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Ich ließ Boston, die Harvard-Bibliothek und meine japanischen Beschäftigungen, denn die Temperatur hatte alle Vernunft verloren. Wie alles in diesem Lande ist auch das Klima nur halbzivilisiert, manchmal gemäßigt, doch oft plötzlich in unmäßige Barbarei zurückfallend. Ich ging ans Meer; an die atlantische Küste: zwölf Meilen strandabwärts ist Avalun und Cape May, zwölf Meilen strandaufwärts Altantic City, das Riesenseebad. Von der Veranda meines kleinen Holzhauses kann ich gerade noch die Piers sehen, die Anstrengungen des industriösen Festlandes, dem Ozean mit Eisenpfeilern und gerammten Piloten um ein paar hundert Meter näher zu kommen. Aber ich sehe von hier aus keins der dreitausend Hotels und höre nichts von den dreihunderttausend Gästen. Anfangs ging ich noch täglich einmal aus meiner Einsamkeit in diese andere der großen Menge, aber es kam bald, daß ich daheim blieb. Die Einförmigkeit der Physiognomien in diesem Lande hat nichts Anziehendes. Nun aber bin ich täglich wieder dort. Denn ich traf meinen japanischen Freund und Lehrer Yamanaka, und der führte mich in den Japanischen Teegarten. Für Jene, die am Eingang zehn Cents bezahlen, um den Garten zu sehen, über das Theater zu lachen, sich von den Akrobaten in Staunen und Schrecken bringen zu lassen, und in den Bazaren miserablen Schund, für den Export gemacht, zu kaufen, für die ist diese Unternehmung japanischer Kaufleute an der Ostküste nichts weiter als ein Unterhaltungsplatz wie jeder der vielen andern. Mein Freund hat mich den Schauspielern vorgestellt, mich den Mädchen empfohlen, die Kinder auf meine Güte aufmerksam gemacht, so daß ich bald ein guter Bekannter war; und der Teegarten von Atlantic-City wurde für mich ein reelles Stück Japan, kongruent meiner japanischen Literaturkenntnis: der Garten auf anderer Erde, die Mädchen unter einem anderen Himmel, die Gedichte und Romane in den Sprachen der Übersetzungen: das hat ein Verwandtes. Wenn ich nun meine Notizen aus der Harvard las oder den Japanern davon erzählte, schien mir ihre Gegenrede vieles zu färben und zu bewegen, was mir zuvor blaß und tot vorkam, und als O'Detsu und O'Yama das erste Mal vor uns den Ent- und Wiederbekleidungstanz tanzten, spät nachts, da kam es mir vor, als ob mir die geheimen Quellen der Japanischen Literatur gezeigt würden. Und so war es auch; denn tanzend kam dieses Volk in die Literatur. – So spricht Kon-Fu-Tse: »wenn wir nicht mehr wissen, wie die Gewalt unserer Gefühle ausdrücken, dann erheben wir uns auf einmal und tanzen.« Im japanischen Sonnenmythus, dem schönsten aller Mythen, bringt der Tanz die zürnende Sonne der Erde wieder. Susanöö, der Sturmgott, stritt mit Amahrasu, der Sonnengöttin, so heftig, daß sie vor ihm in eine Höhle flüchtete. Aus Angst und Zorn schloß sie hinter sich die Felsentür, und die japanische Welt war finster. Die Götter klagten und berieten. Schließlich erfanden sie den Schmuck der edlen Steine und der köstlichen Gewänder, und Amatsumeori, der Hephaistos, hämmerte aus Meteoreisen einen Spiegel, damit sich die zu schmückende Göttin auch sehen könne. So zogen sie nun zur Höhle und auf ihrem Wege brachen sie Blütenzweige von den Kirschbäumen und hingen daran ihre Kostbarkeiten. Und vor der Höhle stellten sich die Götter auf, Venus: Uzumé trat auf den Plan und tanzte, den Spiegel in der Hand, den heiligen Spiegeltanz. Dazu sang sie: Seht dort, Götter, die Spalte, da wird zu eurer Freude die Königin erscheinen und sehen alle meine Kostbarkeiten. Aber da geschah es, daß sich nicht das Felsentor, aber Uzumés Gewand im Tanzen ein bißchen öffnete, und über den dadurch veränderten Sinn des Liedes brachen die achtmalhunderttausend Götter und Göttinnen in ein Lachen aus, worob Himmel und Erde zitterten. Amaterasu ist ein Weib, und da guckt sie schon hinter der Felsentür hervor und fragt, warum man so lache. Da sagt Uzumé: Wir haben eine Göttin gefunden, göttlicher als du – sieh! Und sie hebt den Spiegel hoch. Die Sonne blickt hinein und ist heftig erschrocken ob dem Glanz der neuen Göttin. Zornig kommt sie hervor, da umringen sie auch schon die Götter, werfen hinter sie ein Strohseil und machen es Tabu: nie darfst du über dieses Seil gehen … O'Detsu hat dieses Gedicht getanzt. Ihr Gesicht blieb immer das gleich lächelnde, das blasse Oval, nur ausgezeichnet durch die feinen Striche ihrer Brauen und Lider und durch das rote runde Rosenblatt ihrer geschminkten Unterlippe. Aber ihre Hände, ihre Füße und die weidenhafte Biegsamkeit ihres kleinen Körpers gaben dem Mythus die zarte Lieblichkeit Uzumés selber, die dem Englisch des Mr. Yamanaka ganz fehlte, als er ihn mir erzählte. Die Mikados der klassischen Zeit Japans, 800 bis 1200 u. Z., ließen die Geschichten der Götter und Helden aufschreiben, und man kann sie noch lesen. Sehen kann man sie in den mimischen Tänzen der Mädchen und jungen Männer. Damals tanzten auch die Kaiser; jetzt nicht mehr, wo sie mit Handelsverträgen und preußischen Unteroffizieren zu tun haben. Darüber haben sie das Tanzwort des Confucius vergessen, oder es erweckt ihnen diese ihre neue Beschäftigung nicht mehr den nötigen Sturm der Gefühle, daß man tanzen muß. Heute sehen sie nur noch lächelnd zu.
