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Abschnitt 3.

Der schwarze Freund. – Reise nach dem Westen. – Der Hirsch. – Die Nacht im Freien. – Die Überschwemmung. – Die wilden Pferde. – Dir Prairie. – An der Frontiere. – Der Büffel. – Die wilden Truthähne.


. Dieser neue Schlag war zu schwer für Turners, als daß sie sich sobald hätten darüber erheben können. Aller Trost, den ihnen der freundliche Wirt sowohl als auch Kapitän Bosse einzusprechen suchten, fand kein Gehör bei ihnen, sie gaben sich ihrem Schmerz, ihrem Unglück hin und sahen mit Verzweiflung auf die Kinder. Mehrere Tage verstrichen, ohne daß sie hätten den mindesten Beschluß fassen oder auch überhaupt ihre Lage überblicken können. Sie verließen kaum ihre Zimmer, saßen dort mit den Kindern in Kummer und Jammer versunken und dachten an das schöne Werrathal zurück. Eines Abends, als die Sonne sich neigte und der Abendwind kühlend durch die Thür und die Fenster des Zimmers strich, saß Turner mit seiner Gattin in der düstern Ecke des Gemachs und gab seinem Gram Worte: »Es bleiben uns nicht mehr volle viertausend Dollars übrig, damit kann man hier im Lande keine Farm kaufen, die uns zu ernähren vermöchte. Arbeitskräfte besitzen wir nur in meinen und Karls Händen, und wenn wir auch gern das Unsrige thun wollen, so ist uns die Arbeit, wie sie hier vorkommt, doch noch zu neu und fremd, als daß wir viel zu schaffen im stande sein werden. Hätten wir das Geld nicht verloren, so könnten wir uns einen Neger mieten oder auch kaufen; wir würden ihn ja gut und nicht als Sklave behandelt haben. So aber besitzen wir nicht einmal genug Vermögen mehr, um Land, Vieh und Gerätschaften zu kaufen. Ich weiß nicht, was aus uns hier werden soll!«

Bei diesen letzten Worten ließ Turner mutlos die gefalteten Hände zwischen seinen Knieen herabsinken und blickte niedergebeugt auf den Fußboden vor sich; Madame Turner weinte und sah gleichsam schweigend vor sich nieder; vergebens suchte sie nach einem Auswege, nach einem Trostwort.

Karl Scharnhorst, welcher schweren Herzens während dieser Tage dem Schmerz und Gram der geliebten Pflegeeltern gefolgt war, saß ihnen auch jetzt schweigend gegenüber und sah ihre Trostlosigkeit, ihre Verzweiflung. Plötzlich aber erhob er seinen Kopf, seine Augen glänzten und verrieten, daß ein Hoffnungsgedanke ihn belebe. Er stand schweigend auf, nahm seinen Hut und Stock und verließ das Zimmer. Mit raschen Schritten eilte er in der düster werdenden Straße hinab nach dem Werfte, wo der Goliath lag, und erstieg wenige Minuten später das Verdeck des Schiffes. Die Matrosen bewillkommneten ihn aufs freundlichste, denn alle hatten den Knaben lieb gewonnen, sie teilten ihm aber mit, daß der Kapitän nach der Stadt gegangen sei. Karl entgegnete ihnen, er komme, um Daniel zu sprechen, von welchem er wünsche, über Verschiedenes Auskunft zu erhalten. Auf den Ruf seines Namens kam der Neger herbeigeeilt und freute sich herzlich, seinen jungen Freund zu sehen. Karl nahm ihn mit sich auf das obere Verdeck nach dem Boote, wo sie so manchen Abend in traulicher Unterhaltung beisammen gesessen hatten, und bat ihn, an seiner Seite Platz zu nehmen.

»Daniel, ich habe dich etwas zu fragen, worauf du mir offen und ehrlich antworten mußt,« begann Karl, indem er die Hand des Negers ergriff und ihn mit seinen großen, treuen Augen ansah.

»Gern, junger Herr, will ich dies thun, sowie ich alles gern thun werde, um Ihnen dienen zu können. Sie und die Ihrigen sind so freundlich gegen mich gewesen, wie es ein Amerikaner gegen einen Schwarzen gar nicht sein kann und wie ich es Ihnen niemals in meinem Leben vergessen werde. Was soll ich Ihnen denn beantworten?« entgegnete der Neger mit freundlicher Miene.

»Sage mir, warum fährst du zur See und verdienst dein Brot nicht lieber auf dem Lande, wo du doch nicht immer so großen Gefahren ausgesetzt bist?« fragte Karl.

»Das will ich Ihnen sagen, weil ich im Dienste des Kapitäns Bosse eine bessere Behandlung genieße und weniger der Verachtung der Weißen ausgesetzt bin als in den Vereinigten Staaten. Aber warum wünschen Sie dies zu wissen, junger Herr?« entgegnete Daniel.

»Du hast wohl gehört, Daniel, daß mein Onkel soviel Geld an der Bank verloren hat?«

»Ja wohl, und es hat mir sehr leid gethan.«

»Sieh, Daniel, nun kann mein Onkel sich hier nicht ankaufen, wie er es beabsichtigte, und kann auch nicht, wie er wollte, Arbeiter mieten. Und doch muß er jemand zur Hilfe bei sich haben, der mit dem Landbau hier bekannt ist. Wir sind in einer schlimmen Lage, und der Onkel weiß gar nicht, was er anfangen soll,« sagte Karl etwas verlegen und schwieg dann, als wolle er Daniel das Wort überlassen.

Es trat eine Pause ein, der Neger saß während einiger Minuten sinnend vor sich niederblickend und nickte wiederholt mit dem Kopfe. Dann, wie zu einem Entschlusse kommend, sagte er: »Das ist freilich eine schlimme Lage, Sie sind fremd hier und unbekannt mit dem hiesigen Leben und Treiben, und leicht können Sie noch um den Rest des Vermögens betrogen werden. Sie haben mich als Mensch, als Ihresgleichen behandelt, und würden mir gewiß auch beigestanden haben, wenn ich Ihrer Hilfe bedurft hätte. Glauben Sie, junger Herr, daß Ihr Onkel meine Dienste nicht zurückweisen würde? Schon lange hätte ich gern das Seeleben aufgegeben, hätte mich nicht das Vorurteil der Weißen gegen meine Hautfarbe von dem Lande zurückgehalten. Mit Ihnen, junger Herr, möchte ich all mein Leben lang beisammen sein.«

»Du lieber, guter Dan, der Onkel würde ganz glücklich sein, wenn du bei uns leben wolltest, und wir alle würden dich gewiß immer recht lieb haben; und ich besonders, Dan, das weißt du ja,« versetzte Karl, indem er dem Neger die Hand drückte. »Aber,« fuhr er dann fort, »würde es Kapitän Bosse nicht leid thun, wenn du ihn verließest? Er ist so gut gegen uns gewesen und wir dürfen ihm doch nichts Unangenehmes zufügen.«

»Der Kapitän verliert mich allerdings nicht gern, ich habe ihm aber schon oft gesagt, daß ich das Seefahren müde und lieber auf dem Lande leben würde, wenn ich dort einen liebevollen guten Herrn wüßte. Er hat auch nichts dagegen und hat mir erklärt, daß er meinem Wunsche nicht im Wege stehe. Wenn Ihr Onkel mich in seinen Dienst nehmen will, so würde ich sicher alles thun, um mich ihm nützlich zu machen und mir seine freundliche Gesinnung zu erhalten.«

»Gut, so gehst du mit uns, wohin wir auch ziehen werden, bester Daniel, und nichts in der Welt soll uns wieder trennen,« sagte Karl, außer sich vor Freude. »Nun will ich schnell nach Hause eilen und dem Onkel sagen, daß du mit uns leben willst. Ich habe noch nichts davon erwähnt, weil ich mit dir erst darüber sprechen wollte. Morgen früh komme ich wieder zu dir.« Hiermit sprang Karl auf, drückte dem Neger nochmals liebevoll die Hand und eilte mit hochschlagendem Herzen nach dem Gasthaus zurück. Als er in das Zimmer trat, herrschte dort noch immer dieselbe ernste, gedrückte Stimmung. Turner schritt in Gedanken versunken auf und nieder, und die andern saßen schweigend und wie in ihr Schicksal ergeben, umher.

»Nun, Karl, hast du einen Spaziergang gemacht?« sagte Turner zu ihm, nur um etwas zu sagen, und strich ihm im Vorüberschreiten mit der Hand über die reichen Locken.

»Nein, Onkel, ich bin auf dem Goliath gewesen und bringe dir eine recht erfreuliche Nachricht.«

»Erfreulich, Karl?« wiederholte Turner mit einem Ausdruck der Wehmut und sah den Knaben fragend an.

»Ja, recht erfreulich, Onkel: Daniel will bei uns leben und mit uns arbeiten. Ich habe ihm gesagt, in welcher Lage wir uns befinden, und weil wir ihn freundlich behandelt haben, hat er sich entschlossen, uns zu helfen und beizustehen. Er ist doch recht gut.«

»Ist es möglich, Karl? Das wäre für uns ja mehr wert als das ganze Geld, welches wir verloren haben. Und das hätten wir dir wieder zu verdanken, du braver, treuer Junge; wir sind so schon so tief in deiner Schuld!« sagte Turner überrascht und bewegt und heftete seinen freudigen Blick auf den Knaben, indem er ihm beide Hände aus die Schultern legte.

»Du bist unser guter Engel, Karl, bist das Werkzeug Gottes, durch welches er uns in der Not seine Barmherzigkeit, seine Hilfe zukommen läßt,« fiel Madame Turner ein, die bei der unerwarteten frohen Botschaft aufgesprungen und herangetreten war. In ihrer Freude ergriff sie den Kopf des Knaben mit beiden Händen, zog ihn an sich und küßte ihn auf die Stirn.

»Nein, Daniel müssen wir dafür danken, er thut es ja, um uns zu helfen,« sagte Karl verschämt und drückte seinen Mund auf die Hand seiner Pflegemutter.

»Und ohne dich würde er nie darauf gekommen sein, mein Karl,« versetzte Turner, ihm liebevoll die Wange streichelnd. »Hast du denn wohl daran gedacht, daß der Kapitän, der uns so viel Freundschaft erzeigt hat, ihn nicht gern entbehren wird? Wir sind Bosse zu Dank verpflichtet, und würden unrecht gegen ihn handeln, wenn wir ihm den Neger abtrünnig machten. Empfangenes Gutes soll man nie vergessen, Dankbarkeit ist eins der edelsten Gefühle des menschlichen Herzens.«

»Doch, Onkel, ich habe Daniel darauf aufmerksam gemacht; er erwiderte mir aber, daß er dem Kapitän schon seit längerer Zeit seinen Wunsch mitgeteilt habe, das Seeleben aufzugeben, sobald er auf dem Lande einen guten Herrn finden würde. Der Kapitän will ihm auch dabei nicht hinderlich sein.«

»Nun, dann in Gottes Namen, uns ist die Hilfe Daniels eine Lebensfrage,« sagte Turner wie neu belebt und setzte sich, nachdem er noch einigemal in der Stube mit raschen Schritten auf und ab gegangen war, zu seiner Gattin auf das Sofa. Das kleine, matte Licht der Lampe, welches bisher mit der trüben, niedergeschlagenen Stimmung der Familie in Einklang gestanden hatte, wurde vergrößert, und mit neuem Mute und frischem Unternehmungsgeist ward wieder die Zukunft beredet.

