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Wetterwolken.

Zwei Reiter hielten vor der Thorhalle des Klosters Lorsch. Der Eine war augenscheinlich von hohem Range; denn er ritt ein stattliches Pferd und reiche Tracht kleidete ihn. Seinen Scharlachmantel hielt über der Brust eine goldene Spange zusammen, sein langer Talar war an Handgelenken und Halsöffnung mit Gold und edlem Gestein geziert. An dem Wehrgehäng baumelte ein kurzes Schwert, das jedoch mehr den Stand seines Trägers zu bezeichnen, als dem Kampfe zu dienen schien; denn das Aeußere des Fremden verkündete einen Mann des Friedens. Sein schon ergrautes Haupt bedeckte ein Hut, mit dreifach geschlungener goldener Schnur. Auch die Sporne waren von Gold, die Steigbügel von Silber und das Lederzeug des Pferdes fast überschwänglich mit demselben edlen Metall ausgestattet. Ebenso schmückte den Sattel silberner Zierat, und die Satteldecke trug an den vier tief herabhängenden Ecken in bunter Seide und Silber das Wormser Wappen.

Der zweite Reisende war einfach gekleidet und offenbar des Ersten Knecht.

Dienstbeflissen trat der Thorhüter heran und bot den üblichen Gruß. Der Fremde dankte und frug nach dem Propste.

»Der ehrwürdige Vater ist wohl im Kloster, zweifle jedoch, ob er im Augenblicke zu sprechen sein dürfte. Wollet doch die Güte haben und herein kommen.«

Während der Knecht die Pferde nach dem Stalle führte, schritt der Reisende durch die Thorhalle und betrat einen äußeren Hof.

»Wünschet Ihr nicht in der Gaststube Euch vorerst an Speise und Trank zu erquicken?«

»Nicht doch, mein Freund!« antwortete unruhig und fast erregt der Fremde. »Vor allen Dingen möchte ich wissen, ob und wann ich den ehrwürdigen Propst in wichtiger Angelegenheit sprechen kann.«

»Dann geruhet, hier einige Augenblicke zu rasten,« sagte der Pförtner, auf eine Bank deutend.

Mit diesen Worten verschwand er unter dem Eingange des Klosters.

Der Fremde ließ sich auf der Bank nicht nieder. In erwartungsvoller Unruhe ging er vor der Klosterpforte hin und her. Dann blieb er stehen und schien die einfache, aber geschmackvolle Ornamentik der mächtigen Pfortenquader zu betrachten. Ueber dem Eingang stieg ein Kreuz von Stein empor, an dessen Fuß in goldenen Buchstaben die Worte prangten:

Quisque domum nostrum veniens intrabis amicus,
Ante tuos oculos aspice signa crucis.

Wer Du immer als Freund betrittst die Schwelle des Klosters,
Richte Dein Auge empor, siehe das heilige Kreuz.

Der Pförtner kehrte zurück, mit ihm der jugendliche Mönch Anselm, mit den stets freundlichen Zügen und blühenden Wangen. Kaum mochte eine glücklichere Wahl den Gastbruder treffen, als den Mönch Anselm. Auch nicht der größte Andrang von Gästen, und nicht die vielseitigsten Sorgen vermochten, seine menschenfreundlich heitere Stimmung zu trüben. Jetzt verbeugte er sich, die Hände über der Brust kreuzend, demüthig vor dem Fremden.

»Seid uns herzlich willkommen und habet Dank Eurer Güte, das Stift des heiligen Nazarius durch Eure Einkehr zu beehren! Unser ehrwürdiger Vater Propst, den Ihr zu sprechen begehret, hält gegenwärtig mit den inneren Schülern geistliche Uebungen, wird aber nach Verlauf einer Stunde Euch empfangen können. Bis dahin möget Ihr von den Anstrengungen der Reise in der Herberge Euch erholen.«

»Dank, guter Bruder! Es geschehe, wie Ihr sagt,« erwiederte der Fremde.

