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II. Von der Liebe


Sehnsucht und Furcht

 

Immer mit den Abendwinden
Hebt sich leise mein Verlangen;
Ach, betört und traumbefangen
Hofft es immer, dich zu finden.

Ist nicht jener Glanz im Garten
Deines Nahens eine Kunde?
Zittert nicht im Wiesengrunde
Deiner Schönheit ein Erwarten? – –

Ach, die Nacht nur will sich neigen,
Es erlischt der Glanz der Matten,
Um die Wipfel lagern Schatten,
Und die Abendwinde schweigen.

Aber immer traumbefangen
Hebt sich über toten Winden,
Leise zitternd, dich zu finden,
Durch die Nacht hin, mein Verlangen.

 

*

 

Du Haupt unnahbar abgewandter Schöne,
Laß einmal nur ein ungewolltes Senken
Das Recht, zu leben, meiner Sehnsucht schenken
Im Glauben, daß du weißt, daß ich mich sehne!

Ich will ja nichts, und die dein Bild umkreisen,
Die Qualen mein, du sollst sie nicht entgelten,
Nur sehn, – und wie Gebilde fremder Welten
Mit lächelndem Erstaunen von dir weisen.

 

*

 

Ganz fern von dir, auf Wolken, die umflossen
Von Gold und Purpur durch den Abend schwimmen,
Da ruht das Leben, das du nie genossen;

Und müd, in öden Talen fortzuklimmen,
Erhebt dein Herz nach dem, was ihm verliehen,
Allabendlich gewaltig seine Stimmen.

Doch kommt die Nacht, und die heranzuziehen
Es singet, deines Lebens Früchte schweben
Auf Wolken, die im Dunkel bald entfliehen;

Und sieh! es sehnt doch alles sich, zu leben.

 

*

 

Dieses Abends warme Winde
Und das Licht, das mild verbreitet
Über Laubgewirr und Rinde
Der Kastanien bläulich gleitet;

Schöne Menschen, froh erbaute,
Die dort wandelnd Grüße tauschen
Und auf einer fernen Laute
Lieblich schwüle Klänge lauschen;

Alles, was ich rings empfinde
Und in trüber Lust verstehe:
Menschen, Töne, Licht und Winde,
Weckt Verlangen deiner Nähe.

Und versunken heb ich wieder,
Wie im Traume, Mund und Augen,
Fernher deiner süßen Glieder
Fernsten Atem einzusaugen.

 

*

 

Nenn ich die Seele mein, die weit entfernte,
Die immer dort, wo ich nicht bin, gefangen
Sich Beute sucht dem schweifenden Verlangen
Und ihrer Jahreszeiten schönste Ernte?!

Ein Seufzer, hebt sie flüchtig sich von hinnen,
Ein Blick, entschwebt sie den gelösten Lidern
Und ist entronnen so den starren Gliedern,
Wie Nebel der geballten Hand entrinnen.

Nichts, nichts, der Himmel nicht, der reich besternte,
Und nicht der wundervollen Fluren Schimmer
Hemmt ihren Flug; – empor, entfernter immer
Schwebt sie zu dir, o Seele, weit entfernte.

 

*

 

Da nun der Abend trägen Flugs genaht,
Fiel schwer ein Regen, – oh, wie er mit Duft
Und tiefem Glast die Flur gesegnet hat!

Im Garten wuchern Träume: trunken ruft
Die arme Nachtigall; und Sehnsucht lacht
Und schluchzt vielstimmig durch die feuchte Luft.

Nun wird sich Dunkel senken, und die Nacht
Wird hell sein von der jungen Blüten Weiß,
Und von den Lüsten, die ihr Hauch entfacht, –

Und die sie nicht wird stillen können, heiß.

 

*

 

Ach, könnte ich dich ansehn, von der Seite
Gleichsam dich ansehn nur, und still verweilen,
Erstaunt, wie schön du bist noch im Enteilen,
Wie schön noch fremd in fremder Schar Geleite!

