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Für das Vaterland zu sterben, – wahrlich, das ist göttlich groß.
Und es nennen alle Freien es ein wünschenswerthes Loos.
Aber für ein Land zu sterben, das verachtend uns verstieß,
O unendlich rühmenswerther, edler, größer noch ist dieß.
Brecht denn aus der Zeiten Dunkel ihr Hochherzigen hervor.
Tretet aus der grauen Vorwelt an der Enkel Blick empor.
Die, gehöhnt ihr und vertrieben, und von Allen schwer verkannt,
Heldenkräftig habt gestritten fürs geliebte Vaterland.
Zahllos wie goldnen die Sterne schimmern in der Frühlingsnacht,
Wogte auf Morgartens Fluren Oestreichs sieggewohnte Macht:
Zählet wer die Helmesbüsche, die so hoch im Winde weh'n?
Zählet wer die kühnen Recken, die so dicht gereihet steh'n?
Und die wen'gen Eidgenossen schauen bang und ahnungsvoll,
Wie dem See entlang der Feinde Heerschaar unabsehbar schwoll.
Betend sinken sie darnieder vor Allvater in den Staub:
»Gib die erst so schwer errungne Freiheit nicht dem Feind zum Raub!«
Sieh da nahen fünfzig Aechter, fünfzig Männer stark und kühn.
Denen Allen kampfesmuthig ihre Heldenherzen glüh'n.
Alle find sie wohl bewehret und mit Waffen angethan.
Und der älteste von ihnen mannlich dieses Wort begann:
»Brüder! Eine That zu büßen, die des Landes Recht verhöhnt,
Ist uns – o der schweren Sühnung! – Heimat, Herd und Haus verpönt!
In dem Vaterland zu leben hindert uns Eu'r Machtgebot,
O so gönnt uns, Eidgenossen, für das Vaterland den Tod!«
Da erhebt sich Walter Fürsto – »Schande ihr für Eu'r Geschlecht
Wendet den verhaßten Rücken! Unsre Sache ist gerecht,
Und ihr sollt sie nicht beflecken, kämpfend unsern guten Spahn!
Unsre Hoffnung ist, der droben lenkt der Sterne stille Bahn.«
Und der Aechter Schaar bezwinget, was im treuen Herzen schlägt.
Zwingt den Schmerz, den ungeheuern, der in Aller Brust sich regt,
Fluchet nicht den harten Brüdern, trägt stillduldend sein Geschick,
Wendet schweigend seine Schritte, eine Thräne nur im Blick!
Herzog Leupolds stolze Schaaren nahen dem Gestad entlang.
Nahen sich voll Siegeshoffnung schon des Berges jähem Hang;
Todtenstille herrscht im Häuflein, das für seine Freiheit ficht.
Banger schlug da mancher Busen, blasser ward da manch Gesicht!
Mit Geschrei, das herzdurchschauernd aller Hörer Mark durchdringt.
Das die tiefste Schlucht durchdröhnet, und von Berg zu Berg sich schwingt.
Bricht das Heer der Oesterreicher auf die kühne Schaar hervor.
Die zu seinem wackern Kämpen sich der Freiheit Gott erkor.
Fest, wie ihre Brust die Klippe der empörten Brandung beut,
Steht der Eidgenossen Häuflein im ungleichen heißen Streit.
Manches stolzen Ritters Auge brach im wilden Todesschmerz,
Doch auch manches Eidgenossen Seele schwang sich himmelwärts!
Ob das Schwert des kühnen Hirten manche dichte Reih' auch brach,
Immer drängen racheschnaubend neue Feindesschaaren nach,
Auf dem Rumpfe des Gefallnen stets ein neuer Kämpe ficht,
Und des kühnen Hirtenhäufleins Kraft und Muth und Hoffnung bricht.
Siehe! von den Bergen nieder rollen Stämme groß und schwer,
Rollen in der Oesterreicher schon des Siegs gewisses Heer!
Siehe, von den Bergen nieder kommen Steine hergebraust,
Ha, wie schwinget sie so kräftig der verhöhnten Aechter Faust!
Schrecken reißt des edeln Herzogs oft erprobte, tapfre Reih'n,
Aengstlich suchet Jeder Rettung vor dem malmenden Gestein,
Unbeachtet schallt der Führer Ruf – die Ordnung wird Gewühl,
Viele finden in des Sees Wassern ihres Daseins Ziel!
Scheue Ritterrosse sprengen rückwärts in des Fußvolks Reih'n,
Und wie Wetterstrahl zermalmend dringt der Schweizer Schwert hinein.
Ringsum Tod, Geschrei und Röcheln! Ringsum würgt der Schweizer Schwert,
Bis das Heer des stolzen Leupolds hoffnungslos zur Flucht sich kehrt.
