Willibald Alexis
Die Hosen des Herrn von Bredow
Willibald Alexis

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So war es mit der Hauswäsche am Lieper Fließ bestellt. Eine gute Stunde abwärts von der Burg war das Lager, und ein dichter Wald und ein tiefer, weiter Morast lagen dazwischen; also mußte im Lager nicht allein gewaschen und gebleicht, auch gekocht und gebettet und gewacht werden, alle Verrichtungen, wie es in einer Stadt Art und Sitte ist. Das Gebet verrichtete morgens der Dechant für alle, wenn die Schelle über der Hütte der Edelfrau läutete; das Waschen und Kochen geschah einen Tag wie den anderen, das Singen und Spielen machte sich von selbst, und für das Wachen sorgte die Frau von Bredow. Kein Zigeunerbub hätte einen Strumpf von der Leine, kein Fuchs aus dem Korbe ein Huhn stehlen dürfen.

Eine Woche weniger denn einen Tag dauerte schon die Wäsche. Vor dem Klopfen und Klatschen waren die Fische aus dem Fließ auf eine Meile entflohen. Von den hohen Kiefernstämmen, wo sie nisten, hatten zu Anfang die Fischreiher mit ihren langen gelben Schnäbeln neugierig herabgeschaut. Da gab es Jagd und Kurzweil für die jungen Burschen.

Vor den Bolzen und Pfeilen, die durch ihre luftigen Burgen sausten, hielten die zähen Tiere aus; selbst wenn der Pfeil einem den Flügel durchbohrt, wenn sein Herzblut hinabträufte, er gab in banger Todesangst nicht nach, er krallte sich an dem Ast fest, bis die Bolzen wie der Hagel kamen und endlich Holz, Leib und Gefieder miteinander hinabstäubten und splitterten. Aber des Lärmens war ihnen doch zuviel geworden. Wie viele Hunderte auch am ersten Tag über den Wipfeln gekreist, mit ängstlichem Geschrei fortflatternd und wiederkommend, ob der Wirrwarr unten kein Ende nähme; das Klopfen und Hämmern, das Spritzen und Wringen, das Klatschen und Schwenken, das Singen und Lachen hielten sie nicht aus, und am dritten Tag hatten die Tiere den Menschen Platz gemacht, und die Luft war still. Auch die Frösche auf der Wiese schwiegen am Tage; nur wenn abends die Feuer ausgingen und der Gesang verstummte, wenn die hölzernen Klöpfel ruhten und das Wasser im Fließ still fortrann, sich erholend von der Arbeit des Tages, dann mischte sich ihr dumpfes Geächze mit dem Schnarchen der Mägde, mit dem Geheul der Rüden, die den aufgehenden Mond anbellten, und dem Winde, der gegen die Wäsche an den Seilen schlug und die Kiefernstämme, daran sie gebunden waren, knarren machte.

Nun am sechsten Tag, es war der Samstag, war die Arbeit zumeist getan, und ehe denn die Abendmette von den fernen Klostertürmen von Lehnin über die Wälder klänge, sollte aufgepackt werden. Die Morgensonne am Tag des Herrn sollte keinen Strumpf mehr an den Leinen anröten und die erste Mondsichel schon einen wüsten Lagerplatz bescheinen. Wie eifrig waren die Mägde, die Klammern abzustecken, die Körbe zu häufen und die Bleichstücke zu wenden; was hasteten sich die Knechte, die Stricke von den Bäumen zu lösen und zusammenzurollen, und schon rüttelten sie an den Pfosten der Hütten, um zu prüfen, wie fest sie noch säßen. Auch das Zeichen zum Aufbruch erscheint als ein Fest dem, der zu lange beim Feste saß; ist doch jede Veränderung dem Menschen willkommen, wann er des Genusses überdrüssig wird.

Die Edelfrau sah zufrieden auf das Werk hin und wie zu ihren Füßen die Haufen immer größer wurden, reine, saubere Tücher, auf welche die Nachmittagssonne mit milder Wärme schien.

»Ich glaube, in der ganzen Zauche gerät in keinem Edelhofe die Wäsche wie bei meiner Frau von Bredow, wie pur weiß das ist!« sagte der Dechant, der sich vom Feldtisch erhob, wo er mit einem Edelmann aus zinnernen Bechern gewürfelt hatte.

