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16. Elisabeth von England als Königin
Zeitgenössischer Stich

Vierzehntes Kapitel. Verschwörer und Freier

In Somerset-House, das Elisabeth gegen Ende 1556 bezieht, hofft sie ein wenig Ruhe zu finden vor all den Stürmen, die über sie hinweggezogen sind. Thomas Pope wird für Unterhaltung und Abwechslung sorgen. Er soll Feste und Maskeraden für die junge Prinzessin veranstalten. Schon Elisabeths Zug von Hatfield nach London gestaltet sich wieder fast zu einem Fest. Sie allein ist nicht ganz ohne Furcht, ob die Königin doch nicht etwas gegen sie im Schilde führe. Bei Maria ist man nicht sicher. Diesmal ist Elisabeths Angst unbegründet. Die Königin empfängt sie ein paar Tage darauf höchst huldvoll. Elisabeth wird an den Hof zu ihr befohlen. Es liegt ein erneuter – diesmal sehr feierlicher – Heiratsantrag des Herzogs von Savoyen vor. Philipp II. hat es endlich bei seiner Frau durchgesetzt, daß auch sie seinen Lieblingsplan billigt. Es sind allerdings scharfe Briefe zwischen dem Königspaar darüber gewechselt worden. Maria hat den Rat des Beichtvaters ihres Gatten, den Mönch Alphonso, darüber hören müssen. Aber er überzeugte sie nicht von der Notwendigkeit dieser Verbindung. Sie nannte Elisabeth dem Klosterbruder gegenüber alles andere als eine Königstochter. Sie redet in den beleidigendsten Ausdrücken von ihr und ihrer Mutter. Bis schließlich Philipp ein Machtwort spricht und darauf dringt, seine junge Schwägerin ihrem Range nach zu behandeln und sie nach seinem Wunsche zu verheiraten. Maria gibt nach. Der Staatsrat stimmt mit dem König überein. Die Gesandten Philipps warten auf Antwort in London. Es ist alles vorbereitet, die Prinzessin als Braut des Herzogs von Savoyen nach Flandern zu führen. Sogar die Damen sind bestimmt, die ihr zum Geleite mitgegeben werden sollen. Unter ihnen ist Philipps neueste Geliebte, die junge Herzogin von Lothringen und auch die Herzogin von Parma.

Elisabeth geht also an den Hof. Sie bleibt bei ihrer schon einmal erteilten Antwort. Ihr »Nein« ist diesmal kategorisch. Sie wird von der Königin ziemlich ungnädig verabschiedet und kann nun in Hatfield Weihnachten feiern, anstatt in London, wie sie gehofft hat.

Maria wartet in dieser Zeit, Ende 1556, bestimmt auf die Rückkehr Philipps. Er hat seine privaten Angelegenheiten in Flandern geregelt. Seit Januar 1556 nennt er sich schon Philipp II., König von Spanien und der Niederlande. Seiner Rückkehr nach England aber steht der Beginn des Kriegs mit Frankreich im Wege. Es zieht ihn auch nichts nach London. Er liebt weder das Land noch seine Frau. Maria wird immer verbitterter, je mehr sie zur Erkenntnis kommt, wie taktlos Philipp sie vor aller Welt vernachlässigt. Die Anwesenheit der Herzogin von Lothringen in London trägt nicht dazu bei, ihrem Herzen Frieden zu schenken. Diese Dame tritt mit außerordentlicher Pracht auf, obwohl sie von Haus aus nicht reich ist. Es ist Maria klar, woher sie die Mittel zu einem so verschwenderischen Leben erhält. Die Eifersucht der Königin macht der Abgesandten Philipps schließlich die Anwesenheit am Hofe unmöglich. Sie reist Hals über Kopf ab, vielleicht aus Angst von der rachsüchtigen englischen Herrscherin verfolgt und eingesperrt zu werden. Marias Wut über Philipps Vernachlässigung läßt sich indes vorläufig nur an seinem Bild aus. Sie reißt es in einem Anfall von eifersüchtiger Enttäuschung in Stücke.

Gegen Elisabeth aber entfesselt sich von neuem der Sturm. Wieder einmal gedenkt Maria den »Bastard« von der Thronfolge auszuschließen. Sie hält mit Schmähreden gegen die Schwester sogar im Parlament nicht zurück. In ihrer Wut behauptet sie, ihre wirkliche Nachfolgerin sei Maria Stuart, die Königin der Schotten.

