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So viel über die Gefangennahme, die Verurtheilung und den Tod des Duc d'Enghien geschrieben worden, so viel Erklärungen, Protestationen der dabei angeschuldigten Personen im Laufe der folgenden Jahrzehnte, wo es erlaubt und vielleicht Pflicht war, über das dunkle Ereigniß sich zu äußern, abgegeben und erschienen sind, ist doch noch heute der Tod des jungen Prinzen mit fast eben so viel Geheimniß, Dunkel und Zweifel umhüllt, als der später und unter ganz andern Verhältnissen erfolgte seines greisen Vaters, des Herzogs von Bourbon-Condé, den wir in einem frühern Theile unseres Pitavals brachten. Bei Prüfung der unzähligen Enthüllungen und Rechtfertigungen findet man, wenn man sich für eine Darstellung, die den Stempel der Wahrheit zu tragen scheint und durch neue Aussagen unterstützt wird, entscheiden möchte, doch wieder solche Widersprüche, das wir auf das Feld des Zweifels zurückgeworfen werden.
Der Hauptzeuge, weil er der unleugbare Urheber der That ist, ist selbst in einem solchen Widerspruche begriffen. Napoleon sagt in seinem Testamente:
»Ich ließ den Duc d'Enghien arretiren und verurtheilen, weil dies nothwendig war für die Sicherheit, das Interesse und die Ehre des französischen Volkes; als ... geständlich sechszig Meuchelmörder in Paris unterhielt. Unter ähnlichen Umständen würde ich wieder so handeln.«
Aber Napoleon hat an anderm Orte auch folgende Worte gesprochen: .
»Der Tod des Duc d'Enghien wird Denen zum ewigen Vorwurfe gereichen, welche, von einem sträflichen Eifer fortgerissen, nicht die Befehle ihres Souverains abwarteten, um das Urtheil der Militaircommission zu vollziehen.«
Einer der letzten Berichterstatter, der alle Publicationen verglichen hat und dessen Documentalmittheilungen wir benutzen, sagt, daß er nach der ernstesten Erwägung und Prüfung derselben nicht einmal die Frage: Ob die Verhaftung und Verurtheilung des Prinzen von Napoleon befohlen, die Ausführung aber von übereifrigen Dienern übereilt worden? mit Bestimmtheit bejahen und verneinen könne.
Die politische Frage werden wir erst im nächstfolgenden, dem großen Georges Cadoudal'schen Processe berühren, in den der gegenwärtige nur als eine Episode hineinspielt, aber eine Episode, welche als prägnantes Nachtstück dermaßen in der europäischen Geschichte heraustritt, daß wir, ihr als Factum den Vortritt lassen, mit ihren Räthseln und Zweifeln; die von dem neuesten Historiker versuchte Erklärung wird dann in jenem Processe folgen. Ein eigentlicher Criminalproceß lag hier so wenig zum Grunde, als in dem nächstnachfolgenden Falle aus dem amerikanischen Freiheitskriege; es war ein Act der Gewalt, das Recht des Stärkern, ausgeübt über den Schwächern, ein, politischer Mord – mit oder ohne dringende Motive – aber auch diese uneigentlichen Criminalfälle gehören in unsere Sammlung (wie wir das Beispiel aller bisher erschienenen ältern der Art für uns haben), in sofern die Machthaber für ihre That gesetzliche Formen gesucht haben. Wenn uns oft in ganz andern Fällen, wo diese weit strenger beobachtet scheinen, ein inneres Grauen bei der stillen Ueberzeugung überschleicht, daß die Gewalt im Voraus das Urtheil sprach und erst nachher nach Gründen, Regeln, Formen suchte, so erscheint ein Kriegsgericht, von dem wir im Voraus wissen, daß es verdammen soll, minder furchtbar. Die That, von der Notwendigkeit oder der Willkür geboten, zieht ein Kleid an, in dem sie vor der Welt erscheinen kann, ohne zu fürchten, aus der Thür hinausgeworfen zu werden, als unanständig, gesetzlos, verworfen. Wir weisen den nur zu oft uns antretenden Zweifel überhaupt von uns, ob alle Handhabung unserer Strafgerechtigkeit nicht die Willkür, das Recht des Stärkern über den Schwachem, zum Grunde habe? Die Gewalt des Sittlichen zeigt sich aber schon darin, wo wir für den Willen eine Form, ein Gesetz suchen; darum ist es für die Geschichte der Humanität interessant, auch die Uebergange im Auge zu behalten, von den rohesten Anfängen, wo die Willkür nach einem Scheine des Rechtes sucht, bis zu den Formen eines möglichst vollständigen Rechtszustandes im Frieden einer durchgebildeten Nation. Auch ein Kriegsgericht, wo der Angeschuldigte schon im Voraus verurtheilt ist, wo er aber befragt wird, Rede und Antwort stehen muß, wo zuweilen ein Vertheidiger für ihn sprechen darf, wo also die Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen bleibt, daß eine Wendung für ihn eintreten kann, welche ihn rette, ein Wendung für ihn eintreten kam, welche ilin rette, ein solches Kriegsgericht ist schon ein Schritt weiter, ein sich Beugen vor einer sittlichen Macht, gegen das Willkürgebot des Tyrannen, der den Verurtheilten im Kerker erdrosseln läßt. Selbst die Hinrichtung mit militairischen Formen ist eine Appellation an den freien Himmel, unter dessen Gewölbe sie geschieht, ein Zugeständnis eine Gunst, ein Recht mehr für die Verurtheilten, als wenn sie in den niedrigen, finstern Höhlen des Markuspalastes ohne Zeugen, die ihre letzten Seufzer hörten, erdrosselt oder, die Schwelle hinab, in den schwarzen Canal gestürzt wurden. Waren nicht selbst jene spanischen Kriegsgerichte, wo der General an die Verurtheilten die einzige Frage richtete: »Bist du es, den ich Verdammt habe?« und wenn es bejaht würde, schmetterten ihn die Kugeln nieder, ein Schritt zur Gesetzlichkeit, nach der wir ringen? Wenigstens die Identität des Angeschuldigten mit dem Verdammten sollte feststehen! Und selbst diese, nur die erste natürlich scheinende Anforderung, wird nicht auch sie in der Hitze der Wahn- und Parteienkämpfe übersehen!
Der Herzog von Enghien hatte sich im Jahre 1801, nachdem die Condé'sche Armee aufgelöst war, in Ettenheim, im Breisgau, zur Ruhe gesetzt. Er war damals 29 Jahre alt, und hatte vielfache Beweise seines militairischen Talentes und seines Muthes im Kriege abgelegt. Seinen Aufenthält dort in der Nähe des Rheins hatte er mit Zustimmung des Cardinals von Rohan und der Menschen Regierung gewählt. Er lebte daselbst in einer zärtlichen Verbindung mit der Prinzessin Charlotte von Rohan-Rochefort.
Daß der Aufenthalt eines so beliebten und kühnen jungen Prinzen aus dem Hause der Bourbonen, dicht an der französischen Gränze, dem ersten Consul, dessen Blicke schon auf Frankreichs Kaiserkrone gerichtet waren, unbequem sein mußte, versteht sich von selbst. Sein Argwohn ward aber noch durch andere Umstände genährt.
In den Jahren 1803 und 1804 waren bedeutende Verschwörungen, theils republikanische, theils royalistische, gegen Napoleon's Leben oder gegen die Sicherheit des Staates entdeckt worden: die Höllenmaschine, der beabsichtigte Meuchelmord des ersten Consuls in der Oper, die Verschwörungen bei Gelegenheit des Concordates und endlich die noch schwebende von Moreau, Pichegru und Georges Cadoudal.
