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Peter Jens Grethen

Peter ging früh für sich allein. Am liebsten war er in der kleinen Schlupe, die er einmal am Weststrand geborgen und selbst nach dem Watt hinübergeschleppt und mit Mast und Segel versehen hatte, ganz allein für sich draußen im Watt zugange. Als kleiner Pummel kannte er die Strömungen schon besser als sein Vater, und in dunklen Herbstnächten auf einer weltfernen Sandbank den wilden Gänsen nachzustellen, sie heimlich zu beschleichen mit dem Schlagnetz oder der Steinschleuder, das entsprach ganz seinem Charakter.

So war er auch einmal draußen, als er schon ein halbwüchsiger starker Bursche war. Er hatte sich am späten Abend im Dunkeln mit seiner Schlupe nach der Sandbank hingetastet, auf der er schon manchen guten Fang getan hatte. Die Sterne, nach denen er sich sonst wohl zu richten pflegte, hatten ihn diesmal im Stich gelassen. Ein paarmal blinzelten einzelne durch den Nebel, aber die leiteten ihn gerade irre. Als das Wasser fiel, spürte er, daß sein Schiff höher als sonst auf Grund lag, und trotzdem klang ihm das Geschrei der Ratgänse ferner als sonst. Er wußte genau, wo diese klugen Vögel, in denen die Geister verstorbener Ratmänner lebten, ihre Versammlungen hielten. Nie hatte er sich ein Gewissen daraus gemacht, sie dabei zu beschleichen. Nun er heute fehlgesprungen war, überkam ihn plötzlich ein Grauen. Er wagte nicht, sein Schiff zu verlassen, sondern beschloß, die Morgendämmerung abzuwarten, aber ihm war nicht wohl zumute, als er so untätig in der Koje saß. Er mochte nicht schlafen, weil ihn nach dem Fang gelüstete. Immer wieder steckte er den Kopf zur Luke hinaus, um zu wittern, ob er noch nicht die Morgenluft des Wassers riechen könnte.

Endlich war er doch eingeschlafen, und als er danach erwachte und ganz und gar aus der Luke herauskroch, sah er, daß die Flut schon mächtig im Steigen war und die Vögel von ihren Ruheplätzen aufgejagt hatte. Mißmutig schaute er den dunklen Vogelwolken nach, aus denen ein gewaltiger Lärm auf ihn herniederprasselte. Nachdem sie ihn alle so schön von oben her in Augenschein genommen hatten, würde in der folgenden Nacht ganz gewiß kein Vogel in diesem Teil des Watts anzutreffen sein. Es würde nicht lohnen, länger hier zu bleiben. Aber konnte er fort? Er sah sich um: richtig, er saß auf der Föhrer Schulter, und zwar so. hoch, daß ihn die Morgenflut nicht abtreiben konnte. Ein wütender Fluch sprang ihm über die Lippen, und seine Stimmung wurde nicht besser, da der Ostwind so fröhlich vom Festlande her übers Watt lief, die Nebel zerteilte, um der Sonne den Weg zu bereiten, und einen blauen Tag heraufführte. Blieb dieser Ostwind bei seinem Tun, so konnte die Schlupe gut ein paar Wochen hier festsitzen, das wußte Peter wohl. Verärgert sah er zum Horsbüller Steert hinüber. Dort hätte er gestern abend auflaufen müssen – keine Möglichkeit, nun hinüber zu gelangen. Selbst bei niedrigstem Wasserstande würde die Föhrer Ley niemals zu durchwaten möglich sein – ganz abgesehen davon, daß Peter seine Schlupe, das einzige Wesen, an dem sein Herz hing, nicht ohne Not allein gelassen hätte.

