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Neuntes Kapitel.

Die Stadt war, als die Nacht einbrach, völlig beruhigt; von den Vertheidigern lagen die meisten verstümmelt in den Gassen oder Häusern, wenige waren entkommen, wenige gefangen. Patrouillen ritten durch die öden Straßen, und die Reiter konnten ihre Pferde oft nur mit Anstrengung über die Leichname, welche die engen Wege versperrten, fortbringen. Von den scheuen Bürgern zeigte sich Niemand außerhalb der Häuser, und auch von den feindlichen Soldaten vermied es jeder, den nicht die Pflicht hinaustrieb, über die blutige Wahlstatt zu gehen. Dennoch eilte ein einzelner Mann, etwas vor Mitternacht, im Mantel verhüllt, und den Hut tief in's Gesicht gedrückt, vom Commandanturgebäude aus in der Richtung nach dem Knieperthore. Er vermied die Plätze und breiteren Straßen, und ging eilenden Schrittes an der Schattenseite der Häuser, ohne, wie selbst viele rauhere Kriegsmänner, vor den Leichen auszubeugen. Sein Fuß war vielmehr so fest, daß er über die Todten hinwegtrat, als wäre es irgend eine gewöhnliche Erderhöhung, die den ebenen Pfad unterbräche. Als er jedoch nicht umhin konnte, über einen freien, vom Monde beschienenen Platz zu schreiten, um in eine enge Gasse zu gelangen, wurde eine reitende Patrouille seiner ansichtig. Sie riefen ihm zu, stehen zu bleiben, da er aber auf diesen Ruf nicht achtete, sondern mit unverkennbarer Eil in die Gasse einbog, sprengten die Reiter ihm nach, und ereilten ihn da, wo es für ihn nicht möglich war sich zu verbergen. Der Vorderste faßte ihn am Kragen, in der Meinung, einen der flüchtigen Abenteurer, welche dem Blutbade entronnen, zu fangen; allein der Eingeholte riß sich stolz aus den Händen der Reiter los, zeigte sein militairisches Kleid unter dem Mantel, eine Karte aus seiner Brieftasche, und sagte dem Unterofficier einige Worte in's Ohr, worauf dieser ihn augenblicklich freiließ, und ihm die einem Officier zukommenden Ehrenbezeugungen erwies. Der Wanderer eilte hierauf in der vorigen Richtung weiter.

Theodors Schlummer konnte seinem Geiste keine Ruhe bringen. Das Gemetzel erneuerte sich immer und immer wieder vor seinen Augen. Er sah Schill von feigen Verräthern niedergehauen, er stand nur wenige Schritte von ihm, und wollte ihm zu Hülfe eilen, aber er war mit den Füßen angewachsen, und mußte das Entsetzlichste vor seinen Augen ruhig geschehen lassen. Mehrere Male war er im Begriff, vom Thurme hinunter zu springen, aber von unten grinsete ihm die Hölle entgegen, wie er sich diese nur in den krassesten Vorstellungen der Kinderjahre gedacht hatte. Aus den brennenden Höllenpfühlen kam ein entsetzliches Gesicht mit immer veränderter Gestalt unaufhörlich zum Vorschein. Bald war es Dupré, bald Julius. Beider Züge schienen in eins verschmolzen. Er hatte sich oft schon so weit über die Zinnen vorgebeugt, daß er glaubte fallen zu müssen, dann krallte er sich mit aller physischen Anstrengung wieder fest, und erwachte dabei auf Momente, um zu sehen, wie er mit beiden Händen die Steine, auf denen er lag, so fest angefaßt hatte, als sey er wirklich im Hinunterfallen begriffen gewesen. Bald schlummerte er jedoch, zurückgeschreckt von dem mit zerrissenen Wolken unfreundlich bedeckten Himmel über ihm, wieder fest ein, um neue Gestalten zu erblicken.

