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In früherer Zeit war es Brauch, daß der Wächter auf dem Turm der Stadtpfarrkirche in Klagenfurt stündlich durch einen kräftigen Hornruf nach allen Himmelsrichtungen die Stunde verkündete. Die Mitternachtsstunde durfte er aber nur nach Westen, Norden und Osten blasen, niemals nach Süden, denn dort lag vor der Stadt der Friedhof von St. Ruprecht, und sein Ruf hätte die Toten aus der Grabesruhe wecken können.
Einst versah das Türmeramt ein arger Trunkenbold, der öfter einen Blick ins Glas als einen Ruf vom Turm tat. Als er eines Abends, nicht mehr ganz fest auf seinen Beinen, mürrisch ins Wirtshaus an den Stammtisch kam, wo die tägliche Zecherrunde schon versammelt war, fanden seine Saufbrüder ihren Spaß daran, ihn wegen seines späten Erscheinens zu hänseln; Einer neckte ihn mit seinem Türmerruf, und ein anderer spottete über seinen Sohn, der für den Vater die Stunden blies. Sein Hornruf klinge so kläglich, sagte er, als wolle er die Toten aufwecken.
Über den Spott der Zechbrüder wurde der Türmer so wütend, daß er zornig aufsprang. »Ich werde euch die Toten schon wecken«, schrie er erbost, sprang bei der Tür hinaus und rannte stracks auf seinen Turm. Es war gerade die Zeit, den Mitternachtsruf erschallen zu lassen. Er griff also rasch nach dem Horn und blies mit gewaltigen Stößen zuerst nach Western, Norden und Osten und dann auch – nach Spüden. Zu Tod erschrocken stürzte des Türmers Weib herbei und wollte das Horn den Händen des rasenden Bläsers entwinden. Doch vergeblich! Er blies nur noch stärker gegen Süden hin, daß er wie Posaunenton über die Dächer und Felder klang bis an die Pforten des Friedhofs.
Da beginnt ein unheimliches Leben und Treiben auf der Stätte des Friedens. Die Gräber öffnen sich, grausige Gestalten schwingen sich aus der Tiefe empor. Lautlos bewegt sich der gespenstische Zug im fahlen Lichte des Mondes dem Turm zu, woher der Weckruf erklang. Da sieht der Türmer den nächtlichen Spuk heranziehen: grinsende Totenfratzen, knöcherne Hände, bleiches Totengebein; eine Herrschar schauriger Gestalten schreitet stumm die steilen Stufen des Turmes empor. Schreckensbleich sinkt der vermessene Türmer in die Knie und streckt abwehrend die Hände aus. Aber schon ist es zu spät, schon langt der vorderste mit seinen Knochenfingern durch die Stäbe des Turmgitters nach dem bebenen Mann – da erdröhnt vom Turm der Glockenschlag eins und im Nu ist der nächtliche Spuk in alle Winde zerstoben.
Seit dieser Zeit wagte es kein Türmer in Klagenfurt mehr, sein Horn gegen Süden zu blasen und die Toten damit aus dem ewigen Schlag zu wecken.