Während er noch so auf dem oberen Bordrand hockte und seine Augen vom Horsbüller Steert zum Steenackgrund hinüberwandern ließ, entdeckte er im Flutstrom der Föhrer Tiefe einen dunklen, treibenden Gegenstand – treibend, nicht schwimmend, das sah er deutlich. Aber was es sonst war, das konnte er nicht ausmachen, obgleich er sich vom Schiff hinuntergleiten ließ und bis an den Rand der tiefen Balje watete. Das Treibgut kam nur langsam näher, drehte sich dann, als die Flut zum Stehen kam, träge um die eigene Achse und zog mit dem Ebbestrom wieder nach Westen ab. Peter starrte ihm mit gierigem Jägerblick nach. Es war ein großer Gegenstand, schwer, unter Wasser noch tiefgehend, das sah man an der Art, wie es sich im drehenden Wasser bewegte. Nun, die Abendflut würde höher steigen – wer konnte wissen, ob er da nicht noch einen Fang tun würde, der mehr wert war als ein halbes Hundert Ratgänse!

Nun wurde Peter der Tag nicht lang. Er saß auf dem hohen Bordrand und trommelte mit den Füßen auf das schrägstehende Deck; das gab einen schönen dumpfen Ton. Dann aß er, schlief, und sog wieder ein paar Stunden an den fetten Dorschen, die sein Vater im Frühjahr in der Helgoländer Grop geangelt hatte, und die den Sommer über in der Sonne gedörrt hatten. So verging der Tag, und als die Sonne hinter Rantum versank, war die Flut schon so hoch gestiegen, daß sie die Austernbank deckte, die die Morgenflut nur eben überspült hatte. Vorsichtig glitt Peter vom Schiff herunter. Der Sand quatschte unter seinen Füßen, so stieg das Wasser unter ihm hoch. Nachdenklich prüfte er Luft und Wind, aber er kam zu der Überzeugung, daß das Schiff durch diese Flut jedenfalls noch nicht flott werden würde. So nahm er den langen Bootshaken und ging nach Südwesten hinüber, wo das strömende Wasser leise gurgelte und rauschte. Als er an den Rand der tiefen Balje kam, sah er wirklich wieder den dunklen Fleck herantreiben. Es war auch höchste Zeit, denn über den noch hellen Himmel krochen schnell von Südosten her graue Nebelschleier herauf, die gewiß die Dämmerung beschleunigen würden. Mit brennenden Augen verfolgte Peter die Bewegungen des Treibgutes. Er mußte die lange Stange am äußersten Ende fassen und dann, so weit er nur reichen konnte, mit ihr auf das Wasser schlagen, so groß blieb selbst im günstigsten Augenblick noch die Entfernung zwischen ihm und dem begehrten Ding. Aber das Glück wollte ihm wohl. Er fühlte sofort, daß die Stange nicht nur aufs leere Wasser fiel, sondern daß ihr Haken in seine Beute einschlug. Nun konnte er sie rückwärts gehend einholen, und er ließ nicht nach, bis sie sicher auf festem Grunde lag. Dann warf er die Stange hin und lief klopfenden Herzens an ihr entlang auf den dunklen Gegenstand zu.

Die Dämmerung war nun schon so weit fortgeschritten, daß er das Ding noch für einen Sack oder Ballen hielt, als er sich schon darüber beugte. Er packte es an, drehte es um und ließ es – bitter enttäuscht – wieder fallen. Es war eine Seeleiche, nichts weiter – die Augenhöhlen schon leer, die linke Hand abgefressen oder abgerissen. Nichts war daran, das für Peter noch irgendwie von Nutzen sein konnte. Eine zerrissene Jacke öffnete sich über grobfädigem Hemde, wie wohl spanische Matrosen es trugen. Die Hose, mit Angelschnüren an den Gelenken der schuhlosen Füße festgebunden, hielt kaum noch in Fetzen zusammen. Entweder hatte der Mann wirklich nichts besessen, oder er hatte schon einen Besuch auf Amrum gemacht und dort Strandgeld gezahlt – jedenfalls war nichts mehr bei ihm zu holen.

