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Henry Wadsworth Longfellow.

Der Pfeil und das Lied.

Ich schoß einen Pfeil in die Lüfte froh,
Er fiel zur Erde, ich weiß nicht wo;
Denn er flog so schnell, daß mein Auge nicht
Ihm folgen konnt' in dem Meer von Licht.

Ich hauchte ein Lied in die Lüfte froh,
Es fiel zur Erde, ich weiß nicht wo;
Denn wessen Auge ist scharf genug,
Daß es folgen kann eines Liedes Flug?

In einem Eichbaum nach Jahren erblickt'
Ich wieder den Pfeil, noch ungeknickt;
Und das Lied von Anfang bis Ende fand
Ich im Herzen des Freundes festgebannt.

 

*

 

König Witlafs Trinkhorn.

Herr Witlaf, König der Sachsen,
      Hatt', eh er fiel in der Schlacht,
Den lustigen Mönchen von Croyland
      Sein goldnes Trinkhorn vermacht, –

Daß, so oft bei ihren Gelagen
      Der Becher machte die Rund',
Für die Seele des Gebers ein frommes
      Gebetlein spräche der Mund.

So saßen sie einst um Weihnacht,
      Und es kreiste der goldne Pokal;
Der Rothwein blinkt' in den Bärten,
      Wie Thau im Morgenstrahl.

Sie tranken der Seele Witlafs,
      Sie tranken Christo zu,
Und jedem der zwölf Apostel,
      Der Becher hatte nicht Ruh.

Sie dachten der Heil'gen und Märt'rer,
      Die große Wunder vollbracht.
Und so oft geleeret das Horn, ward
      Aufs Neu' eines Heil'gen gedacht.

Vom Pulte schnarrte der Redner,
      Als summten der Bienen viel,
Die Legende vom guten Sankt Guthlac,
      Die Homiljen des heil'gen Basil;

Bis die großen Glocken des Klosters
      Angaben mit eherner Macht,
Guthlac und Bartholomäus,
      Die Stunde der Mitternacht.

Und der Jul-Klotz knackt' im Kamine,
      Und der Abt keinen Gruß mehr bot,
Und flackernd flirrten die Flämmlein,
      Doch der Abt war starr und todt.

Noch mit den bleichen Fingern
      Umschloß er den Becher von Gold,
In den, wie eine Perle,
      Hinab seine Seele gerollt.

Doch den lustigen Mönchen machte
      Der Vorfall wenig Beschwer;
»Füllt den Becher!« schrien sie, »wir trinken
      Jetzt zu einem Heiligen mehr!«

 

*

 

An die »Sturmwolke«.

Finster blickst du und grimm, o Häuptling der mächt'gen Omahas;
Finster und grimm, wie die Wolke des Sturms, nach der du genannt bist!
Eingehüllt in die Decke von Scharlach, durchstapfst du die engen,
Volkreichen Straßen der Stadt, wie einst am Rande des Flusses
Seltsame Vögel stolzirten, von denen Nichts als die Spur blieb.
Was bleibt über ein Weilchen von deinem Geschlecht, als die Spur noch?

Wie magst die Stadt du durchgehn, der durchschritten das hohe Prairiegras?
Wie hier athmen die Luft, der geathmet den Würzhauch der Berge?
Ach! vergebens mit herrischem Blick der Verachtung erwiderst
Du die Blicke des Hohns, und verlangst den Boden als Jagdgrund,
Wo Steinhäuser nun stehn, indeß in Europas Mansarden
Tausende wimmern um Brot, und stöhnen, daß sie auch geboren,
Erben der Erde zu sein, und ihr Theil am Glücke verlangen!
Auf denn! kehre zurück in dein Waldreich, westlich vom Wabash!
Dorten regierst du als Fürst. Es bestreuen die Blätter des Ahorns
Deines Palastes Teppich im Herbste mit Gold, und im Sommer
Würzt seine Hallen balsamischer Hauch von den Zweigen der Fichte.
Dort bist stark du und groß, ein Held, ein Zähmer der Rosse!
Dorten jagst du den stattlichen Hirsch an den Ufern des Elkhorn,
Oder am donnernden Felskatarakt, und wohin der Omaha
Sonsten dich ruft, durchstürmend die Schlucht, der verwegene Schwarzfuß!

Horch! welch Murmeln entsteigt dem Herzen der bergigen Wildniß?
Ist es der Schrei der Füchse und Krähn, und des mächt'gen Behemoth,
Dem die Blitze dereinst geschädigt nicht seine Hauer,
Und der tückisch Verderben nun sinnt dem Geschlechte der Rothhaut?
Unheilvoller für dich und die Deinen, als Krähen und Füchse,
Unheilvoller für dich und die Deinen, als alle Behemoths,
Siehe! das Donner-Kanoe, das entgegen dampft des Missouri's
Brausender Strömung! und dort die Lagerfeuer, erglühend
Fernhin durch die Prairien; und die Wolke von Staub in dem Taggraun,
Nicht bezeichnend die Spur des Büffels, noch hurtiger Mustangs,
Sondern den Wanderzug der Weißen durchs Reich der Camanches!
Ha! wie der Odem der Sachsen und Celten, gleich Stürmen des Ostwinds,
Immer weiter gen West hinjagt den Rauch deiner Wigwams!