Elisabeth macht all dieser Ärger und Verdruß krank. Sie bekommt Gallenbeschwerden und die Gelbsucht. Sie denkt jetzt selbst daran, dieser Hölle von Widerwärtigkeiten zu entfliehen und in Frankreich an dem Hof ihres Freundes Heinrich II. Schutz zu suchen. Auch ihre Umgebung, vor allem die französisch gesinnten Freunde, raten ihr dazu. Sie wendet sich durch die Gräfin von Sussex im geheimen an den Bischof von Dacqus, um zu erfahren, auf welche Weise sie wohl nach Frankreich ungefährdet gelangen könne. Glücklicherweise rät er ihr von diesem unsinnigen Plane ab. Sie soll um Gottes willen in England bleiben und nicht auf die Franzosen hören. Ihrer skrupellosen Politik diene sie ja doch nur als Aushängeschild.

Er hatte recht. Heinrich II. von Frankreich haßte Maria Tudor aus keinem anderen Grunde, als weil sie Philipp von Spanien zum Gemahl genommen hatte. Die englische Königin hatte Frankreich in keiner Weise in Feindschaft herausgefordert. Aber seit ihrer Heirat war es der Herd, von dem alle Intrigen, alle Komplotte gegen sie ausgingen. Man suchte von Paris aus fortwährend Marias Thron zu unterminieren, sie mit inneren und äußeren Aufständen zu beunruhigen. Man paßte jede Gelegenheit ab, sie zu stürzen. Elisabeth diente den Franzosen dabei – ob mit oder ohne ihre Zustimmung, muß dahin gestellt bleiben – stets als willkommenes Kampfinstrument gegen die verhaßte englische Herrscherin. Auf der anderen Seite wollte auch Philipp sie für seine spanische Politik als Waffe gebrauchen. Elisabeth befand sich in keiner beneidenswerten Lage.

Sie bleibt vorläufig bis Februar 1557 in Hatfield. Sie verlebt dort trotz allem auf sehr angenehme Weise den Karneval und hält sich dadurch ein wenig schadlos für die vielen monotonen kirchlichen Feiern, die sie im Vorjahr in Greenwich mit Maria über sich hat ergehen lassen müssen. Pope sorgt reichlich für Amüsement des jungen Hofes der Prinzessin. Sie haben alle das Recht darauf, das Leben zu genießen und die düstere jüngste Vergangenheit etwas zu vergessen. Maria aber passen derartige weltliche Vergnügungen nicht, wenigstens nicht in Hatfield. Sie weiß indes, Elisabeth wird sich ebenso wenig in ihre Privatunterhaltungen wie in ihre Privatgefühle hineinreden lassen. Sie fordert sie daher im Februar 1557 wieder in höflicher Weise auf, nach London zu kommen. Sie kann sie auf diese Weise besser kontrollieren. Elisabeth darf jetzt sogar an Bärenhetzen und Hirschjagden teilnehmen.

Ihr Leben hellt sich mehr und mehr auf. In Somerset-House bildet sich bereits ein gar nicht so kleiner Hof um die Prinzessin. Sie ist jetzt eine große Dame im vollen Sinn des Wortes. Kein unerfahrenes junges Ding mehr. Mit ihren vierundzwanzig Jahren ist sie durch das Leben selbst gereift. Um diese Zeit beschreibt sie der venetianische Gesandte Michieli als »groß und sehr gut gewachsen. Sie besitzt die Eleganz des Geistes und des Körpers. Ihr Gesicht ist nicht schön, eher angenehm. Sie hat eine sehr feine Haut, obwohl ein wenig gelblich. Schöne Augen, besonders schöne Hände. Sie spricht viel besser griechisch und italienisch als die Königin. Ihre Energie und Intelligenz sind bewunderungswürdig. Sie hat das«, fährt er fort, »durch ihr Verhalten in allen Gefahren und auch dadurch bewiesen, daß sie ihre religiösen Gefühle verbarg und sich als Katholikin benahm. Sie ist stolz und sehr vornehm in ihrem Auftreten. Denn, obwohl sie genau über ihre Mutter Bescheid weiß, so weiß sie doch auch, daß deren Ehe mit dem König durch die Kirche gesegnet und mit Wissen des Kanzlers der Regierung vollzogen worden ist ... Die Königin verabscheut zwar die Prinzessin aus tiefstem Grunde ihres Herzens, aber sie behandelt sie in der Öffentlichkeit mit allen äußeren Zeichen der Achtung und Affektion. Wenn Maria mit ihr vor Fremden spricht, geschieht es stets lachend und freundlich scherzend. Die Prinzessin hat es auch verstanden, sich das Wohlwollen des Königs von Spanien zu erringen. Seinem Einfluß ist es zu danken, daß die Königin ihre Schwester nicht der Illegitimität und dadurch der Erblosigkeit auf den Thron zeihen konnte, wie sie das im Parlament bezweckte. Man ist überzeugt, ohne das Dazwischentreten Philipps würde die Königin sie ohne Reue mit den härtesten Maßnahmen bestrafen. Denn jede Verschwörung gegen die Regierung, es mag sein, was es will, immer ist man sicher, entweder Madame Elisabeth oder einige ihrer Leute unter den daran beteiligten Personen zu entdecken.« Der Venetianer weiß jedenfalls Bescheid.