Nicht nur Tänzer waren die alten japanischen Kaiser, sie waren auch die Beschützer und Freunde der Dichter: die zwei großen Sammlungen japanischer Lyrik sind von Mikados angelegt worden. Zweimal wechselt eine Zeile von fünf und eine von sieben Silben, und eine von sieben macht als fünfte Zeile den Schluß – einunddreißig Silben in fünf Zeilen – dies ist die einzig erlaubte Form des japanischen Gedichtes, ohne Reim und Akzent. Übersetzungen werden immer falsche Eindrücke davon geben. Unsere ganze Erziehung zum lyrischen Gedicht ist eine solche, daß wir das japanische nicht erfassen können. Die Regel, daß ein Gedicht nur so sein darf, wenn es überhaupt sein soll, hat die Japaner zu einer solchen Bestimmtheit des Ausdrucks, zu einer solchen scharfen Bildprägung gesteigert, hat das Gedicht, um einen geläufigen Ausdruck zu gebrauchen, so dekorativ gemacht, daß wir in Übersetzungen wohl den beiläufigen Sinn, das Gefühl, die Stimmung ahnen können, nicht aber seine besondere künstlerische Qualität schätzen; diese ist gewiß eine sehr artifizielle, virtuosenhafte, und das Artistische ist das Wesen dieser Lyrik. Solche kleine Gedichte machen zu können, verlangte der Japaner der guten Zeit von seiner Frau; solche »Tanka« zu dichten war ein Gesellschaftspiel der feinen Japaner. Ein Erzähler unterbricht seine Prosa fortwährend, um ihr mit einem Tanka einen Tropfen Essenz beizumischen, in ihm sein Gefühlsverhältnis zum Dargestellten zu bemerken und um zu zeigen, daß er ein geschmackvoller Mann ist. Wenn Dichten zu den täglichen Verrichtungen jeder wohlerzogenen Person gehört, muß man das Größte von Dichtern denken, deren drei man zu Göttern erhoben hat und denen man, wie Hitemaro, Tempel baut. Wenn eine ganze Nation dichtet, kann man sich vorstellen, zu welcher Subtilität die Dichter dieser Nation das Tanka bringen. Die Form und eine konstante und wohlbegründete Furcht vor dem Ennui bringt hier so Sublimes zustande, daß man ihm mit Übersetzungen nicht nahekommt. Was da am besten gelingt, ist gewiß nicht das, was dem Japaner als das Beste erscheint. Nicht die Sprache, nicht die differenten Gefühlswerte, nicht die andere Stellung zur Natur sind davon die Ursache – es ist vielmehr die Leichtigkeit, die gefällige Nichtigkeit, die Präzision der Zeichnung auf nebelhaftem Hintergrund, und alles dies in einer Arabeske. O'Detsus Tanz ist reich an mannigfaltigen Bewegungen ihrer schlanken Figur; das Spiel ihrer Hände ist wunderbar anzusehen; es ist wie etwas Zufälliges, und ist doch wohlüberlegt und voller Konvention gewordener Bedeutung. Und doch wieder hat die Hand ihre eigene Seele; das Gesicht bleibt immer gleich unverändert, lächelnd, starr-lieblich. In unserem Gedichte sehen wir etwas wie des Dichters ganze Gestalt; im japanischen Gedichte sehe ich nur die Bewegung der Hand, sich selber nur zu folgen scheinend und doch in allem wohlberechnet von einem überfeinen Geschmack.