 

*

 

Der flüchtige Negersklave.

Der Neger lag im Irrlichtsumpf,
      Und vor ihm flackerten hell
Die Lagerfeuer am Weidenstumpf;
Oft hört' er Rossegetrampel, und dumpf
      Des Bluthunds fernes Gebell.

Wo der Glühwurm scheint und die Irrwischflamm'
      In Farren- und Bilsenkraut;
Wo die Tann' umkleidet der feuchte Schwamm,
Wo die Zeder ragt, und der Rebenstamm,
      Gefleckt wie der Schlange Haut;

Wohin kein menschlicher Fuß sich verlor,
      Wo der giftige Nebel schwillt:
Auf den zitternden Grund im finstern Moor
Duckt' er sich hinab in das wuchernde Rohr,
      Wie in sein Lager das Wild.

Ein armer Sklave! vom Peitschenschlag
      Geschändet der Tyrannei;
Auf die Stirne gebrannt das Mal der Schmach,
Und ein Lumpengewand um den Körper lag,
      Des Elends düstre Livrei.

Um ihn war Alles licht und schön,
      Und Alles war frei und froh;
Eichhörnchen tanzten auf Baumeshöhn,
Und Vögel erfüllten die Luft mit Getön,
      Das jubelnd aufwärts entfloh.

Auf ihn nur fiel das Loos der Pein,
      Seit er ans Licht gebracht;
Auf ihn nur blitzte der Fluch des Kain
Hinab, und schmetterte ihn allein
      In ewige Schmerzensnacht.

 

*

 

Warnung.

Habt Acht! Gedenkt des Helden, der im Spiel
      Den Leu'n zerrissen – Dann, in Kerkershaft,
Als ihm kein Lichtstrahl mehr ins Auge fiel,
      Durch schnöden Trug beraubt der edlen Kraft,
Verdammt zur Frohn, gehänselt endlich gar
Beim Fest von schwelgender Philisterschaar –

Legt' an des Tempels Säulen er mit Wuth
      Verzweiflungsvoll die Hand, und gab den Tod
Sich selbst und Denen, die mit kaltem Blut
      Hohn sprachen seiner augenlosen Noth;
Der arme Sklave, deß gespottet All',
Zermalmte Tausende in seinem Fall.

Ein blinder Simson weilt auch hier im Land,
      Beraubt der Kraft, in ehrner Fesseln Bann,
Der beim Gelag erheben einst die Hand
      Und dieses Staates Bau erschüttern kann,
Bis unsrer Freiheit Tempel, stolz gefügt.
In Schutt und Trümmergraus am Boden liegt.

 

*

 

Der »Cumberland«. Der »Cumberland« war bekanntlich das erste Schiff, das von dem eisengepanzerten Rebellenschiffe »Merrimack« im Gefechte bei Fort Monroe im Frühjahr 1862 angegriffen und zerstört ward, da es sich nicht ergeben wollte. Es sank mit wehender Flagge in die Tiefe hinab

Wir lagen vor Anker zu Hampton Roads
      An Bord des Rennschiffs »Cumberland«;
Oft von der Feste meerüber droht's
      Von kriegrischer Trommeln Gedröhn
      Oder Horngetön
Aus dem Lager am Strand.

Dann plötzlich gen Süden erscholl ein Pfiff,
      Eine Säule erhob sich von weißem Rauch,
Und wir wußten, der Feinde ehrnes Schiff
      Kam heran, zu bestehn in der Schlacht
      Des unseren Macht
Mit dem eichenen Bauch.

Langsam nähert sich, ernst und stumm,
      Die schwimmende Festung, das schwarze Boot.
Dann jählings dröhnt der Kanonen Gebrumm,
      Und es fährt aus jeglichem Schlund
      Mit feurigem Mund
Der schreckliche Tod.

Wir stehn nicht müßig, wir senden ihm jach
      Eine volle Lage mit Jubellaut!
Doch wie Hagel abprallt vom Schieferdach,
      Wirft unsern Hagel zurück
      Jed' Schuppenstück
Der gepanzerten Haut.

»Streicht eure Flagge!« schreit der Rebell
      In der frechen alten Plantagenweis'.
»Nimmer!« spricht Morris stolz zur Stell';
      »Lieber den Tod als die Schmach!«
      Und ein Hurrah durchbrach
Der Kämpfenden Kreis.

Dann, wie ein Drache, mit wilder Wuth
      Zermalmt' unsre Rippen der ehrne Koloß,
Der »Cumberland« versank in die Fluth,
      Sein trotziger Sterbehauch
      Der Kanonen Rauch,
Da zum Grund er schoß!

Als wieder das Frühroth herniederbrach,
      Unsre Flagge noch schwebt' am gesunknen Mast.
Herr! wie so herrlich war dein Tag!
      Rings in den Lüften es weht'
      Wie ein sanftes Gebet
Für der Seligen Rast.

Ihr tapfern Herzen am Meeresgrund,
      Ihr schlaft in Frieden nach heldiger That!
Du Land, dem solche Mären kund:
      Dein Banner, zerfetzt und zerhaun,
      Sollst du ganz wieder schaun,
Und ohn' eine Naht!

 

*

 


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