Am folgenden Morgen, gleich nach dem Frühstück, traf Turner den Kapitän Bosse in der Gaststube und säumte nicht, ihm sofort den Entschluß Daniels mitzuteilen und ihm zugleich zu versichern, daß er das Anerbieten des Negers ablehnen werde, wenn es mit dem Wunsche des Kapitäns nicht übereinkomme. Dieser aber erklärte sich vollkommen damit einverstanden und wünschte Turner von ganzem Herzen Glück, sich einem so braven, treuen Diener erworben zu haben. Als er sich entfernte, versprach er, Daniel abends nach beendigter Arbeit zu Turner zu schicken, damit er selbst sich weiter mit dem Neger bereden könne. Karl stattete diesem aber noch vormittags einen Besuch ab, und bei einbrechender Dämmerung ging er abermals nach dem Goliath, um Daniel von dort abzuholen. Als er mit demselben bei Turners im Zimmer erschien und diese dem Neger einen Stuhl reichten, wollte derselbe sich nicht darauf niederlassen, weil es, wie er sagte, gegen den Gebrauch des Landes sei, daß ein farbiger Mensch sich in Gesellschaft von Weißen setze; Turners aber erklärten ihm, daß sie keinen Unterschied zwischen schwarzen und weißen Menschen kennten, und nötigten ihn, den Stuhl anzunehmen.

Diese Begünstigung that Daniel wohl, denn es war das erstemal in seinem Leben, daß sie ihm zu teil ward. Er erklärte sich nun bereit, in Turners Dienste zu treten und treulich bei ihnen in guten und in bösen Zeiten auszuhalten, solange sie mit ihm zufrieden sein würden. Turners dagegen sprachen sich offen über den großen Nutzen aus, den Daniels Hilfe ihnen gewähren würde, und versicherten ihm, mit ewigem Danke diesen seinen Beistand zu lohnen. Nach gegenseitiger Übereinkunft begann Turner nun mit dem Neger die zunächst zu thuenden Schritte zur Niederlassung zu bereden. Die Vorteile der verschiedenen, Daniel bekannten Länder wurden reiflich gegeneinander erwogen, sowie auch die Mittel und Kräfte Turners dabei in Anschlag gebracht, und nach stundenlangem Überlegen stellte es sich heraus, daß doch die südwestlichen Landstriche Amerikas die überwiegendsten Vorzüge vor allen andern besäßen. Daniel riet unbedingt dazu, dorthin zu wandern, um sich anzusiedeln, wenn auch Turner sich im Augenblick noch nicht dazu entschließen konnte, die Seinigen den Gefahren auszusetzen, die ihrer dort harren würden. Daniel brachte von nun an einige Stunden an jedem Abend bei Turners zu, und blieb während der Beratung, die dort über die Zukunft gepflogen wurde, immer bei seiner zuerst ausgesprochenen Ansicht, daß der Südwesten Amerikas sich für die Verhältnisse Turners zum Ansiedeln am besten eigne. Seine genaue Bekanntschaft mit jenen Ländern und seine anschaulichen, überzeugenden Schilderungen von deren Fruchtbarkeit und Weidereichtum trugen endlich den Sieg davon, und Turner entschloß sich, dort seine neue Heimat zu gründen.

Mittlerweile hatte der Goliath seine Ladung vollständig erhalten und wurde zum Absegeln bereit gemacht. Turners begaben sich eines Morgens an Bord, um dem Kapitän, mit nochmaligem Danke für seine viele Freundschaft, Lebewohl zu sagen und ihm zugleich Briefe an Freunde in dem lieben Deutschland zur Beförderung zu übergeben. Es war ein herzlicher, aber trauriger Abschied; ein Gefühl bemeisterte sich Turners, als ob mit dem Scheiden des Kapitäns und des Schiffes die letzte Beziehung zwischen ihnen und Europa gelöst werde, und mit thränenschweren Blicken sahen sie die Segel über dem Goliath sich füllen und ihn hinaus in die Bai treiben. Lange noch standen sie am Strande und blickten ihm nach, bis er in der blauen Ferne verschwand; es war, als wollten sie dem Kapitän noch einen Dank nachwinken dafür, daß er in Daniel ihnen einen Trost, eine Stütze zurückgelassen habe.

Der Neger trat nun in seine Stellung bei Turners ein, und zwar als Diener und als hilfreicher Freund zugleich. Die Vorbereitungen zu der weiten Reise nach dem Westen wurden jetzt mit allem Eifer begonnen. Ein großer Frachtwagen wurde gekauft und dazu eingerichtet, um ihn sowohl mit Pferden als auch mit Ochsen bespannen zu können, und noch ein zweites, sehr leichtes Fuhrwerk ward angeschafft, welches zur Bequemlichkeit der Madame Turner und der Kinder dienen sollte. Werkzeuge und Ackergerätschaften aller Art, sowie diejenigen nötigen Gegenstände für den Haushalt, welche nicht von Deutschland mitgebracht waren, wurden erstanden und alles zur Beförderung mit der Eisenbahn gut verpackt. Namentlich aber vergaß man die erforderlichen Waffen nicht. Es wurden drei Paar Revolver gekauft und noch zwei Doppelbüchsen, welche genau dieselben kleinen Kugeln schossen, wie die Revolver, denn Daniel nannte es einen wesentlichen Vorteil, kleine Kugeln zu benutzen, weil man dadurch so viel weniger Gewicht an Blei und auch an Pulver zu tragen habe.

Der August war erschienen, als Turners ihre sämtlichen Habseligkeiten auf die Eisenbahn geschafft hatten und selbst mit den Kindern und Daniel den nach Cincinnati abgehenden Zug bestiegen. Mit beklommenem Herzen nahmen sie von Baltimore Abschied; die Hoffnung, die sie hierher geleitet hatte, war unter großen Opfern vereitelt worden, abermals waren sie auf langer Reise, um sich eine Heimat zu suchen – sollten sie diesmal glücklicher sein – sollte der heiße, sehnlichste Wunsch ihres Herzens, den Kindern eine sichere, sorgenlose Zukunft zu gründen, diesmal in Erfüllung gehen? Fort brauste der Eisenbahnzug, die Türme und Monumente Baltimores entschwanden den Blicken der Reisenden, wildromantische Felsen, waldbedeckte Höhen stiegen zu beiden Seiten der im Sturmlauf Vorübereilenden auf, aus reichen, mit Wiesen und Feldern geschmückten weiten Thälern sahen liebliche einzelne Farmen und kleine Städtchen hervor, und Turners richteten ihre Blicke mit neuem zuversichtlichen Vertrauen auf den Beistand des Allmächtigen abermals nach Westen. Cincinnati wurde glücklich erreicht und hier begaben sich Turners nach kurzer Rast mit ihren Effekten an Bord eines Dampfers, der sie in wenigen Tagen auf den Fluten des Ohioflusses und des Mississippi nach Memphis führte. Von dieser großen bedeutenden Handelsstadt aus mußte nun die Reise zu Lande fortgesetzt werden. Die Wagen wurden aufgestellt, für den größeren wurden drei Paar mächtige Zugochsen, für den kleineren aber zwei kräftige Rosse gekauft, und außer drei Reitpferden, welche für Turner, Karl und Daniel bestimmt waren, noch ein Wagenpferd angeschafft, welches für den Notfall, daß einem oder dem andern etwas zustoßen würde, dienen sollte. Nach Verlauf von einigen Wochen war alles zur Abreise bereit; frühzeitig am Morgen wurde die Überfahrt über den Mississippi glücklich ausgeführt, und Daniel, der vorzüglich mit Ochsen zu fahren verstand, trieb von seinem Pferde herab mit der langen Peitsche die sechs mächtigen Stiere vor dem schwer bepackten Wagen an. Ihm folgte das leichte, von zwei stattlichen Schimmeln gezogene offene Fuhrwerk, in welchem Madame Turner mit ihren Kindern saß und selbst die Pferde lenkte. Den Zug beschloß Herr Turner zu Roß, während Karl Scharnhorst denselben anführte, indem er von Pluto gefolgt, auf einem edlen Falben in einiger Entfernung vor Daniel auf der rohen Straße hinritt. Sein Pferd war ein vollkommen für die Jagd abgerichtetes Tier, es stand unbeweglich beim Schießen, ließ Wild aller Art auf seinen Rücken packen und entlief niemals seinem Herrn, wenn er es sich selbst überließ. Dabei war es ein schönes, kräftiges Tier von gelblicher Farbe mit schwarzer Mähne und schwarzem Schweif und besaß neben einer außerordentlichen Schnelligkeit eine große Ausdauer. Mit Verlangen hatte Karl während der Reise von Baltimore bis Memphis diesen Augenblick herbeigewünscht, wo er, mit der Büchse bewaffnet, zu Roß die Urwälder des Westens durchziehen würde, und freudig begrüßte er das heimliche Dunkel unter dem schattigen Laubdach der Riesenbäume, die ihre ungeheuren Äste hoch über ihm zu einer Kuppel verschlangen. Wie ein hochgewölbter Säulengang, von den Stämmen kolossaler Eichen, Cypressen und Platanen getragen, wand sich die Straße durch den undurchdringlich dichten Wald, und Karl sandte in der Hoffnung, einem Stück Wild zu begegnen, seinen spähenden Blick voraus durch die hohen Pflanzen, die von beiden Seiten in den wenig befahrenen Weg hingen. In seinem Eifer trieb er sein Pferd zu raschen Schritten an, so daß bald das Knarren und Ächzen des schwer beladenen Wagens sein Ohr nicht mehr erreichte. Totenstille herrschte rundum, kein Luftzug bewegte das Laub oder die leichten, mit bunten Blüten besetzten Ranken der Schlingpflanzen, die von den höchsten Ästen bis über den Weg herabhingen, und eine schwüle, drückend heiße Luft füllte den Wald. Plötzlich sah Karl an der entfernten Biegung der Straße einen goldroten Fleck aus dem frischen Grün hervorglänzen, jetzt bewegte sich derselbe, es mußte ein Hirsch sein! Im Augenblick war Karl aus dem Sattel gesprungen, ließ das Pferd zurück und schlich schnell, aber vorsichtig von Busch zu Busch, von Baum zu Baum, bis nur etwa hundert Schritt zwischen ihm und dem Tiere lagen. Dasselbe stand aber mit dem Kopfe an der Erde, hinter hohen Pflanzen, so daß Karl nur wenig von dessen Körper erkennen konnte. Näher durfte er nicht gehen, wollte er nicht von ihm bemerkt werden; er stand hinter dem letzten Busch, der in den Weg hineinhing, und in den Wald hineinzuschreiten, war hier wegen des Rankengeflechts unmöglich. Karls Herz schlug so laut, daß es ihm vorkam, als müsse das Tier es hören, es machte ihm das Atmen schwer, er bebte vor Eifer am ganzen Körper; da hob der Hirsch den Kopf empor und schlug, indem er hinter dem Busch heraustrat, mit dem mächtigen Geweih nach den Fliegen. Im Augenblick riß Karl die Büchse an die Schulter, der Schuß krachte und der Weg war in Pulverdampf gehüllt. Karl sprang durch den Rauch vorwärts und spähte nach dem Platze, wo der Hirsch gestanden hatte, doch konnte er nichts mehr von diesem erblicken, und als er selbst den Fleck erreichte, suchte er vergebens nach einer Schweißspur. Es war der erste Hirsch, den er jemals im Freien gesehen hatte, und untröstlich schaute er mit der Überzeugung um sich, daß er ihn gefehlt habe. Während er nun seine Büchse wieder zu laden begann, war Pluto in das Dickicht gelaufen und ließ plötzlich seine Stimme in flüchtiger Jagd ertönen. Karl rannte in gleicher Richtung auf dem Wege hin, war aber nur einige Augenblicke gelaufen, als der Hund verstummte, der Hirsch dagegen gellende Klagetöne ausstieg. Karl stellte die Büchse an einen Baum, zog das Jagdmesser und sprang dem Schreien nach in den Wald hinein. Wiederholt mußte er sich mit dem Messer durch die Ranken den Weg bahnen, bis er wirklich den Hirsch vor sich sah, den Pluto niedergerissen hatte. Die Freude Karls überstieg alle Grenzen, er gab dem Tiere den Todesstich, zog es dann mit großer Anstrengung und Mühe bis auf den Weg und eilte nun zu seinem Pferde zurück, welches noch auf demselben Platze, wo er es verlassen hatte, ruhig graste. Nachdem er die Ladung seiner Büchse wieder vollendet hatte, führte er sein Roß zu dem Hirsche und ergötzte sich an dem Anblick des erlegten Wildes, bis er plötzlich das Knarren des Wagens hörte. Schnell schwang er sich in den Sattel und eilte davon, damit die Seinigen durch die Jagdbeute überrascht werden sollten. Bald darauf kamen die Ochsen im langsamen Schritt heran und die vordersten stutzten vor dem mitten im Wege liegenden toten Tiere, ehe Daniel dasselbe gewahrte. Der Neger jubelte laut auf, sprang vom Pferde und zog den Hirsch bis hinter den Wagen, damit Madame Turner und die Kinder ihn sehen sollten, und Turner war gleichfalls abgestiegen, um ihn zu betrachten und Daniel behilflich zu sein, ihn auf den Wagen zu heben.