Sie verließen den Vorhof, gingen an dem stattlichen Bau der äußeren Schule vorüber, und gelangten durch eine Thüre in der Umfassungsmauer zu einer Gruppe verschiedener Gebäude, die einen Hof umstanden. Der dreistöckige, sehr geräumige Bau war die Fremdenherberge, über deren Pforte die Bibelworte in Stein gemeiselt waren: »Was ihr dem Geringsten meiner Brüder gethan, habt ihr mir gethan.«

Der Herberge zunächst lag die Klosterbäckerei, hieran schlossen sich Werkstätten der Schuster, Schneider und anderer Handwerker; denn Sitte der Klöster war es, für Nahrung und Kleidung ihrer großen Familien, wozu auch die Eigenleute gehörten, Sorge zu tragen. Dieser Pflicht konnte Lorsch nur mit äußerster Anstrengung und im Besitze eines so pünktlich und genau rechnenden Kämmerers, wie Poppo, genügen. Gelang es auch diesem umsichtigen und gewissenhaften Haushalter, die äußere Klosterfamilie durch gute Kost zu nähren, so verursachte ihm deren Kleidung nicht geringe Sorgen und Schwierigkeiten. Seit dem materiellen Niedergange des Stiftes standen nämlich die Walkmühle und Weberei öde, welche die Wolle der eigenen Schaafheerden zu Tuch verarbeiteten, und Poppo mußte den Stoff zur Gewandung kaufen, wozu ihm häufig das Geld mangelte.

Anselm hatte den Fremden nach dem zweiten Stockwerke der Herberge geleitet. Dort befand sich für Gäste höherer Stände eine Reihe von Zimmern, an deren kunstvoller Ausstattung Jahrhunderte geschaffen. Die Bildschnitzerei, von den Klöstern mit besonderer Vorliebe betrieben, zierte nicht allein Kirchen und Kapellen, sondern alle Klosterräume, eine edle Sitte, von wohlhabenden Laien nachgeahmt und den allgemeinen Kunstsinn wesentlich fördernd. Kaum bestand irgend ein Kloster, in dem sich nicht einige begabte Brüder mit Schnitzerei beschäftigten, und diese schöne Uebung, durch Jahrhunderte fortgesetzt, mußte allmählig unermeßliche Kunstschätze in Kirchen, Klöstern, Burgen und Städten anhäufen. Nicht allein die Möbel der Zimmer, welche zur Aufnahme der Gäste bestimmt waren, lebten und bewegten sich gleichsam unter den Formen kunstvoller Darstellungen, sondern auch die Bildwerke und das Getäfel der Wände fesselten das Auge durch anziehende Dekorationen.

Der Fremde betrachtete mit vielem Interesse die Ausstattung des Zimmers, und spendete Lob den Schildereien schnitzender Brüder von Lorsch. Hiebei verrieth er nicht geringes Kunstverständniß und einen so lebhaften Sinn für das Schöne, daß er beinahe des vorzüglichen Weines und der vorgesetzten Speisen vergaß.

Bruder Anselm, dem nicht allein die Bewirthung, sondern auch die Unterhaltung der Gäste oblag, ging freudig ein Gespräch über Kunst ein. Er führte den Fremden in ein anderes Zimmer, wo sich ein Liebfrauenbild aus der Zeit Otto's des Großen befand, geschnitzt von dem Mönche Bruno, der nachmals Erzbischof von Cöln geworden.

»In der That,« sagte der Unbekannte, nachdem er die Figur genau betrachtet, »niemals sah ich ein Gebilde von so bestimmten und feinen griechischen Formen, wie dieses hier. Eine seltene Kostbarkeit!«

»Deren wir noch mehrere und ältere besitzen, nämlich in unserer ecclesia varia. Vielleicht gefällt es Eurer Edlen, sie anzusehen.«

»Vielleicht, – je nach Gestaltung der Sache,« versetzte der Fremde, in gedrückter Stimmung nach dem Gastzimmer zurückkehrend.

Vergebens bemühte sich Anselm, den trüben Gedankengang des Unbekannten zu unterbrechen, indem er mit Wärme über die feierliche Würde der romanischen Plastik sprach, wie sich dieselbe allenthalben, und auch in den Kirchen Lorschs, als herrschender Grundzug vergangener Jahrhunderte darstellte. Der Mann beachtete die Ausführungen des kunstverständigen Mönches kaum. Unruhig beschritt er das Zimmer, trat öfter an das Fenster und spähte nach dem Propste.

»Eine gar lange Stunde,« sprach er, nicht ohne Zeichen wachsender Ungeduld. »Liegt die Zeit auf der Goldwage, so werden Minuten zu Stunden und Stunden zur Ewigkeit.«

Das Oeffnen der Thüre unterbrach ihn. Propst Burkhard begrüßte freundlich den Gast.

»Ich bin Hartmann von Oppenheim, Oberbürgermeister von Worms, und hieher geritten in sehr dringender Angelegenheit, die sowohl Worms berührt, wie das ehrwürdige Stift des heiligen Nazarius.«

Burkhard verbeugte sich achtungsvoll.

