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Dagestan besitzt keine geschriebene Literatur, es gibt nur Lieder wandernder Volkssänger, die in großer Armut leben. Ein solcher Sänger heißt »Scheïr«, d. h. der Berühmte. Die Lieder Dagestans sind durch die armenische Dichtung beeinflußt, die überhaupt für alle kaukasischen Länder von Bedeutung geworden ist.
Die Berge von Beschparma sind gewaltig,
Doch viel gewaltiger ist meine Liebe.
Die Gletscher an den Hängen schimmern weiß,
Viel weißer leuchten deine jungen Brüste.
Die Antilope weint hellrotes Blut
Aus schlimmer Wunde, die mein Pfeil ihr riß.
Gleich roten Blumen netzt das Blut die Fluren,
Darauf der Schnee wie Jasminblüten liegt.
Dein Arm ist weißer als der Schnee. Dein Kuß
flammt röter als das Blut der Antilope.
Die Berge von Beschparma sind gewaltig, –
Doch viel gewaltiger ist meine Liebe!
*
Der Sturm aus Rußland, der die Wälder beugt,
Ist nicht so machtvoll wie mein Drang zu dir.
Dein Körper duftet holder als das Harz,
Das in der Sonne aus den Pinien quillt.
Süß ist der Duft, darin der Lenz sich naht,
Die Frische deiner Lippen duftet süßer.
Wenn du an meiner Seite bist, erfüllt
Mich Wärme, wie die Sonne sie nicht schenkt.
Bist du nicht da, so hüllt mich Traurigkeit,
Schwarz wie Gewitternacht, in ihr Gewand.
Der Sturm aus Rußland, der die Wälder beugt,
ist nicht so machtvoll wie mein Drang zu dir!
Volkslied
* * *
Der Winter naht, o strahlende Geliebte,
Mit weißen Rossen jagt er durch den Sturmwind,
Den eisigen, der sein Haar mit Schnee bedeckt.
Die Bäume werfen ihre Blätter nieder,
Seufzend, als seien's Tränen, sie beweinen
Den Tod der Blumen und den Tod der Nester,
Die aus den Zweigen stürzen. Sieh, der Wind
Trägt die dahingeweinten Blätter fort,
Die überall das Sterben nun verkünden
Der kleinen Nester und der zarten Blüten.
Was kümmert's mich! An deiner Seite, Liebste,
Bleibt mir das Ungemach des Winters fern.
Es schwebt das Lied, das aus den Nestern klang,
Weiter in deiner Stimme, deine Augen
Gewähren allen goldnen Sonnenschein.
Der Zauber deiner tiefen Blicke läßt
In meiner Brust den schönsten Flor erblühen
Von Hyazinthen, Tulpen, Rosen, Nelken,
Und deine Stimme weckt mit süßem Klange
Das liebliche Gezwitscher, das die Wälder
So hold durchklang, in meinem Innern auf.
Dank deiner Stimme, deinen Augen, Liebste,
Berg ich in meinem Herzen einen Garten
Voll Licht und Sang und Duft für alle Zeit.
Volkslied
* * *