»Karl fängt wahrhaftig an, uns im eigentlichen Sinne der Wortes zu ernähren,« sagte Turner halb im Scherz, halb im Ernst, »welche Freude wird es ihm aber gemacht haben, uns so überraschen zu können.«

»Ja, und wie gut hat er den Hirsch geschossen, die Kugel sitzt gerade auf dem Blatt; er wird einmal ein tüchtiger Jäger werden,« fiel Daniel ein, indem er das Tier mit abgebrochenen Büschen bedeckte, um es gegen die Fliegen zu schützen.

Karl war während dieser Zeit wieder vorangeeilt, in der Hoffnung, noch einen Schuß nach Wild anzubringen; zu seinem Leidwesen aber lichtete sich bald der Wald, und der Weg führte nun durch offene Grasfluren und Felder nach dem Städtchen Marion. Karl erwartete in dem Schatten der letzten Bäume die Wagen, während er sein Pferd grasen ließ, und wurde von den Seinigen mit Jubel begrüßt und belobt über den Meisterschuß, den er gethan hatte. Die Sonnenstrahlen fielen jetzt drückend auf die Reisenden nieder, so daß Madame Turner und die Kinder Regenschirme aufspannen mußten, und auch Herr Turner bediente sich eines solchen, um sich gegen die Sonne zu schützen; Karl aber ertrug sie ohne Beschwerde und meinte, ein Jäger mit einem Regenschirm müsse ausgelacht werden. Nach einigen Stunden erreichten die Wanderer zu ihrer großen Erquickung wieder den Wald, der sie ohne Unterbrechung überschattete, bis sie bei sinkender Sonne an einem kühlen Wasser ihrer Tagereise ein Ziel setzten. Es war zum erstenmale, daß Turners eine Nacht unter Gottes freiem Himmel zubringen sollten, und wenn sie sich dies während ihres ruhigen, wohlgeborgenen Lebens auf der Kluse auch als etwas Schreckliches, kaum Mögliches gedacht haben würden, so hatte es jetzt etwas Reizendes, Bezauberndes für sie. Zwischen den kolossalen Stämmen der himmelhohen Bäume, auf welche die Sonne hier und dort ihre letzten roten Lichter durch die dunkelgrünen Laubmassen warf, wurde auf dem üppigen hohen Grase hart an dem Ufer des rauschenden Wassers das Zelt aufgeschlagen und vor ihm das Lagerfeuer angefacht, dessen flackerndes Licht die schnell einbrechende Dunkelheit auf weithin zurückdrängte und das hohe Laubdach mit seinem tausendfach verschlungenen Rankengeflecht und seinem bunten Blumenflor glühend beleuchtete. Während Daniel seinem jungen Freunde Anweisung gab, wie der Hirsch zerlegt werden müsse, war Madame Turner mit Julie so recht innig vergnügt beschäftigt, das Abendbrot an dem Feuer zu bereiten, den Kaffee zu kochen, aus Maismehl das Brot zu backen und die Pfanne herzurichten, um die zarten, feisten Stücke Wildbret, welche Karl ihr jetzt reichte, zu braten. Turner hatte die Pferde in dem Bache getränkt und gab ihnen Mais zum Abendfutter in den hölzernen Trog, welcher zu diesem Behufe hinter dem Wagen befestigt war, nachdem er den Ochsen ebensolche Tröge vorgestellt und ihnen darin den nötigen Mais verabreicht hatte. Der Hirsch war bald zerlegt, die einzelnen Teile in der Nähe des Zeltes an Äste aufgehangen und die Haut mit langen Stöcken ausgespannt, welches Daniel dadurch bewerkstelligte, daß er dieselben an beiden Seiten zuspitzte und übers Kreuz in den Hautrand einstach. Er hatte sie nahe vor dem Feuer aufgestellt, damit sie durch dessen Hitze getrocknet und vor Verderben geschützt werde.

Madame Turner rief jetzt zum Abendessen, welches auf dem Deckel einer großen Kiste vor dem Zelte aufgetragen war; ihre Lieben ließen sich um denselben im Grase nieder, und auch Daniel setzte sich auf Turners Wunsch mit in die Reihe. Es mundete allen herrlich, denn der lange Tagesmarsch hatte das Mahl gewürzt, und alle meinten, so gut hätte es ihnen doch niemals in Deutschland geschmeckt. Es war eine lauwarme, stille Nacht, der Rauch und die Funken des lustig flackernden Feuers wirbelten sich wie eine golddurchwirkte Säule gerade zum Himmel auf, und hier und dort in den Öffnungen zwischen den unbewegten, riesigen Baumkronen blitzten die hellen Sterne am dunklen Firmament. In dem weiten Kreise, den das Feuerlicht um das Lager schuf, zitterten die schwarzen langen Schatten der majestätischen Baumstämme auf den Laubmassen, und weiterhin in der Finsternis des Waldes schwebten Myriaden von leuchtenden Insekten. Spät noch saßen Turners, von der Schönheit der Nacht entzückt, und lauschten den Erzählungen Daniels. Er sprach von den unabsehbaren wogenden Grasfluren der westlichen Länder, von dem wundervollen Blumenflor, womit dieselben jahraus jahrein geschmückt, von den krystallhellen, brausenden Gewässern mit ihren goldig schimmernden Fischen, von dem durchsichtig blauen Himmel und von der ewig bewegten kühlen Luft, die erquickend und stärkend über jene Länder ziehe. Unter den Indianern geboren, war deren hoher Sinn für die Schönheiten der Natur auf ihn übertragen, und seine lebendigen, gefühlvollen Beschreibungen von den Fluren, wohin er die Wanderer jetzt führte, begeisterten diese mit den beglückendsten Hoffnungen. Endlich mahnte Turner an die Nachtruhe und begab sich mit den Seinigen in das Zelt, während Karl es vorzog, bei Daniel vor dem Feuer zu schlafen. Dieser machte ihm nach Jägerbrauch ein Lager zurecht, breitete die wollene Satteldecke für ihn aus, gab ihm den Sattel als Kopfkissen und hieß ihn seine Büchse als Schlafkameraden neben sich legen. Ruhig und in wonnigen Träumen, wie sie nur der Schlaf unter heiterem Sternenhimmel zu geben vermag, schwand den Ruhenden die Nacht, und der frühe Morgen, als noch das Laub sich unter dem schweren Tau neigte, sah sie schon wieder auf ihrem Wege nach Westen. Über zwei Wochen wanderten sie in dieser Weise vom Anbrechen bis zum Sinken des Tages durch das waldbedeckte sumpfige Arkansas, und zwar oftmals halbe Tage lang, ohne auf ein anderes Zeichen der Kultur zu stoßen, als die rohe, durch das Fällen von Bäumen geschaffene Straße, auf der sie fuhren, verriet. In den einzelnen Farmen, an denen sie vorüberzogen, kauften sie Mais für die Zug- und Reittiere, Mehl und Kartoffeln für den eigenen Bedarf, und wurden mitunter mit Milch, Buttermilch, Eiern und Butter beschenkt. So reich und üppig der Boden dieser Farmen aber auch war, so kühl und heimisch deren Wohnhäuser auch in dem Schatten dichtbelaubter, uralter Bäume versteckt lagen, so stand doch unverkennbar auf den bleichen, kraftlosen Gestalten ihrer Bewohner geschrieben, daß ein böser Feind, das Fieber, sich unter ihnen aufhalte, welches fortwährend aus den endlosen Sümpfen der Wälder erzeugt wurde. Mit verwunderten, oft neidischen, oft wehmütigen Blicken betrachteten die Leute auf diesen Ansiedelungen die frischen, rosigen Gesichter der deutschen Wanderer, und rieten ihnen auch wohl, nicht in diesem Lande des Todes zu weilen. Das Fieber schien aber keine Gewalt über die kräftigen, gesunden Naturen der Turnerschen Familie zu haben, und frisch und heiter begrüßten sie die ersten Grasfluren im westlichen Ende von Arkansas. Der Anblick dieser Prairie, wenn sie auch nur einige Meilen im Durchmesser hatte, überraschte und entzückte die Herzen unserer Reisenden sehr. Das hin und her wogende hohe Gras, die Farbenpracht der Blumen, die aus demselben hervorsahen, der kühlende Luftstrom, der erfrischend darüber hinzog, stand so sehr mit dem einförmigen beschränkten Bilde im Gegensatz, welches der undurchdringliche Urwald mit seiner schweren, schwülen Luft den Wanderern während einiger Wochen geboten hatte, daß sie wie aus einem düsteren Gefängnis hervortraten und wieder frei aufatmeten. Noch einmal sollte sie aber der unheimlich dichte Wald umfangen, und die Sonne stand schon niedrig, als sie von der hochgelegenen Grasfläche in denselben hineinfuhren. Die Bewohner einer an dem äußersten Anfange der Prairie gelegenen Farm, von denen Turners mit Mais versorgt worden waren, hatten sie aufmerksam darauf gemacht, daß sie in diesem Walde ein böses, gefährliches Wasser finden würden, welches bei dem leichtesten Regen so schnell steige und aus seinen Ufern träte, daß es die ganze Gegend zu seinen Seiten auf viele Meilen weit überschwemme. Als die Wagen in diesen Wald hineinfuhren, zogen schwere Gewitterwolken am Himmel hin, welche bald die Sonne verdunkelten und sich immer drohender und schwärzer auftürmten. Daniel hielt die Stiere an und fragte, ob es nicht besser sei, hier den Regen abzuwarten, doch Turner zog es vor, noch an diesem Abend den Wald zu durchziehen, da derselbe nur wenige Meilen breit sein sollte. Er fürchtete, daß das Wasser steige und es ihnen dann vielleicht auf viele Tage, ja auf Wochen unmöglich machen werde, den waldigen Grund zu passieren. Daniel trieb nun die Ochsen zu verdoppelter Eile an, und während Turners ihm folgten, ritt Karl Scharnhorst voran, um den Weg und namentlich den Fluß in Augenschein zu nehmen. Die Straße war nur breit genug für einen Wagen und bot Daniel kaum hinlänglich Raum, zu Pferde neben den Stieren herzureiten. Dabei wurde der Weg immer sumpfiger und grundloser, so daß die Räder bis an die Achsen versanken. Der Zuruf Daniels und die Peitsche trieben aber die Ochsen mit Eile vorwärts, und schon konnte der Neger in einiger Entfernung Karl erkennen, der sein Pferd in dem seichten Flusse tränkte, als das Fuhrwerk über einen im Morast versunkenen Baumstamm fuhr, und der schwere eiserne Nagel, der den Vorder- und Hinterwagen zusammenhielt, mit einem lauten Krach zerbrach. Daniel, der sofort erkannte, was geschehen war, brachte im Augenblick die Zugtiere zum Stehen und teilte mit Bestürzung Herrn Turner den Unfall mit, indem er zugleich auf das Gewitter hindeutete, welches schon schwer über dem Walde hing. Turner sah mit Entsetzen den Wagen an; in diesem Zustande konnte derselbe nicht vom Fleck bewegt werden. War es wirklich möglich, daß das Wasser in so unglaublich kurzer Zeit steigen könne, wie die Farmersleute gesagt hatten, so durften Turners die Flut schon binnen wenigen Stunden hier um sich erwarten, und dann war an eine Rettung des Wagens und der Ladung nicht mehr zu denken. Wohin man nach den Bäumen und Büschen blickte, erkannte man die Spuren früherer Überschwemmungen an dem Schlamm, Schilf und Reisig, welches die Strömung zehn Fuß hoch von der Erde an ihnen zurückgelassen hatte, so daß ein solches Wasser die Fuhrwerke bedecken und wahrscheinlich mit sich fortreißen mußte. Ratlos und ohne zu einem Entschlusse kommen zu können, hielt Turner mit dem Neger bei dem Wagen, als Karl herangeritten kam, um zu fragen, was die Ursache des Haltens sei. Unter Angst und Schrecken wurde ihm der Grund mitgeteilt. Auch Karl war im ersten Augenblick bestürzt und sah besorgt bald nach dem Wagen, bald nach dem angeschwemmten Reisig in den Ästen der Bäume; dann aber wandte er sich rasch zu dem Neger und sagte:

»Daniel, du hast mir ja von einer Holzart erzählt, aus welcher die Indianer ihre Bogen verfertigen, und welches so hart und zähe sei, wie Stahl; sollte dies Holz vielleicht hier im Walde wachsen? dann könnte man ja einen Nagel daraus machen.«

»An allen den Flüssen, etwas weiter westlich, trifft man dieses Holz an, es wäre darum nicht unmöglich, daß es sich auch hier vorfände. Die Indianer nennen es bois d'arc oder Bogenholz. Ich will mich schnell einmal danach umsehen,« antwortete der Neger, wie von einer Hoffnung belebt, band sein Pferd mit dem Zügel an einen Baum und eilte, mit der Axt in der Hand, in das Dickicht hinein. Karl war abgestiegen und sprang auf den Wagen, um die Kiste zu öffnen, in welcher die Werkzeuge sich befanden. Nachdem er verschiedene derselben auf die Erde hinabgeworfen hatte, begab er sich unter das Fuhrwerk, um den Schaden näher zu untersuchen, und er hatte dort nur wenige Minuten verbracht, als Daniel in der Ferne einen lauten Jubelruf erschallen ließ.

»Er hat das Holz gefunden!« rief Karl freudig aus, hob die schwere Winde dann von dem Wagen und setzte sie unter denselben, um ihn damit in die Höhe zu heben. Turner war immer dabei behilflich, indem er ein Stück Holz von einem umgefallenen Baume des weichen Bodens wegen unter die Winde legte, und nun begannen beide mit vereinten Kräften den schweren Wagen aufzuwinden. Bald war dies so weit geschehen, daß Karl die beiden Stücke des zerbrochenen eisernen Nagels aus der Öffnung hervornehmen konnte, und nun hing alles davon ab, ob Daniel wirklich das erwünschte Holz mit sich brachte.

Ein heftiger Donnerschlag erschreckte jetzt die Hoffenden und mahnte sie von neuem an die Gefahr, in der sie schwebten. Zugleich fielen schwere Regentropfen auf sie nieder und wenige Augenblicke später goß es wie ein Wolkenbruch vom Himmel herab. Durch den dichten Regen wurde aber Daniel jetzt sichtbar, und zwar mit einem starken Ast in der Hand.

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»Gottlob, nun sind wir gerettet!« rief Karl ihm entgegentretend, und nahm ihm das Holz ab. Schnell ergriff er dann das scharfe Beil, womit er den Ast, um den Nagel daraus herzustellen, zu behauen begann. Das Holz aber war so hart, daß die Arbeit nur sehr langsam von statten ging, und mit jedem Hieb ertönte der Stahl im hellen Klange. Dabei strömte die Flut ununterbrochen so gewaltig auf die Erde nieder, daß bald, so weit man sehen konnte, die ganze Grundfläche einem See glich, der mit jeder Minute an Tiefe zunahm und bereits zu strömen begann. Madame Turner hatte sich mit den Kindern in ihren Wagen geflüchtet, wo sie das starke darüber gespannte Leinentuch gegen die Nässe schützte, während die beiden Männer das Tuch über den großen Wagen strammer anzogen und Karl den Nagel eifriger bearbeitete. Endlich war derselbe fertig, war passend und sauber abgerundet und Karl setzte ihn mit Hilfe Turners und des Negers an den Platz des eisernen Nagels ein. Dann ward der Wagen wieder niedergelassen und alles war zur Weiterfahrt bereit. Jetzt war es die Frage, ob das Stück Holz stark genug sein würde, namentlich während des ersten Anfahrens, um der großen Gewalt zu widerstehen, die gegen dasselbe wirken mußte; denn die Räder waren bis an die Achsen versunken. Die Pferde wurden bestiegen, Karl ritt voran, Daniel rief den Stieren zu und schwang die gefürchtete Peitsche über deren Köpfen, sie legten sich mit aller Kraft in die Ketten, und unter schwerem Knarren und Ächzen setzte sich nach wiederholten äußersten Anstrengungen der Tiere der Wagen in Bewegung. Das Wasser wurde mit jedem Schritt tiefer und die Strömung stärker, und als die Stiere in den Fluß hineinschritten, reichte ihnen die Flut bis an die mächtigen Seiten hinauf. Das Wasser stieg in den großen Wagen, konnte der Ladung aber keinen Schaden zufügen, weil der untere Teil derselben aus Gegenständen bestand, auf welche die Nässe nicht nachteilig wirkte. Die Räder an dem Fuhrwerk der Madame Turner waren sehr hoch, so daß der Strom kaum über den Fußteppich in denselben drang, dennoch steigerte dies die Bangigkeit der Frau und Kinder während der Durchfahrt sehr. Bald aber war das jenseitige Ufer glücklich erreicht und mit frohen, von Angst befreiten Herzen erkannten die Wanderer, daß der Grund unter ihnen wieder fester wurde. Der Weg hob sich allmählich, er wurde steiler und trockener, der Donner rollte nicht mehr so anhaltend, so fürchterlich, und der Regen verlor an Heftigkeit. Hier und dort teilte sich bald darauf das eilende Gewölk, der blaue Himmel schien hindurch und die sinkende Sonne warf noch ihre Strahlen freundlich und mild auf die krystallhell glänzende Tropfensaat, die der Regen an jedem Blatt, jedem Halme, jedem Reis zurückgelassen hatte. Jetzt erreichten Turners am Ende des Waldes einige steile Höhen, von wo sie auf die so gefahrvoll durchwanderte Niederung zurückblicken konnten. Das ganze bewaldete Thal war ein reißender Strom, aus dessen weißschäumenden Wogen die höheren Bäume emporragten und ihre unteren Äste mit der Flut spielen ließen. Nach Westen aber, wo jetzt die Sonne nahe über dem flachen Horizont stand, lag eine endlose, unabsehbare Grasfläche vor den erstaunten Blicken der Wanderer, und mit frohlockenden Herzen begrüßten sie diese erste Prairie. Das üppige, saftige Gras dieser weiten Flur war durch den Regen erfrischt worden, und die letzten Blicke der Sonne beleuchteten glühend die feurigen Blüten der hohen Kaktusarten, die sich in Turners Umgebung aus dem Grase erhoben.

Unter einer Gruppe uralter, undurchdringlicher, dicht belaubter Lebenseichen hielten die Wagen an und die müden Zugtiere wurden aus ihrem Zwange erlöst. Heute sollten sie für ihre lange und schwere Arbeit entschädigt werden, sie sollten sich während der Nacht an dem zarten, frischen Grase laben. Daniel hatte mit unglaublicher Schnelligkeit jedem Tiere die beiden vorderen Füße mit einem Streifen roher Ochsenhaut zusammengefesselt, so daß sie dieselben nur zugleich vorwärts setzen konnten und dadurch mehr oder weniger an weiterem Fortgehen gehindert wurden. Dann trieb er sie dem Grase zu und überließ es ihnen, sich die beste Weide zu suchen. Die Reitpferde wurden dagegen in der Nähe mit langen Stricken an einzeln stehende Bäume ins Gras gebunden, damit auch sie sich darin laben möchten, ohne sich weit vom Lager entfernen zu können. Turner hatte auf einem steinigen Fleck das Zelt aufgeschlagen, Karl und die beiden anderen Knaben hatten Reisholz herbeigeholt und dasselbe nicht ohne Mühe angezündet, und Madame Turner war mit Julie beschäftigt, das Abendbrot zu bereiten. Jetzt kam Daniel auch mit einem schweren Stück von einem trockenen Baumstamm heran, schleifte denselben an das flackernde Feuer und ging dann wieder, um noch mehr Holz für die Nacht herbeizuschaffen. Es rührte sich kein Wind, die Luft war erquickend kühl und rein und es kam den Reisenden vor, als atmeten sie mit jedem Zuge noch einmal so viel Luft ein als sonst. Nacht legte sich über die weite Landschaft, der Himmel im Westen glühte noch in dunklem Karmin über dem schwarzen äußersten Rande der Prairie und das Firmament war mit funkelnden Sternen übersäet. Die Familie Turner und der treue Daniel saßen vor dem hochauflodernden großen Feuer, über dessen Lohe sich die Äste der alten Eichen zitternd hin und her schwangen, und priesen die Gnade des Allmächtigen, welcher sie ihre Rettung aus der überstandenen Gefahr verdankten. Karl war wieder die Hand gewesen, durch welche ihnen Gott diesen Beistand hatte angedeihen lassen, und mit herzinnigen Segenswünschen dankte Turner dem anspruchslosen, hilfreichen Knaben.

Die durchnäßten Gegenstände waren an dem großen Feuer getrocknet, die Reitpferde wurden an den Wagen befestigt und Turner legte sich in dem Zelte zur Ruhe, während Karl und Daniel ihr Nachtlager wieder vor dem Feuer herrichteten.

Kaum graute der Tag, als alle, vom süßen Schlaf gestärkt, sich erhoben und Vorbereitungen zur Weiterreise machten. Die Reitpferde wurden abermals ins Gras gebunden und das Feuer zur Bereitung des Frühstücks frisch angefacht. Die Stiere sowie die drei Wagenpferde hatten sich während der Nacht ziemlich weit von dem Lager entfernt und standen weidend dort im hohen Grase. Die Sonne stieg prächtig und heiter über dem waldigen Osten auf und goß ihr belebendes Licht über die endlose Grasflur, auf der hier und dort einzelne Rudel von Hirschen zu erkennen waren. Turners saßen beim Frühstück, ließen aber ihre Blicke dabei wiederholt über die Prairie schweifen, da jeder Punkt auf derselben ihre Neugierde anzog.

»Was kommt dort hinter der Waldspitze hervor?« fragte Karl plötzlich, indem er seitwärts nach der waldigen Niederung zeigte, wo dieselbe sich an die Prairie lehnte.

»Schnell, schnell, das sind wilde Pferde, schnell auf die Gäule, damit wir sie von unseren Wagenpferden abhalten, sonst sind diese für uns verloren!« rief Daniel erschrocken aus und sprang, mit einem Zaum in der Hand nach einem der Reitpferde, während Turner und Karl hastig seinem Beispiel folgten. Im Augenblick waren den drei Tieren die Zäume übergeworfen, Turner, Daniel und Karl schwangen sich auf deren nackte Rücken, und im Karriere sausten sie über die Prairie, den wilden Rossen entgegen. Diese waren aber schon zu nahe herangekommen, als daß die Reiter sie noch hätten von den Wagenpferden zurückhalten können, welche, als ob sie nach der Freiheit ihrer wilden Kameraden verlangten, denselben trotz der Fesseln in schwerfälligen, doch flüchtigen Sprüngen entgegeneilten. Ehe noch die Reiter sie erreichten, waren sie in dem wirren Haufen der wilden Schar verschwunden, die, über zweihundert Köpfe stark, jetzt in gedrängten Massen vor den Reitern über das wogende Gras dahinstürmte.