»Die Hexen hier bleichen's«, sprach der Junker, der sich auch erhob, ein Mann in mittleren Jahren, der aber etwas älter aussah, als er sein mochte. Sein blonder Bart spielte ins Rötliche, seine krausen Haare ins Graue über; das Gesicht war nicht grob, aber auch nicht fein, die Züge schlaff, aber aus den hellblauen, matten Augen schielte zuweilen ein lauernder Blick. »Die Hexen hier bleichen's«, sagte er, »der Ort ist verwünscht. Das weiß jedes Kind. Muß einer den Mut haben wie meine Base, daß sie's mit den Unholden aufnimmt.«

»Hat's Euch in den Nächten aufgelesen, Vetter Peter Melchior?«

»Ich trug mein Amulett. Aber an solchem Platz waschen lassen! Es haben's Leute gesehen, wenn auch diesmal nicht, doch vor Jahren, nächtig, wenn sie aufwachten. Zwei graue hagere Weiber mit langen Spinnebeinen schritten übers Zeug mit Gießkannen, und draus kamen pure Strahlen Mondenschein. Davon kann das Zeug wohl weiß werden, aber –«

»Aber Peter Melchior, Ihr wißt ja, daß der ehrwürdige Herr alle Morgen seinen Segen darüber spricht.«

»Wird die Wäsche etwa davon weiß! Der Dechant spricht gewiß auch seinen Segen über die Würfel, wenn er doppelt, und der heckt, denn er trägt ihn jedesmal blank in der Tasche fort, aber die Würfel werden immer brauner.«

»Der Segen des Herrn schafft das Beste in allen Dingen«, fiel der Dechant ein und wollte, wie er zu tun pflegte, die Hände vor dem wohlgerundeten Bauche falten, aber es traf ihn einer der feinen, schlauen Blicke der Edelfrau, welche bisweilen auf die, welche sie trafen, eine ähnliche Wirkung übte, als wenn ihre nicht so feinen Hände mit der Wange einer Magd in Berührung kamen. Sie lächelte und der Dechant lächelte auch, worüber er die fromme Bemerkung verschlucken mußte, zu der sein Mund sich schon gespitzt hatte.

»Wer sähe meiner Frau von Bredow den Schelmen an, der unterweilen aus ihrem Auge blitzt.«

»Ich meine, ein Schelm sieht den andern«, entgegnete sie, »und wenn man in manchem Haus aufräumen täte, fände man mancherlei darin, was nicht dahin gehört, z. B. in einem Priesterhaus die Weiberröcke.«

Der Dechant, welcher die Augen jetzt wirklich niederschlug, wollte von dem Gesetz anheben, welches zwar besage – aber die Edelfrau ließ ihn nicht zu Worte kommen. Wir wissen nicht, was gerade jetzt ihr die Laune zur Strafpredigt für den langjährigen Hausfreund eingab, der doch ihrer Wäsche so treulich beigestanden hatte.

»Das Gesetz sagt«, unterbrach sie ihn, »tue recht und scheue niemand, und wenn du schmutzig bist, wasche dich. Wasser fließt überall, und jeder hat Hände zum Reiben, aber er muß nicht reiben, wie Pilatus tat. Wer ein gut Gewissen hat, braucht nichts zu verstecken, aber wem was im Schrank tut hängen, da es nicht sein soll, der muß die Türe schnell zuschlagen, wenn einer 'nein sieht. Blank gescheuert hat mancher; ja von außen, aber wie es drinnen aussieht, das kommt auch einmal an den Tag.«

»Nur zu, Muhme«, rief lachend der Junker Peter Melchior, »wascht ihn einmal recht, er schenkt's uns auch nicht, wenn er auf der Kanzel steht.«

»Dem Tage, welchen unsere verehrte Wirtin meint, wird der Gerechte, wenn auch mit Bangen, doch mit Vertrauen entgegenblicken. «

»Na, hochwürdiger Herr!« hub die Frau von Bredow an und sah ihn recht scharf aus ihren großen Augen an. »Wenn an jenem Tage alle die Unterröcke, so in den Priesterschränken in die Winkel sich verkriechen, oben am Himmel hängen werden bei der großen Wäsche in Gottes Sonnenlicht, da möchte ich sehen, wie die Herren vom Klerus den Kopf aufrichten wollen. Da könnt ihr schwenken lassen alle eure Weihrauchkessel, daß den lieben Engelein die Augen tränen, 's ist zuviel. Da muß Petrus die Hände übern Kopf zusammenschlagen und rufen: Herrgott Vater, wenn wir das gewußt, daß sie auch das Kinderzeug mitbringen, ich hätte ihnen ja das Himmelstor nicht aufgeschlossen.«

»Und Sankt Petrus schloß es dennoch auf, und das Unreine und Sündhafte fällt ab, wie der Tau von den Pflanzen, wenn Gottes Sonne strahlt. Das ist das Mysterium, die unerforschliche Weisheit und Gnade des Herrn, daß er in seiner großen Haushaltung, der Welt, wo alles in Ordnung ist, auch seine Geweihten in ihren menschlichen Schwächen bisweilen sündigen läßt, aber nur zu seinen unerforschlichen Zwecken. Ich mag sagen, es geschieht zuweilen, ihnen unbewußt, aber er weiß es und weiß warum. Und wenn dann ihr Herz bange schlägt vor der Sündenlast, die sie darauf wähnen, da mit einem Zauberschlag macht er die Brust frei. Das befleckte Kleid, dessen wir uns schämen, fällt wie Plunder vor seinem Hauche, und dieweil wir noch zittern vor dem Glanz, der uns umgibt, reicht er uns die Hand und spricht: Tretet ein, denn ihr seid rein.«