»Bin gar wohl erfreut, Eure Edlen hier zu sehen und nicht wenig gespannt, den Zweck Eures Kommens zu vernehmen.«

Sie ließen sich nieder. Anselm stand in demüthiger Haltung zur Seite.

»Ich bedauere, unangenehme, vielleicht sogar folgenschwere Kunde bringen zu müssen,« begann der Patrizier. »Es handelt sich zwar um Geringes, um ein Pferd. Aber aus Kleinem erwuchs schon Großes, Verhängnißvolles, – aus winzigen Funken wurden verheerende Feuersbrünste.«

Nach dieser Einleitung berichtete er ausführlich.

»Nun hat sich Graf Bertolf von Starkenburg als Rechtshelfer des lahmen und nicht streitbaren Ritters Baldemar aufgeworfen,« fuhr er fort. »Bertolf heischte durch seinen Sohn die Herausgabe des Rosses, und drohte, im Weigerungsfalle, mit Fehde und Schwertrecht. Der Handel kam vor die Rathsmannen zur Entscheidung. Werner zum Hirsch wurde abermals vernommen. Es ergab sich, daß er mit Fug das erkaufte Pferd besitze und Niemand ihn zwingen könne, zur Herausgabe seines käuflich erworbenen Eigenthums. Außerdem verletzte den Rath die stolze und drohende Sprache des Grafen. Eine Stadt, blühend, reich und fähig, eine starke Waffenmacht aufzubieten, empfand Trotz und Drohung des einzelnen Edelmanns nicht ohne Stachel und Kränkung ihres Selbstbewußtseins. Darum wurde Bertolfs kühne Sprache mit gleicher Kühnheit erwiedert, und der Kampf scheint unabwendbar. Unsere Saumrosse begehen die Bergstraße, unsere Lastwagen, mit vielerlei Handelswaaren beladen, fahren an Starkenburg hin und wieder. Bertolf, welchem die Fehde gelegen zu kommen scheint, seine Raublust zu befriedigen, wird unsere fahrenden Handelsleute niederwerfen. Worms aber wird den Schimpf und die Gewaltthat rächen; es wird seine Mannen vor Starkenburg legen und den Landfriedensbrecher in jeder Weise schädigen. Sohin wird auch das Stift Lorsch bei der Fehde Vieles zu erdulden und gar manche Drangsal und Beschädigung zu erfahren haben. Hiedurch verfällt aber Worms in Bann und Acht; denn es sagt ausdrücklich der Mainzer Landfriede vom Jahre 1235: »Wer Kirchengut um des Kirchenvogtes willen angreift, wird geächtet und ersetzt dreifach den verursachten Schaden.« Das Gut des Stiftes Lorsch aber nicht zu schädigen, ist bei einer Fehde mit dessen Vogt unmöglich. Sohin wird der Streit für Lorsch und Worms die schlimmsten Verwickelungen herbeiführen. – Dies Alles erwägend, bin ich, ohne Wissen des Rathes und der Bürgerschaft, ganz insgeheim hiehergeritten, mit Eurem Beistande, ehrwürdiger Propst, das Unheil zu beschwören. Würdet Ihr, dünkt mich, Eurem Schutzvogte in das Gewissen reden, und ihm das Verderbliche der angesagten Fehde für Lorsch und für ihn selbst vorstellen, so müßte er ein Einsehen nehmen und den übersandten Fehdehandschuh zurückbegehren.«

Oppenheim schwieg, Burkhards Entgegnung harrend. Dieser hatte den Bürgermeister ohne Unterbrechung angehört, und so stark war der Eindruck des Berichtes, daß nicht einmal die Selbstbeherrschung des Mönches, durch strenge Ascese erstritten, die Merkmale innerer Unruhe völlig verhindern konnte. Indessen verrieth er seine großen Besorgnisse für das Stift weder durch den Ton seiner Stimme, der besonnen und gemessen blieb, noch durch seinen Blick, dessen Ausdruck nichts von dem milden Ernste verlor. Gleichwohl entging Hartmann der schmerzliche Zug nicht, der über des Propstes hageres Gesicht hinglitt.