Bei Georges waren bedeutende Summen gefunden worden. Dieser Fund deutete darauf, daß das Unternehmen von weiter her und von hohen Personen unterstützt worden; denn es war augenfällig keine Verschwörung zu Gunsten der Republik. Aller Augen blickten vielmehr auf die Bourbonen, als die wahrscheinlichen Urheber.
Man sagte es dem ersten Consul, und der erste Consul sagte es sich selbst, daß es, wie damals die Dinge standen, ganz unmöglich sei, daß man ein so kühnes, weitaussehendes Unternehmen gewagt haben würde, wenn die Parteien und Verschworenen sich nicht um das Haupt eines Prinzen aus der Familie zu versammeln hoffen durften. Ja mehr noch; auch nach den Aussagen aller Verhafteten standen diese, oder glaubten zu stehen, unter dem Commando eines solchen, der in Frankreich erwartet ward. Welcher Prinz und woher dieser kommen werde, war unbestimmt, aber auf diesen Prinzen war Napoleon's ganze Aufmerksamkeit, sein Ingrimm im Voraus gerichtet.
Anfangs ging die Vermuthung auf einen der in London befindlichen Bourbonen, zumeist auf den Herzog von Berry, und daß er über See, auf einem Schleichhändlerwege durch die Normandie nach Paris kommen werde. Aber er kam nicht daher, er kam überhaupt nicht; er saß ruhig in London. Die andern Bourbonen saßen eben so ruhig in Warschau, wenig geeignet und geneigt zu verwegenen Unternehmungen. Nur die jüngern Condés schienen dazu geeignet, und wer unter ihnen zumeist, als der Herzog von Enghien, der jung, muthig, kriegserfahren, noch im englischen Solde, so nahe der französischen Gränze lebte? Statt über das breite Meer brauchte er nur über die Schiffbrücke von Straßburg zu gehen und er stand in Frankreich.
Eine Menge ungünstiger Umstände sprachen für diese Vermuthung. Es war in einer mysteriösen Verborgenheit, daß d'Enghien sich an den Ufern des Rheins aufhielt. Sein Muth, sein entschlossener Charakter, sein Ehrgeiz sollten sie ohne Träume und Plane sich bei Jagd und Liebe genügen lassen? Die Aussagen zweier Unteragenten Georges Cadoudal's hatten dazu einen Verdacht auf eine Verbindung zwischen diesem und dem jungen Prinzen geworfen, ohne daß sie bestimmte einzelne Thatsachen angeben können.
Der erste Consul wollte Gewißheit haben, er befahl, daß Jemand nach Ettenheim gesandt werde, um sich von dem Leben, den Verbindungen Enghien's zu unterrichten. Der dazu erwählte Agent war ein Unterofficier, der ehemals beim Prinzen von Condé in Diensten gestanden, daher den Prinzen kannte. Er schlich verkleidet bis in das innerste Hauswesen desselben, er sprach seine Domestiken und erfuhr Dinge, die für seine Fassungskraft verdächtig und überzeugend schienen. Man nimmt an, daß er schon in Straßburg erfahren, wie d'Enghien alle Woche incognito in diese Stadt komme, um das Theater zu besuchen. Ja es kam eine Andeutung, daß er sich früher, unter dem Directorium und als Bernadotte Kriegsminister war, verkleidet bis Paris gewagt habe. Der Agent zog den Schluß: Wer sich so großen Gefahren aussetzt, blos um das Theater zu besuchen, hat auch keine Furcht, dasselbe um größere Interessen zu wagen. Aber das Gefährlichste war (dies nach Thiers, Mittheilungen), daß der Unterofficier von den Leuten im Hause erfuhr: daß d'Enghien einen Mann bei sich habe, den man für weit bedeutender halte, als ihn selbst. Der Agent hörte seinen Namen, aber aus dem Munde der deutschen Dienerschaft. In der schwäbisch-pfälzischen Aussprache des Namens Thümery wurde daraus für das Ohr des französischen Unterofficiers der ihm wohl bekannte Name Dumouriez.
Voll Eifer für seine Entdeckung und mit der Ueberzeugung, daß der Prinz mit Georges in Verbindung gestanden, eilte der Agent nach Paris zurück und überreichte einen bündigen Bericht: der Duc d'Enghien führte ein geheimnißvolles Leben; er empfing eine große Anzahl Emigrirter, welche sich von Offenburg aus bei ihm vereinigten, darunter, und der täglich bei ihm war, der berühmte, misvergnügte Dumouriez. Der Prinz war oft ganze Tage, zuweilen bis acht Tage, von Hause fort, ja ein Mal bis 10 oder 12 Tage, ohne daß Jemand wußte, wo er die Zeit verbrachte. Er mußte in der Zwischenzeit in Paris gewesen sein!
Man nimmt aus allen Ermittelungen an, daß diese Vermuthungen und angeblichen Thatsachen falsch gewesen, daß der Prinz nicht allein die Reisen, welche man ihm beimaß, nicht gemacht, sondern daß ihm selbst die Existenz einer Verschwörung unbekannt gewesen. Kein Umstand leitet wenigstens auf das Gegentheil.
Napoleon aber glaubte, oder wollte glauben; das Nähere über das Warum im folgenden Processe. Hier nur Folgendes: Am 10. März war der Bericht des Agenten in Paris eingelaufen. Am selben Tage hätte (Thiers zufolge) erst die damit übereinstimmende Aussage Léridant's, des Georges'schen Dieners, stattgefunden. Sie lautete im Wesentlichen: Ja, es besteht ein Complot. An der Spitze desselben steht ein Prinz. Dieser Prinz wird ankommen, oder ist schon angekommen. Léridant glaubte Letzteres: er hatte einen jungen, wohlerzogenen, gutgekleideten Mann zu Georges kommen sehen; er war der Gegenstand allgemeiner Ehrerbietung gewesen.
Beide Berichte kommen zu gleicher Zeit an Napoleon. Seine Phantasie, heftig durch das Vorangehende aufgeregt, war dies Mal mächtiger, als sein durchdringender Scharfblick. Er combinirte statt zu trennen. Der junge, ehrerbietig empfangene Mensch konnte kein aus London gekommener Prinz sein, denn durch seine Spürhunde und Wächter wußte er, daß derselbe auf dem einzigen Wege über die Normandie nicht angelangt war. Es konnte nur der Duc d'Enghien sein, der in 48 Stunden von Ettenheim nach Paris kommen und nach kurzem Zwiegespräch mit den Verschworenen in gleicher Frist wieder nach Ettenheim zurückkehren konnte. Dumouriez's Anwesenheit bei diesem drückte der Sache das Siegel auf. Wie der Graf von Artois oder der Herzog von Betry mit Pichegru durch die Normandie, sollte Enghien mit Dumouriez durch den Elsaß eintreffen, links und rechts die Bourbonen geführt durch zwei alte, berühmte Generale der untergehenden Republik!
Napoleon wäre, nach Thiers, in der heftigsten Aufregung gewesen. Den Staatsrat Réal, der den Georges'schen Proceß leitete, hätte er mit den bittersten Vorwürfen empfangen, daß er Umstände von der Wichtigkeit nicht früher in Erfahrung gebracht. Sein Entschluß war gefaßt, d'Enghien ausheben zu lassen, von dem ihn nicht das Meer, nur der Rhein und die Rücksichten gegen einen fremden Souverain trennten.