Erbittert stieß Peter ihn mit dem Bootshaken in die Seite, ehe er sich wieder seiner Schlupe zuwandte. Die hatte sich in der rinnenden Flut wohl etwas aufgerichtet, als schaute sie nach ihrem Herrn aus, aber sie lag doch immer noch flottlos, und es war keine Möglichkeit, sie vom Fleck zu bringen. So kroch Peter wieder in die Koje, um zu schlafen; jetzt war das Wasser doch schon zum Stehen gekommen, es hatte keinen Sinn, aus baldige Änderung der Sachlage zu hoffen. Peter schlief auch ein; er schlief tief und fest, aber nach kurzer Zeit wachte er wieder auf. Irgendwer hatte ihn angerührt, und nun hörte er auch draußen ein Kratzen und Ruscheln. Noch halb schlaftrunken glaubte er, der kleine Hund des Nachbars wäre bei ihm, der sich gern auf der Schlupe einschlich, wenn Peter zur Fahrt rüstete, und erst in sicherer Entfernung vom Lande sich bellend und wedelnd als Fahrgast zu melden pflegte. Indem er aber auf das Geräusch horchte, wurde er wacher, und ihm fiel ein, daß er doch schon die zweite Nacht unterwegs war, ohne daß der Hund sich über Tage auch nur einmal gemeldet hätte. Gleichzeitig aber kam ihm ein Gedanke – ein Gefühl vielmehr nur – das machte, daß er sich tiefer in die Koje drückte und das alte Segel, unter dem er lag, noch fester um den Kopf zog. Wie – wenn der Tote da draußen –? Seine Haare sträubten sich, seine Zähne schlugen klappernd aufeinander. Er mühte sich ab, das Geräusch klar auszumachen, und konnte doch nichts deutlich hören. Nur, daß er überhaupt etwas hörte und fühlte – wie leise schlürfende Schritte, wie eine tastende Hand, das konnte er sich nicht leugnen. Als er am andern Morgen erwachte, war seine wollene Jacke naß von Angstschweiß.

Vorsichtig steckte er den Kopf aus der Luke. Der Tag war grau, aber die Helligkeit schon so, wie sie ist, wenn die Sonne nicht mehr unterm Horizont steht. Peter sah sich um – rings um das Schiff lag der Sand sauber und glatt; nichts von Fußspuren, nichts von irgendwelchen verdächtigen Zeichen überhaupt. Aber dort im Südwesten – wahrhaftig, da hockte ein Klump Möwen an der Stelle, wo er am Abend die Leiche gefischt hatte. Sollte die Flut sie nicht wieder mitgenommen haben? Dann wäre es doch möglich, daß der Mann bei ihm gewesen war; Tote hinterlassen keine Fußspuren. Aber eine zweite ähnliche Nacht wünschte Peter nicht zu erleben. Jetzt bei hellem Tageslicht war Seeleiche eben nur Seeleiche, nichts weiter. Peter hätte sie liegen gelassen, wenn sie ihn nicht im Schlaf gestört hätte. So aber nahm er den Bootshaken und ging nach der Südwestecke hinüber, um den toten Mann in die tiefere Balje abzuschieben, damit der Ebbestrom ihn fortnehmen sollte. Mit ärgerlichem Geschrei gingen die Möwen hoch, als er sich ihnen näherte. Sie hatten durch die Löcher der Kleidung schon Fetzen von den weicheren Fleischteilen losgehackt und ließen sich ungern im leckeren Mahle stören. Das Gesicht des Toten war, abgesehen von den Augen, noch fast unverletzt. Die lederartige straffgespannte Haut schien selbst eine Möwe nicht locken zu können. Unwillig schob Peter den Mann mit dem Bootshaken vor sich her, bis das Wasser ihn aufnahm; dann zog die Ebbe ihn fort.

Der Tag war lang und grau. Peter aß und schlief, schlief und aß. Immer mehr schlief der Wind ein, so gab er Hoffnung, daß er morgen im Westen zu neuem Leben erwachen würde – vorausgesetzt daß ihn nicht nur die Wolkendecke bedämpfte. Als die Dunkelheit einfieI, schnupperte Peter noch einmal nach Wind und Luft. Fast schien es, als ob aus Osten her wieder eine leise Bewegung sich spüren ließe; auch blinkte plötzlich ein Stern auf. Aber daß der Ostwind wieder sein Tun beginnen könnte, das wollte Peter doch vor sich selbst nicht wahr haben. So kroch er lieber beizeiten unter Deck. Nach der Balje ging er nicht mehr hinaus. Er hatte keine Lust, den toten Mann wieder zu sehen; mochte der treiben, wohin er wollte.