»Zunächst Dank Eurer Edlen für das Vertrauen in meine Geringheit, – selbst Dank für die Trauerbotschaft; denn Beruf der Mönche ist es, den bitteren Kelch zu trinken und ohne Klagen unter dem Kreuze zu gehen,« sprach Burkhard, durch seine Rede den Geist bezeichnend, in dem ein Ordensmann Bedrückungen und Leiden zu ertragen habe. »Ueber das Unheil, für Lorsch aus der drohenden Fehde entspringend, theile ich die Meinung Eurer Edlen, – nicht aber bezüglich meines Einflusses auf den Vogt unseres Klosters. Zur richtigen Beurtheilung dieses Mannes, bin ich gezwungen, Euch dessen Frevelsinn einigermaßen zu enthüllen. Nicht wie ein Schirmvogt handelt er an Lorsch, sondern wie ein Dieb und Räuber. Seine Habsucht ist unersättlich, grenzenlos seine Erpressungen. Willkührlich vergiebt er Pachthöfe unseres Klosters, setzt nach Belieben Anbauer auf erledigtes Stiftsgut, mit dem er überhaupt schaltet, wie mit seinem Eigenthum. Klagen und Vorstellungen unseres Kapitels beantwortet er mit Hohn und neuen Gewaltthätigkeiten. Bertolf ist ein geistesroher, wilder Mensch, nebenbei verschmitzt und voll Tücke. Namenloses müssen wir von ihm erdulden Ueber Bertolf und dessen Gesinnungsgenossen machte ein Mönch folgendes Distichon:

Hi defensores humiles quandoque fuerunt,
Nunc se raptores crudeles constituerunt.

Der Propst schwieg einen Augenblick, und seine bekümmerten Züge sagten weit mehr, als seine Klage.

»Diese flüchtige Zeichnung des Vogtes erlaubte ich mir deßhalb,« fuhr der Prälat fort, »um Eure Edlen von unserer Ohnmacht jenem Manne gegenüber zu überzeugen. Obwohl nach den Reichsgesetzen und nach den Verordnungen unserer heiligen Kirche berechtigt, von dem Schirmvogte die Vermeidung jeder Fehde zu fordern, welche das Kloster schädigt, würde er dennoch jede Einmischung, jede Vorstellung des Kapitels mit Spott und Bosheit erwiedern.«

»Dieser Bertolf, über den ich schon Manches hörte, ist ja ein wahrer Heide und Antichrist!« rief entrüstet der Patrizier. »Ein solches Giftkraut, aus Preußen hieher gepflanzt, hätte auf deutschem Boden nicht emporwachsen können, mangelte nicht seit vielen Jahren der kaiserliche Schirmherr der Kirche. Nun wünsche ich fast keine Beilegung, sondern Austrag der Fehde, damit der starke Arm unserer Stadt einen Schurken züchtige.«

»Nicht doch, edler Herr! Die Kosten müßte das Stift des heiligen Nazarius bezahlen, wie es bereits in früherer Zeit geschah, so daß Lorsch an den Rand völligen Verderbens gebracht wurde. Soll denn überhaupt ein Pferd Anlaß zu Wunden, Blutvergießen und Mord werden? Für Christen ziemt sich dies nicht. Ich glaube an den frommen Sinn der Bürgerschaft von Worms und hoffe, es möge Eurer Edlen gelingen, den Gerbermeister Werner zur Rückgabe des Pferdes zu bewegen, – um Gotteswillen und aus Rücksicht für unser Kloster. Geschähe dieses, so wäre die Sache erledigt, die Fehde beschworen, und Worms durch ein großes Verdienst vor Gott ausgezeichnet.«

»Bin gleicher Ansicht, ehrwürdiger Propst! Auch trifft Euere Wohlmeinung über unsere Bürgerschaft mit der Wirklichkeit zusammen. In jeder Woche werden an Kirchen, Klöster, Elendhäuser und Spitäler Schenkungen gemacht, welche den Werth des besten Rosses weit übersteigen. Allein hier handelt es sich keineswegs um eine Gabe, um ein Opfer, sondern um die Ehre, und in diesem Punkte ist unsere Bürgerschaft sehr empfindlich, – namentlich dem Adel gegenüber. Die Rückgabe des Pferdes würde von Allen in Worms als eine Verdemüthigung vor dem Grafen, als eine Schädigung der Ehre angesehen. Ohnehin trat Bertolf in so grober, schnöder und herausfordernder Manier auf, die es einer freien Reichsstadt geradezu unmöglich macht, den Schimpf mit Güte zu erwiedern. Für immer klebte am Wappenschilde von Worms der Flecken feiger Schwäche. Das Recht walte und die Ehre! – – Indessen, wie gesagt, weil die uns aufgezwungene Fehde manches Unheil, vorab über Lorsch, bringen möchte, so wollte ich, zur Abwendung des heraufziehenden Wetters, Euren Rath und Beistand gelten lassen.«