Es war, als man im Dom zu Ravenna das Mosaik legte und da Karl der Große nächtlich aufblieb und schreiben lernte, als Japan seine große Literatur hatte. Eine goldene Zeit der Lyrik, die silberne einer anmutigen Dekadence, eine papierne großer Gelehrtheit und eine moderne aus Blech macht den Beschluß. Um die letzten beiden gleich zu erledigen und um mit ihnen nicht einen traurigen Schluß zu machen: die eine hat feine Kritiker und Essayisten, gelehrte Kenner und Antiquare, die ihren Blick zurückwenden in die große Zeit, aus der sie sich eine ästhetische Erquickung holen, nicht unähnlich darin den englischen Ästheten der Morrisgruppe. Die andere Periode begann am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts und ist noch nicht zu Ende. Erst war es ausschließlich eine Literatur, wie sie bei uns einmal die Vulpius und Spieß verrichteten: unglaubliche Heldentaten, Schrecken, Morde, die Verherrlichung der Japanischen Nationaltugenden, Heroismus und Herrentreue, Gespenster und Ungeheuer aller Art – das gibt den Stoff zu Jenen Büchern, die uns nur Hokusai durch seine Illustrationen so kostbar gemacht hat. Aber schlimmer kam es, als man mit abendländischen Seidenhüten und Kruppkanonen auch abendländische Kunst importierte; da übersetzte man den älteren Dumas und den Scott und ahmte sie nach. Das Volk liest das begeistert. Als ich dies einmal Yamanaka vorhielt, da wies er mit der Hand auf die künstlichen Felsen und Irrwege des Gartens, auf die vielen Gärtchen im Garten, auf die symbolischen Steine, die krummen Brücken und die zu menschlichen Figuren gezogenen Zwergpinien und sagte: »Japan bekam alles von China – dies allein blieb davon übrig.« Die Tätigkeit dieses Volkes zur Assimilation ist sehr groß, größer noch sein Talent, sich dabei so eigentümlich zu behaupten. »Der Dumas wird uns nicht umbringen,« sagte der kluge Japaner. Wahrscheinlich behält er recht. Die Japaner sind Hedonisten, und eine Kunst der Kunst wegen kennen sie nicht. Ihre Vitalität ist stärker als die unsere.
Als die Nonnen von Germersheim den Paphnutius ihrer geistreichen Schwester spielten und Mechthild von Magdeburg so herrlich den Herrn, den Bräutigam ihrer Seele anrief, da gab es am Hofe des Mikado Frauen, die den Japanern im reinsten Altjapanisch ihre klassischen Bücher schrieben. Das war damals eine Hofhaltung, die an die letzte Zeit des vierzehnten Ludwig erinnerte. Man liebte einen raffinierten Luxus, schöne Verse, und die Frauen gewannen durch Geist oder Schönheit – meist beides in einer – großen Einfluß. Die Namen und Bücher zweier dieser Frauen sind vor allem berühmt. Die eine nannte sich Mur-asaki no Schikibu, und ihren Roman Genji Monogatari nennt man das Prosaepos des japanischen Lebens ihrer Zeit, natürlich des Hoflebens, denn sie war eine Hofdame, und das Volk spielte noch keine Rolle in der Literatur. Den Deutschen fehlt dieser Roman, der sich mit diesem japanischen vergleichen ließe; die Franzosen haben ihn etwa in der Prinzessin von Cleve; besser noch die Engländer in Richardsons und Smollets Büchern; auch was den Umfang betrifft – der Genji hat 4234 Seiten – läßt es sich mit den Romanen dieser bürgerlichen Engländer vergleichen, wohl aber nur so, daß es in einem behaglichen Realismus die höfische Gesellschaft darstellt. Dem Richardson ist sie darin überlegen, daß sie nie moralisiert, dem Smollet, daß sie nie Komisches besonders auszeichnet. Sie ist immer objektiv, einfach und ganz naiv und befangen in den sehr bedeutend frivolen Sitten ihrer Zeit. Dir Buch ist zum Teil in einer englischen Übertragung zu lesen, und wenn auch oft ermüdend, so manchmal wieder höchst reizvoll. So die »Kritik der Frauen«, wie die Japaner diesen Hauptteil des Romanes nennen. Da ist ein Gespräch zweier ganz junger japanischer Blasés, kaum achtzehn ist der eine, der andere zwanzig, über die Schönheiten, die Treue und die wollüstigen Künste der Frauen. Die melancholische Grazie der beiden vorschnellen Frauenkenner ist mit einer feinen Ironie gezeichnet, doch ist diese durchaus nicht altjungfernhaft überlegen. Einer der jungen Leute, eben Genji, der Sohn des Mikado mit seiner Favoritekonkubine, zeigt dem andern Briefe von Frauen. »Ich habe da wohl noch andere, doch ich weiß nicht, ob ich dir sie zeigen kann.