Peter schlief ein und schlief fest, aber mitten in der Nacht wachte er doch wieder auf. Diesmal bildete er sich nicht erst ein, daß es der kleine Hund vom Nachbarn sein könnte; er war sofort hellwach. Deutlich fühlte er eine kalte Hand auf seinem Gesicht, hörte das Rascheln und Krascheln, die kratzenden Finger, den schlürfenden Fuß. Er wußte im voraus, was seiner wartete, als er andern Tages den Kopf zur Luke hinaussteckte, und richtig: da hockte wieder der Möwenschwarm an der gleichen Stelle, und als Peter mit dem Bootshaken näher kam und der Schwarm aufging, zeigte sich darunter der tote Mann, den Peter wieder mit Anstrengung in das ziehende Wasser schieben mußte.

Es war wirklich nur die Nebeldecke gewesen, die den Ostwind für einen Tag festgehalten hatte. Nun blies er wieder lustig vom Festlande her übers Watt und schob alles Wasser, soweit er konnte, in die See hinter Hörnum hinaus. Keine Möglichkeit, daß Peter die Schlupe losbringen konnte. Wenn er sie nicht vor kurzem erst so tüchtig übergeholt hätte, wäre sie wahrhaftig leck gesprungen. Das Pech kochte in den Fugen, so brannte die Sonne, wenn sie auch nur für kurze Stunden noch am Himmel stand. Aber so wenig Wasser die Föhrer Tiefe auch nur noch hielt, an jedem Abend brachte sie doch den toten Mann mit und lud ihn auf der Föhrer Schulter ab, und jeden Morgen mußte Peter ihn wieder ins Wasser zurückschieben. Nacht für Nacht aber fühlte er die kalte Hand auf seinem Gesicht, hörte er das Kommen und Gehen des Toten, und seine Verzweiflung wuchs. Er versuchte, schon am Abend den Toten abzupassen, aber die Flut kam täglich später, und die Nächte wurden täglich dunkler, so fand er ihn nicht und kam zu der Überzeugung, daß der Tote wartete, bis er wieder an Bord wäre, um dann erst an Land zu steigen, und den Rest der Nacht seufzend, schlürfend, tastend und kratzend ums Schiff zu geistern oder neben Peter in der Koje zu hocken und ihm mit kalter Hand übers Gesicht zu streichen.

Am dritten Morgen packte Peter zum erstenmal die Verzweiflung an. Er stieß den Toten mit dem Bootshaken in die Rippen und schrie ihm zu:

»So sage doch, was du von mir willst!«

Der leblose Körper wälzte sich schwer herum; der Kopf schlug auf, so daß der bis dahin fest zusammengebissene Unterkiefer plötzlich herunterklappte, als wollte der Mann sprechen, aber kein Wort kam aus der klaffenden Höhle, und mit perlender Stirn schob Peter ihn eiligst von der Sandbank hinunter.

Vom vierten Tage an kam die Flut so spät, daß Peter den halben Vormittag abwarten mußte, ehe er den Toten loswerden konnte. Die Sonne lachte vom blauen Himmel, der so klar war, daß die dünne Sichel des abnehmenden Mondes wie ein weißes Wölkchen darin stand. Wasser und Sand glitzerten und gleißten. Die großen Vogelwolken waren auch in weiter Entfernung so deutlich zu sehen, daß Peter die einzelnen Gänse fast hätte zählen können, und um ihn her strichen blitzende Schwärme leichtschwenkender Rotschenkel, zogen in klaren Linien die wilden Enten. Aber Peter sah von alledem nichts. Er sah nur den toten Mann, der von Tag zu Tage ekelhafter wurde. Nie hatte Peter bisher den Ekel gekannt. Die Seeleichen am Weststrand kamen meist noch frisch an, manchmal halb lebendig, so daß. man ein wenig nachhelfen mußte, ehe man sie im Dünensande verscharren konnte: Man kannte sie auch nicht. Aber dieser Tote war Peter vertraut wie ein böser Feind, der ihn quälte, ohne daß er sich gegen ihn wehren konnte. Peter heulte und fluchte. Er schlug mit der Stange nach den Möwen, nur um den Toten nicht ansehen zu müssen. Aber wenn die Vögel schreiend abgezogen waren, dann war er wieder allein mit ihm auf der Sandbank, und das war noch schlimmer.