Das Auftauchen eines neuen Brautwerbers im Frühjahr desselben Jahres gibt Elisabeth wieder Gelegenheit, ihre gerühmte Klugheit walten zu lassen. Der König von Schweden sucht für seinen Sohn Erich eine passende und einflußreiche Partie. Er glaubt es besonders gescheit anzufangen, wenn er bei der englischen Prinzessin Elisabeth persönlich, vorerst ganz im geheimen, anfragen läßt, wie sie über eine solche Heirat denke. Wahrscheinlich wollte er sich nicht wie die anderen Fürsten bei der ehescheuen Prinzessin der Blöße einer offiziellen Absage aussetzen. Jedenfalls schickte er seinen Gesandten in London zu ihr. Das Parlament und die Königin sollten noch nichts davon wissen.

Das ist für Elisabeth ein herrlicher Grund, den Antrag gleich von vornherein abzulehnen. Gleichzeitig kann sie Maria dadurch wieder einmal beweisen, wie viel ihr daran gelegen ist, nichts gegen die Bestimmungen des Staates zu tun. Sie erklärt also dem schwedischen Gesandten, leider könne sie seiner Eröffnung kein Gehör schenken, solange sie oder er nicht die Zustimmung Ihrer Majestät hätten. Als er einwendet, der König von Schweden werde sofort bei Maria um Elisabeths Hand für seinen Sohn anhalten, sobald sie, Elisabeth, ihr Einverständnis dazu gegeben habe, jetzt käme er nur als Privatmann zu ihr, um sie zuvor als Hauptbeteiligte über ihre Neigung zu befragen. Elisabeth zögert nicht, sie ihn sofort wissen zu lassen.

»Ich«, sagt sie klar und bestimmt, »würde, hinge es nur von mir ab, mein Leben lang lieber unverheiratet bleiben.«

Elisabeth spricht damit eine Ansicht aus, die sie tatsächlich jederzeit mehr als alle Politik davon abgehalten hat, eine Ehe einzugehen. Sie empfand eine große Ehescheu bis ans Ende ihres Lebens und leugnete das auch gar nicht. Sie wollte frei sein, von niemand beherrscht, von niemand beeinflußt. Ihr späteres Leben ist der Beweis dafür. Einen Liebhaber konnte sie verabschieden, wenn sie ihn satt hatte. Bei einem Gatten war das schwierig. Die Bindungen, die sie später einging, währten zwar oft jahrelang. Aber sie war frei, sie zu lösen, wie jedes andere staatliche Verhältnis zu ihren Ministern. Nicht einmal den klügsten und stärksten ihrer Staatsmänner hat sie gestattet, Herr über sie zu werden. Sie hat später manchem Mann ihre Gunst und Liebe geschenkt. Keiner jedoch hatte Gewalt über ihren Verstand und ihr Herz. Weder Robert Dudley, Lord Leicester noch Robert Devereux, Graf Essex, die beiden Männer, die sie wahrscheinlich am leidenschaftlichsten liebte, denen sie den glänzendsten Aufstieg ermöglichte, vermochten ihre Macht so weit auszustrecken, daß sie den Thron mit ihr teilten. Wahrscheinlich hätte sie Leicester geheiratet, wenn sie sich von ihrem Gefühl hätte leiten lassen. Dudley war jedoch beim englischen Volk verhaßt. Er stand im Verdacht, seine Frau ermordet zu haben. Elisabeth hätte durch diese Heirat ihre Popularität eingebüßt. Das wollte sie nicht. Mit 45 Jahren zog sie auch eine Heirat mit François de Valois, Herzog von Alençon ernstlich in Betracht, denn sie war in ihn sinnlich verliebt und wollte absolut für ihren Thron ein Kind, einen Erben, haben. Sie schien, wie einst Maria, vollkommen von ihrer Leidenschaft beherrscht zu sein und ihr Alter gar nicht in Betracht zu ziehen. Als sie jedoch merkte, daß der Franzose ihrem Volk unwillkommen sei, verzichtete sie und opferte ihrer Stellung auch diesen Mann.