Er berief die Consuln, die Minister, Fouché, ließ Karten vom Rhein bringen, um den Entführungsplan sofort zu entwerfen. Diese Berathung schildert Thiers nach dem Berichte eines Augenzeugen so:
»Der Gedanke, den Prinzen und den General Dumouriez zu entführen, ohne sich um die Verletzung des deutschen Gebietes zu bekümmern, der Form wegen jedoch eine Entschuldigung an den Großherzog von Baden zu richten, wurde sogleich vorgelegt. Der erste Consul verlangte die Ansichten, aber mit allem Anscheine eines bereits, gefaßten Entschlusses. Die Einwendungen hörte er jedoch geduldig an. Sein College Lebrun schien vor dem Eindrucke zu erschrecken, den ein solcher Vorgang in Europa machen werde. Der Consul Cambacérès hatte den Muth, sich dem vorgelegten Gutachten offen zu widersetzen. Er bemühte sich, zu zeigen, wie gefährlich ein solcher Entschluß sowol in Bezug auf das Inland, als in Bezug auf das Ausland sei, und in welchem gewaltthätigen Lichte er die Regierung des Erstens Consuls erscheinen lassen müsse. Insbesondere hob er folgende Rücksicht hervor: einen Prinzen aus königlichem Geblüte verhaften, verurtheilen, erschießen, würde, selbst wenn er innerhalb des französischen Gebietes auf frischer That betroffen worden, noch höchst bedenklich sein; ihn aber auf fremdem Boden holen, heiße, abgesehen von der Gebietsverletzung, ihn ergreifen, während er allen Anschein der Unschuld für sich habe, und sich selbst allen Anschein eines abscheulichen Misbrauchs der Gewalt zuziehen. Er beschwor den ersten Consul, um seines persönlichen Ruhmes, um der Ehre seiner Politik willen, sich nicht eine Handlung zu erlauben, die seine Regierung wieder mit den revolutionairen Regierungen auf gleiche Stufe setzen werde, von denen sich zu unterscheiden er so sehr bemüht gewesen sei. Mit einer Wärme, die bei ihm ungewöhnlich war, wies er wiederholt darauf hin und schlug als Mittelweg vor, so lange zu warten, bis jener Prinz, oder irgend ein anderer, auf französischem Gebiete ergriffen werde, dann aber die damaligen Gesetze in ihrer ganzen Strenge auf ihn anzuwenden. Dieser Antrag drang nicht durch. Man antwortete ihm, es sei nicht zu erwarten, daß der Prinz, der durch die Normandie oder über den Rhein habe einschleichen sollen, sich noch sichern, unvermeidlichen Gefahren aussetzen werde, nachdem Georges und alle Agenten der Verschwörung bereits verhaftet seien. Hole man den, der zu Ettenheim sei, so nehme man überdies auch seine Papiere und seine Helfershelfer mit, erlange dadurch Beweismittel, die seine Strafbarkeit darthun würden, und auf den gewonnenen Augenschein gestützt, könne man dann mit Strenge verfahren. Geduldig zu leiden, Haß die Emigranten unter dem Schutze eines fremden Gebieters an den Thoren von Frankreich Verschwörungen betrieben, heiße ihnen die allergefährlichste Straflosigkeit bewilligen; die Bourbonen und ihr Anhang würden tagtäglich wieder anfangen und statt ein Mal müsse man zehn Mal strafen, während man, nachdem ein Hauptschlag gethan worden, wieder auf das, dem ersten Consul natürliche System der Milde zurückkehren werde. Die Royalisten bedürften einer Warnung, und was die Gebietsfrage anlange, so müsse man den kleinen deutschen Fürsten eine Lection ertheilen, wie aller Welt, und man leiste überdies dem Großherzoge von Baden einen Dienst, wenn man den Prinzen nehme, ohne ihn darum zu fragen, denn es würde ihm unmöglich sein, einer Macht, wie Frankreich, seine Auslieferung zu verweigern, für deren Bewilligung würde er aber von Europa in den Bann gethan werden. Man fügte schließlich hinzu, am Ende handele es sich doch auch nur darum, die Person des Prinzen, seine Mitschuldigen und seine Papiere zu erlangen, nachher werde man sehen, was zu thun sei, wenn man ihn habe und wenn die Beweise und der Grad seiner Schuld geprüft worden seien.
»Der erste Consul hörte kaum darauf, was für oder gegen gesagt wurde; er hörte darauf, wie ein Mann, der seinen Entschluß gefaßt hat. Keiner konnte sich rühmen, auf seine Entscheidung Einfluß geübt zu haben. Er schien jedoch Herrn Cambacérès seinen Widerstand nicht übel zu nehmen. Ich kenne den Beweggrund, der Sie zum Reden bringt, sagte er; es ist Ihre. Ergebenheit für mich. Ich danke Ihnen dafür, aber ich will mich nicht tödten lassen, ohne,,mich zu wehren. Ich werde jene Leute zittern machen und sie lehren, sich ruhig zu verhalten.
»Der Gedanke, die Royalisten in Schrecken zu setzen, sie zu lehren, daß sie einen Mann wie ihn nicht ungestraft angreifen, ihnen zu zeigen, daß das geweihte Blut der Bourbonen in seinen Augen nicht mehr gelte, als das jedes andern erlauchten Mannes der Republik; dieser Gedanke und andere noch, an denen Berechnung, Rache, Stolz auf seine Macht gleichen Antheil hatten, rissen ihn mit Gewalt fort.«
In Berthier's Gegenwart schrieb Napoleon die Befehle für die Obristen Ordener und Caulaincourt nieder. Schon am 11. März 1804 erhielt Ordener den seinen, Paris auf der Stelle zu verlassen und sich mit Extrapost, so schnell als möglich, ohne irgend einen Aufenthalt nach Straßburg zu verfügen. Von da sollte er sich über den Rhein nach Ettenheim begeben, den Ort von allen Seiten bewachen lassen und den Duc d'Enghien aufheben. Caulaincourt sollte nach der Aufhebung sich an den badenschen Hof verfügen, um ihm eine Note mit Erklärung über die eben begangene Handlung zu überreichen. Der Inhalt derselben verstand sich von selbst, der erste Consul habe so handeln müssen, weil man die Sammlung der Emigranten an der Gränze geduldet und die Notwendigkeit, rasch und geheim zu handeln, habe es unmöglich gemacht, die badensche Regierung vorher davon zu unterrichten.
In Straßburg angelangt, sandte Ordener einen Commandanten der Gensdarmerie, Namens Charlot, und einen Quartiermeister desselben Corps nach Ettenheim. Verkleidet und unter falschen Namen sollten sie die Zugänge zur Wohnung des Prinzen auskundschaften und sich zu unterrichten suchen, ob derselbe im Falle eines Angriffs sich wol zu vertheidigen die Lust und die Mittel hätte.
Die Anwesenheit Beider in Ettenheim erregte jedoch Verdacht. Ein ehemaliger Officier der Condé'schen Armee, Namens Schmidt, erhielt den Auftrag, die verdächtigen Fremden zu sondiren. Dem Quartiermeister Pferdsdorf gelang es indessen, Schmidt zu täuschen, der mit der Versicherung zurückkehrte, man habe von beiden Unbekannten durchaus nichts zu fürchten.
Inzwischen war auch schon ein Oberofficier aus der Consulargarde heimlich nach Ettenheim geschickt, um die militairischen Arrangements einzuleiten.