Es war eine entsetzliche Finsterniß über die ganze Erde ausgebreitet; Ungeheuer, wie sie nur Dichterphantasie im Chaos sich mahlte, grinseten überall; die Menschen lagen wie vom Alp gedrückt danieder, Geist und Körper schien erschlafft, als hätten ungeheure Blutigel, die sich umherwälzten, jede Kraft ihnen ausgesogen. Unter den in Todesschlaf Versunkenen erblickte er sich selbst. Auf einem gothischen Kirchhof lag er todtenbleich an einem offenen Grabe. Der Leichenstein lag daneben. Es schien, als habe man bei der Menge der Gestorbenen nur vergessen ihn in das Grab hineinzustoßen. Aber plötzlich wurde es im Hintergrunde heller und heller. Ein Licht von wunderbarer Klarheit ging auf, und bald stand die hohe gothische Kirche mit den vielen kühnen Strebepfeilern und dem Kreuz auf der Spitze völlig verklärt von dem hinter ihr höher und höher aufsteigenden Glanze. Die matten Gesichter der Schlummernden belebten sich, sobald der Strahl auf sie fiel. Die Todten regten sich allmählig, sie warfen die halbaufgerichteten Leichensteine unwillig fort, und das Gewürm, das sich dahinter bisher verborgen, floh lichtscheu davon. Er sah, wie sich auch sein Abbild regte, wie es, beschienen vom wunderbaren Strahle, sich danach aufzurichten versuchte, aber eine schattige Gestalt trat hinter ihn, und zog ihn mit Gewalt zurück, indem sie, gleich einem bösen Dämon, ihre finstere Hand auf seine Schulter legte. In dem Augenblick glaubte er es selbst zu seyn, der auf dem Kirchhof schlummere, er fühlte den Druck auf seine Schulter, wollte sich, ärgerlich darüber, losreißen, und erwachte.

Der Druck auf seine Schulter war nicht bloßer Traum. Neben ihm auf der Spitze des Thurmes stand ein großer Mann, und während ein schwacher Mondenstrahl auf sein Gesicht fiel, erkannte er Dupré. Noch glaubte er zu träumen, seine Lage war zu wunderbar. »Fort, fort! höllischer Geist!« war Alles, was er hervorzubringen vermochte. Nach einigen Momenten ruhiger Sammlung, und als sein Auge auf die nur halbbeleuchteten Schreckensscenen unter ihm umhergeblickt hatte, wurde er sich zwar bewußt, zu leben und zu wachen, Dupré's Erscheinung neben ihm glich aber noch immer allzusehr einem Phantom, das auch einem Gesunden Schrecken einjagen kann. Endlich nahm er sich zusammen, und redete ihn an:

»Bist Du das Ungeheuer leibhaftig, lebendig, das ich in Dir zu sehen glaube, was zauderst Du dann, was starrst Du mich mit Blicken an, fürchterlicher für mich, als die Mündung der Gewehre? – Ich bin es, ich leugne es nicht, ein glühender Freund der Freiheit, des Vaterlandes, des unglücklichen, ermordeten Helden. Lassen Sie mich in Ketten werfen, zum Pfahle Ihrer Henker schleppen, oder stürzen Sie mich gleich von hier hinab.«

Sie scheinen im Wundfieber zu liegen. Aber ich bitte, findet die Vernunft irgend bei Ihnen Eingang, leiser zu sprechen, damit die Wachen unten es nicht hören.

»Mensch, ich fürchte nichts mehr. Sind Sie es, oder trügt das Auge, Sie – der als Dupré wie der böse Feind an meiner Seite schlich, das Gift seiner Irrlehren mir einbließ, der Mann ohne Religion, ohne Vaterland, ohne Glauben an Menschlichkeit und Tugend.«

Dupré ist mein Name, erwiederte der Andere: und ich erinnere mich mit Vergnügen unserer Cameradschaft.

»Der kein Camerad war, die Schlange in unserm Busen, der Verräther an unserer guten Sache, Sie, der als Spion des Feindes uns belauschten, als sein Agent uns irre führten, Sie, der gegen Bürger und Bauer frevelten, um unsern guten Namen zu schänden –«

Der nämliche, es war nur nicht viel zu belauschen.

»Sie,« fuhr Theodor heftiger fort: »der gottvergessen alle Gesetze der Menschen und des Himmels zugleich übertraten, durch Morden und Sengen ihren Begierden fröhnten, Gott, Vaterland, Recht, Tugend, ja mich selbst in derselben Stunde verriethen, wo ich Ehre und Leben auf das Spiel setzte, Sie zu retten.« –

Ja, entgegnete Dupré lächelnd: ich nahm Ihren Beuteklepper mit, um schneller zu entkommen.

»Und Du wagst noch darauf zu trotzen, Ungeheuer?«

Ich komme, um einen Versuch zu Ihrer Rettung zu machen. Wohl bemerkte ich Sie beim stürmischen Einzuge hier auf dem Thurme, und wußte recht gut, daß ich Ihrer Güte den Kiesel verdankte, der mein Pferd geblendet hat. Zwar hörte ich nachher, die ganze Besatzung des Thurmes sey niedergehauen, hielt es indessen doch für Pflicht, nach meinem alten Cameraden noch einmal mich umzusehen, zumal da es möglich war, daß Sie auf der Platte des Thurmes unbemerkt wären liegen geblieben. Sie sehen, meine Vermuthung hat mich nicht getäuscht, und ich komme, Ihnen meine Hülfe anzubieten.