»Vorwärts, nun frisch dazwischen, wenn die Fesseln an den Füßen unserer Pferde halten, so können sie uns nicht entgehen!« rief Daniel, und trieb sein Roß zu möglichster Eile an; doch Karl sauste an ihm vorüber, sein Falber war das schnellste der Tiere, und er war der erste, der sich den fliehenden Pferden nahte. Die Erde dröhnte unter den Hufen der wilden Rosse, hoch wehten die langen Mähnen und Schweife, ihre roten, weit ausgespannten schnaubenden Nüstern glühten wie Feuer und ihre großen Augen blitzten mit Entsetzen nach Karl hin, der jetzt ihre letzten Reihen erreichte. Es schien, daß die Tiere bisher noch ihren Lauf gemäßigt hatten, um die gefesselten Kameraden zu schützen und sie mit sich fort zu nehmen; als aber der Falbe mit Karl auf seinem Rücken ihnen zu nahe kam, da brachen sie in wilder, fliegender Flucht los und ließen die noch mit letzter Anstrengung ihnen folgenden Wagenpferde zurück. Nur ein mächtiger, goldbrauner Hengst wandte sich noch einmal um, schoß in hohen Bogensätzen dicht an Karl vorüber und umkreiste wiehernd die gefesselten Brüder, als wollte er sie nochmals zur Flucht anfeuern; dann aber schoß er wie ein Pfeil davon, seiner fliehenden Herde nach. Die Wagenpferde blieben ermattet stehen, doch Karl jagte an ihnen vorüber, die Lust der wilden Jagd war zu groß, als daß er sie schon hätte aufgeben können, er drückte beide Sporen fest in die Seiten des flüchtigen Falben und in fliegenden Sturm ging es nun über die Prairie, den davonsausenden Rossen nach. Näher und näher rückte er der geängsteten Schar, deren kräftigste Tiere die letzten waren, wie es schien, um die jüngeren vorwärts zu treiben, und der goldbraune Hengst blieb noch weiter zurück, als wolle er den schrecklichen Reiter von ihnen abhalten. Jetzt aber wurden zwei Füllen hinter der verworrenen Masse sichtbar, ein schwarzes und ein weißes, ihre Schnelligkeit nahm ab, sie ermatteten mehr und mehr, umsonst umschwärmte sie der goldbraune Hengst, sie konnten nicht weiter und fielen ganz erschöpft in das Gras nieder. Karl hatte sie erreicht und hielt, laut jubelnd, seinen Falben an, da gewahrte er zu seiner Freude Daniel, der in voller Karriere dahergejagt kam. Beide waren von ihren Pferden gesprungen, hoben die ermatteten hübschen Füllen auf die Füße und schmeichelten und liebkosten sie, doch es dauerte lange, ehe dieselben sich erholten und wieder zu Atem kamen.

»Wenn wir nur einen Strick hätten, Daniel, damit wir sie binden und mit uns nehmen könnten, sie sind zu lieb und hübsch, und welch prächtige Pferde müssen sie werden!«

»Wir gebrauchen keines Strickes, junger Herr,« antwortete Daniel lachend, und beglückt über die Freude, die Karl empfand, »lassen Sie die Tiere nur erst ganz zu Kräften kommen, dann folgen sie geduldig unsern Pferden; wir werden wenig Mühe mit ihnen haben, denn sie sind schon stark genug, um sich selbst ernähren zu können.«

So wie Daniel es vorhergesagt hatte, so geschah es auch. Als die Füllen wieder zu Kräften gekommen waren, bestiegen die Reiter ihre Pferde, und die kleinen Verwaisten folgten denselben, als ob es ihre Mütter wären. Der Jubel war groß, als Karl und Daniel mit den beiden Pferdchen im Lager anlangten, Madame Turner und die Kinder waren außer sich vor Freude, sie liebkosten die schönen Tiere und Karl machte seinen Brüdern, Arnold und Wilhelm, ein Geschenk mit dem Rappen, den kleinen Schimmel aber schenkte er seiner Schwester Julie. Turner hatte die Wagenpferde auch glücklich wieder zum Lager zurückgetrieben, und so war aus dem Schrecken eine große Freude hervorgegangen. Nun wurde sich schnell zur Abfahrt gerüstet, und als der Zug sich in Bewegung setzte, folgten die beiden Füllen dem dritten Wagenpferde, welches zu diesem Zwecke hinter das Fuhrwerk der Madame Turner angebunden war.

Das schöne, herrliche Land der Prairien lag jetzt vor den Reisenden ausgebreitet, bald schwanden die letzten blauen Umrisse der Wälder von Arkansas, und wie auf einem wogenden, mit Blumen übersäeten Meere zogen die Wanderer über die reichen, wellenförmig auf- und niedersteigenden Grasfluren hin. Sie hatten das Indianergebiet westlich von Arkansas betreten und erreichten am zweiten Abend das Fort Towson, in dessen Nähe sie übernachteten. Der Befehlshaber der Dragonerabteilung, welche hier auf Station lag, um die Grenzansiedelungen der Weißen gegen die Gewaltthätigkeiten der Indianer zu schützen, bezeigte sich sehr freundlich gegen Turners und besuchte sie noch vor ihrer Weiterfahrt am folgenden Morgen in ihrem Lager. An diesem Tage gelangten sie bei dem neuen Grenzstädtchen Franklin an, wo sie den Roten Fluß überschritten, um sich aus dem Lande zu entfernen, welches von der Regierung der Vereinigten Staaten den verschiedenen Indianerstämmen, die sie aus den östlichen Staaten vertrieben hatte, als Eigentum angewiesen war. Nun lagerten Turners auf der nördlichen Grenze von Texas. Von hier aus ward der Weg nur durch undeutliche Wagenspuren bezeichnet, und das Gefühl, der vollständigen Wildnis näher zu kommen, drängte sich den Reisenden mehr und mehr auf. Nur selten trafen sie noch ein einsames Blockhaus an, bis sie nach Verlauf von einer Woche endlich das letzte Grenzstädtchen Preston am Roten Flusse erreichten. Man nannte es Stadt, wenn es auch nur aus wenigen Holzhäusern bestand, die unter einzelnen Baumgruppen versteckt lagen und durch sandige Fußpfade miteinander verbunden waren. Mehrere Kaufleute, die alle für die Grenzansiedler nötigen Bedürfnisse feil hielten, ein Schneider, ein Schmied, ein Schuhmacher, ein Arzt und ein Advokat nebst mehreren Farmern und zwei Schenkwirten bildeten die Einwohnerschaft. Die Trachten dieser Leute bekundeten, daß sie an der äußersten Grenze der Civilisation wohnten, denn dieselben bestanden zum großen Teil in Lederanzügen, und die langen Messer, die Pistolen und die Büchsen, welche sie mit sich führten, deuteten die Nähe der Wildnis an.

Daniel war mit diesem Lande genau bekannt, da er sich oft mit den Indianern monatelang hier aufgehalten hatte; bei seinem letzten Besuche in dieser Gegend stand jedoch auf Tagereisen weit noch kein einziges Haus. Turner erkundigte sich darum bei einem der Kaufleute, von welchem er mehrere unbedeutende Gegenstände erstand, wie weit westlich sich die Ansiedelungen von hier aus noch erstreckten, und erfuhr, daß zehn Meilen von hier an dem Choctawbache sich die letzten Niederlassungen befänden. Auf die Frage, ob man dort Kühe, Schweine und Federvieh kaufen könne, wurde ihm gesagt, daß er dies alles im Überfluß dort finden und die Leute sehr erfreuen würde, wenn er sich in ihrer Nähe niederlassen wolle. Nachdem Turner dem Kaufmann das Versprechen gegeben hatte, von ihm gelegentlich seine Bedürfnisse zu beziehen, setzte er die Reise noch eine Meile weiter fort, bis zu einem Bache, wo er das Lager für die Nacht aufschlug. Am folgenden Tage langten die Wanderer gegen Abend an dem Choctawbache an, zu dessen beiden Seiten sich einige Meilen breit prächtiger hoher Urwald hinzog. Der Weg durch denselben war durch Fällen der Bäume geöffnet und führte Turners über den klaren, rauschenden Bach bis an den äußeren Waldsaum, wo im schattigen Dunkel der Riesenbäume eine Ansiedelung versteckt lag. Von den Häusern derselben sahen nur die Dächer über eine hohe Palissadenwand hervor, welche aus aufrecht stehenden, nebeneinander in die Erde gegrabenen Baumstämmen bestand und sämtliche Gebäude umgab. Auf der offenen Prairie, welche sich an den Waldsaum anlehnte, grasten in Schußweite vor den Palissaden viele Pferde, die dort mit langen ledernen Stricken an Pfählen angebunden waren, und weiter auf der Grasflur weideten mehrere Hundert Stück Rindvieh.

Bei Annäherung Turners kamen ihnen viele Hunde bellend entgegengerannt, und gleich darauf erschienen mehrere Männer vor der hölzernen Mauer und sahen verwundert nach den Kommenden hin. Es war der Eigentümer der Niederlassung, Herr Warwick, mit seinen drei erwachsenen Söhnen und mehreren jungen Amerikanern, die bei ihm wohnten, weil sie unentgeltlich bei ihm lebten, nicht zu arbeiten brauchten und sich mit der Jagd und Fischerei belustigten. Herrn Warwick war der Aufenthalt dieser Leute sehr erwünscht, da die Lebensmittel für dieselben nichts kosteten und sie ihm und den Seinigen eine Sicherheit mehr gegen die Angriffe der Indianer gewährten. Warwick war der erste Ansiedler in dieser Gegend gewesen und hatte manche große Gefahr hier bestanden. Es war ein schon bejahrter, doch noch kräftiger, rüstiger Mann von gutmütigem freundlichen Wesen. Indem er Turners entgegenkam, bewillkommnete er sie aufs herzlichste und bot ihnen seine Hilfe und Unterstützung nach allen Kräften an. Die Wagen wurden nahe vor die Palissaden gefahren, die Pferde an Stricken in das Gras gebunden, während die beiden Füllchen lustig um sie her sprangen, und die Stiere ließ Daniel frei gehen, band aber einem derselben eine große Metallglocke um den Hals, damit er immer hören konnte, wo die Tiere weideten. Turners folgten nun der freundlichen Einladung Warwicks und begaben sich in dessen Wohnung, die aus mehreren, innerhalb der hohen Palissaden nebeneinander stehenden Blockhäusern bestand. Die Hausfrau sowie deren Töchter nahmen die Gäste ebenso freundlich auf, wie es Warwick gethan hatte, und führten sie zum Abendessen, welches soeben aufgetragen war. Daniel mußte in der Küche speisen, weil die Amerikaner es nicht dulden, daß sich ein Schwarzer in ihrer Gesellschaft aufhalte. Nach dem Essen aber eilten alle hinaus vor die Einzäunung und setzten sich unter eine alte Lebenseiche in das Gras nieder, um die erquickende Abendluft zu genießen, die nicht so frisch und frei in die Häuser eindringen konnte. Eine friedliche, heimische Ruhe lag auf der Gegend, in dem hohen, dunklen Walde hinter den Wohnungen ließ sich nur noch hier und dort ein Vogel hören, auf der Prairie, an deren duftig blauer Ferne die Sonne versunken war, zogen die Herden unter klingendem Glockentone der Leitkühe langsam heran, um sich in der Nähe der Ansiedelung zu lagern, und das Tageslicht wich vor dem bleichen Schimmer des Mondes, der schon hoch am Himmel stand. Turners dachten an die schönen Abende auf der Kluse, an den ruhigen, im Mondlicht glänzenden Spiegel der Werra, an die blauen Berge der lieben alten Heimat – wie ganz anders war alles hier und doch auch, wie schön – nur die feierlichen Töne der Abendglocken hätten sie gern jetzt gehört – es war ihnen ein wehmütiger Gedanke, daß dies nie wieder geschehen sollte.