Also ward die Schlacht geschlagen! Und als frei die Wahlstatt war –
»Wo sind die verhöhnten Aechter?« – klang es durch die Siegerschaar!
»Unsre Arme sind euch offen, Groll und Feindschaft sind gesühnt!
Kommt! empfangt den Dank den eure Heldengröße hat verdient!«
Und sie nahen ernsten Schrittes! Bruder sinkt in Bruders Arm!
Wessen Busen hätte damals nicht geschlagen hoch und warm!
Freudig scholl des Dantes Jubel auf zu Gott, der Rettung gab,
Und auf die versöhnten Helden lächelt segnend er herab!
Vor seinem Haus zu Bürgeln saß sinnend Vater Tell;
Sein Arm war nimmer kräftig, sein Fuß war nimmer schnell.
Es hatten achtzig Winter die Kräfte ihm geraubt.
Sie hatten ihm gebeuget das sonst so stolze Haupt.
Er trug die Armbrust nimmer, er schwang das Schwert nicht mehr.
Es hingen graue Haare um seine Schläfe her.
Er sehnte sich von hinnen hinab ins kühle Grab,
Er streifte längst wohl gerne die morsche Hülle ab.
Er saß in Baumes Schatten, den er an jenem Tag
Gepflanzt, als seinem Pfeile des Geßlers Stolz erlag.
Er brach ihn jenes Tages, ein zarter, dünner Schoß –
Jetzt war's ein Baum geworden, der dichte Schatten goß.
Er saß so gerne drunter, der alte graue Held,
Es mahnte ihn sein Rauschen an alte Zeit und Welt,
Da sah im Geist er wieder, die einst auf Rütli's Flur
Mit ihm, das Land zu retten, gethan den heil'gen Schwur.
Da winkte ihm vom Himmel der edle Stauffach zu.
Da rief ihm Walter Fürsto: »Wie lang, Tell, weilest du?
O komm zu uns in Himmel! Wir sehnen uns nach dir!
Sieh', Attinghausen, Arnold, und Alle sind schon hier!«
Da mocht' er gerne sitzen, die Enkel um ihn her,
Die horchten so bedächtig des grauen Vaters Mähr',
Sie horchten ernst und schweigend wohl manche Stunde lang,
Sprach er von alten Zeiten, von Kampf und Schwerterklang.
Einst wälzte wild der Schächen der Wogen Schwall daher.
Vergebens baute ängstlich der Landmann Wehr auf Wehr:
Nichts mochte Schranken setzen des Stromes Riesenschritt;
Er wälzte Bäum' und Felsen, und manche Hütte mit!
Tell schaut besorgten Sinnes den wilden Wogen zu,
Sie hatten ihn geschrecket aus seiner süßen Ruh.
Da scholl durch's Thal hernieder ein greller Hülferuf,
Der wohl das Herz des Stärksten vor Schreck zu Eise schuf.
Und wie noch Jeder fragend den Andern treibt und stößt,
Da zeigt sich eine Mutter, die Haare aufgelöst.
Den Blick voll Angst erhoben zu des Erbarmers Thron,
Sie zeigt den wilden Schächen und drinnen ihren Sohn!
Da knieeten wohl Manche hin an des Ufers Rand,
Sie hoben auf zum Himmel die Herzen und die Hand;
Da rief wohl Mancher bebend: »Hat Keiner so viel Muth,
Den Knaben zu erretten aus dieses Wassers Wuth?«
Doch furchtsam bebte Jeder vor solcher That zurück.
Die Mutter hebt verzweifelnd zum Himmel ihren Blick;
Es tönt des Knaben Stimme nur schwach vom Wasser her,
Sie tönet schwach und schwächer, sie tönet gar nicht mehr!
Der Tell hat sich erhoben, der achtzigjähr'ge Held:
Wie könnte Tell noch feiern, wo solcher Nothruf gellt?
Er wirft sich in den Schächen mit jugendlichem Muth,
Er theilt mit kühnem Arme die ungestüme Fluth.
Doch sollt' ihm nicht gelingen sein großes Wagestück:
Es sollte hier sich schließen im Tod des Helden Blick.
Es öffnet sich der Himmel, es ruft der Engel Schaar:
»Willkommen, Tell, du Starker, der Aller Engel war!«
Wohl faßt er schon den Knaben, doch wie er ringt und schafft.
Er fühlt, es ist gebrochen des Armes letzte Kraft.
Noch Einen Blick voll Lächeln auf seinen Heimatort, –
Dann wälzten still die Wasser des Tellen Leiche fort!
So ist der Tell gestorben! Das war ein Eidgenoß!
Dem schlug ein Herz im Busen, das schlug unendlich groß!
Das schlug für alles Schöne, war ohne Falsch und Trug,
Das schlug für alles Große, für das ein Herz je schlug!