« Der andere: »Aber die du mir zeigst, sind ja leer, gib mir die andern; die gerade liebe ich, die alles sagen, weil sie nicht daran denken, etwas zu sagen. Nur solche Frauenbriefe sind lesenswert, welche die Eifersucht schreibt, oder diese andern, diese in den Abendstunden geschriebenen, voll von Leidenschaft und Sehnsucht im Erwarten.« Natürlich zeigt Genji die andern Briefe. Und in ihnen blätternd und lesend sprechen sie von den Schreiberinnen, von andern Frauen, dann »von den Frauen«. Und dies an einem Abend bei Lampenlicht und leisem Regen draußen. – Fräulein Sei Schonagon ist die andere, deren Namen berühmt vor allen ist. Sie ist eine ganz andere. Der Murasaki glaubt man es, daß sie ihr Buch fern vom Hofe im Alter geschrieben hat nach einem unbereuten Leben. Nicht so bei Schonagon. Ihre Biographen brauchen sich nicht die Mühe zu geben, durch gelehrte Forschungen herauszubekommen, daß sie eine von jenen war, die groß und vielseitig in der Liebe sind, denn das sagt ihr Buch Makura Zoschi in seiner Zerfahrenheit, Launenhaftigkeit und Ehrlichkeit schon selber. Makura Zoschi heißt »Einfälle unter dem Kopfkissen«, in schlaflosen Nächten aufgeschrieben, und in den späteren einsamen Nächten der alternden Frau möchte man sagen. Es ist das subjektivste Buch der Japaner, mit einem Kultus des Egotismus, den kein Stendhal übertreffen kann. An das Journal der Baskirtschew wird man erinnert, nur ist die japanische Dame erfahrener; sie hatte gelebt, nichts in ihr blieb ungeweckt. Sie ist glücklich, daß man die Jugend so verlieren kann, und nur manchmal scheint es sie zu grämen, daß ein gleiches nicht auch dem reiferen Alter beschieden ist, wo man in Nächten Zeit findet, seine Sensationen zu notieren. Zum Beispiel: »Im Sommer, da liebe ich die Nächte, nicht nur die des hellen Mondes, auch die ganz dunklen, wenn die Glühwürmer sich in ihren luftigen Wegen berühren, oder wenn ein leiser Regen fällt. Im Herbst ist es die Schönheit des Abends, die mich am stärksten bewegt; ich sehe den Krähen zu, die paarweise oder zu dreien oder einzeln sich eine Schlafstätte suchen, während die Sonne am Bergrand steht, ohne Licht, aber ganz rot. Noch köstlicher ist es, dem Flug der Wildgänse zuzusehen, die wie ganz kleine Linien sind in der hohen Ferne. Und wenn die Sonne unten ist, da bewegt es mich, dem Zirpen der Grillen zu lauschen, oder wie der Wind beginnt. Im Winter, wie nicht zu sagen schön ist der Schnee. Doch liebe ich auch die glitzernde Weise des Frostes und die Kälte.« Die Schonagon führte ein Register ihrer Gefühle mit den Rubriken: unangenehme, angenehme Dinge, abscheuliche und traurige, oder Dinge, die mir ein kleines Prickeln erzeugen, wie: »von einem hübschen jungen Mann um den Weg gefragt werden, wozu er seinen Wagen halten läßt«. Unter den traurigen stehen sehr tiefsinnige, die man nur in griechischer Übersetzung drucken darf. Unter den angenehmen: »Wenn ich ermattet bin und der Geliebte mich umarmt und seine Hände meine Brüste umschließen.« Oder: »ein Trunk Wasser, wenn ich nachts erwache.« Unter den unangenehmen: »Ein Hund, der bellt, wenn der Geliebte heimlich zu mir kommt – den Hund möchte ich umbringen«; oder: »Leute, die mich unterbrechen, wenn ich etwas erzähle und sagen: o, ich weiß, und dann etwas ganz Verschiedenes erzählen.« »Wenn ein Freund eine Frau lobt, die er kennt; dies ist schon unartig, wenn sein Verhältnis mit ihr lange aus ist; aber noch viel mehr, wenn es noch besteht.« Melancholische Dinge: »An einem Regentage Briefe eines zu lesen, den ich einmal geliebt habe.« »Die Fächer des letzten Jahres.« »Ein trüber Spiegel.« »Helle Mondnächte.« Köstliche Dinge: »Ein Boot, das stromabwärts fährt.« – Die Schonagon muß diese Sachen geschrieben haben, da sie aufhörte jung zu sein und noch nicht begann, alt zu werden. Neben Heft und Schreibpinsel lag sicher der Spiegel, und die nervöse Hand griff sicher öfter nach ihm als nach dem andern, in den einsamen Nächten ohne Schlaf. Ihre Liebhaber haben dieser Frau die Welt erschlossen, so sah sie sie nur durch sie und wurde ihre Art persönlich und sensitiv. Eine von den Frauen, denen ein sinnliches Aroma entströmt, wenn sie nur den Arm heben.