Warwick hatte seinen Söhnen verschiedene Aufträge gegeben und wandte sich jetzt an Turners, wodurch er deren Gedanken von dem Werrathale abzog. Zuerst sprach er sich ausführlich über die großen Vorteile aus, welche diese Länder vor anderen dem Ansiedler boten, er wies namentlich auf das herrliche, gesunde Klima hin, dann auf den reichen Boden, auf die immer grünen, üppigen Weiden, auf die Menge von Wild, von Fischen und von Bienen, und malte zuletzt die große Zukunft aus, die dieser Gegend in nicht gar langer Zeit bevorstände, eine Zukunft, die wohl wert sei, daß man jetzt etwas dafür wage. Dann teilte er Turner mit, daß alles Land an diesem Bache bereits Eigentum der zehn Ansiedler sei, die jetzt daran wohnten, und daß keiner von ihnen, auch er selbst nicht, ein Stück davon verkaufen würde. Fünf Meilen weiter westlich aber, sagte er, befände sich an dem sogenannten Bärfluß das ausgezeichnetste Land, welches sämtlich noch der Regierung gehöre, und derjenige, welcher zuerst dort hinzöge, würde die Auswahl haben und könnte sich ganz nach seinem Wunsche und nach seinem Geschmack anbauen. Turner bemerkte ihm, daß aber dieser erste dort sehr großen Gefahren ausgesetzt sein würde und daß es ihm selbst wohl kaum möglich sei, sich mit seinen wenigen Kräften gegen die Indianer zu behaupten.

»Wir alle hier am Choctawbache werden Ihnen helfen,« fiel ihm Warwick in die Rede, »denn sehen Sie, es ist ja in unserm eigenen Interesse, daß dort Ansiedelungen entstehen, da dieselben für uns Vorposten gegen die Indianer sein werden. Das ist so der Gebrauch an der Frontier, einer muß immer der vorderste sein und eine Zeitlang die Widerwärtigkeiten des Grenzlebens ertragen; hab' ich ja doch viele Jahre lang hier allein gewohnt.«

»Sie kamen aber wohl mit mehr Arbeitskräften hierher als ich, und konnten sich schnell jene Festung bauen?« versetzte Turner.

»Mit keinen andern Kräften, als diese beiden Arme mir boten, bin ich hier angelangt, denn mein ältester Junge war kaum neun Jahre alt. Meine Frau hat mir aber treulich geholfen, sowohl bei der Arbeit als auch beim Fechten; ihre Kugeln haben manchmal zur rechten Zeit getroffen. Übrigens, lassen Sie es sich nicht bange werden, wir sämtlich hier am Bache ziehen mit Ihnen hinaus und bauen Ihnen die Häuser nebst Palissaden, das ist nicht mehr als Schuldigkeit,« entgegnete Warwick, und ließ sich dann darüber aus, welche Vorsicht der Frontiermann beobachten müsse, um sich gegen die List der Indianer zu sichern. Turner fragte nun, ob Rindvieh, Schweine und Schafe hier in den Niederlassungen zu kaufen seien, worauf Warwick sich erbot, ihn hiermit ganz nach Wunsch zu versorgen, und zwar zu den allerbilligsten Preisen. Federvieh aller Art wollte er ihm unentgeltlich liefern und so auch hinreichend Mais zur Aussaat und zum eigenen Verbrauch für die Zeit, bis er die erste Ernte gemacht habe. Dies sei ein altes Herkommen an der Grenze und die Ansiedler am Choctawbache würden alles aufbieten, um ihrem ersten Vorposten gegen die Indianer zu helfen.

Daniel hatte sich, wie für die Befehle seiner Herrschaft bereit, in kurzer Entfernung hinter die Gesellschaft ins Gras gelegt und die ganze Unterhaltung mit angehört. Gegen zehn Uhr nahm Warwick seine Gäste mit sich in seine Wohnung, Karl aber dankte für die Einladung und machte sich mit Daniel ein Nachtlager bei den Wagen zurecht, wo sie auch ein Feuer anzündeten. Pluto ruhte wie gewöhnlich neben ihnen, und ganz in ihrer Nähe hatten sich auch die beiden Füllen ins Gras gelegt. Als sie sich auf ihren wollenen Decken ausgestreckt hatten, nahm Daniel das Wort und sagte:

»Ich kenne jenen Bärenfluß ganz gut, von welchem Herr Warwick sprach, das Land in seiner Nähe ist besser und die Weiden sind viel reicher als hier, denn dort giebt es nur das reine Mosquitogras; nirgends in diesem Lande fanden wir damals so viel Wild als gerade dort an jenem Flusse. Ich werde mit Herrn Turner morgen früh darüber sprechen, er soll nur dort hinziehen und sich seine Häuser bauen lassen, mit den Indianern wollen wir schon fertig werden; ich bin ja selbst Indianer genug, um mich nicht von ihnen überlisten zu lassen. Da giebt es aber Jagden, junger Herr; ich habe dort manches Mal sicher sechs- bis achttausend Büffel mit einem Blick übersehen. Und wilde Pferde giebt es dort, so schön, wie nirgend anderswo.«

»Das soll aber ein Spaß werden, Daniel, wie wollen wir beide uns die besten Pferde herausfangen! Wenn ich nur erst mit dem Lasso umzugehen wüßte.«

»Das werden Sie bald lernen; ich verstehe es aus dem Grunde,« entgegnete der Neger, und erzählte nun seinem jungen Freunde von den Jagden und Abenteuern, die er hier in der Gegend bestanden hatte, als er noch unter den Indianern lebte. Bald aber fielen beiden die Augen zu, sie sanken auf ihre Sättel zurück und die wonnigsten Träume beglückten ihren erquickenden Schlaf.

Frühzeitig am folgenden Morgen kam Herr Turner zu ihnen, um sich mit Daniel über Warwicks Vorschlag zu bereden, und war sehr erfreut, daß der Neger so eifrig für die Annahme desselben stimmte. Er beschloß, dessen Rat zu befolgen, und setzte alsbald Herrn Warwick davon in Kenntnis. Nach dem Frühstück ritt dieser mit Turner, Karl und Daniel auf die Prairie hinaus zu den Herden, damit Turner das Vieh auswähle, welches er zu kaufen wünsche, und Warwick erbot sich, ihm dasselbe an Ort und Stelle abzuliefern, sobald seine Niederlassung gegründet sein würde. Noch am selbigen Nachmittag, als die Sonne ihre Gewalt verlor, bestiegen sie mit Warwick wieder ihre Pferde und begaben sich nach dem Bärfluß hinüber, damit Turner sich ein Stück Land dort wählen möge, auf dem er seine Niederlassung begründen wolle. Noch vor Sonnenuntergang langten sie dort an und ritten noch mehrere Meilen weit an dem äußersten Rande des hohen Waldes, der sich zu beiden Seiten des Flusses hinzog. Die Pferde gingen dabei fortwährend bis an die Sättel in dem feinsten, üppigsten Grase, und wohin man blickte, standen Rudel von Hirschen und schauten verwundert nach den Reitern. Karl war außer sich vor Freude über das viele Wild, und nur die Versicherung des Herrn Warwick, daß er noch heute Abend einen Hirsch erlegen solle, hielt ihn ab, während des Reitens vom Pferde zu springen, um sich an einen solchen anzuschleichen. Endlich als die Sonne unterging, hielt Warwick sein Pferd an einem Platze an, wo der Fluß in einem Bogen aus dem Walde hervortrat und sich dicht an die Prairie lehnte. Hier wurde beschlossen, die Nacht zuzubringen, um frühzeitig am folgenden Morgen das Land an dieser Seite des Flusses weiter zu besichtigen und dann auch das jenseitige in Augenschein zu nehmen. Den Pferden wurde Sattel und Zeug abgenommen, die Vorderfüße wurden ihnen zusammengebunden und dann ließ man sie gehen, damit sie sich an dem reichen Grase laben konnten. Warwick und Turner zündeten neben einem umgefallenen trockenen Moskitobaume ein Feuer an, neben welchem sie ihre Satteldecken für das Nachtlager ausbreiteten, Karl aber eilte mit Daniel und Pluto davon, um nun schnell noch eine Jagd zu machen. Sie waren wohl eine Viertelstunde lang an dem Waldsaume hingeschritten, als der Neger Karl rasch beim Arm ergriff und zugleich ins Gras niederkniete. Dann deutete er mit der Hand seitwärts und gab zu verstehen, daß dort Wild stände. Vorsichtig hoben beide sich wieder empor, und Karl gewahrte nun einen starken Hirsch, der soeben den Kopf in die Höhe richtete, so daß sein mit vielen Enden prangendes Geweih sichtbar wurde. Er stand noch außer Schußweite und die Jäger schlichen sich langsam und vorsichtig näher zu ihm hin, indem sie immer den Augenblick dazu benutzten, wenn der Hirsch den Kopf in das Gras versenkte. Endlich hatten sie ihn bis auf hundert Schritte erreicht, Daniel winkte Karl zu, noch näher zu gehen, doch dieser war seines Schusses gewiß und hob die Büchse an die Schulter, um zu schießen, als der Neger ihn plötzlich wieder beim Arm niederzog und mit blitzenden Augen nach der andern Seite hinzeigte. Beide hatten sich tief ins Gras niedergebeugt und Daniel flüsterte seinem Gefährten zu, daß ein Trupp Büffel aus dem Walde her auf sie zukäme. Karl stockte vor freudiger Überraschung der Atem und sein Herz pochte hörbar.

»Lassen Sie sie nahe herankommen und schießen Sie dann dicht hinter das Schulterblatt, aber sehr tief nach unten, sonst fällt der Büffel nicht,« sagte der Neger leise, indem er sich nahe an Karl drückte. »Nehmen Sie sich die Zeit, schießen Sie ruhig und werfen Sie sich nach dem Schuß in das Gras, damit die Büffel Sie nicht sehen – da kommen sie.«

Bei diesen Worten spannte Daniel gleichfalls seine Doppelbüchse und Karl hob sich vorsichtig aus dem Grase empor. Als sein Blick über dasselbe hinstrich, stand eine schwere, schwarze Riesengestalt auf vierzig Schritte vor ihm, die sich wie ein Berg von dem glühend roten Abendhimmel abzeichnete. Es war ein kolossaler männlicher Büffel, der seiner Herde in einiger Entfernung voranging. Er war stehen geblieben und schüttelte seinen schwer umlockten ungeheuren Kopf, wobei die langen Mähnen, die sein ganzes Vorderteil bis hinter die Schultern bedeckten, ihn wild umwogten. Dann blickte er sich nach der Herde um, die wie eine schwarze Masse langsam herangezogen kam.

»Lassen Sie ihn näher kommen, junger Herr,« flüsterte Daniel, denn er sah, daß die Aufregung es Karl unmöglich machte, die Büchse ruhig zu halten.

Der Büffel schritt wieder vorwärts und blieb auf zwanzig Schritt von den Jägern entfernt abermals stehen. Karl hob die Büchse wieder empor, doch Daniel sagte kaum hörbar: »Noch nicht, warten Sie, bis er zur Seite tritt.«

Karl hatte seinen Hut abgeworfen, um sich nicht durch denselben dem Tiere zu verraten, und er wagte kaum, nach diesem durch die Grashalme hinzublicken. Jetzt wandte sich aber der Büffel mit einem dumpfen Brummen etwas seitwärts und gab Karl seine ganze Schulter preis. Im Augenblick hatte dieser die Büchse am Kopf. »Schießen Sie nicht zu hoch,« flüsterte der Neger. Das Feuer flog aus dem Rohre, der Büffel bäumte sich mit lautem Wutgebrüll und stürzte dann vorwärts, bis er wenige Schritte vor den Jägern zusammenbrach. Die Herde aber stürmte zu ihrem gefallenen Führer heran und würde die beiden Schützen unfehlbar unter ihren Füßen zermalmt haben, wäre Daniel nicht aufgesprungen und ihr mit einem Zetergeschrei entgegengerannt, indem er seinen Hut hoch über sich in die Luft schwang. Links und rechts stoben jetzt die kolossalen Tiere in wilder Flucht auseinander und suchten das Weite, während der verwundete Büffel sich wieder auf seine Vorderfüße erhoben hatte, seinen wütenden Blick auf Daniel richtete und Anstrengungen machte, ganz aufzustehen. In diesem Augenblick krachten aber die Büchsen der beiden Jäger zugleich und, durchs Herz geschossen, sank der Büffel tot zur Erde nieder.