Der Duc d'Enghien hatte den ganzen 14. März auf der Jagd verbracht. Der beschwichtigende Rapport welchen Schmidt gemacht, hatte merkwürdiger Weise auf den jungen, kühnen Prinzen, der der Gefahr überall ins Auge blickte, eine ganz andere Wirkung. Man weiß nicht, daß er besondere Gründe zum Argwohn hatte, aber wie von einer bösen Ahnung getrieben, die in ähnlichen Fällen so oft vorgekommen und die abzuleugnen vergebene Mühe wäre, faßte er plötzlich den Entschluß, Ettenheim schon am nächstfolgenden Tage zu verlassen.
Es war zu spät. In der folgenden Nacht, auf den 15. März, etwa gegen 1 Uhr Morgens, war das Haus, in welchem der Prinz wohnte, von allen Seiten umstellt. Er hatte sich eben zu Bette gelegt, als ihm gemeldet ward, daß man verdächtiges Geräusch um das Haus herum vernehme. Im Augenblick sprang er auf, und wie er war, im bloßen Hemde, ergriff er eine Flinte, sein Kammerdiener eine zweite; so, entschlossen, sein Leben theuer zu verkaufen, reißt er das Fenster auf und ruft hinaus: »Wer ist da?«
Charlot, der Commandant der Gensdarmen, gab draußen eine Antwort, worauf d'Enghien anlegte und Feuer geben wollte. Aber ein schon ins Zimmer gestürzter Officier legte Hand an den Lauf der Flinte und verhinderte ihn zu schießen, indem er ihn versicherte, aller Widerstand sei umsonst.
Eine kurze Berathung scheint im Zimmer darauf stattgefunden zu haben. Einer seiner anwesenden Officiere, ein Baron von Grünstein, soll dem Prinzen, auf dessen Verlangen(?) – das Versprechen gegeben haben, wenn man den Duc d'Enghien fordere, sich selbst zu nennen. Während er abgeführt würde und bis die Entdeckung stattfinde, hoffte man, werde es dem Prinzen gelingen zu entschlüpfen.
In aller Hast zog d'Enghien Hosen an und einen kurzen Jagdrock. Aber ehe er noch Zeit hatte die Stiefeln anzuziehen, trat schon der Commandant Charlot mit mehren Gensdarmen ein, die Pistolen in der Hand fragte er: »Wer ist der Prinz?«
Alle blieben stumm; auch der Baron Grünstein hatte sein Versprechen vergessen. Der Commandant wiederholte seine Frage dringender. Man schwieg. Da antwortete der Prinz selbst:
»Wenn Sie kommen, um ihn zu arretiren, müssen Sie doch sein Signalement haben. Suchen Sie ihn sich selbst heraus.«
Die Gensdarmen hatten kein Signalement. Die bourbonische Abkunft muß dem Prinzen nicht auf der Stirn gestanden haben. In ihrer Verlegenheit, da auch nicht einmal die Ahnung ihnen half, schritten sie dazu, die Anwesenden insgesammt zu verhaften. Alle wurden demnächst nach der Citadelle von Straßburg geführt, wo der Prinz muthmaßlich bald herauserkannt ward, doch zuvor einen Theil seiner Baarschaft unter seine Diener zu vertheilen Gelegenheit gefunden hatte. Nach Thiers, der über diese Katastrophe kurz hinweggeht, hätte sich der Prinz Denen, die ihn suchten, selbst genannt.
Man hatte einen Bericht nach Paris geschickt; beigefügt waren sämmtliche Papiere des Prinzen. Aber sie enthielten nichts von den wichtigen Dingen, die man daraus zu ersehen gehofft, nur einen eigenhändigen Brief seines Vaters aus England, in welchem er dem Sohne Vorwürfe macht, daß er, wie man vernommen, in Straßburg gewesen oder gar vielleicht in Paris; das heiße unnütz sein Leben und seine Freiheit aufs Spiel setzen. »Obwol der Standpunkt, auf dem er sich befinde, ihnen (den Bourbons) höchst nützlich werden könnte,« sei er doch zu nahe; er solle sich in Acht nehmen. Statt des wichtigen Generals Dumouriez hatte man den unwichtigen Marquis von Thumery ergriffen und noch einige gleich unbedeutende Emigranten.
Gar keine Beweise, nicht einmal Indicien, aber ein Gefangener, und ein unter solchen Umständen Gefangener, daß Frankreich, Europa, die Welt, auf die ungewöhnliche Rechtsverletzung ein ungewöhnliches Gericht und ein Siegel auf die That erwarten mußte, welches sie rechtfertigte, auf diese oder jene Weise. Thiers läßt Napoleon von folgenden Betrachtungen im Kreise seiner Nächsten ergriffen sein:
»Nun habe man einen von den Prinzen von Bourbon, die so leicht damit bei der Hand seien, Complote anzuordnen, und Unbesonnene und Thoren stets bereit fänden, sich mit ihnen zu gefährden. Man müsse ein schreckliches Exempel an ihm statuiren oder sich darauf gefaßt machen, ein Lächeln der Verachtung bei den Royalisten zu erregen, wenn man den Prinzen, nachdem man ihn einmal entführt, nun wieder loslasse. Diese würden nicht ermangeln zu sagen, nachdem man sich meiner Unbesonnenheit schuldig gemacht und ihn aus Ettenheim holen lassen, habe man vor der öffentlichen Meinung, vor Europa Furcht gehabt, mit einem Worte: man habe den Willen, aber nicht den Muth zu einem Verbrechen besessen. Statt Lachen, sei es besser, Zittern bei ihnen zu erregen. Dieser Prinz habe sich denn doch in Ettenheim, so dicht an der Gränze, unter solchen Verhältnissen wahrscheinlich nicht ohne irgend einen Beweggrund befunden. Ob es wol möglich sei, daß er, gewarnt, wie er es war (dies bewiesen die bei ihm vorgefundenen Briefe), ohne allen Zweck der Gefahr so nahe geblieben? daß er nicht in irgend einem Grade an dem Mordplane mitschuldig gewesen? Jedenfalls habe er sich ganz gewiß in Ettenheim befunden, um eine Bewegung der Emigranten im Innern zu unterstützen, um zum Bürgerkriege aufzureizen, um abermals die Waffen gegen Frankreich zu führen. Solche Handlungen würden insgesammt von den Gesetzen aller Zeiten mit strengen Strafen belegt: diese müsse man gegen ihn vollziehen.«
Die Royalisten sind unverbesserlich; auf sie kann man nur durch den Schrecken wirken. Diese Maximen im Sinne, verordnete er, den Prinzen nach Paris zu bringen und ihn vor eine Militaircommission zu stellen, weil er Bürgerkrieg zu erregen versucht und die Waffen gegen Frankreich geführt.
Am selben Tage, wo d'Enghien nach Paris abgeführt wurde, reiste Bonaparte nach Malmaison. Stundenlang läßt ihn Thiers hier einsam auf- und abgehen, auf seinem Gesichte eine Ruhe zur Schau tragend, die sein Herz nicht empfand. Während acht Tagen dictirte er hier fast keinen Brief, ein Müssiggang in seinem Leben ohne Beispiel, ein Beweis seiner innern Aufregung. Josephine, der, wie Allen im Hause, die Sache kein Geheimniß war, zerfloß in Thränen. Mehrmals sprach sie mit ihrem Gatten von dem unglücklichen Prinzen. Was geschehen sollte, war nicht ausgesprochen, aber sie ahnte es und empfand ein inneres Grauen vor dem Vergießen königlichen Blutes. Er wies ihre Thränen, ihre Vertraulichkeit zurück: »Du bist eine Frau, du verstehst nichts von meiner Politik; deine Rolle ist Schweigen.«
Drei Tage nach seiner Arretirung früh Morgens am 18. März traten Gensdarmen in die Zelle des Gefangenen, erweckten ihn aus dem Schlafe und forderten ihn auf, sich augenblicklich anzukleiden.
