mit leiblichen Augen den seligen Franziskus in der Luft schweben und wie mit kreuzweise ausgestreckten Händen die Brüder segnen. Zu derselben Zeit verkosteten auch alle Brüder einen so außerordentlichen geistigen Trost, daß sie nach dem sichern Zeugnisse ihres Herzens an der wirklichen Gegenwart des heiligen Vaters nicht zweifeln konnten. Uebrigens ist diese Erscheinung später nicht blos durch augenscheinliche Zeichen, sondern auch durch die Erklärung des heil. Vaters selbst bestätigt worden. Man muß also gewiß glauben, daß der allmächtige Gott, der den frommen und heiligen Bischof Ambrosius bei der Leichenfeier des glorreichen Martinus zugegen sein ließ, damit er dem heiligen Bischofe einen frommen Dienst erwiese, auch seinen Diener Franziskus bei der Predigt seines wahrhaftigen Heroldes Antonius gegenwärtig sein ließ, damit er die Aussprüche der Wahrheit und besonders die herrlichen Lobsprüche über Christi Kreuz bestätige, dessen Träger und Diener er war.

11) Da nun der Orden sich schon weit ausgebreitet hatte, so dachte Franziskus daran, die Lebensweise, die der Papst Innocenz gutgeheißen hatte, von dessen Nachfolger Honorius für ewige Zeiten bestätigen zu lassen. Dieser Entschluß ward ihm durch göttliche Offenbarung eingegeben. Es schien ihm nämlich, als sammle er ganz kleine Brodkrumen von der Erde und reiche sie vielen hungernden Brüdern, die um ihn her standen, zum Essen dar. Während er sie nun austheilte in der Furcht, sie möchten etwa seinen Händen entfallen, sprach eine Stimme von oben: Franziskus, mache aus allen Krumen ein Brod und gib davon jenen, die essen wollen. Er folgte dem Befehle, und alle, welche die Gabe nicht mit Andacht annahmen oder das Erhaltene vernichteten, wurden bald mit einem bösen Aussatze behaftet. Am Morgen erzählt der heilige Mann die ganze Erscheinung seinen Genossen und bemerkt, er könne die geheimnißvolle Bedeutung derselben nicht verstehen. Während er aber am folgenden Tage im Gebete verharrte, hörte er eine Stimme vom Himmel ihm sagen: Franziskus, die Brodkrumen, welche du in letzter Nacht gesehen, bedeuten die Worte des Evangeliums, das Brod bedeutet die Regel, der Aussatz bedeutet die Bosheit des Herzens. Jetzt entschloß er sich, die bisher beobachtete Regel, die nur eine Zusammensetzung der Worte des Evangeliums und weitläufig geschrieben war, in kürzere Form zu bringen und sie dann bestätigen zu lassen, wie das erhaltene Gesicht ihm angezeigt hatte. Zur Ausführung dieses Werkes begab er sich auf Antrieb des heiligen Geistes mit zwei Genossen auf einen Berg, wo er bei Wasser und Brod fastete und die Regel niederschreiben ließ, wie der heilige Geist sie ihm während des Gebetes andiktirte. Nach Vollendung des heiligen Werkes kam Franziskus vom Berge herab zu seinen Brüdern und übergab die Regel seinem Vikarius, damit er sie aufbewahre. Da nun dieser nach einigen Tagen vorgab, die Regel durch Nachlässigkeit verloren zu haben, begab sich der Heilige abermals in die Einsamkeit und schrieb die Regel so wieder, wie er sie zuerst abgefaßt hatte, so daß es schien, als hätte er die Worte aus dem Munde Gottes empfangen. Hierauf begab er sich zum oben genannten Papst Honorius im achten Jahre der Regierung desselben, und der heilige Vater bestätigte die Regel, wie es Franziskus gewünscht hatte. Um die Brüder zur Beobachtung der Regel kräftig anzuspornen, sagte er: Ich habe nach eigenem Gutdünken nichts aufgenommen, sondern Alles so schreiben lassen, wie Gott es mir offenbarte. Und damit diese Aussage durch Gottes Zeugniß mehr bekräftigt würde, wurden ihm einige Tage später die Wundmale unsers Herrn Jesu Christi durch den Finger des lebendigen Gottes eingedrückt, und diese sind gleichsam eine Bulle des höchsten Bischofes Christus – zur vollkommenen Bestätigung der Regel und ihres Urhebers. Diese Begebenheit soll, nachdem wir seine Tugenden erzählt haben, später an seinem Orte berichtet werden.


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