Der Jubel Karls war groß, als er das ungeheure Tier hingestreckt vor sich liegen sah.

»Sie haben ihn sehr gut getroffen, junger Herr; Ihre erste Kugel würde ihn schon nach kurzer Zeit getötet haben, doch es war besser, daß wir ihm noch eins gaben. Ihr zweiter Schuß ist ihm durchs Herz gegangen,« rief Daniel freudig, indem er sein Messer aus der Scheide zog. »Das heißt, wenn es dein Schuß nicht war, der ihn ins Herz getroffen hat«, entgegnete Karl lachend. »Nein, wirklich, junger Herr, ich habe etwas zu weit nach hinten geschossen; sehen Sie, dies ist meine Kugel,« sagte der Neger, indem er auf eine blutige Wunde zeigte, welche auf den Rippen des Tieres saß; denn er wollte Karl die Freude lassen, daß er allein den Büffel erlegt habe. Er schnitt nun schnell dem Tiere die Zunge unter der Kinnlade heraus, da seine und Karls Kräfte nicht hinreichten, demselben das Maul zu öffnen, spaltete dann die Haut auf dem Höcker, welcher sich über den Schultern des Büffels erhob, und löste ihn von dem Rücken ab.

»Dies ist das beste Stück am ganzen Tiere, sehen Sie nur, wie es mit Fett durchwachsen ist,« sagte Daniel, indem er dasselbe und die Zunge mit einem Seil zusammenband und über die Schulter hing.

»Was sollen wir denn aber mit dem übrigen Fleisch anfangen?« fragte Karl.

»Wir überlassen es den Wölfen zum Abendbrot, Sie werden hören, welche Musik sie dabei anstimmen; bis morgen früh ist nichts mehr vom Büffel übrig als die Knochen,« entgegnete Daniel.

»Das ist ja aber schade, das viele, gute Fleisch,« bemerkte Karl.

»Ja freilich, wir können es aber doch nicht mitnehmen,« entgegnete Daniel, und schritt nun eilig voran, auf kürzestem Wege den Lagerplatz zu erreichen. Der letzte Tagesschimmer war verschwunden, und das Mondlicht zeigte den Jägern die Richtung, die sie zu nehmen hatten. Schon von weitem sahen sie den Schein des Lagerfeuers, wie es sich auf der hohen, dunkelgrünen Wand des Urwaldes spiegelte, und als sie näher herangeschritten kamen, rief Turner ihnen freudig entgegen: »Nun, Karl, hast du einen Hirsch geschossen?«

»Einen Büffel, einen ungeheuren Büffel, Onkel, noch einmal so groß wie unsre Stiere,« antwortete Karl überglücklich.

»Ei, was Tausend, wirklich, einen Büffel? den muß ich mir doch morgen früh auch einmal betrachten,« sagte Turner.

»Das wird wohl nicht möglich werden, denn Daniel sagte, daß die Wölfe ihn in dieser Nacht vollständig verzehren würden,« entgegnete Karl, als der Neger herankam und die Beute in dem hohen Grase niederlegte.

»Sieh, das ist ein guter Bursche gewesen, so feist trifft man sie nicht immer,« sagte Warwick, auf den Höcker blickend, »davon muß ich mir doch auch ein Stück ausbitten.«

Hiermit stand der Alte auf, schnitt einige dünne Stücke von dem Fleische ab, rieb sie mit Salz und Pfeffer ein, welches er in einer Büchse in der Kugeltasche mit sich führte, stieß sie an einen Stock, und stach denselben vor dem Feuer in die Erde, so daß das Fleisch über dessen Glut schmorte. Turner, Karl und Daniel folgten seinem Beispiel und bereicherten mit diesem kostbaren Braten ihre Abendmahlzeit, welche aus von Hause mitgenommenem Fleisch und Zwieback bestand. Warwick hatte auch in einem großen Blechgefäß Kaffee gekocht, der, wenn auch ohne Milch und Zucker, allen vortrefflich mundete. Nach dem Essen zündeten die drei Männer ihre Pfeifen an und Warwick erzählte von den herrlichen Jagden, die er an diesem Flusse so oft gemacht hatte, als plötzlich ein lautes, gellendes Geheul ertönte, wie wenn es von hundert Kehlen angestimmt würde.

»Hören Sie, junger Herr, jetzt wird Ihr Büffel verspeist; ich wette, daß in kurzer Zeit viele Hundert Wölfe sich dabei einfinden. Sie kommen schon von allen Seiten,« sagte der Neger zu Karl, und wirklich wurde jetzt das Geheul weithin in allen Richtungen beantwortet.

»Sage einmal, Daniel, könnten wir uns nicht zu ihnen hinschleichen und einen von ihnen schießen? ich möchte wohl einen Wolf in der Nähe sehen,« sagte Karl hoch auflauschend.

»Das möchte ich Ihnen doch nicht raten, junger Freund,« entgegnete Warwick; »mit den kleineren Prairiewölfen würde es so leicht nichts zu sagen haben, es dürften aber wohl auch von den großen weißen Wölfen welche darunter sein, und die verstehen keinen Spaß. Sie werden auch noch genug dieser Räuber in der Nähe zu sehen bekommen.«

Trotz des immer zunehmenden Geheuls sanken doch die Lagernden bald auf ihre wollenen Decken nieder und verbrachten die Nacht in ungestörtem wonnigen Schlafe. Der anbrechende Tag aber fand sie schon mit Zubereitung des Frühstücks beschäftigt, wobei der Büffelhöcker wieder in Anspruch genommen wurde, und ehe noch die Sonne über der flachen Ferne auftauchte, saßen die Reiter wieder zu Roß, um das weitere Land in Augenschein zu nehmen.

Als sie in die Nähe des Ortes kamen, wo der Büffel lag, erblickten sie noch einzelne Wölfe, die bei ihrer Annäherung davonflohen; aber von dem erlegten Tiere war nichts mehr übrig als das Skelett.

»Das muß ja ein riesenhafter Büffel gewesen sein, wieviel soll er wohl gewogen haben?« sagte Turner, indem er mit Verwunderung auf das ungeheure Knochengebäude schaute.

»Er ist sicher achtzehnhundert Pfund schwer gewesen,« entgegnete Daniel, und sprang dann mit den Worten vom Pferde: »Ich will aber doch seine Hörner mitnehmen, es ist Ihr erster Büffel, junger Herr, von dem Sie ein Andenken haben müssen, ich werde Ihnen ein Trinkhorn und ein Pulverhorn daraus verfertigen.« Nun hieb er mit dem kleinen, sehr scharfen Beile, welches er in einer ledernen Scheide am Sattel hängen hatte, schnell die kurzen, breiten Hörner von dem Schädel und folgte dann mit Karl im Galopp den beiden andern, die in raschem Schritt vorangeritten waren. Turner blickte staunend und stumm bald über die in der frischen Morgenluft wogende Prairie, bald nach dem zweihundert Fuß hohen Urwald; eine so reiche, üppige Vegetation hatte er bis jetzt noch nicht gesehen. Dabei prangte die Grasflur, soweit das Auge reichte, durch ihre Blumen in den prächtigsten, buntesten Farben, und der lieblichste Blumenduft umwehte die Reiter. In allen Richtungen sah man Rudel von Hirschen und Antilopen weiden, und mehrere Züge wilder Pferde wurden sichtbar. Der Urwald dehnte sich oft in Spitzen weit in die Prairie hinaus und wich dann wieder in tiefen, schattigen Buchten zurück; hier hatte noch niemals eine andere Axt als die eines Jägers einen Baum gefällt, und die zerstörende Hand der Civilisation hatte der Urschönheit der Natur noch keinen Abbruch gethan. Wie seit Jahrtausenden dieser Wald im ewigen Aufkeimen und Absterben seine Kronen dicht verschlungen gegen den Himmel emporgehalten hatte, so überschattete er noch jetzt die zur Erde gefallenen Riesenstämme und die nach dem Licht aufstrebenden jungen Schößlinge.

Warwick, der das Erstaunen Turners bemerkte, unterbrach das Schweigen und sagte: »Nicht wahr, ich habe Ihnen nicht zu viel von diesem Lande erzählt? Es ist bedeutend besser als das unsrige am Choctawbache. Ich hätte mich gern selbst hier angesiedelt, damals aber war es mir noch zu gefährlich, und jetzt mag ich den Ort, wo ich so viel Arbeit gethan habe, nicht wieder verlassen. Solches Land wie dieses ist wohl wert, daß man etwas darum wagt.«

Turner gab nun seiner Verwunderung und seiner Freude Worte und erklärte sich bereit, alle seine Kräfte aufzubieten, um sich hier zu behaupten, wobei ihm Warwick wiederholt die Versicherung gab, daß er und seine Nachbarn ihm treulich mit Rat und That beistehen würden.

Während mehrerer Stunden folgten sie dem Laufe des Flusses an der Außenseite des Waldes, und erst als die Sonnenstrahlen drückend wurden, bogen sie auf einem Büffelpfade in den Wald ein, um denselben zu durchschreiten und dann das Land an der andern Seite zu besichtigen. Wie mit einem Netz sind diese westlichen Länder Amerikas mit uralten Büffelpfaden überzogen, und sie allein gestatten es dem Wanderer, die undurchdringlichen Waldstriche zu durchziehen. Der Pfad, auf dem unsere Reiter in den Wald eindrangen, kam weit aus der Prairie her, und war selbst auf dem festesten Boden mehrere Fuß tief eingetreten, während seine Breite nur einem Pferde Raum gab, darin zu gehen. Warwick ritt voran und nahm dabei sein schweres Jagdmesser in die Hand, um diejenigen Ranken damit zu durchhauen, welche von den Bäumen herab über den Pfad hingen und welche er nicht zur Seite schieben, noch ihnen ausweichen konnte. Tiefer in dem Walde aber wurden die Weinranken und Schlingpflanzen über dem Wege immer zahlreicher, so daß die Reiter sich genötigt sahen, abzusteigen und ihre Pferde zu führen, damit sie den Büffeln es nachmachen konnten, die gebückt unter dem Geflecht hingehen, wie die allenthalben an den Dornen und Ranken hängenden lockigen Haare dieser Tiere bezeugten.

Der Weg wand sich wie eine Schlange zwischen den riesigen Baumstämmen hin und her, das hohe Laubdach wölbte sich immer dichter, und immer üppiger und kräftiger erhoben sich die Pflanzen aus der schwarzen Walderde, je näher man dem Flusse kam. Wie Blumengewinde schwangen sich die buntblühenden Lianen von Baum zu Baum, von Ast zu Ast, und hingen leicht und graziös aus der höchsten Höhe herab oder schlangen sich um die kolossalen Weinranken, die wie Riesenschaukeln auf und nieder stiegen. Oft sperrte der ungeheure Stamm eines umgefallenen Baumes den Pfad, so daß die Reiter sich einen weiten Umweg um ihn bahnen mußten, und hier und dort hing ein solcher Koloß der Pflanzenwelt schwebend in tausend Ranken, die ihn in seinem Sturze aufgehalten hatten und an denen er seine Nachbarn zu sich niederbeugte. Nur einzeln stahl sich ein Sonnenstrahl durch die dichten Baumkronen und blitzte auf dem silbergrauen glänzenden Schaft einer Magnolie, auf dem weißgelben Stamm einer Platane; doch das Licht war nicht hinreichend, das wohlthuende Halbdunkel des Waldes zu verscheuchen. Eine reine, wunderbar labend kühle Luft füllte den grünen Raum, und die heimliche Stille und Ruhe in demselben wurde nur durch das Brausen des Flusses unterbrochen, der wild schäumend in seinem felsigen, dreißig Fuß tiefen Bett dem Roten Strome zueilte.