D'Enghien wünschte, daß man ihm wenigstens gestatte, seinen Kammerdiener mitzunehmen. Die Antwort war: daß er dessen nicht bedürfen werde.
»Aber ich werde doch wenigstens der Wäsche bedürfen.«
»Zwei Hemden werden ausreichen,« erwiderte der Officier.
Man ließ ihn in eine fest verschlossene Kutsche steigen. Sie rollte Tag und Nacht fort. Am 20. März um 4½ Uhr Abends war man an den Thoren von Paris, an der Barriere von Pantin. Hier begegnete ihnen ein Courier mit einem Specialbefehle. Der Wagen machte Kehrt und fuhr außerhalb der Mauern nach Vincennes.
Nach Thiers wäre der Wagen schon um zwölf Uhr Mittags an der Barriere gewesen und der Unglückliche hätte, wohl bewacht, in demselben bis Abends fünf Uhr sitzen müssen, weil einige Verwirrung in den Anordnungen stattgefunden. Nach Nougarède von Fayet wäre der Wagen in Paris hineingefahren und bis vor die Thür des Auswärtigen Ministeriums und erst von dort nach Vincennes beordert worden.
Murat war Commandant von Paris und Oberbefehlshaber der Division. Als solcher war es an ihm, die Militaircommission zu bilden und die Vollstreckung des Urtheils anzuordnen. Er war von Schmerz ergriffen, als die Verordnung der Consuln ihm zukam. Die Expedition nach Ettenheim hatte er gebilligt; jetzt sank ihm der Muth, sein Herz lehnte sich auf. Zu einem Freunde soll er, auf die Schöße seiner Uniform zeigend, gesagt haben: »Der erste Consul will einen Blutfleck hinein machen.« Er eilte zu seinem Schwager; dieser zeigte ihm aber nur seine eiserne Miene, warf ihm seine Schwäche vor und erklärte ihm entschieden: er wolle seine Feigheit bedecken und mit seiner Consulhand selbst die im Laufe des Tages nöthigen Befehle unterzeichnen.
Bonaparte übertrug Savary, die Execution des Prinzen zu besorgen. Oberst Savary war bis jetzt nur Soldat, das stumme Werkzeug seines Gebieters. Der erste Consul ließ alle Befehle abfassen, unterzeichnete sie selbst und befahl dem Savary, sie Murat zu bringen und selbst nach Vincennes zu gehen, um die Ausführung zu leiten.
Die Befehle waren vollständig und bestimmt, so wie sie zur Ausführung kamen.
Sie waren aber nicht in allen Punkten unwiderruflich, und Thiers sagt über das Mittel, welches geblieben wäre, den Prinzen zu retten, Folgendes:
»Der Staatsrath Rèal sollte sich nach Vincennes begeben, um diesen ausführlich zu verhören und ihm abzulocken, was er von dem Complot wisse, an dem man ihn noch fortwährend mitschuldig glaubte, ohne den Beweis davon führen zu können. Murat gab selbst am Abend die schriftliche Weisung, nach Vincennes zu gehen, um dieses Verhör abzuhalten, in der Wohnung des Staatsraths Réal ab. Wenn Herr Réal den Gefangenen sprach, die wahrheitstreue Darlegung der Thatsachen aus seinem Munde vernahm, sich durch seine Offenheit, durch seine dringenden Bitten, dem ersten Consul vorgeführt zu werden, gerührt fühlte, konnte Herr Réal den Eindruck, den er empfand, Demjenigen mittheilen, in dessen mächtigen Händen das Leben des Prinzen lag. Es gab also, selbst nach der Verurteilung, noch ein Mittel, aus der gräßlichen Bahn, die man eingeschlagen hatte, wieder herauszukommen, wenn man dem Herzoge von Enghien eine edel erbetene Begnadigung edel ertheilte.«
Thiers sucht den Beweis zu führen, daß Bonaparte auch nach den Befehlen, die er ertheilt, an diese Möglichkeit gedacht. Abends am 20. März saß er mit seiner Frau, seinem Secretair, einigen Damen und Officieren in der Abgeschiedenheit von Malmaison. Er war zerstreut und schien Ruhe zu heucheln. Zuletzt setzte er sich an einen Tisch und spielte Schach mit Frau von Remusat. Diese Dame, die Zierde des Hofes, wußte, daß der Prinz angekommen, und bebte vor Angst, was geschehen könne. Sie getraute sich nicht Bonaparte anzublicken, der in der Zerstreuung mehrmals bekannte Verse aus Corneille und Voltaire über die Milde vor sich her sprach. »Der charakterfeste Mann war erschüttert und kam auf die stille Betrachtung zurück, wie erhaben, edel es sei, einem besiegten und entwaffneten Feinde Verzeihung zu gewähren.« Frau von Remusat glaubte den Prinzen gerettet. Thiers hat diese Nachricht aus den ungedruckten Memoiren der Dame.
Um fünf Uhr war der Prinz bereits in seinem Gefängnisse. Von Anstrengung und Hunger erschöpft, nahm er ein leichtes Abendessen ein und warf sich auf ein schlechtes Bett in einem Entresol, um augenblicklich tief einzuschlafen.
Aber schon um Mitternacht ward er erweckt, indem man die Thüren aufriß. Man nöthigte ihn aufzustehen und führte ihn dann in ein Gemach desjenigen Pavillons, der dem Walde von Vincennes gegenüberlag.
Dort sind acht Oberofficiere versammelt. Es ist sein Gericht. Ohne weitere Förmlichkeiten stellt man an ihn Fragen darüber, daß er in Waffen gegen sein Vaterland gestanden habe? Schrecken und Erschöpfung hatten ihn nicht eingeschüchtert; er antwortete mit stolzer Haltung und in der edeln Kraft seines Bewußtseins:
»Ich habe die Rechte meiner Familie vertheidigt; und es ist gewiß, daß, wie die Sachen stehen, ein Condé nur mit den Waffen in der Hand nach Frankreich zurückkehren konnte. Meine Geburt, meine Ansichten zwingen mich, für alle Zeiten ein Feind Ihrer Regiemng zu sein.«
Man unterrichtete ihn, daß das Kriegsgericht über ihn ohne alle Appellation Recht sprechen werde.