Endlich, als der Neumond Westenwind und eine gute Springflut brachte, kam die Schlupe los, und Peter konnte die verfluchte Bank hinter sich lassen. Danach war ihm das Watt verleidet, und er ging mit seinem Vater nach Helgoland auf Heringsfang.

*

Greth Skrabbel, die in ihren jungen Jahren so viel überschüssige Kraft gehabt hatte, alterte früh. Ihre Füße schwollen an, so daß ihr das Gehen und Stehen schwer fiel. Danach wurde bald ihr ganzer Körper unförmig und schwer beweglich. Nur ihr Geist war frisch bis zuletzt. Es ist kein Bild von ihr überliefert, aber nach dem, was die Großväter der jetzigen Generation erzählten, und was sie von ihren Großvätern übernommen hatten, ist Greth Skrabbel bis an ihr Lebensende Greth Skrabbel geblieben, eine Persönlichkeit etwa wie Hille Bobbe, die Hexe von Harlem, die »Matrosenmutter«, wie Franz Hals sie so unübertrefflich geschildert hat. Ihre Töchter verheiratete sie, ob sie wollten oder nicht; die Söhne jagte sie auf die See hinaus. Nur Peter hielt sie fest, obgleich er der Älteste war und nach altem Sylter Brauch sonst der Jüngste das elterliche Gewese erbte.

»Sieh zu, daß du mir früh eine junge Frau ins Haus bringst; ich schaff's nicht mehr lange,« sagte sie oft zu ihm, noch ehe er selbst ans Freien dachte; aber Peter konnte sich nicht entschließen.

»Dann laß liegen, Mutter.« Mehr brachte sie jahraus, jahrein nicht aus ihm heraus. Aber sie ärgerte sich darüber, und als sie wirklich zu sterben kam, waren ihre letzten Worte auch an ihn gerichtet:

»So, Peter, nun mußt du doch freien gehen – und wenn es Gondel Matzen werden sollte.«

Dann quälte sie sich noch ein paar Tage so hin, aber starb dann wahrhaftig, obgleich Jens noch auf See war und Peter mit dem Begräbnis doch nicht allein fertig werden konnte. Da ging er in seiner Not zum Nachbar Matzen und freite um Gondel; das war nun einmal das Leitseil, das seine Mutter ihm mit ihren letzten Worten in die Hand gegeben hatte. Sie hatte es anders gemeint, aber das verstand er nicht. Er sah kaum, daß Gondel kein Mädchen nach seiner Mutter Herzen sein konnte – träge, schmutzig, dumm. Er sah nur: sie war schließlich doch ein Weibsbild, und er brauchte eine Frau ins Haus. Sie richteten ihm auch das Begräbnis aus, Gondel und ihre Mutter. Dann heiratete er das Mädchen. Auch als er sie schon bei sich im Hause hatte, merkte er kaum, daß sie anders war als Greth Skrabbel gewesen. Seine Mutter füllte noch jeden Winkel seiner engen Seele; sie war so viel mehr gewesen als alle andern Frauen von Rantum, daß ihr Geist ihn noch nach Jahren vollkommen beherrschte.

Jens war im Herbst nicht heimgekommen, weil er sich ein Bein gebrochen hatte und den Winter über auf Helgoland bleiben mußte. Als er im Frühling heimkehrte, ziemlich mühsam am Stock humpelnd, fand er Gondel an Greths Stelle. Er fand das Haus trübe verräuchert, das Vieh schmutzig, zwei Schafe verloren im Wattennebel, und Peter mürrischer denn je. In dem Augenblick nämlich, da der Vater über die Schwelle trat, sah Peter sein Hauswesen und seine Frau mit des Vaters Augen an. Da freute ihn beides nicht mehr; er ging nach Helgoland und kam vor Herbst nicht wieder heim.

*


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