»Lassen Sie mich ruhig sterben.«

An der Fleischwunde am linken Arme?

»So schleifen Sie mich hinab zum Richtplatze, und wenn irgend ein Funken von Barmherzigkeit in Ihnen ist, so beschleunigen Sie das Blutgericht.«

Dupré setzte sich neben den Liegenden in eine der obern Schießscharten, und wollte Theodors Wunde untersuchen. Dieser riß sich aber von ihm los und drehte ihm seinen Rücken zu. Dupré ließ sich dadurch nicht stören.

Also mit dem Namen Ungeheuer habe ich die Ehre titulirt zu werden? Eine neue Benennung! – Er lächelte. – Doch, zum Ernste zurückzukehren, wo denken Sie hinzufliehen, wenn es gelingt, Sie aus der Stadt zu entführen, damit ich meine Maßregeln nehmen kann.

»Ich wiederhole es Ihnen sehr ernst,« sagte Theodor: »daß ich die Vorschläge eines Frevlers wie Sie, nur für bittern Hohn oder für neue Fallstricke halten kann.«

Das heißt, nach Ihrem Sprichwort, an mir ist kein gutes Haar? – Seltsam, schon weit über zwanzig hinaus, und dennoch ist es, als hätte mein Freund erst die Kinderschuhe ausgezogen. Mahlen Sie mir einen Bösewicht mit so gräßlichen und grellen Farben, als Ihre romantischen Dichter sie verschwenden, ich wette meinen Kopf, an dem Popanz wenigstens drei gute Eigenschaften aufzufinden; aber an mir wäre es Sünde, auch nur eine einzige zu entdecken, weil ich den höchst und allein heiligen Deutschen Enthusiasmus etwas persiflirte, weil ich dem angenommenen System auf alle mögliche Weise diente, weil meine Moral nicht der jener unsterblichen Schaar ähnlich sah, und ich meine Feinde aus vollem Herzen haßte, darum bin ich ein so grundschwarzer Bösewicht, der, wenn er sich zum Verdauungsschlaf auf's Sopha niederstreckt, und wenn er eine Stecknadel auflangt, nach einem bösen Plane handelt und etwas heimtückisches ersinnt. Gott, welch ein mühsames Leben hätte ein solcher raffinirter Bösewicht zu führen, der in jede seiner Handlungen Absicht bringen müßte. Sie glauben mir nicht, mein Freund, daß ich es gut mit Ihnen meine, und Sie haben recht: wenn es gälte mich für Sie erschießen zu lassen, da würde die Freundschaft aufhören. Jetzt gilt es nur, für einen geleisteten Dienst einen andern zu erweisen. Sie retteten mich vor dem Strang, ich will das nämliche für die Kugel und Galeere thun.

»Die Dankbarkeit übt also doch ihre Macht auch auf Ungeheuer aus?«

Wäre mir auch ein anderer unglückseliger Hasenfuß und entlaufener ABC Schüler in die Hände gerathen, ich wüßte nicht, weshalb nicht eben so auch an ihm Gnade für Recht ausüben? Ich durste nicht nach Blut, habe keine höhere politische Rücksichten, und fände es am angemessensten, alle die gefangenen Helden durchzupeitschen und nach Hause zu senden. Es war ein alberner Kinderstreich; der unvergleichliche Heros hat seine Züchtigung empfangen, und die Welt sieht, wie alle Thorheit auslaufen muß.

Theodor knirschte mit den Zähnen und richtete sich auf. Dupré faßte ihn mit einer sonst nicht gewöhnlichen Feierlichkeit am Arme und sagte:

»Glauben Sie noch, daß der große Mann, der größte, den die Welt gesehen, der mächtigste Fürst, der je herrschte, der Republiken zerbrochen und Königreiche niedergetreten, an dem alle Kraft sich versucht hat, um ihre Nichtigkeit darzuthun, glauben Sie noch, daß eine Verschwörung der kleinlichen Seelen, die ihn nicht begreifen können und wollen, gegen den Riesen etwas ausrichten kann? – Sie glauben ja an eine Vorsehung; wohlan, sind Sie denn blind, nicht zu sehen, wie selbst die todte Natur dem Mächtigen dient zu seinem großen Zwecke? Alles hat man gegen ihn aufgeboten, von den Vorurtheilen bis zur Vernunft, und, wie ein matter Pfeil vom Stahl, sind die stärksten Geschosse abgeprallt. Zählen Sie die Reiche, deren verwegenes Auflehnen nur ihnen selbst den Untergang brachte. Von den Säulen des Herkules bis zur Newa kann er offen gebieten, und sein Wille wirkt in den Divans. In wenigen Jahren ist das Inselvolk, das in thörigem Widerstand seine letzten Kräfte aufzehrt, vernichtet. Den Millionen, denen er gebietet, kann keine menschliche Kraft mehr widerstehen, und es fragt sich allein, wohin sein Wille ihre dienenden Arme richtet zu dem sichern Siege? Zweifeln Sie noch, nachdem Italien, die Schweiz, Holland, Spanien, das ganze Deutschland gefesselt ihm dienen und das ferne Rußland vor ihm zittert, an der Weltmonarchie?«

Ich zweifle nicht, erwiederte Theodor: daß Deutschland vernichtet ist, daß die Vorsehung nach ihren unbegreiflichen Rathschlüssen das Ungeheur wachsen ließ, das Alles was uns heilig und theuer war, zertritt, verschlingt; ich zweifle nicht, ich weiß es, daß mein Vaterland sich nie mehr aus den Trümmern seiner alten Herrlichkeit erheben wird, und alles übrige ist mir gleichgültig.

»Bravo!« sagte Dupré: »mehr wollte ich nicht. Kommt der trotzige Bube erst zum Geständniß, daß Feuer brennt wenn er den Finger ins Licht gesteckt hat, so thut er es nicht wieder, und lernt am Ende auch den Nutzen des Feuers kennen. Daß es der große Sieg des Geistes, der Triumph des Menschen über allen Aberglauben ist, den wir in Napoleon feiern, das ist hier nicht der Ort Ihnen auseinanderzusetzen, und über lang oder kurz werden Sie Ihre Verblendung selbst verwünschen. Ich frage Sie jetzt – ob Sie meiner Leitung sich überlassen wollen?«

Ich habe keinen Willen mehr, entgegnete Theodor.

»Vortrefflich! – Ich schaffe Sie aus der Stadt heraus. Mit einem falschen Passe kehren Sie nach der Altmark zurück; dort – nun schlägt Ihr Herz etwas höher? – erwartet Sie der Präfect, ein vernünftiger Mann und die Tochter des Präfecten. Bei einigermaßen vernünftigen Grundsätzen, wenigstens Aeußerungen von Ihrer Seite, kann es Ihnen nicht schwer fallen, in der Pflanzschule des künftigen Weltreiches, bei der Westfälischen Regierung eine vortheilhafte Civil-Anstellung zu erhalten. Wer dort nur einmal feststeht, steigt auch, wenn er nichts thut, mit dem Reiche, und Sie können dabei Ihre barmherzigen Ansichten für das hochherzige Deutsche Volk ausüben.«

Nie, nie! – führen Sie mich lieber zu Ihren Fleischerknechten.

»Also noch immer der noble Karl Moor? – So lassen Sie die glänzenden Aspecten fahren. Die schöne junge Dame, offenherzig gestanden, scheint mehr für den Helden zu fühlen, als der Held für die Schöne. Man kann Ihnen ein häusliches, gemächliches Glück bereiten.«

Verflucht der Weichling, schrie Theodor auf: der, wenn die Ehre des Vaterlandes dahin ist, ein gemächliches Sclavenleben auf dem Boden seiner Väter führen mag, wo jeder Stein, der älter als er ist, ihn an seine Schande erinnert. Verflucht der Mann, der ein Deutsches Weib als Gattin umfängt, um dies Sclavengeschlecht fortzupflanzen. Fort will ich, und nie mehr den Fuß auf einen Boden setzen, der nicht mehr frei ist. Fort will ich, weit hinweg, so weit meine Füße mich tragen, um niemals Deutschland wiederzusehen.

»Dacapo! das geht, als wären Sie Ihr heißer Freund. Wenn dessen Paroxismus sich in gleichem Maße gesteigert hat, so muß dem edlen Ritter die Sprache jetzt ausgegangen seyn. Aber, Freund, in die weite Welt hinaus habe ich Ihnen keine Pässe zu geben. Gelänge es auch, Sie nach Rügen hinüber zu schiffen, wo noch Fetzen Ihres Corps herumlaufen, so dürfte unser Racheschwert Sie früher ereilen, als ein Englisches Schiff herbeikäme, um die theuren Reste der letzten Deutschen aufzuladen.«

Schaffen Sie mich, wenn es Ihr Ernst ist, nur aus der Stadt, und dann überlass' ich mein werthloses Leben dem Schicksal.