»Gestattet mir einen Vorschlag,« versetzte Burkhard nach kurzem Besinnen. »Ich will sogleich einen Boten an den Grafen schicken und ihn einladen, zur Besprechung mit Euch hieher zu kommen. Was er mir versagt, dürfte er dem Ansehen Eurer Edlen gewähren.«

»Bin es zufrieden, – das heißt, wenn die Zusammenkunft meine Heimkehr bis zum Abend nicht verhindert; denn morgen ist meine Gegenwart zu Worms nothwendig.«

»In kürzester Frist kann der Graf hier sein; denn nach Starkenburg ist kaum eine Stunde Weges, und nach Lorsch reitet der Vogt gerne,« fügte er mit einem schmerzlichen Lächeln bei. »Jeden Anlaß benutzt er, im Gefolge seiner Söhne und Waffengenossen, das Stift heimzusuchen und für den Schirmvogt die reichste Bewirthung zu fordern.«

Der Propst überließ Anselm den Gast und eilte nach dem Vorwerke, wo sich langgestreckte Scheuern, Stallungen und Oekonomiegebäude erhoben. Geschäftig und schweigsam vollzogen dort ihr Tagewerk die bebarteten Brüder, fratres barbati, auch Conversi genannt. Sie waren Laien, trugen jedoch das Ordensgewand und beflissen sich, neben der Handarbeit und dem Ackerbau, zugleich des beschaulichen Lebens. Sie kamen gemeinschaftlich zur nächtlichen Mette, wo es ihnen frei stand, dem Chorgebet der Mönche zu folgen, oder sich in fromme Betrachtungen und Gebete zu vertiefen. Ihr Vorstand war ein Mönch, Magister Barbatorum geheißen, der sie im christlichen Leben unterwies und an Sonntagen, nach der Prim, über die Hausordnung ihnen Vorträge hielt. Nicht selten befanden sich unter diesen bebarteten Laienbrüdern Männer aus den höchsten Ständen, die Alles verließen und sich von den Ehrenplätzen der Welt in die Einsamkeit und Entsagung der Klöster zurückzogen, – dem frommen Geiste jener Zeit folgend, das Höchste zu erringen durch christliche Vollkommenheit.

Der Propst durchschritt einen großen Hof, wo Wägen und Pflüge und andere landwirthschaftliche Geräthe in musterhafter Ordnung standen. Er trat unter den offenen Eingang eines Stalles, der in zwei langen Reihen von Milchkühen und Rindern preiswürdiges Zeugniß gab, von der Viehzucht ackerbautreibender Klosterleute. Auf Burkhards Wink, trat ein bebarteter Bruder heran, dessen edle Gesichtszüge, stattliche Haltung und feines Benehmen den Stallknecht auffallend kleideten.

»Bruder Benno,« begann der Prälat, die Verbeugung des Bebarteten achtungsvoll erwiedernd, »ich habe eine Aufgabe, deren Lösung Eurer Klugheit und Gewandtheit anvertraut sei,« – und er machte ihn bekannt mit dem Zwecke der Einladung an den Grafen. »Besteiget demnach einen guten Renner und empfehlet dem Geladenen Eile, da heute noch Herr Hartmann zurückkehren muß nach Worms.«

»Ich werde nicht säumen, ehrwürdiger Vater! In einer viertel Stunde bin ich zu Starkenburg und hoffe, den Grafen zur raschen Erledigung der Sache bestimmen zu können.«

Der Propst kehrte nach der Herberge zurück.

Benno klatschte in die Hände und rief nach dem Pferdestall hinüber: »Sogleich den Fuchs!«

Dann trat er zum Brunnen, wusch sich Hände und Gesicht und band den Gürtel um die Kutte fester.

Der Fuchs verließ wiehernd den Stall, ein hübsches Thier, schlank gebaut, stolz den Kopf hebend, mit weit geöffneten Nüstern und steif gespitzten Ohren.

»Der Zaum genügt, – es eilt!« sagte Benno, als der Roßbruder nach Sattel und Bügel gehen wollte.

Mit einem aufleuchtenden Blicke das Pferd betrachtend, legte Benno kaum die Hand auf dessen Hals und saß mit einem Sprunge, welcher den geübten Reiter verrieth, auf dem Rücken des Renners.


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