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Regung

 

Es dunkelt langsam, und in Sehnsucht regen,
Die in der Glut ermattet, leblos lagen,
Die Fluren sich, und müde Wellen schlagen
Und müde Wolken ziehn der Nacht entgegen.

Sie aber kommt und breitet weite Schatten
Und Kühlung über Nähe hin und Ferne,
Und weich gebettet in der heiteren Sterne
Gedämpften Glanz entschlafen Flut und Matten.

So neige denn auch mir, o dunkle Blüte,
O kühle Nacht, mit sanften Schlummers Gabe
Dein tröstend Haupt, denn reich ist deine Labe
Und mütterlich uns allen deine Güte.

 

*

 

Kühler sind die Lüfte, milder leuchten
Nun die Sterne aus der blauen Runde,
Weiche Düfte steigen aus dem feuchten,
Matten Silbers überströmten Grunde.

Bilder schimmern, ferne Töne schwingen,
Wie die hellen Bäche lauter rauschen,
Wie die Winde in den Wipfeln singen,
Die zu Bergen dunklen Glasts sich bauschen,

Wie der zarten Nebel holde Lügen
Jeder Enge deinen Blick entrücken, –
Trinke, schwerer Sinn, in tiefen Zügen
Trinke dieser schönen Nacht Entzücken!

 

*

 

In der blanken Luft erkaltet
Ist der Sonne warmer Glanz,
Blaue Nebel, zart gestaltet,
Schweben um der Dächer Kranz;

An den leicht betauten Zweigen
Hängen Blätter regungslos; –
Nun ein Zittern und ein Neigen
Unter harter Winde Stoß;

Wandervögel, späte, ziehen,
Herbstlich rauher Lüfte Raub; –
Noch ein Tag, und sie entfliehen,
Und zu Boden fällt das Laub.

 

*

 

Wie im Schlafe ruhen Land und Meer,
Und die fahlen, regnerischen Lüfte
Beben wie berauscht von reifer Düfte
Starkem Trank und atmen stumm und schwer.

In den Wolken geht ein dumpfer Reigen
Ferne und verhalten um; es klopfen
Leise an das Dach die ersten Tropfen,
Und, wie eine Woge, schwillt das Schweigen.

 

*

 

Ihr leichten Tage, die uns nun verliehen, –
Da nach dem Sturme im gestillten Wasser
Sich fernher spiegelnd flüssiger und blasser
Des Himmels aufgehellte Wolken ziehen,

Da ohne Sehnsucht wir auf lauem Winde
Die Vögel durch der Lüfte Glast enteilen
Und schwinden sehn, – o könntet ihr verweilen!
Doch, wie ihr leicht seid, seid ihr auch geschwinde.

 

*

 

Sanft in den Flüssen goldiger Helligkeiten
Des Himmels und der großen Wolken feuchten
Gebläsen aufgelöst verschwebt das Leuchten
Des weichen Stroms in silberhellen Weiten

Und schwemmt, da nun der Abend sinkt, in milder
Und stiller Flut der Wipfel und der Hänge,
Der Türme, Brücken, der bewegten Menge
Mit sich hinab die schwanken Spiegelbilder.

 

*

 

Um die Wolken spielen zarte Lichter,
Seltsame Gebilde tauchen auf,
Tänze, Spiele, lächelnde Gesichter
Und beglänzter Schleier holder Lauf.

Ach, ich kenne Tage auch und Sterne,
Doch die dunkle Nacht ist ohne Sinn, –
Wolken sind so rein in lichter Ferne,
Und sie ziehen leicht dahin.

 

*

 

In des fernen Meeres bleichem Glast
Schweben Schiffe; hin und wieder leuchtet
Rosenfarben in der Flut gefeuchtet
Ein gewandter Leib, ein weißer Mast.

In des kühlen Windes weichem Hauch
Schwankt die Halde; hin und wieder winken
Gräser schmalen Strahls, und Blätter blinken
Silbern auf am laß bewegten Strauch.

Schiffen gleich, die durch die Wellen hin,
Wellen gleich, die sanft durch Meeres Breiten,
Sanft, wie Wind und Licht im Felde gleiten,
Gleitet in die Ferne sanft der Sinn.

 

*

 

Ein blauer Duft säumt der Gelände Grün,
Und abendlicher feuchter Lüfte Fall
Läßt fern der Sonne tiefgesenkten Ball
Durch zarte Schleier feuerrot erglühn,

Bis nun das Licht versinkt, und das Gefild
Verdunkelt schweigt, und durch der Winde Rast
Und der erstarrten Wasser schwarzen Glast
Der erste Hauch der Nacht verhalten schwillt.

 

*

 

Langsam sinkt die Sonne; in ihr bleiches,
Wässeriges Licht verschwebt das weite,
Rosige Gewölk des leichten Abends.

Von den feuchten Weiden steigen Düfte,
Und die Büsche und die runden Wipfel
Schwimmen, schweren Schiffen gleich, im Nebel.

Menschen ziehn und Tiere, groß, wie Schatten,
Durch das fahle Meer; und ihre Stimmen
Irren in dem Dunst wie leises Stöhnen.

 

*

 

Die Welle zieht, und Flügel leiht der Wind
Den trägen Tagen. Wechselvoll gereiht
Zieht Bild um Bild vorüber mit der Zeit,
Und Zeiten gehn, die kaum gekommen sind,

Und Menschen gehen. Das bewegte Fest
Des Sommers ist verwelkt, verweht wie Staub,
Nur manchmal rauscht am Boden goldnes Laub
Noch träumend auf, des Frohsinns leichter Rest.

Doch weiter zieht die Welle, Kälte geht
Und bleiches Licht schon durch den nackten Wald,
Des Winters Boten. Ach, und alsobald
Ist auch das letzte goldne Blatt verweht.

 

*

 

Es ist nun Herbst, – und mit den müden Tagen
Wie gingen auch wohl wir so gern zur Ruh
Und deckten uns mit welkem Laube zu
Und schliefen ein mit leisen, lässigen Klagen. –

Doch ruhen? – Nein, nicht ruhen. Sterne glühen
Und Monde leuchten auf, wenn schwarz die Nacht,
Und Sonnen so, wenn bleich der Tag erwacht,
Und lächeln dem verworrenen Bemühen;

Und lächeln! – und es ist uns nicht gegeben,
Zu ruhen. – Denn der Sterne lichte Zier
Und Sonnen so und Monde lieben wir
Und sehn ihr lächelnd fernes Bild – und leben.

 

*

 

Da schwebst du wieder blassen Angesichtes,
Bestricker, über Meer und Land und Lüfte
Und webst in dieser Brust bewölkte Klüfte
Die Rosenbrücken deines stillen Lichtes.

Und wieder stehn, geweckt von solcher Milde,
Gestalten, Faltern gleich herbeigezogen,
Der Liebe auf und gleiten mit den Wogen
Vorüber durch die nächtlichen Gefilde.

O Flüchtige! – sieh, schon schwanken sie von hinnen,
Noch einmal winken sie, wie fern die Wellen,
Aufglänzend in des Mondes Strahlen, schwellen
Und schwinden hin, wie die im Sand zerrinnen.

 

*

 


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