»Ich weiß es,« sagte er, »noch verberge ich mir die Gefahr, in der ich mich befinde. Aber ich hoffe, daß man mir ein Gespräch mit dem ersten Conful nicht verweigern werde.«
Eine falsche Hoffnung! Eine scheinbare Debatte erfolgte, die etwa anderthalb Stunden dauerte. Nach Beendigung derselben erfolgte ein einstimmiges Urtheil dahin:
Daß Louis-Antoine-Henri de Bourbon, Duc d'Enghien, schuldig sei:
1) die Waffen gegen die französische Republik getragen zu haben;
2) daß er seine Dienste der englischen Regierung, einer, dem französischen Volke feindlichen, angeboten;
3) daß er Agenten besagter englischer Regiemng bei sich aufgenommen und sie förmlich empfangen, ihnen desgleichen Mittel verschafft, Verbindungen in Frankreich anzuknüpfen und mit ihnen sich verschworen gegen die innere und äußere Sicherheit des Staates;
4) daß er sich an die Spitze einer Versammlung von Emigrirten gestellt, wie auch Anderer, die, im Solde Englands, sich an der französischen Gränze in Freiburg und Baden zusammengezogen;
5) daß er Verbindungen mit dem Orte Straßburg unterhalten, mit der Absicht, die umliegenden Departements aufzuwiegeln und eine England günstige Diversion zu machen;
6) daß er an den Verschwörungen gegen das Leben des ersten Consuls, welche von den Engländern angestiftet, Theil genommen und sie begünstigt, mit der Absicht, wenn sie gelungen wären, in Frankreich einzurücken.
Er war schuldig erkannt, es war nur noch die Frage hinsichts Anwmdung der Strafe. Die Stimmen wurden gesammelt, und, abermals mit Stimmeneinhelligkeit, ward Louis-Antoine-Henri de Bourbon, Duc d'Enghien, wegen des Verbrechens: des Spionirens, verbotener Correspondenz mit den Feinden der Republik, des Attentats gegen die innere und äußere Sicherheit des Staats – zum Tode verurtheilt.
Nach dem Erwähnten Geschichtsschreiber wußten die meisten Mitglieder der Militaircommission, Obristen von Napoleon selbst ernannt, nicht, um welchen Angeklagten es sich handele. Man sagte ihnen, er sei ein Emigrant, man nannte auch seinen Namen; diese Soldaten der Republik, Kinder noch als die Monarchie fiel, hätten jedoch kaum gewußt, in welchem Verhältnisse der Duc d'Enghien zur königlichen Familie stand. Dennoch war auch ihnen der Auftrag schmerzhaft; seit Jahren waren ja keine Emigranten verurtheilt worden. Seine stolze Erscheinung wirkte nicht ungünstig; aber, wiewol er jede Theilnahme an dem Complot in Abrede stellte, antwortete er doch zu stolz, daß er gegen Frankreich gedient und, wenn die Gelegenheit komme, es wieder thun werde. Die Dreistigkeit, mit welcher er auf die Warnung des Präsidenten diese Erklärung wiederholte, machte einen schlimmen Eindruck auf erprüfte Militairs, die nichts Höheres kannten, als ihr Blut zur Vertheidigung des Vaterlandes zu vergießen. Dennoch fühlten die Soldatenherzen sich durch seine Jugend, seinen Muth gerührt. Aber die Thatsache, daß er gegen Frankreich gedient, war eingeräumt und die Gesetze der Republik und aller Zeiten belegten sie mit der Todesstrafe. Die Vertheidigungsgründe, daß man ihn auf ausländischem Boden ergriffen, nicht mit den Waffen in der Hand, daß keine bestimmte Intention, sie gegen sein Vaterland zu ergreifen, ihm nachgewiesen, daß man ihm keinen Defensor gegeben, kamen kaum zur Sprache oder wurden doch vor den selbst bestürzten und über ihre Lage unglücklichen Richtern nicht mit Nachdruck geführt. So erfolgte der Todesspruch, jedoch sprachen die Meisten den Wunsch aus, daß das Urtheil der Gnade des ersten Consuls vorgelegt werde.
An der Spitze der Commission saß der General Hulin, historisch berühmt als Bastillenerstürmer, später als Commandant von Berlin. Nachdem das Urtheil gesprochen, setzte er sich nieder, um einen Brief an den ersten Consul zu schreiben. Mit Beistimmung der Mitglieder des Kriegsgerichts meldete er ihm den Wunsch des jungen Prinzen nach einer persönlichen Zusammenkunft mit dem ersten Consul und beschwor ihn zugleich, Namens allen seiner Collegen, von einer Strafe abzustehen, welche zu dictiren das Gericht in seiner Lage, obschon gegen Aller Wünsche, nicht umgehen können.
In diesem Augenblicke, heißt es in den zurückhaltenden Berichten, trat ein Mann hervor, welcher seit dem Beginne der Sitzung den Saal keinen Augenblick verlassen hatte, und fragte den Präsidenten: was er da mache?
»Ich schreibe an den ersten Consul,« erwiderte der General Hulin, »um ihm den Wunsch des Kriegsgerichts und den des Verurtheilten mitzutheilen.«
»Ihr Geschäft ist zu Ende,« erwiderte der Mann, indem er ihm die Feder aus der Hand nahm, »das Uebrige ist meine Sache.«
Wer war diese mysteriöse Person? – Savary war der Vollstrecker des Willens des ersten Consuls und der, welcher nach der Execution sofort abreiste, um Bonaparte Bericht abzustatten. Thiers geht über die, dem Urtelsspruche folgende Scene kurz hinweg, mit der Bemerkung, daß die Befehle vom Morgen, die Alles in der Nacht abzumachen verordneten, zu bestimmt gelautet. Nur der Staatsrath Réal hätte der Sache eine andere Wendung geben können, aber er erschien nicht.
Als Resultat galt bald, unter allen Parteien, in Frankreich dies: das Urtheil war null, sowol der Form als dem Inhalte nach. Man hatte weder Zeugen abgehört, noch existirte eine bestimmte articulirte Anklageakte. Die Militaircommission war incompetent. Die Untersuchung und der Urtheilsspruch über die Verbrechen, deren d'Enghien beschuldigt, waren immer vor die gewöhnlichen Tribunale gezogen worden.
Endlich: obgleich es im Urtheil heißt, daß es in öffentlicher Sitzung gefällt worden, ist es doch ausgemacht, daß Verhör und Verurteilung in der Nacht geschehen, in einem Gefängnisse, nur in Anwesenheit einiger Gensdarmen und einiger Gefangenwärter des Duc d'Enghien. Es fehlte dem Gerichte daher jeder Charakter der Oeffentlichkeit.
Um vier Uhr Morgens ließ man den Prinzen durch eine enge steinerne Treppe, wo der feuchte Hauch der Grüfte ihn anwehte, niedersteigen. Offenbar war es eine Treppe, angebracht in der Dicke der Mauern. Er war der Meinung, daß man ihn in ein unterirdisches Gefängniß bringe. Aber bald beruhigte ihn ein frischer Lufthauch, der von unten ihm entgegenwehte. Er befand sich in den Gräben von Vincennes. Nach einigen Schritten vorwärts sah er ein Peleton Infanterie, welches, Gewehr in Arm, ihn zu erwarten schien.
»Ah! Gnade Gott!« rief er aus, »so sterbe ich doch wenigstens den Tod eines Soldaten.«
Er wandte sich an einen der ihn begleitenden Gensdarmen und fragte: ob er nicht den letzten Beistand eines Priesters erhalten könne?
»Um die Stunde schlafen die Priester noch,« erwiderte in seinem brutalen Tone der Gensdarm. »Willst Du denn wie ein Kapuziner sterben?«
Der Prinz sagte darauf nichts als das Wort: «Marchons!»
Man kam an den Fuß der Mauer des sogenannten Pavillons der Königin. Hier war ein Graben schon zwölf und mehr Stunden früher aufgeworfen; d.h. um einige Stunden früher als d'Enghien zum Tode verurtheilt, als das Gericht über ihn eröffnet, ja als er nur in Vincennes eingetroffen, war schon sein Grab gegraben!