Oh, könnt ich das! Doch ist um deine Wangen,
Um deine Schultern und um deine Lenden
Ein Glanz, und wie von unsichtbaren Händen
Gewebt ein Netz, darin mein Sinn gefangen.

Und so sind Pfad und Ziel dem Aug entglitten,
Und ganz geblendet folg ich, die im Fliehen
Dich, heißbegehrtes Bildnis, mir entziehen,
Den königlichen, leichten, deinen Schritten.

 

*

 

Abends, wenn der Wind die blauen Schwingen
Müde senkt und vor dem weichen Hauch
Still geführt mein Boot zum Hafen gleitet;
Wenn der Wellen silbern Heer besänftigt
Und gebettet in den warmen Glanz
Also leise atmet, daß die Schulter
Kaum des Steuers schwachen Druck noch spürt;
Wenn die Straßen in der hochgetürmten
Stadt, die schweigend dort am Ufer ruht,
Leichthin wandelnd, Dunkelheit durchgleitet
Und die Lichter – hier – und dort – erwachen, – –

Dann, dann hebt in Sehnsucht sich mein Herz:

Einmal werde ich mich hoch erheben
Und entfliehen dieser Einsamkeit!

Einmal, eines Abends werde ich
Dort, wo du verweilst, das Dunkel wandeln
Und der Lichter Heer erwachen sehn.

 

*

 

Die dort verzieht und verglüht
Über dem dunkelnden Tann,
Die goldene Abendwolke
Mahnt mich von neuem daran:

Ferne so ziehst du von mir,
Lächelnd und unbewegt,
Indes durch meine Seele
Rüttelnd der Nachtwind schlägt.

 

*

 

Du solltest dies nicht wissen, solltest nicht,
Und sei es auch in mir, noch etwas sehn,
Das einsam ist und muß beiseite stehn
Im Schatten, ohne Wärme, ohne Licht.

Ich weiß, du bist nicht froh. Doch dorthin ruft
Dein Herz, – und hier ruft meins. Wie weit, wie weit
Einander fern! – Ach, so von fremdem Leid
Und fremden Lüsten bebend ist die Luft.

 

*

 

Regen rinnt, Regen rinnt
Auf die dunklen Bäume.
So wie Regen rinnend sind
Unseres Lebens Träume.

Herz, mir nah, heute noch,
Kann dich doch nicht halten,
Lauern rings im Dunkel doch
Feindliche Gewalten.

Und so leicht, so geschwind
Bist du mir entronnen, –
Ach, wie Regen rinnend sind
Unseres Lebens Wonnen.

 

*

 

Da hinter Nebeln nun die Sonne ruht
Und Winde drohen und Gewölk und Regen,
Da Herbst nun aus den waldigen Gehegen
Die Wärme schwemmt mit kalter Lüfte Flut,

Scheint im Gesträuch des letzten Laubes Blut
In heißerem Verlangen sich zu regen,
Ein schwerer Duft entsteigt den feuchten Wegen,
Und alle Farben sind voll tiefer Glut.

Da du nun fern mir bist, und da der Schmerz,
Daß du nun fern mir bist, mich frösteln macht
Und mich die Kälte schreckt der öden Räume,

Glüht heißer auf mein Blut, das müde Herz
Ist sehnsuchtsvolleren Gelüsts entfacht,
Und tiefer sind die Farben meiner Träume.

 

*

 

Wir wandeln zwischen hohen glasnen Wänden
In engen Gängen jeder ganz für sich
Das stumme Schicksal ab, – und wohl kann ich
Dich sehn, dir meiner Sehnsucht Grüße senden
Und, wie du winkst, dir winken mit den Händen;
Doch nie – und dies ist unabänderlich –
In diesem Leben dir vereinen mich,
Denn Tod ist dort, wo unsere Gänge enden.

 

*

 

Wenn aus der Dämmerung vom Walde her
Ein Wind sich hebt,
Wenn nun das letzte Laub von Regen schwer
Zu Boden schwebt,
Wenn es nun dunkel wird und langsam sich
Die Sterne reihn,
Ach, wenn es dunkel wird und winterlich,
Erbebe ich,
Allein zu sein.

 

*

 


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