Dupré hatte indessen die leichte Fleischwunde des jungen Mannes verbunden, ihm eine Feldflasche zur Erquickung gereicht, und Beide stiegen und kletterten nun behutsam die zerbrochene Thurmtreppe hinab. Der Mond schien nur schwach durch die Schießscharten, um stellenweise den Wahlplatz des Gemetzels zu beleuchten. Bei jedem Schritte trat Theodor auf eine Leiche, ohne zu wissen, ob es Freund oder Feind war, und wenn er die zerhauenen Gesichter, die dicht auf einander gedrängten Körper in jenem Scheine erblickte, konnte auch er, der vor wenigen Minuten noch gegen jeden Schreck sich abgestorben glaubte, zusammenschaudern. Die Nacht hatte der Leichenplünderung Einhalt gethan, daher konnte Dupré noch der Leiche eines erschossenen Französischen Grenadiers den grauen Mantel ausziehen, um Theodor unkenntlich zu machen. Zu seiner gänzlichen Verkleidung fanden sich bald die anderen Utensilien zusammen, und der Deutsche ging mit Französischem Gewehr und Czackot hinter Dupré her, welcher jetzt die feindliche Officiersuniform nicht so ängstlich als früher unter dem Mantel verbarg. Wie patrouillirend schritt der letztere auf den Wällen hin und her, befragte die Schildwachten, besichtigte die Posten, und Theodor mußte herzklopfend mitten unter seinen Feinden ihm folgen. Endlich trat er zu einer Nebenpforte aus dem Walle hinaus, und Theodor glaubte eine Last von seiner Brust gewälzt zu fühlen, als die Schildwacht die Pforte hinter ihm zuschlug, obgleich er sich den Grund des behaglichen Gefühls noch nicht einzugestehen wagte.

Als Beide, im Schatten einiger Hecken, sich von der Stadt entfernten, fragte er den Begleiter nach seines Freundes Schicksal. Der Ton der Antwort zeigte ihm indessen, hätten es auch nicht die Worte gethan, daß diese Erinnerung wenig dazu beitragen konnte, ihn in der Gunst des Franzosen zu befestigen. »Gehängt wird er, so wahr ich Dupré heiße, wenn ich ihn in meine Hände bekomme.« Theodor glaubte durch die Nacht Dupré's Augen voll Ingrimm leuchten zu sehen, und hielt es nicht für gerathen, das Gespräch über diesen Gegenstand fortzusetzen.

Ungefähr zehn Minuten von der Festung entfernt, hielt Theodors Führer an einem schattigen Orte an. »Weiter darf ich mich nicht entfernen, ohne Verdacht zu erregen. – Hier geht der Weg zum Meere, wo mancher Abenteurer die Ueberfahrt nach Rügen versuchen mag. – Der Geist der Klugheit geleite Sie.«

Theodor konnte sich nicht enthalten, seine Hand zu drücken; ihm zu danken, mochte er sich nicht überwinden. Dupré aber redete ihn beim Scheidedruck mit feierlicher Stimme an. Sein kalter, schneidender Ton bekam Wärme, als er sprach: »Junger Mann, der Geist der Klugheit leite Sie! Wohin denken Sie zu fliehen, daß unsere goldenen Adler Sie nicht ereilten? Thöriger! und pilgerten Sie durch Rußlands Steppen bis zu beiden Indien, es braucht nicht vieler Jahre, daß unsere Legionen sie aus den Höhlen des Ganges verscheuchen. Die ganze Erde wird ihm unterthan, ihm, dessen Arm schon jetzt weiter reicht, als jemals der eines Sterblichen. Wir sehen uns wieder, im Osten oder im Westen, und so gewiß ich ein Mensch von Fleisch und Blut bin, sind dann einem Blinden die Augen aufgegangen.«

Schnell kehrte er um, seine Gestalt verschwand im Dunkel der Nacht, Theodor aber starrte ihm nach, wie der Ossianische Held, wenn ein Geist vor ihm im Nebel verschwunden ist. Dann rief er gleichsam ihm nach:

»Er mag daher kommen wie die Landplage über alle Länder; ich huldige ihm nicht. Einen Schlupfwinkel wird doch die weite Erde bieten, wo ich meinem Grame leben kann, bis er mich aufgezehrt hat.«

*


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