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In den Bergen und Tälern Vorarlbergs, namentlich im Montafon und im Klostertal, weiß man von wilden Leuten, Männern und Frauen, zu erzählen, die man Fenkern, Rutschifenken oder auch Wildfanggen nennt. Es sind meist riesige, oft auch scheußliche Gestalten, am ganzen Körper dicht behaart, Tierfelle bilden ihre ganze Bekleidung. Sie wohnen im Wald, sind schlau und gewandt und kennen allerlei Geheimnisse der Natur. Den Menschen gegenüber benehmen sie sich meist harmlos und sind sogar manchmal bei Bauern in Arbeit gestanden.
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Die Fenken wohnen seit undenklichen Zeiten in diesem Land; viele von ihnen weisen ein stattliches Alter auf, wie es auch einmal ein Fenk selber gesagt hat. Als nämlich einst ein paar Knechte eine alte Tanne fällen wollten, kam ein alter Fenk durch den Wald herbeigelaufen und rief:»Ich bin grad jetzt soviel Jahr schon alt,
Als Nadeln hat die Tanne da im Wald;
Drum seid so gut und tut sie mir nicht fällen,
Sonst könnt' ich ja mein Alter nimmer zählen!«
Ein seltsames Erlebnis mit einer Fenkin hatte ein Mann, der in den Wald gegangen war, um Holz zu spalten. Als er gerade in der besten Arbeit war, kam eine Waldfrau daher, setzte sich neben ihm auf den Boden nieder und fing an zu schwätzen und neugierig allerlei Fragen zu stellen. Der Holzhauer gab zuerst ordentlich Rede und Antwort auf alles, was die Frau wissen wollte. Weil sie aber ein gar so geschwätziges Mundwerk hatte und des Plapperns und Ausfragens kein Ende war, wurde ihm das Geschnatter langweilig, und schließlich verlor er ganz die Geduld. Er gab daher keine Antwort mehr, und als sie noch wissen wollte, wie er heiße knurrte er kurz: »Selbst«. Die Frau nahm es gläubig hin und schwätzte unaufhörlich weiter. Da stieg dem guten Hannes – so hieß er nämlich wirklich – die Zornesröte ins Gesicht, und er schnauzte die Waldfenkin an: »Verfluchtes Weibsbild, du könntest aber doch schon einmal dein Mundwerk halten.«
Die Fenkin aber, gar nicht beleidigt darüber, fragte unverdrossen weiter und griff im Eifer der Rede mit der Hand in den Spalt, den der Hannes soeben mit Axt und Keil in den Holzklotz getrieben hatte. Kaum sah das der wütende Holzhauer, dem der letzte Geduldsfaden gerissen war, da zog er rasch Keil und Axt aus der Spalte und sprang davon. Die Spalte schnellte zusammen und klemmte die Hand der Fenkin so fest ein, daß das Blut unter den Nägeln hervorschoß und die Frau vor Schmerzen laut zu wehklagen begann.
Auf den Geschrei hin kam der Fenk aus dem Wald herbeigelaufen und fragte, als er das Weib am Holzklotz sich winden sah, wer das getan habe. Die Fenkin schrie: »O, selbst getan!« Darauf lachte der Fenk und sagte: »Selbst tun, selbst haben!« schritt ruhig wieder dem Wald zu und ließ das Weib im Holzklotz bis zum Morgengrauen zappeln.