»Ohne Wäsche, Dechant?«

»Wer wäscht die Nebel fort am Herbstmorgen, wer das schmutzige Winterkleid der Erde, und der Frühling steht da vor dem Herrn in seinem reinen Blumenkleide, von würzigen Düften umsäuselt. Des Menschen Hand hat nichts dazu getan.«

»Dechant, ich meine, in jedem guten Haus ist Reinlichkeit die erste Tugend, und wer sich auf Erden nicht gewaschen hat, der kommt auch nicht rein in den Himmel. Wie's in einem geistlichen Haus steht, das weiß ich nicht, dafür laß ich andere sorgen. Aber wenn ich zu sorgen hätte, wißt Ihr, was ich täte?«

»Nur zu, Base,«, rief der Junker, die Hände reibend, »steckt ihn in den Waschkessel.«

»Ach was, ihn allein! Das müßte ein Kessel sein wie der Müggelsee, und die ganze Klerisei hinein mit allen euren Salben und Öl, Äbte, Bischöfe, Klöster, Nonnen und Mönche. Und Lauge dazu, bitter salzige, und umrühren wollte ich –«

»Kochen, Base! Ein Feuer darunter, das der Gottseibeiuns heizen müßte, sonst werden sie nicht rein.«

»Das Wasser würde schwarz werden schon von euren kleinen Verstecksünden, von der Eitelkeit, der Hoffart, dem Fraß, der Gleisnerei und Spiel und Trunk. Aber Wasser ist genug in der Mark. Abgeschäumt, ich würfe euch in einen neuen See. Da sötte ich aus eure Fleischessünden, doch das ist noch nicht das Größte, eure Habsucht und Herrschsucht und wie ihr verredet und verlästert, und nun wieder umgerührt.«

»Base, das überlaßt dem Teufel«, fiel Peter Melchior ein. »Ihr hieltet den Geruch nicht aus. Laßt dem Gottseibeiuns, was ihm gehört, ihm ist's ein Opferduft.«

Der Dechant hatte mit freundlicher Ruhe der Edelfrau zugehört, ohne auf die roheren Ausfälle des Ritters zu achten. »Auf diese Weise würden wir also rein werden vor den Menschen. Wenn wir aber so ausgebleicht vor dem Herrn erschienen, ob uns dann Petrus noch das Himmelstor öffnen würde? Ob er nicht vielmehr spräche: Ihr seid zwar rein vor den Menschen, aber die Gnade, die ich euch mitgab, ist auch ausgebleicht. Ich erkenne euch nicht mehr als die, welche ich aussandte. Vor mir waret ihr rein, auch in euren Flecken. Weil ihr euch von den Menschen nach deren Wohlgefallen waschen und putzen ließet, so kehret zu ihnen zurück. Mir gehört ihr nicht mehr an.«

»Da wäre vielleicht etwas dran«, entgegnete die Frau nach einigem Besinnen. »Aber ihr wißt auch dem Petrus ein X für ein U zu machen, denn das ist eure Hauptsünde, das Worteverdrehen. Aus Süß macht ihr Sauer und aus Sauer Süß, je wie's euch frommt, und was euch frommt, das macht ihr zu Gottes Willen. Und was ihr uns zeigt, ist nicht, was ihr versteckt habt, und wenn ihr einen guten Zweck im Auge habt, nämlich was ihr so nennt, oh! da wißt ihr zu schwänzeln und mit den Augen zu zwinkern und mit der Zunge zu schlängeln, bis euch der Teufel auf den Buckel nimmt und hinträgt. Und das ist alles schön und gut, um der guten Absicht willen.«

Der Dechant wurde der Mühe zu antworten durch einen kleinen Aufstand überhoben, welchen die Ankunft des Krämers mit seinem Wagen im Lager veranlaßte. Ein Krämer, der seine Waren auf dem Lande ausbietet, war in jenen Tagen ein willkommener Gast. Wer nicht kaufen wollte oder konnte, freute sich doch am Anschauen der Herrlichkeiten, die ausgekramt, aufgestellt und angepriesen wurden. Der wandernde Krämer war zugleich der Neuigkeitsträger, die Zeitung des Landes. Er wußte auch seine Erzählung zu Gelde zu machen. Aber es bedurfte der Erlaubnis der gnädigen Frau, und sie erteilte sie nur nach einigem Zögern, denn sie meinte, daß die Kaufleute wie die Pfaffen mit ihren Waren die Leute anführten. Indessen ist es auch für einen so unumschränkten Regenten, als Frau von Bredow in ihrem Lager war, mißlich, gegen den allgemeinen Wunsch ihrer Untergebenen anzustreben; Evchen bat so dringend, Hans Jochem brauchte einen neuen Gurt zu seinem Degen und sie selbst blanke Knöpfe zu einem Etwas, von dem noch viel in unserer Geschichte die Rede sein wird.


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