»Wie ganz anders ist es in diesen Wäldern als in denen von Arkansas, Onkel,« sagte Karl zu Turner, welche beide ihre Hüte abgenommen hatten und ihre Schläfe von der duftigen frischen Waldluft umwehen ließen.

»Die Wälder in diesen Gegenden bergen keine stehenden Gewässer, keine Sümpfe, wie die in jenem Lande, und darum giebt es keine so bösartigen Fieber hier als dort,« antwortete Turner, »wir können dem gütigen Gott nicht genug danken, daß er uns hierher leitete. Sieh, Karl, was wir oft im Leben als das größte Unglück betrachten, was wir gar nicht glauben ertragen zu können, was uns wohl verzweifeln lassen will: nach einiger Zeit finden wir, daß es gerade zu unserm Besten gewesen, daß ein großes Glück für uns daraus entstanden ist. Hätten wir meinen Vetter Viktor bei unserer Ankunft in Amerika noch am Leben getroffen, so würden wir uns sicher bei ihm niedergelassen haben, und vielleicht hätte viele von uns dort sicher dasselbe Schicksal erreicht, welches ihm ein so frühes Ende bereitete. Ohne daß wir das Geld in der Bank verloren hätten, würden wir niemals unsern treuen, lieben Freund Daniel bekommen haben, und ohne ihn wären diese gesunden, herrlichen Länder uns vielleicht nie bekannt geworden. Darum, Karl, was dir auch im Leben begegnen mag, sei es noch so hart und niederschlagend, gieb niemals die Überzeugung auf, daß Gott es zu deinem Besten lenken wird.«

Der Anblick des Bärflusses, den die Reiter jetzt erreichten, unterbrach Turner in seiner Rede, und mit der größten Überraschung blickte er und Karl auf die pfeilschnell dahineilende Flut, die so klar und so durchsichtig war, daß man in der tiefsten Tiefe jeden Stein, jeden Fisch, jede Schildkröte auf dem Grunde erkennen konnte, und daß man, wenn keine Bewegung in dem Wasser gewesen wäre, jedenfalls darüber in Zweifel gekommen sein würde, ob überhaupt Wasser in dem Flußbette sich befinde oder nicht. Die Bewunderung, die man dem herrlichen Gewässer zollte, wurde aber plötzlich auf etwas anderes gelenkt, was die Aufmerksamkeit aller vier Reiter in Anspruch nahm. Pluto nämlich stöberte in diesem Augenblicke einige Hundert wilde Truthähne von dem Ufer des Flusses aus den Büschen auf, so daß das donnerähnliche Prasseln ihrer Flügel die Pferde erschreckte. Wie Raketen stiegen sie gerade in die Höhe und schwangen sich nach allen Seiten hin auf die höchsten Äste der umstehenden himmelhohen Bäume. Schnell gaben die Reiter die Zügel ihrer Pferde an Daniel und eilten mit ihren Büchsen in verschiedenen Richtungen durch das Dickicht, um sich solchen Bäumen zu nähern, auf denen diese riesigen Vögel standen. Karl folgte dabei dem Gebell Plutos, der auf einer kleinen Blöße im Kreise um eine Cypresse sprang, und, an ihr hinauf sehend, seine Stimme ertönen ließ. Auf den gewaltigen Ästen, die der Riesenbaum weit über den Fluß hinausstreckte, standen wohl einige zwanzig Truthähne und schauten, ihre langen Hälse niederbeugend, nach dem bellenden Hunde. Karl hatte den Baum bald erreicht, richtete seine Büchse nach der luftigen Höhe und mit dem Krach des Schusses stürzte ein mächtiger Hahn von dem Aste herab und fiel schwirrend und flatternd in den Fluß hinein. Karl sprang schnell an das Ufer, um Pluto hinter dem Vogel herzusenden. Dieser trieb auf der Flut, indem er dieselbe mit den Flügeln peitschte, und der Hund, der ihn jetzt gewahrte, sprang von dem hohen Ufer hinab, um ihn für seinen Herrn an das Land zu holen. Die Strömung nahm sie beide rasch mit sich fort, Pluto kam dem Hahn aber bald näher und hatte ihn in einer Biegung des Flusses bis auf wenige Schritte erreicht, als ein großer Alligator plötzlich unter dem Ufer hervorschoß, vor dem Hunde auf der Oberfläche des Wassers erschien und seinen furchtbaren Rachen nach dem Vogel öffnete.

Karl, der auf dem Ufer gefolgt war, hatte kaum das verhaßte Tier erkannt, als er seine Büchse auf dasselbe richtete und ihm eine Kugel in den gepanzerten Rücken schoß. Der Alligator jedoch ließ sich nicht in seinem Raube stören, sondern ergriff den Truthahn mit den grimmigen Zähnen und sank mit ihm in der klaren Flut am Ufer hinab, bis er unter demselben verschwand. Karl hatte Pluto mit Angst und Schrecken aus dem Flusse zurückgerufen, und schaute verdrießlich nach dem Platze im Wasser, wo der Räuber mit der Beute sich seinen Blicken entzogen hatte, welcher Fleck durch aufsteigenden Schlamm bezeichnet wurde. Da traten Turner und Warwick, ein jeder mit einem geschossenen Hahn beladen, zu dem Knaben und erfuhren nun von ihm das Mißgeschick, welches ihn betroffen hatte. Dabei blickte derselbe betrübt auf die beiden prächtigen Vögel, welche die Männer erlegt hatten, und sagte schließlich: »Daß ich aber auch solch Unglück haben muß!«

»Sage lieber solch Glück, Karl. Denke dir nur, wenn der Alligator statt des Vogels deinen Hund erfaßt und mit sich fortgenommen hätte, wäre das nicht viel schlimmer gewesen? Außerdem muß man nicht täglich und fortwährend nur auf Gelingen seiner Unternehmungen rechnen; hast du denn schon vergessen, daß dir das Jagdglück gestern Abend so sehr hold war?« sagte Turner liebevoll zu Karl und strich ihm über die Wangen, worauf dieser des Onkels Hand ergriff und sie küßte, als danke er ihm für seine Zurechtweisung. Sie schritten nun am Ufer hin bis zu Daniel zurück und bestiegen dort wieder ihre Pferde, während der Neger die beiden erlegten Vögel an seinem Sattel befestigte. Der Büffelpfad war sehr tief in das Ufer eingetreten, so daß er nicht allzusteil nach dem Flusse hinabführte, dessen Grund man in der krystallhellen Flut ganz deutlich erkennen konnte.

»Halten Sie Ihre Büchsen und Kugeltaschen in die Höhe, damit dieselben nicht naß werden, wenn die Pferde in das Wasser sinken,« sagte Warwick zu seinen Gästen.

»Das wird hier wohl kaum nötig sein, das Wasser reicht meinem Pferde ja nicht bis an den Sattel,« entgegnete Turner und blickte Warwick verwundert an.

»Irren Sie sich nicht,« sagte dieser, »das Wasser ist hier wenigstens zehn Fuß tief, man läßt sich durch dessen Klarheit sehr leicht täuschen. Ich will voranreiten, damit Sie sehen, wie tief es ist.«

Hiermit lenkte er sein Pferd zu dem Flusse hinab und in denselben hinein, wo es sofort mit dem schweren Manne auf seinem Rücken bis an den Kopf versank. Gleich aber tauchte es wieder bis zur Oberfläche empor und trug seinen Reiter in wenigen Augenblicken an das jenseitige Ufer. Turner, der ihm folgte, sank beim Hineinreiten in den Fluß bis unter die Arme in das Wasser, Karl jedoch, dessen Gewicht das Pferd nicht so sehr drückte, wurde kaum bis an den Leib naß. Die Büchsen, Kugeltaschen und Pulverhörner waren aber nach Warwicks Rat vor Nässe bewahrt worden.

»Das war doch tiefer, als ich gedacht hatte,« sagte Turner, auf seine Füße schauend, von denen das Wasser aus seinen Kleidern in Strömen herabfloß. »Ich bin wirklich bis unter die Arme naß geworden.«

»Das muß man an der Frontier gewohnt werden,« entgegnete Warwick sich schüttelnd. »Es thut uns keinen Schaden in diesem Klima; in einer halben Stunde sind Sie wieder trocken.«

»In meinem Vaterlande dürfte man es freilich nicht wagen, so in dem nassen Zeuge zu bleiben, man würde sich eine Krankheit dadurch zuziehen,« bemerkte Turner.

»Darüber können Sie sich beruhigen, das Bad wird Ihnen sehr gut bekommen. Lassen Sie uns nur weiter reiten, der Wald ist hier nicht mehr breit und in der Prairie jenseits soll uns die Sonne bald genug trocknen,« antwortete Warwick und ließ, wo es die Schlingpflanzen ihnen gestatteten, sein Pferd tüchtig ausschreiten.

Nach Verlauf von einer Viertelstunde zeigte sich auch in der Ferne vor den Reitern eine Öffnung in den dichten, dunklen Baummassen, durch welche der Pfad wie durch eine Pforte hinaus in die mit hellem blendenden Sonnenlichte bedeckte Prairie führte. Als Warwick diese Öffnung erreichte und sein Pferd mit ihm unter den weit ausgestreckten Ästen einer uralten Eiche in das Freie hinaus schreiten wollte, hielt er es plötzlich an und sagte, indem er sich zu seinen Gefährten umwandte:

»Jetzt aber, Herr Turner, sollen Sie Büffel sehen! Seit langer Zeit bin ich so zahlreichen Herden nicht begegnet. Schauen Sie nur über die Prairie; alle jene schwarzen Striche bis in die weite Ferne sind Büffelherden.« Hierbei zeigte er mit der Hand über die unabsehbare Grasflur. Nur wenige hundert Schritte vom Walde weideten wohl über tausend Büffel in einer Herde zusammen, die sich um die anderen, weiterhin grasenden nicht zu kümmern schienen; denn als die vier Reiter sich vor dem Walde zeigten, hoben sie sämtlich ihre Köpfe aus dem Grase hervor und schauten verwundert nach den Fremden hin, während hier und dort die Herden sich in einen schwerfälligen Galopp setzten und davonjagten. So weit das Auge reichte, war die Prairie von diesen riesigen Tieren belebt, und zwischen ihren einzelnen Abteilungen sah man Rudel von wilden Pferden, von Hirschen und Antilopen weiden.

»Hier kommt niemand in die Gefahr, Hunger zu leiden,« sagte Warwick, der das Erstaunen seines Gastes bemerkte. »Es würde uns ein Leichtes sein, zwischen eine solche Herde hineinzujagen und ein Dutzend dieser Tiere zu erlegen. Die Weide hier muß einen eigenen Reiz für sie haben, denn wenn man weit und breit kein Wild antrifft, hier geht man niemals fehl.«

»Wollen wir nicht einmal dazwischen sprengen und ein paar Büffel schießen?« sagte Karl, indem er mit strahlendem Blick auf die immer noch unbeweglich dastehenden Tiere sah.

»Es würde unsere Pferde ermüden und uns von dem eigentlichen Zwecke unseres Rittes abziehen,« entgegnete Warwick.

»Und wir würden ja auch gar keinen Nutzen von den erlegten Tieren haben, da wir das Fleisch nicht mit uns nehmen können; nur um des Vergnügens willen muß man kein Geschöpf töten,« bemerkte Turner freundlich, und Karl stellte sich damit zufrieden, obgleich er gar gern seinem Falben hätte die Zügel schießen lassen. Sie ritten nun in die Prairie hinaus und folgten dem Waldsaume, während die Büffelherde, die sie so verwundert betrachtet hatte, sich jetzt in Galopp setzte und ihren Kameraden nacheilte.


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