Daß in dieser Zeit die Frauen schrieben, war so allgemein, daß die schreibenden Männer weibliche Pseudonyme annahmen, um sich besser einzuführen, und daß sie sich in ihren Büchern auch benahmen, als ob sie Frauen wären. Dies tat auch Ki No Tsyrayuki, der Verfasser des berühmten Tana Nikki, eines Tagebuchs von einer Wasserreise, das öfter und vollständig ins Englische übersetzt wurde. »Da unsere Dschunke an den Wäldern von Matukara hinfuhr, sank die Nacht langsam nieder und Berge und See wurden dunkler. Bald war Ost und West nicht mehr zu unterscheiden. Keiner an Bord sprach mehr, und keiner dachte mehr an das Wetter – alle Sorge darum hatte man nur mit größerem Vertrauen dem Kapitän gegeben. Die zum ersten Male eine Reise zur See machten, wurden schwermütig, und die Frauen, die legten sich auf den Boden hin und taten nichts als leise weinen. Doch die Matrosen machten sich nichts aus all dem; die sangen Lieder, eins ums andere. Denen, die zuhörten, machte das lustige Gelächter der Melodie das Herz ruhiger. Es war ganz finster, als sie den Anker auswarfen.« Mondnächte und Wellenrauschen, ferne und nähere Ufer in Farben oder verfließend in Nebel, das singende Schiffsvolk, die Reisenden, Einförmigkeit und Wechsel, dies ist mit großer Einfachheit und Anschaulichkeit erzählt und mit einem heiteren unaffektierten Temperament. – Das Kunstwerk entsteht ohne Vorsatz, in Übung schöner Fähigkeiten, im Dienste einer Ordnung. Eines fehlt der japanischen Literatur durchaus: die Größe, diese etwa an Dantes Gedicht verbeispielt. Das Liebliche und Anmutige in der Natur kann mit einfacheren Mitteln keiner stärker wiedergeben als der Japaner, aber ihren Schrecken und Gewalten geht er in der Darstellung aus dem Wege oder er wird, wie die neueren Autoren, grotesk, indem er mit dämonischen Fratzen symbolisiert. Dem Japaner fehlt der Begriff wie das Wort für »Natur«; er findet nur Beziehungen zum einzelnen, zu dem, was ihn sentimentalisch erregt: »der Mondschein hinter mir ist meines Weges Tränenspur.« Und menschliche Größe findet er nur in einem Heldentum schrecklicher Kämpfe; da geht die Darstellung sofort ins Unmenschliche. Die Geschlechtsliebe kennt unsere Konflikte nicht, oder sie sind nur dort, wo sie der japanische Schriftsteller nicht darstellt: bei den Mädchen in den Teehäusern. Und davon erzählt er erst in der neueren Zeit und beeinflußt von europäischen Anschauungen. Sonst gab die Liebe nur Komisches, Zynisches höchstens und selten Empfindsames. Die ganze japanische Literatur ist eine Rokokoliteratur: gutmütig, leichtsinnig, hedonistisch, formverliebt; Sentiment ist für Leidenschaft, Grazie für Energie. Die schüchternen, lebensunfähigeren Naturen, die Müden oder die geborenen Schwachen gehen in die Wildnis der Berge und werden Einsiedler. Auch die Japaner haben einen Jean Jacques. Dieser ist Hojoki, der den Kamo Chanei, das »Tagebuch aus meiner Zelle«, schrieb. Ein Brand zerstörte Kioto, ein Erdbeben warf die Trümmer um, eine Hungersnot kam über die Obdachlosen, und die Pest befreite viele von Leben und Leiden. Das alles hatte Hojoki erlebt und beschreibt es am Eingang. Es machte ihn traurig und nachdenklich. So zog er fort und lebte in einer Hütte vierzig Jahre. Dann fand er auch diese Einsamkeit noch nicht einsam genug, zog weiter und baute sich eine Zelle, »wie sie dem Pilger wohl Rast geben könnte für eine Nacht«, doch er lebt nun etwa fünf Jahre in ihr und denkt da auch zu sterben. Zehn Fuß im Geviert, sieben hoch, der Boden gestampfte Erde, die Wände mit Lehm verklebtes Buschwerk. »In einer Ecke ist mein Bett aus Laub und Farren. Daneben ein Gestelle mit ein paar Büchern: die Dichter und die heiligen Schriften. Dabei steht eine Harfe und eine Laute. Rings um mein Haus ist Wald, nur gegen Westen zu ein Blick ins Tal. Wenn ich zu traurig bin, um zu lesen, oder wenn meine Augen nicht mehr lesen können, da ist keiner, der mich aus meiner faulen Ruhe stören, kein Freund, dessen Gegenwart mich beschämen könnte. Ich habe nicht die Regel des Schweigens