Er mußte sich an den Rand des Grabens stellen. Er zog aus seiner Tasche eine Haarflechte, einen Brief und einen Ring und wandte sich an die Soldaten, seine bestimmten Mörder. Mit vollkommen fester Stimme fragte er: ob Einer unter ihnen es wol übernehmen wolle, diese Gegenstände der Prinzessin von Rohan zu überbringen?
Schon streckte ein Soldat den Arm vor, als Zeichen, daß er sich des Auftrags unterziehen wolle, als ein Officier rief: »Niemand hier darf Auftrage eines Verräthers annehmen.«
Es war noch finstere Nacht. Man hatte daher eine Laterne und mehre Lichter herbeigebracht, damit die Soldaten richtig zielen könnten. Ein Oberofficier auf der Brustwehr befahl einem Adjutanten jetzt Feuer! zu commandiren. Es geschah und der Prinz sank sofort, von vielen Kugeln getroffen, zu Boden.
Die Gensdarmen näherten sich dem Leichnam, hoben ihn, wie er war, auf und legten ihn mit seiner Kleidung und Allem, was er an sich trug, in den Graben. Man schaufelte sofort die Erde darüber und verwischte alle Spuren.
Der Tragödie fehlt nach Thiers auch ihr fatalistischer Schluß nicht. Savary begegnete auf der Rückkehr dem Oberrichter Réal, welcher jetzt erst ankam, um den Gefangenen zu verhören. »Durch eine Arbeit von mehren Tagen und mehren Nächten völlig erschöpft, hatte dieser Staatsrath seinen Bedienten verboten, ihn aufzuwecken. Erst um fünf Uhr Morgens war ihm der Befehl des Ersten Consuls eingehändigt worden. Er kam, aber zu spät. Dies war kein Kunstgriff, der, wie man behauptet hat, darauf angelegt gewesen, dem ersten Consul ein Verbrechen abzulisten; durchaus nicht. Es war ein Zufall, ein reiner Zufall, wodurch dem unglücklichen Prinzen die einzige Möglichkeit, sein Leben zu retten und dem ersten Konsul eine glückliche Gelegenheit, seinem Ruhme, einen Flecken zu ersparen, verloren ging. Das sind die traurigen Folgen einer Verletzung der gewöhnlichen Formen der Gerechtigkeit! Verletzt man diese unantastbaren Formen, welche die Erfahrung von Jahrhunderten erfunden hat, um das Leben der Menschen vor dem Irrthume der Richter zu schützen, so ist man ein Spielball des Zufalls, der Nachlässigkeit! Das Leben der Angeklagten, die Ehre der Regierungen hängen zuweilen von dem zufälligsten Zusammentreffen ab! Allerdings war, der Entschluß des ersten Consuls gefaßt, allein er befand sich in einer Aufregung und wenn die Stimme des unglücklichen Condé, das Leben erbittend, zu ihm gedrungen wäre, würde sie ihn nicht gefühllos gefunden haben. Er wäre seinem Herzen gefolgt, er hätte sich gefreut, ihm zu folgen.«
Oberst Savary kam sehr erschüttert in Malmaison an. Sein Erscheinen veranlaßte einen schmerzhaften Auftritt. Als Madame Bonaparte ihn erblickte, ahnte sie, daß Alles vorbei sei und brach in Thränen aus. Herr von Caulaincourt schrie laut auf vor Verzweiflung und sagte, man habe ihn entehren wollen. Oberst Savary ging in das Cabinet des ersten Consuls, der sich mit Herrn von Meneval allein befand. Er erstattete ihm Bericht, was in Vincennes geschehen war. Der erste Consul fragte ihn sogleich: hat Réal den Gefangenen gesprochen? Kaum hatte der Oberst mit Nein geantwortet, so erschien Herr Réal und entschuldigte zitternd seine Nichtausführung der ihm ertheilten Befehle. Ohne Billigung oder Tadel zu äußern, entließ der erste Consul diese Werkzeuge seines Willens, schloß sich in ein Zimmer seiner Bibliothek ein und blieb dort mehre Stunden allein.
Am Abend speisten einige Mitglieder seiner Familie in Malmaison. Die Mienen waren ernst und traurig. Man getraute sich nicht zu sprechen und sprach auch nicht. Der erste Consul war still wie Jedermann. Am Ende begann dieses Schweigen in Verlegenheit zu setzen. Nach Aufhebung der Tafel, brach er es selbst. Herr von Fontanes, der in diesem Augenblicke angekommen war, führte allein mit dem ersten Consul das Gespräch. Er war entsetzt über die Maßregel, von der das Gerücht in ganz Paris sprach, hätte sich aber nicht erlaubt, an dem Orte, wo er sich befand, seine Meinung darüber zu äußern. Er hörte viel und antwortete selten. Fast fortwährend sprechend und die durch das Stillschweigen der Anwesenden entstehende Leere auszufüllen bemüht, redete der erste Consul über die Fürsten aus allen Zeiten, über die römischen Kaiser, über die Könige von Frankreich, über Tacitus, über die Urtheile dieses Geschichtschreibers, über die Grausamkeit, welche man oft den Staatsoberhäuptern beilege, während sie nur unvermeidlicher Notwendigkeit nachgegeben hätten. Endlich kam er nach langen Umschweifen bei dem tragischen Tagesereignisse an und sprach folgende Worte: Man will die Revolution vernichten, darum greift man meine Person an; ich werde sie vertheidigen, denn ich bin die Revolution, ich, ich ... Künftighin wird man sich zwei Mal bedenken, denn nun weiß man, wessen wir fähig sind.
Der Eindruck, welchen die That in ganz Europa hervorbrachte, war außerordentlich. Vertheidigt ward sie von Keinem, von Napoleon's Gegnern vielfach benutzt, doch eigentlich ohne Erfolg. Ob der Schatten des Duc d'Enghien mehr Rächerarme erweckte, als die Schatten Palm's und Hofer's, bleibt zweifelhaft. Die ungeheuern darauf folgenden Ereignisse riefen aus dem Blute der Völkerschlachten, so viele hundert Tausende von mahnenden und drohenden Schatten der gegen Napoleon's Tyrannei ergrimmten Nationen und Einzelnen, daß dieser eine blutige des jungen Prinzen sich darunter verlor. Niemand unter allen Parteien Frankreichs ist so brutal gewesen, auf das Andenken des Duc d'Enghien einen Stein zu werfen, aber seine Erinnerung blieb eine elegische. Man suchte, den Grimm der Gemüther gegen Napoleon dadurch anzufachen, daß man den Gemordeten als einen Verehrer der Heldengröße seines Mörders darstellte; aber auch diese Wirkung, eine psychologisch poetische, fand keinen Eingang bei der Masse. Auch als Napoleon's Sturz sich näherte, als seine Feinde in Frankreich selbst den Kopf erhoben, tönte wol der Name d'Enghien, er ward aber zu keinem Schlachtruf, der wie Trompetenschall den Schlachtmuth erweckte.
Der Rechtspunkt war so viel und mannichfaltig in dieser Sache verletzt, daß auch die widervölkerrechtliche gewaltsame Aufhebung des Prinzen in einem fremden Lande unter der Masse des Widerrechtlichen verschwand. Daß zerrissene Deutschland war damals Frankreichs compactem Willen gegenüber so schwach, als es zur Zeit der Reunionskammern gewesen. Vielfache Rücksichten hielten den Willen in Schach. Was hätte auch eine Remonstration des Reichstages gegen den Bruch des Völkerrechts genutzt, nachdem Der, dem sie galt, schon im Grabe lag! Als das Gerücht der Entführung sich verbreitete, hatten die Musketen in den Gräben von Vincennes längst gekracht. Nur der Vertrag einer Quasi-Allianz zwischen Frankreich und Preußen, der unter dem Hangwitz'schen Ministerium im Werke war, scheiterte daran entschieden.
