Sagen aus Kärnten
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Das Tauernkirchlein bei Ossiach

Von dem waldigen Höhenzug am Südufer des Ossiachersees, vom Volk die kleinen Tauern genannt, grüßt ein kleines Kirchlein herab, das vor undenklichen Zeiten auf gar seltsame Weise entstanden sein soll.

Zur Zeit, als noch Wasserjungfrauen in den Flüssen und Seen beheimatet waren und die Menschen mit ihrem betörenden Sang in die Tiefe lockten, Elfen im Wald ihre Reigen tanzten und Zwerge im Schoß der Berge ihre goldenen Schätze hüteten und sich ab und zu den Blicken der Sterblichen zeigten, geschah es, daß einmal spätabends ein Fischer mit seinem Mädchen am Seeufer ging. Scherzend und lachend tändelte das Paar im Vollmondschein, während ein Kahn auf den glitzernden Fluten schaukelte. Da tauchte eine Geistergestalt bei Uferkreuz aus den Wellen empor und beobachtete neugierig das verliebte Tun der beiden Menschenkinder; langsam zog der Kahn wieder dem Ufer zu. In der nächsten Nacht fuhr der Fischer allein auf dem See zum Fischfang aus. Plötzlich ertönte ganz nahe dem Boot ein wunderbarer Gesang, während der Fischer verzückt den lieblichen Tönen lauschte, teilte sich die Flut und ein schönes Weib stieg im Mondenschein zu ihm in das Boot. Mit schmeichelnden Worten und süßen Gesängen betörte sie sein Herz, daß er auf Heimat und Liebe zu seinem Mädchen gänzlich vergaß.

Von dieser Stunde an war der Jüngling wie umgewandelt. Stumm und verschlossen ging er seiner Arbeit nach, sein fröhlicher, heiterer Sinn war einer düsteren Schwermut gewichen. Das Bild der schönen Frau schwand nimmer aus seinem Sinn. Abend für Abend fuhr er auf den See hinaus, aber die Schöne wollte sich nicht mehr zeigen. So war ein Monat vergangen, und wieder spiegelte der Vollmond seine goldene Scheibe in den weiten Fluten des Sees. Da erschien auch die liebliche Nixe wieder und stieg zu dem Jüngling in das Boot. Aber ihr Zauber war nicht mehr der gleiche wie in der letzten Vollmondnacht. Ein heimliches Weh ergriff das Herz des jungen Fischers, und mit Sehnsucht und Reue gedachte er der verlassenen Braut, die sich in ihrer Hütte die Augen um den treulosen Bräutigam ausweinte. Laut aufschluchzend klagte er der Nixe sein Leid. Aber diese hatte kein Verständnis für Trauer und Schmerz, sie wollte nur scherzen und lachen, und ein silberhelles Gelächter war die Antwort auf die Klage des Fischers. Da packte den Jüngling unbändiger Zorn, er stieß die Nixe in den See und fuhr eilig davon.

Grollend zog sich die Wasserjungfrau in ihr kristallenes Heim auf dem Grund des Sees zurück und beschloß, am Menschengeschlecht für diese Beleidigung Rache zu nehmen. Da sie aber wußte, daß der Beherrscher des Sees, dem alle Nixen untertan waren, keinen Zwiespalt mit den Menschen duldete, ersann sie eine List. Sie schüttete einen Schlaftrunk in den Wein, den der Wasserfürst beim Mittagmahl zu trinken pflegte, so daß der Greis bis zum Abend in tiefen Schlaf versank. Währenddessen eilte die Nixe zur Schleuse, die den Zustrom zum See regelte, öffnete sie, und die Wassermassen ergossen sich in ungeheurer Flut in das Land. Angsterfüllt flüchteten die Bewohner von den Feldern auf die nächsten Anhöhen. Vielen, die in den Häusern von den Schwall überrascht wurden, gelang es nur mit knapper Not, sich auf den Dächern in Sicherheit zu bringen.

Mitten n den Wellen aber schwamm der junge Fischer, der keine Zeit mehr gefunden hatte, sich auf das Trockene zu retten; mit mächtigen Stößen hielt er auf ein Haus zu, das aus dem Wasser ragte. Als er aber in die Nähe des rettenden Baues gekommen war, erhob sich auf dem Dach des Hauses, das die Wogen schon bespülten, ein totenblasses junges Mädchen und sprang zu dem Jüngling in die schäumende Flut. Es war die trauernde Braut, die den Liebsten heranschwimmen sah und mit ihm im Tod vereint sein wollte. Eng umschlungen wurden beide ein Opfer der Flut.

Als der greise Herrscher des Sees am Abend aus seinem schweren Schlummer erwachte und das angerichtete Unheil sah, zürnte er gewaltig über diese schreckliche Tat der rachsüchtigen Nixe. Rasch schaffte er Ordnung und bändigte die ungestümen Gewässer. Die böse Seejungfrau aber wurde zur Strafe für ihren Ungehorsam aus den Reihen ihrer Schwestern ausgestoßen und mußte Menschengestalt annehmen.

Da kam ungeheures Leid über sie. Jeden Abend saß sie am Ufer des Sees und klagte unter bitteren Tränen den früheren Gefährtinnen ihr schmerzliches Los. Eines Abends vernahm der Herrscher die kummervollen Klagen der Verbannten und erbarmte sich ihrer Not. Aber straflos durfte sie nicht bleiben. So trug er ihr auf, zur Sühne für ihre Missetat ein Kirchlein auf der luftigen Höhe am Ufer des Sees zu erbauen. Und weil sie unzählige Tränen im Menschengeschlecht verschuldet hatte, so sollte sie mit ihren eigenen Tränen büßen und den Mörtel für diesen Bau mit ihren Zähren anfeuchten.

Willig fügte sich das beklagenswerte Wesen dem harten Gebot ihres Herrn, da ihr das Werk die ersehnte Erlösung bringen sollte. In langer, leidvoller Arbeit tropfte Träne um Träne, fügte sie Stein an Stein, immer höher stiegen die Mauern, und nach schier endloser Zeit stand das Tauernkirchlein fertig auf der Höhe. Die Nixe aber durfte, von ihrer Strafe erlöst, zu den Schwestern in den See zurückkehren.

 


 


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