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Der Tod

Von Detlev von Liliencron.

So grausam ist die Hasenhetze nicht,
Wie man gern sagt, wenn nur der Windhund gut
Und leidenschaftlich bin ich oft gefolgt,
Bis mir an einem Sommertag im Herbst,
Die Spinneweben banden alle Stoppeln,
Auf immer jede Lust verloren ging.

In jener Zeit verkehrt' ich täglich fast
Auf einem nahgelegnen Nachbargute,
Wohin mich eine junge Gräfin zog.
Fünfhundert Jahr zurück schien sie geboren,
So stolz, so hochmütig, so aller Welt
Bog sie die feine Hakennase kraus.
Ein Bär, am Hals beringt, zum Streit gerichtet,
Droht auf dem Wappenstein des schmalen Fingers
Jedweden an, der sich ihr nähern will.
Und doch war sie ein Weib wie alle andern.
Mit ihr zusammen ritt ich lange Wege
In Wald und Feld und auf die Hasenhetze.
Und sollte Dante, wünscht' er noch einmal
Die vielen Ringe schauernd zu durchwandeln,
Mich statt Virgil als Reisemarschall wählen,
Ich sähe nichts, ich suchte nur die Gräfin
Im Fegefeuer und in Höll und Himmel.
Der Windhund ist kein Hund wie seine Brüder
Einsam und mürrisch, ohne Hang zum Herrn,
Fehlt ihm der gute, treue, brave Blick.
Aus seinen Augen aber schielt der Tod,
Gewiß, der Tod, ich hab ihn dort gesehen.

Am Riemen, an des Pferdes rechter Seite,
Folgt willig oder widerwillig auch,
Der Strick; drei Hunde sinds gewöhnlich, und –
Hetz'! hetz'! der arme Has' ist aufgestochen,
Die Hand läßt los und vorwärts stößt der Sturm,
Voran der schnellste, ohne Laut, sieh! sieh!
Und Lampe stürmt, und hinter ihm die Hunde,
In deren Augen sich der Tod verkrochen.
Wir preschen vor auf jenen Hügel dort,
Und dicht an uns vorüber schießt die Jagd.
Noch immer, lang gestreckt am ebnen Boden,
Läuft er wie rasend vor den Winden her.
Halt da, bei Gott! ich hab' den Tod gesehen:
Er hockt, ein Männchen, mager wie ein Geizhals,
Er hockt im Augenstern des Hundes, gierig
Und sicher wie die Spinne doch, die weiß,
Daß sich im Netz die Fliege ihr verfängt.
Der arme Hase wie sein Lecker hängt!
Jetzt, bravo, schlägt er seinen ersten Haken,
Und ihm vorbei, ins weite Feld hinein,
Sie müssen wenden, jagen die Verfolger.
Nur einer kam nicht ab: der Solofänger.
Äugt er so scharf? Gab ihm der Tod Befehle?
Er hat den Lauf gemäßigt und nimmt rasch
Die Flucht des Angstgefegten wieder auf.
Nun ists vorbei, noch zwei und drei Sekunden,
Und hoch trägt er den Schächer uns entgegen,
Den furchtbar sein Gebiß im Nu gewürgt.

Einmal, an jenem Sommertag im Herbst,
Die Spinneweben banden alle Stoppeln,
Von fernen Wäldern schimmert blau herüber
Ein hold Geheimnis, trabten wir zusammen,
Das schöne Weib und ich. Ich selber führte
Den Solofänger und allein am Riemen;
Die andern lagen überhetzt im Stall.
Die junge Gräfin ritt an meiner Seite,
So dicht, daß sich die Pferde spielend bissen,
Daß sie sich meinem Sattel fast vertraute.
Und jene Wälder wollten wir erreichen,
Aus denen uns hold ein Geheimnis winkte.
Da fuhr ein Häschen auf, und hetz, hetz, hetz,
Laß ich vom Riemen los den Solofänger.
Wo blieb der Wald? Flog Amor scheu zurück,
Die Tränen mit den dicken Fäustchen haltend?
Und vorwärts ging die Jagd.
Der Hase flitzt, der Windhund hinterher,
Hier, dort, noch immer nicht, nun da,
Und weiter, immer weiter jagen wir.
Die Gräfin, auf der schlanken, edlen Stute,
War mir voraus, ich ließ es gern geschehn,
Denn mit Entzücken folgt' ich ihrem Schleier.
Plötzlich, halt an, der Hase ist verendet,
Und hinter ihm, kaum sind es fünfzehn Sprünge,
Streckt auch der Windhund sich, vom Schlag gerührt.
Wir von den Pferden. Und just zwischen beiden,
Hier liegt der Hase, dort der Solofänger,
Steht blaß wie Lakentuch die schöne Gräfin.
Sie steht, sie wankt, das Auge starr gerichtet
In Wahnsinnsängsten auf den Solofänger.
Und diesem tritt, nie werd' ich es vergessen,
Aus dem gebrochnen Blick ein mager Männchen
Und lacht uns hämisch an, und vor der Gräfin
Verbeugt er sich unendlich tief, und schwindet.
In meinen Armen hielt ich eine Tote.
Und nicht wie Blattgewispers leisen Ton
Hört' ich im Leben einen Hauch von ihr.
Seit jenem klaren Sommertag im Herbst,
Die Spinneweben banden alle Stoppeln,
Hab' ich mit Windhunden nicht mehr gehetzt.


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