Dennoch bezeichneten schon damals Viele in Frankreich, und selbst unter Denen, welche sich der neuen Regierung thätig angeschlossen, die Urtheilsvollstreckung als einen Meuchelmord. Man sprach zu laut davon, Napoleon habe sich und seiner Sachen die Reste der Jacobiner derer vom Berge und der Sansculotten dadurch sichern wollen, daß er zwischen sich und den Bourbonen einen Graben voll Blut gezogen, über den man sich nicht mehr die Hände reichen konnte. Andere behaupteten auch, Bonaparte sei betrogen worden. Der Tod des Duc d'Enghien sei großen Theils eine Machination der Royalisten, die gehofft hätten, daß ein solcher Justizmord die Reaction herbeiführen müsse, an der sie offen und im Dunkeln arbeiteten.
Man nimmt in Frankreich noch heute an, daß bei dieser Begebenheit mehr das Zusammentreffen ungünstiger Umstände als böser Wille im Spiele gewesen und daß das Resultat keiner Partei nützlich geworden. Es vermehrte die Zahl der Feinde Napoleon's und erweiterte die möglichen Aussichten einer Restauration für die Bourbonen. So rief die Königin Karoline von Neapel, als sie den Tod des Prinzen erfuhr, aus: »Welches Unglück! Er war der einzige Mann von Herz in der Familie!«
Napoleon war gestürzt, die erste Restauration eingetreten, aber noch hatte man nicht Zeit gefunden, sich mit den todten Opfern des Weltkampfes zu beschäftigen. Die hundert Tage mußten vorübergehen und die zweite Restauration eintreten, als im folgenden Zahre 1816 König Ludwig XVIII. befahl, den Körper des Duc d'Enghien in den Gräben von Vincennes aufzusuchen, auszugraben und die seinem Range gebührenden, letzten Ehren seinen Resten widerfahren zu lassen. Noch lebten Zeugen der That, der Beerdigung. Es ward eine Commission eingesetzt, welche sich mit allen Förmlichkeiten und Beobachtung jeder Vorsicht dem Geschäfte unterzog. Ihr Bericht lautet so:
»Wir sind in die Gräben hinuntergestiegen, von den oben genannten Personen begleitet, zu welchen sich noch Herr Godard und der genannte Bonelet gesellten. Die beiden Letzteren führten uns zu dem Platze, den sie uns in ihrer Aussage angegeben hatten, am Fuße des Pavillon der Königin, und Bonelet begab sich mit unter die Arbeiter.
»Um mehrer Sicherheit willen haben wir geglaubt, das ganze Terrain in einer Ausdehnung von zehn Fuß aufdecken lassen zu müssen. Nach Verlauf von anderthalber Stunde hatte die Durchgrabung ungefähr vier Fuß Tiefe, als wir auf die Sohle eines Stiefels stießen, und von diesem Augenblicke an waren wir überzeugt von dem Erfolge unserer Nachsuchungen. Die Herren Aerzte Hericart de Montplaisir, Delacroix, Guerin und Bonnie stiegen in die Tiefe und leiteten persönlich die Nachgrabungen, welche mit der größten Behutsamkeit fortgesetzt wurden. Nachdem sie sich über die Lage des Körpers hinlänglich versichert hatten, haben sie sich daran gemacht, mit großer Vorsicht die Erde, die ihn bedeckte, zu kleinen Theilen abzuwerfen, und der erste Gegenstand, der sich ihnen darthat, waren die Knochen des rechten Fußes, welche sie zu sich nahmen. Nächst dem entdeckten sie ein Stück des Knochenbeines, welches zu diesem Fuße gehörte. Bei fortgesetzter Arbeit entdeckten sie den Ellbogen des linken Arms, welcher ihnen noch mehr Aufschluß über die Lage des Körpers gab und daß, weil die Füße in größerer Höhe lagen, der Leib und der Kopf tiefer liegen müßten. Sie ließen von einer Seite der Richtung nach, welche der Körper haben mußte, weiter schaufeln, um Stück für Stück zu entdecken, und fingen zuerst mit dem Suchen nach dem Kopfe an, den sie zerschmettert fanden. Unter den Fragmenten war der obere Kinnbacken gänzlich von den Knochen des Vordertheils des Kopfes getrennt und mit zwölf Zähnen versehen. Die untere Kinnlade war in zwei Theile getheilt und hatte nur noch drei Zähne. In der Erde, welche die Knochen der Hirnschale umgab, entdeckte man Haare. – Die Aerzte gewannen die Ueberzeugung, daß der Körper mit dem Bauche auf der Erde gelegen, der Kopf niedriger als die Füße. Nachher entdeckten sie allmälig die Wirbelbeine des Halses mit einer goldnen Kette, den linken Arm und die linke Hand, den übrigen Theil der Wirbelbeine, den rechten Arm und die Hand parallel mit dem Körper ausgestreckt u.s.w. Alle diese Gebeine waren gänzlich von allen weicheren fleischlichen Theilen entblößt, aber meistentheils sehr gut erhalten. –
»Die Bruchstücke der Kleidung hat man gleichzeitig gesammelt, worunter sich die beiden Sohlen der Stiefeln befinden; auch einige Stücke des Casquettes des Prinzen, welche noch die Löcher der Kugeln anzeigen, die sie getroffen. Diese Ueberbleibsel gleichwie die Erde, welche um den Leichnam als Hülle lag, sind mit den Gebeinen in einem bleiernen Sarge gesammelt worden.
»Nach weiterer Forschung hat man entdeckt:
1) Eine goldene Kette mit Ring, welchen Herr Chevalier Jaques erkannt hat als den, den er gewöhnlich trug und der unter seinen Wirbelbeinen in vertikaler Richtung wirklich aufgefunden worden ist. Diese Kette und die kleinen eisernen Schlüssel, welche neben der unten erwähnten Geldtasche lagen, wurden schon in voraus von dem Chevalier Jaques uns annoncirt, diesem treuen Kriegsgefährten des Duc d'Enghien, welcher sich mit ihm in der Festung Straßburg einschließen ließ und sich nicht eher von ihm trennte, bis der Prinz nach Paris geführt wurde, wohin es ihm nicht erlaubt war zu folgen;
2) Ein Ohrring, der andere ist nicht gefunden worden.
3) Eine Geldtasche mit dem Wappen der Condé's, stark verrostet und oxydirt, nebst einem kleinen Schlüssel von Eisen oder Stahl.
4) Eine Börse von Maroquin, worin 11 Goldstücke und 5 Silber- und Kupferstücke.
5) 70 Goldstücke in Dukaten, Florenen und andern, wahrscheinlich ein Theil der Summe, die ihm im Augenblicke ihrer Trennung vom Chevalier Jaques eingehändigt worden, in Rollen eingehüllt und mit rothem Siegellack versiegelt, wovon man noch einige Fragmente vorgefunden hat.
»Nachdem die Ausgrabungen und Untersuchungen beendigt waren, haben sich die Commissarien und ihre Gehülfen nach dem Schlosse begeben, der Leichnam getragen von Unterofficieren der königlichen Garde, geführt von einer Ehrenwache und gefolgt von einer großen Anzahl Militairs von allen Graden.«