auf mich genommen, aber so allein wie ich lebe, da habe ich zu sprechen fast verlernt … Manchmal singe ich zu meiner Laute. Ich bin kein Künstler darauf, doch ich singe und spiele zur Freude meines Herzens, und es ist keiner, der mich hört … Unten am Berge steht eine andere Hütte, ein Holzhaus. Ein Waldhüter wohnt dort. Sein Sohn kommt manchmal zu mir. Wenn ich unruhig bin, da gehe ich mit ihm, und obschon ein großer Unterschied ist zwischen uns, er ist sechzehn und ich bin sechzig, wir haben doch unsere Freude aneinander. Wir pflücken Blumen und Beeren. Wir füllen unsere Körbe mit wilden Erdäpfeln und Pilzen. Manchmal gehen wir weit hinunter zu den Reisfeldern und lesen vergessene Ähren. Ist der Morgen hell, so steigen wir auf den Berggipfel, und ich sehe in der Ferne den Himmel über dem Ort, wo ich geboren bin. Von da kann ich Kowatayani, Foha und Juschieama, Hatsukas sehen. Die Landschaft gehört keinem und so gehört sie meiner Augenfreude. Da reise ich. Ich besteige den Jumi, wandere an Haraderi vorüber und raste in Inaufa; oder ich gehe über die weite Ebene von Awatsu und bringe dem Grabe Senimaru des Musikus meine Verehrung dar. Ich gehe über den Fluß Tagami und grüße das Grab Sarumuru Dayus, des Dichters … Auf unserem Heimweg brechen wir Blütenzweige von den Kirschbäumen oder wir sammeln die roten Blätter des Herbstes; das ist für Buddha und den Knaben … Wenn der Hirsch furchtlos vor meiner Hütte verweilt und mich ruhigen Auges anblickt, da fühle ich, wie weit weg ich bin, wie fern der Welt. Nur für eine kleine Weile, dachte ich, würde die Hütte mein Haus sein, nun sind darüber Jahre vergangen und sie ist mit mir alt geworden. Sie ist klein, doch des Nachts habe ich ein Lager darauf zu schlafen, des Tags eine Matte, darauf zu sitzen. Sie hat alles, was ein Mensch braucht. Und hat sie nicht zu viel? An einem ruhigen Morgen dachte ich lange darüber und fragte mich, ob ich so würdig lebe oder in Eitelkeit oder aus Angst vor meinen Begierden. Mein Herz, das ich fragte, gab mir keine Antwort darauf. Ungewollt kommen die Worte Buddha, Buddha über meine Lippen und dann war Schweigen. Dies ist geschrieben in seiner Hütte im zweiten Jahre Kenriaku, am letzten Tage des stillen Monates vom Mönche Renin.« – –
– Endlich habe ich es mit Bitten und Versprechungen großen Besuches erreicht, daß man im Teegarten Theater spielt. Die Truppe hatte es schon einmal getan, früh in der Saison und mit abschreckendem materiellen Erfolge. Dieser Erfolg war das zweite Mal nun besser; von einem anderen kann ich nicht sagen, denn das Publikum wechselte fast mit Jedem Akt, so fünfzehnmal, nachdem es seine Neugierde befriedigt hatte und wohl nicht mehr. Die europäischen Urteile über das japanische Drama, das eine Erweiterung des alten rituellen Balletts und noch jung ist – widersprechen sich sehr; doch neigen die mehreren Meinungen dahin, daß es ohne Bedeutung sei; einige zählen es überhaupt nicht zur Literatur, weil es nicht aufgeschrieben sei. Wörtlich ist das ja richtig, aber sachlich falsch. Ein Theaterstück ist Eigentum der Truppe, die es spielt. Was davon aufgeschrieben ist, das ist nicht mehr als ein Regiebuch, das die Szenen, Situationen, Charaktere kurz angibt, auch vielleicht noch die Schicksale der Personen vermerkt. Das Wort, das gewiß spärliche, ist ganz dem Talent des Schauspielers überlassen, es wird als seine Angelegenheit betrachtet, genau wie Gebärde und Kostüm. Der Schauspieler ist, wenn auch nicht des Dramas Erfinder, so doch dessen Wortgeber. Es hängt daher ganz vom Darsteller ab, ob er in die wenigen Typen einer japanischen Theateraktion Leben und Kunst zu bringen vermag; in seinem Talent liegt es beschlossen, ob ein japanisches Drama mehr ist als eine aus japanischen Nationaltugenden und -sünden gut oder schlecht zusammengesetzte Räubergeschichte mimischer Abwandlung. Können die Schauspieler nur Gesichter schneiden, so ist das Stück schlecht, haben sie Phantasie, so ist dasselbe Stück gut. Das mag an die Praxis der elisabethanischen Schauspieler