Ihren offiziellen Brautwerbern gegenüber verschanzte sie sich meist, sowohl als Prinzessin als auch später als Königin, hinter dem Gerede von ihrer Jungfräulichkeit. Sie ziehe »diesen Zustand« bei weitem jeder Heirat vor. Maria, die selbst einmal ähnliches von sich behauptet hatte, ehe sie Philipp im Bilde gesehen, wußte mit Elisabeths Abneigung gegen jeden Heiratsantrag nichts anzufangen. Sie wollte der Sache auf den Grund gehen und ließ Pope ihre Schwester über deren Ansichten von der Ehe im allgemeinen ausfragen. Elisabeth gibt ihm bereitwilligst Auskunft. Sie bittet ihn, die Königin vor allem zu versichern, daß sie sie mit der Ablehnung aller dieser Anträge durchaus nicht kränken wolle. Sie habe es von jeher so gehalten und wolle auch jetzt dabei bleiben. »Während der Regierung meines Bruders schon wurden mir zwei ehrenvolle Verbindungen angetragen. Die Gesandten unterhandelten mit mir. Ich erklärte aber Seiner Hoheit, dem König, was mir sogar noch einige Herren meiner Umgebung bezeugen können, wie es mir scheine, habe er nichts dagegen, daß ich auch fernerhin Jungfrau bliebe. Unter allen Umständen sage mir dieser Zustand am besten zu und ich zöge ihn allen anderen vor. Im Vertrauen bitte ich Sie daher, lieber Pope, Ihrer Majestät zu melden, daß ich auch heute noch die gleiche Ansicht habe und weiter behalten werde, wenn es Ihre Majestät gütigst gestatten wolle. Ich bin überzeugt, es gibt im Leben nichts, was mit ›diesem Zustand‹ zu vergleichen wäre.« Als Pope einwendet, vielleicht sei noch nicht der Richtige, der ihrem Herzen nahe stehe, erschienen, erwidert Elisabeth:

»Was ich in Zukunft tun werde, weiß ich zwar nicht, aber ich gebe Ihnen die Versicherung auf Ehre und Wahrhaftigkeit, und so wahr mir Gott helfen möge, daß ich jetzt so denke wie ich es eben erklärte. Selbst wenn mir der größte Herrscher Europas angeboten würde, schlüge ich seinen Antrag aus. Sagen Sie das der Königin. Vielleicht hält sie nach dieser Erklärung meine Ablehnungen nicht mehr für eine Äußerung jungfräulicher Schamhaftigkeit oder Schüchternheit. Es ist mehr als das.« Als später, nach der Thronbesteigung, ihre eigenen Staatsmänner darauf drangen, sie möchte sich verheiraten, und die Sache im Unterhaus im ersten Jahr ihrer Regierung offiziell zur Sprache kam, antwortete sie fast im gleichen Sinne. Sie sagte: »Sollte es Gott gefallen, mein Herz zur Ehe geneigt zu machen, so werde ich nur einen Gatten wählen, dem das Wohl Englands ebenso am Herzen liegt wie mir selbst. Sollte es aber Gottes Wille sein, mich weiterhin unverheiratet leben zu lassen, wie das mein größter Wunsch ist, so will ich zufrieden sein, wenn auf meinem Leichenstein geschrieben steht: Hier ruht eine Königin. Sie regierte von . . . bis . . . Sie hat als Jungfrau gelebt und ist als Jungfrau gestorben.«

Durch derartige Ausflüchte vermochte sie aber weder die zahlreichen Freier noch die unentwegten Staatsmänner zu vertreiben. Immer versuchte man es, Elisabeth zur Ehe zu bewegen. Stets ohne Erfolg.


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