erinnern, aber nur an die Praxis, nicht weiter. – Der Titel unseres Stückes, das man im Teegarten spielte, war »Der blühende Pflaumenbaum«, aber die symbolische Bedeutung dieses Titels wurde uns weder klar noch von Kennern klar genug gemacht, daß ich es aufschreiben könnte. Das ist auch ohne Bedeutung, wie das ganze Stück, das in seiner Riesenlänge wohl zehn Romane erzählt vom Leben der Ronins, von der Rache, vom Edelmut. Doch drei Schauspieler waren Dichter, und wenn immer sie auftraten, wurde die Szene Kunstwerk. So die außerordentlichen letzten Szenen dieses Dramenkonglomerates: Eine berüchtigte Gasse. Gorojo: Kavalier, Frauenräuber und treuer Diener seines depossedierten Herren (das alles ist nämlich ein Ronin) tritt auf und löscht die einzige Laterne. Er lauert auf Hoschikage, den Bösewicht des Stückes, der sein Weib verführt hat. Sie müssen beide hier vorbeikommen, und wer es zuerst ist, den will Gorojo töten. Doch es tritt Oju auf, die Unschuld; sie trägt – wie früher motiviert ist – die Kleider von Gorojos Weib. Er haut ihr den Kopf ab, wickelt ihn in ein Tuch und geht. An der Ecke trifft er auf Hoschikage. Die beiden sehen sich an, doch geht jeder seinen Weg. Die Szene wechselt. Eine noch elendere Straße vor Gorojos Haus, dessen Wände offen sind – ein japanisches Haus –, so daß man, was im Innern vorgeht, sieht. Das Volk der Straße bespricht den Mord, der nachts geschehen ist. Man hatte den Körper gefunden und ihn als den einer bekannten Schönheit, eine Geliebte Asamas erkannt. Gorojo tritt auf. Er hört erst zu, dann wird er gleichgültig: er hat nichts damit zu tun, es ist nicht sein Mord. Andere kommen und beschreiben den Ort, wo man den Körper Ojus fand, der schönen Geliebten Asamas. Gorojos Erregung wächst. Er geht ins Haus, wo er den Kopf verborgen hat. Die Straße ist nun leer. Gorojo will den Kopf hervorholen, als seine blinde Mutter kommt. Sie hat so schlecht von ihm geträumt und betet für ihn und geht wieder. Gorojo verliert die Herrschaft über sich. Er geht langsam zum Nebengemach, in dem er den Kopf verborgen, dann wieder zurück und schließt die Tür. Dann rückt und stellt er Dinge im Zimmer, ganz verloren, so und so. Da schüttelt er alles ab und holt den Kopf. Ja: das ist seines Weibes Tuch, in das er ihn gewickelt. Wie auch anders! Er wird ruhiger. Er kann sein Weib töten, das ist sein Recht, aber Oju, die Geliebte seines Herrn töten, Amasas, das wäre Verrat. Aber es ist sie, sein Weib. Er nimmt das Tuch weg. Er glaubt nicht, was er sieht. Schlägt sich. Geht zweimal fort und kommt wieder. Ja: es ist Oju! Da bleibt ihm nur der Tod. Er schreibt seinen letzten Willen. Sein Weib kommt; er ist ganz sanft zu ihr, zeigt auf den Kopf: das bist du. Dann schickt er sie fort und verrammelt die Tür. Nun legt er Blüten und Zweige des blühenden Pflaumenbaumes um Ojus Haupt, kniet ihm gegenüber hin und schlitzt sich den Bauch auf, zehn Minuten lang. Sein Weib sitzt stumm auf der Straße; sie weiß, was ihr Mann jetzt tut, denn er ist ein Ronin. Sie tötet sich mit einem Messer. Die blinde Mutter kommt besorgt, sie weiß nicht um was, vor Gorojos Tür. Doch niemand öffnet ihr mehr. Die Leute von der Straße kommen und schlagen die Tür ein. Sie erzählen dem sterbenden Ronin, daß man Hoschikage gefangen hat und er dankt für das Geschenk der guten Nachricht. – Das war so außerordentlich gespielt, daß ich die Worte zu verstehen meinte, die mir doch fremd sind. Es war kein Spiel mit ausgearbeiteten Details; die Bewegungen hatten etwas eigentümlich Getragenes und ins Übergroße Gesteigertes. Schauspieler des Details sind die Chinesen, deren Theater ich in New York oft besuchte; und mit Mitteln des Detailmalens arbeitet, nach europäischen Vorbildern, Kawachami, den ich im Bostoner Trianontheater sah. Die Darsteller im Teegarten waren »alte Schule«, wie sie in ihrer Heimat Danjuro repräsentiert. Ihr Gesicht behält ein Lächeln auch im Grausigsten und ist wie eine Maske, wie das tote Haupt Ojus eine wundervoll gebildete Maske war, die lächelte.
Man ist doch im Unrecht, wenn man der japanischen Literatur die Erhabenheit abspricht, denn sie hat das Lächeln. Nicht das bekannte liebenswürdige, nein: das Lächeln dieses Volkes ist die feinste Blüte japanischer Kultur, es ist seine Philosophie, es liegt auf aller seiner Kunst. Wir lächerlich ernsten Europäer halten es für Oberflächlichkeit, für Mangel an Größe, aber dieses Lächeln bedeutet mehr als unser ernstester Ernst. Es ist eine ausgearbeitete und langmotivierte Etikette, aber es ist auch eine stumme Sprache, die von einem Glück redet, das wir nicht kennen. Die Japaner – O'Detsu sagte es mir, – finden unsere Gesichter »wie geärgert« und unser breites Lachen »zornig«. Die japanische Kultur ist älter und konsistenter als unsere Zivilisation; wir haben es zu seinem Lächeln noch nicht bringen können, das der Japaner zeigt, wenn er stirbt, aus dem gleichen Grunde wie immer sonst. Die Japaner in Europa lächeln nicht mehr, wahrscheinlich aus Politik; sie sind uns viel unverständlicher und fremder als die japanischen Mädchen und Kinder, die lächeln. Hier haben wir wenigstens einen Gefühlskontakt. Ich spreche gern mit Herrn Yamanaka, der einen tadellosen Zylinder und helle Handschuhe trägt, über die Japanischen Künste; er erklärt mir vieles, wie ein gutes Buch es täte. Lieber aber sitze ich bei den Mädchen in den schönen Seidenstoffen, bei den Mädchen, deren Sprache ich nicht verstehe, wenn sie zu mir sprechen, oder bei den Kindern, die ich immer verstehe. Die Mädchen tanzen oder singen oder spielen mit Blütenbällen und Stäbchen, sie haben Heimweh, sie frieren, sie haben Sorgen – aber sie lächeln immer. Und da ist es mir, wie wenn ich Amatarasu, die Sonnengöttin, hinter ihrer Felsentür hervorschauen sähe, nur ein paar Sonnenstrahlen aus diesem Lande des Aufgangs, die mir die getrockneten Blüten meiner japanischen Literaturkenntnis mit einem lebendigen Schein vergolden.
1899.
Seitdem das Obige geschrieben wurde, hat man es in England und Deutschland öfter versucht, japanische Lyrik in die europäische Sprache zu übertragen, ein Versuch, schwieriger als irgendein ähnlicher. Das Wesentliche des Japanischen Gedichtes ist: Kürze (das naga-uta, d. i. das »lange Gedicht« ist ein Miniatursonett von fünf Zeilen) und mehr noch Suggestivkraft. Nicht etwa spielerische Kunststücke darf man dahinter vermuten, denn die japanische Sprache ist ganz anders konzis als irgendeine europäische. Die Kürze des japanischen Gedichtes würde vom europäischen Übersetzer wohl wiederzugeben sein – wenn es sich auch dann wie ein Telegramm läse – auch alles das, was wörtlich in dem Gedichte steht. Aber gerade das Wörtliche bestimmt es nicht: nicht das Gesagte ist charakteristisch für das japanische Gedicht, sondern das Angedeutete, Erweckte, Suggerierte. Der japanische Dichter ist gar nicht logisch bekümmert, denn auch die Sprache ist es nicht. Er ist nicht präzis, aber er ist beziehungsvoll. Wozu noch zu bemerken ist, daß die japanische Sprache viele Worte von gleichem Klang, doch verschiedener Meinung besitzt, wovon die Dichter reichen Gebrauch machen. Und nun füge man zu allen diesen Eigentümlichkeiten noch eine philosophische oder religiöse Stellung zu den Dingen, die jeder japanische Dichter ganz konventionell nimmt, um die Versuche einer Übersetzung ganz hinfällig erscheinen zu lassen. Aus der klassischen Zeit ist da etwa das Gedicht, das ein Mädchen spricht: es reinigt das Haus am frühen Morgen. Sie hat die transparenten Papierfenster geputzt und statt »sieh nun, wie schön die Silhouette der Fichte draußen auf dem Papierfenster steht« heißt die letzte Zeile des Gedichtes: »Fichtenschatten«. Dies ist aber nicht bloß zierlich, wie wir im allgemeinen vom japanischen Gedicht glauben, sondern das Gedicht meint etwas ganz anderes, nämlich Lao Tzes Lehre von der Notwendigkeit der Reinigung, vom Wegwischen alles Vorurteils aus dem Gehirne, Aufgeben aller Weltlichkeit, um in seiner ganzen Reinheit das Schöne zu erhalten. Um uns dies zu zeigen, in uns wachzurufen ist das Gedicht da: ein Nadelstich in eine dunkle Wand, wir sehen durch die winzige Öffnung die Welt. Ein Wort gibt dem Hörenden die Kraft, welche die Phantasie zu einem Bilde befruchtet. Das japanische Gedicht hat keinen Dichter, trotzdem wir von Namen einige kennen. Das Gedicht war der konventionelle Ausdruck einer Periode und einer Hofgesellschaft und ist gar nicht individualisiert. Es ist ganz und gar uneuropäisch.